Die Wiedergeburt im Geiste

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Naqual
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#31 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Naqual » Fr 14. Mär 2014, 16:18

kamille hat geschrieben: Es wird ja viel von der geistigen Wiedergeburt gesprochen. Manche fragen sogar,..." bist du wiedergeboren ?", weil ihnen die Aussage, das man gläubig sei nicht genügt.

Nun gibt es von Jesus nur einen einzigen Hinweis auf dieses Ereignis (Joh. 3 )
Diese geistige Wiedergeburt ist auch nötig um in das Reich Gottes zu kommen, wie er sagt.

Ist ein Gläubiger automatisch geistig wiedergeboren ?
Ich meine ja, weil es sonst keine besonderen Erläuterungen dazu gibt.

In der Bergpredigt und speziell bei den Seligpreisungen geht es nur um geistige Talente oder Tugenden, und besonders um die Reinheit des Herzens um Gott zu schauen.
Darum gehe ich davon aus, dass diese Wiedergeburt automatisch erfolgt.
Obwohl besonders charismatische Christen ein außerordentliches Empfinden oder Geschehen damit verbinden.

Ich denke, dass die "geistige Wiedergeburt" zu technisch-mechanisch interpretiert wird. Wahrscheinlich war damit folgendes gemeint: wenn jemand einen Weg des Glaubens beschreitet und an sich entsprechend arbeitet, dann wird er zu einem anderen Menschen im Vergleich zu vorher. Vieles was er früher getan hat, wird er heute nicht mehr so wollen, oder anders. Und die Änderung eines Gläubigen wurde SYMBOLHAFT verglichen mit einer neuen Geburt. Weil dies einfach den enormen Unterschied zu dem "vorher" deutlich macht.
Ich würde ausschließen, dass es zum Abgrenzen von anderen Gläubigen gemeint war und dazu diente einen elitären Zirkel innerhalb vieler anderer Gläubiger zu bilden.
Abgrenzungnotwendigkeiten gab es in der Urgemeinde aufgrund dogmatischer Differenzen (siehe Paulus mit einigen sehr hitzig wirkenden Einlassungen auf Andersdenkende im christlichen Lager). Das ist aber mit der "Wiedergeburt" klar nicht gemeint. Die andere Abgrenzung, gedanklich entlang der Linie "echte und unechte Christen" dürfte erst später aufgekommen sein (nicht zur Zeit des NTs): als die politischen Verhältnisse mit dem Christentum als Staatsreligion dafür sorgte, dass (fast) alle Einwohner größerer Gebiete und ganzer Länder Christen sein mussten. Völlig unabhängig von einem eigenen tiefgläubigen Erleben.

Bei den Charismatikern sehe ich persönlich zwei Dinge kritisch:
a) der Wunsch nach übernatürlichem Erleben und auf dieser Art gestalteten Bestätigungen des eigenen Glaubens.
Langfristig ist dies für die Betroffenen (nach anfänglichen Hochgefühlen) immer eine Sackgasse. Der Geist weht,wie der Wind, wo er will. Und der einzelne Gläubige hat nicht einfach übernatürliche Gaben, sondern er hat Erlebnisse, die man natürlich nicht mehr erklären kann und die er nicht einfach herbeirufen kann. (Gefahr des Schwärmertums)
b) die Charismatiker haben in in ihrer Mehrheit ein Denken, das mich an viele "Evangelikale" stark erinnert. Also starke Orientierung am einfachen deutschen Wortlaut der Bibel, das gelegentlich zu simpel mechanisch funktioniert und ein tieferes Ergründen der Bibel geradezu im Weg steht. z.B. nennt Paulus ganz konkret Beispiele für geistige Gaben. Für ihn sind es einige mögliche Erscheinungsformen des Wirkens Gottes. Für viele Charismatiker gibt es nur die aufgezählten Gaben. Alles andere wäre ja - da "unbiblisch" (nicht ausdrücklich von Paulus aufgeführt) - gefährlich.
Und mir mutet es immer ein wenig seltsam an, dass ausgerechnet das einfache Zungenreden (kann man nicht widerlegen, wenn der betroffene es glaubt) die am weitesten verbreiteste Gabe ist. Aber auch die am wenigsten bringt. Warum sollte Gott mit Gläubigen in Sprachen sprechen, die dieser nicht versteht? Das empfinde ich als eigenartig. Zutiefst.

2Lena
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#32 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von 2Lena » Sa 15. Mär 2014, 15:41

Naqal: Und mir mutet es immer ein wenig seltsam an, dass ausgerechnet das einfache Zungenreden (kann man nicht widerlegen, wenn der betroffene es glaubt) die am weitesten verbreiteste Gabe ist. Aber auch die am wenigsten bringt. Warum sollte Gott mit Gläubigen in Sprachen sprechen, die dieser nicht versteht?
Gabe oder Lesefehler?
Laschon, in Hebräisch sowohl Zunge als auch Sprache.
Das Wort findet Verwendung in "böses Maul" auch in Umgangssprache, Klatsch oder ist Ausdruck.

Wenn "feurige Zungen" erschienen, waren da feuerige Reden...

APG 10. 46 Denn sie höreten, daß sie mit Zungen redeten und Gott hoch preiseten.
Da antwortete Petrus:

Die zusätzlichen:
Die hörten übel reden und die Dummheit preisen (?) / oder war hier das Beste das sie lobten?Da antwortete Petrus oder anders gesagt: Hier reagiere man mit einer Öffnung....

Peter ist je nach Schreibweise Beginn, Eröffnung oder lösen (von Rätseln z.B.)
Das hieß dann Verrücktheiten loslassen und mit Stärken beginnen oder so ähnlich...

P.S. Die APG beschreibt die Anfänge des Christentums.

Lena
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#33 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Lena » Sa 15. Mär 2014, 18:58

Wiedergeboren und gläubig ist für mich das gleiche. Der Mensch will in eine andere Richtung gehen.......Er macht sich auf den Weg......von den Säuen zum Vater.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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Demian
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#34 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Demian » Mi 26. Mär 2014, 20:59

Naqual hat geschrieben:Ich denke, dass die "geistige Wiedergeburt" zu technisch-mechanisch interpretiert wird. Wahrscheinlich war damit folgendes gemeint: wenn jemand einen Weg des Glaubens beschreitet und an sich entsprechend arbeitet, dann wird er zu einem anderen Menschen im Vergleich zu vorher. Vieles was er früher getan hat, wird er heute nicht mehr so wollen, oder anders. Und die Änderung eines Gläubigen wurde SYMBOLHAFT verglichen mit einer neuen Geburt.
Ich würde ausschließen, dass es zum Abgrenzen von anderen Gläubigen gemeint war und dazu diente einen elitären Zirkel innerhalb vieler anderer Gläubiger zu bilden.

Sehr schön beschrieben. Dem würde ich zustimmen. Die Wiedergeburt - in diesem geistigen Sinne - ist die Wiedererinnerung unsres wahren Wesens und der Wahrheit der Liebe, als Erfahrung der göttlichen Quelle, von der wir uns mehr und mehr durchdringen lassen können. In der Septuaginta die metanoia, eine Umkehr des Menschens nicht nur im Denken, sondern in seiner ganzen Existenz zu Gott.

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Demian
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#35 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Demian » Mi 26. Mär 2014, 21:10

closs hat geschrieben:Doch - zunächst mein Übersetzungsvorschlag (7,22f, David Stern): "Denn in meinem inneren Selbst stimme ich vollkommen mit Gottes Torah überein; in meinen Gliedern aber erkenne ich eine andere "Torah", eine, die mit der Torah in meinem Verstand kämpft und mich zum Gefangenen der "Torah" der Sünde macht, die in meinen Gliedern handelt".

"Das Gesetz in mir" (Kant) ist in diesem Sinne das "in meinem inneren Selbst stimme ich vollkommen mit Gottes Torah überein" - und nicht die Sünden-Torah. - Und dieses "Gesetz in mir" steht auch im Römer-Brief über der geschriebenen Torah:

(2,14) "Denn wann immer Heiden, die die Torah nicht haben, ganz selbstverständlich tun, was die Torah fordert, sind sie, auch wenn sie die Torah nicht haben, selbst Torah!".

Ein wirklich schöner Beitrag, der mir erst jetzt aufgefallen ist! Ich danke dir. Das sind wirklich gute und wahre Worte! Krishna in der Bhagavatpurana (Kap. 19.42–43): „Hölle ist das Ausdehnen von Tamas (Trägheit, geistige Dunkelheit). Himmel ist das Ausdehnen von Sattva (innere Harmonie, Einheit mit dem Selbst).“ - das sind also zeitlose Weisheiten eines "sanathana dharma", einer ewigen geistigen Wahrheit. Das Gesetz in mir ist "die Einheit mit dem Selbst", während die Sünde "geistige Dunkelheit" - Verhüllung des Selbst - ist. Der Geist ist wie ein beschmutzer Spiegel, der erst mal gesäubert werden muss. Die Wiedergeburt - Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis - ist schlicht und ergreifend die eigentliche (spirituelle) Geburt ins Leben, in das, was ich wirklich bin. ;)

Das drückt diese Weisheitsgeschichte sehr schön aus : Als ein Schüler anmahnte, die geistliche Lehre des Meisters müsse auf den heutigen Stand gebracht werden, lachte der Meister laut auf. Dann erzählte er die Geschichte von einem Studenten, der sich in einem Antiquariat beschwerte: “ Haben Sie keine neueren Bücher über Anatomie? Diese hier sind doch mindestens zehn Jahre alt. “ Sagte der Buchhändler: “ In den letzten zehn Jahren kamen zum menschlichen Skelett keine neuen Knochen hinzu, mein Lieber. “ Und der Meister ergänzte: “ Ebenso wenig gab es irgend einen Zusatz zu der
Natur des Menschen in den letzten zehntausend Jahren. “

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#36 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von closs » Mi 26. Mär 2014, 21:37

Demian hat geschrieben:Die Wiedergeburt - Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis - ist schlicht und ergreifend die eigentliche (spirituelle) Geburt ins Leben, in das, was ich wirklich bin. ;)
Und dieses "Stirb und Werde", mit dem sich zu diesem Thema Goethe einklinkt, ist eine universale Größe, die in jeder geistigen Hochkultur präsent ist. - Insofern ist unsere westliche Kultur ausdrücklich KEINE Hochkultur.

"Jede geistige Hochkultur" bedeutet natürlich auch, dass dort jeweilige und somit unterschiedliche Chiffren/Gleichnisse zu den selben wichtigen Themen gefunden werden - insofern sind alles Hochkulturen verbrüdert - auch das kann man in Röm. 2,14 "Denn wann immer Heiden, die die Torah nicht haben, ganz selbstverständlich tun, was die Torah fordert, sind sie, auch wenn sie die Torah nicht haben, selbst Torah!" hineinlesen.

Damit könnte man im Sinne Nathans des Weisen die Diskussion beenden. - Trotzdem würde ich hinzufügen, dass das Christentum etwas Einzigartiges zu bieten hat: Die Aufhebung der ontologischen Differenz in Jesus - aber das wäre ein anderes Thema.

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#37 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Demian » Mi 26. Mär 2014, 22:53

closs hat geschrieben:Damit könnte man im Sinne Nathans des Weisen die Diskussion beenden. - Trotzdem würde ich hinzufügen, dass das Christentum etwas Einzigartiges zu bieten hat: Die Aufhebung der ontologischen Differenz in Jesus - aber das wäre ein anderes Thema.

Jesus hat uns einen Weg gewiesen: durch selbstlose Hingabe an das Eine, das alles ist. Im Herzen meiner selbst und im Herzen aller Dinge. Das ist auch das Entscheidende: Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart.(Gerhard Terstegen) ... mit dem Herzjesugebet kann man das auf alle Lebensbereiche übertragen.

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#38 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Demian » Mi 26. Mär 2014, 23:05

Wie stehst Du zu diesem Gedanken von Fichte?

Dort (*im ursprünglichen Christentum ) findet kein anderer Beweis statt als der innere, am eigenen Wahrheitssinne und geistlicher Erfahrung; wer Jesus selbst für seine Person gewesen oder nicht gewesen sei, daran kann bloß dem Pauliner liegen, der ihn zum Aufkündiger eines alten Bundes mit Gott und Abschließer eines neuen in
desselben Namen machen will ... der reine Christ kennt gar keinen Bund noch Vermittlung mit Gott, sondern bloß das alte, ewige und unveränderliche Verhältnis, daß wir in ihm leben, weben und sind; und Er fragt überhaupt nicht, wer etwas gesagt habe, sondern was gesagt sei; selbst das Buch, worin dies niedergeschrieben sein mag, gilt ihm nicht als Beweis, sondern nur als Entwicklungsmittel – den Beweis trägt er in seiner eigenen Brust. Dies ist meine Ansicht der Sache.

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#39 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von closs » Do 27. Mär 2014, 00:06

Demian hat geschrieben:Wie stehst Du zu diesem Gedanken von Fichte?
Eher zweispältig - Fichte erscheint mir nicht als Mystiker, also Vereiner, sondern eher als Romantiker, also Trenner. - Aber auch das wäre ein arg umfangreiches Thema.

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#40 Re: Die Wiedergeburt im Geiste

Beitrag von Demian » Do 27. Mär 2014, 03:33

closs hat geschrieben:Eher zweispältig - Fichte erscheint mir nicht als Mystiker, also Vereiner, sondern eher als Romantiker, also Trenner. - Aber auch das wäre ein arg umfangreiches Thema.

Was ist denn an der Romantik trennend, deiner Meinung nach? "Alles Mystische ist personell - und mithin eine Elementarvariation des Weltalls." - "Die individuelle Seele soll mit der Weltseele übereinstimmen." - "Unser ganzes Leben ist Gottesdienst." - "Alle geistige Berührung gleicht der Berührung eines Zauberstabs. Alles kann zum Zauberwerkzeug werden." - das schrieb alles Novalis in seinen Fragmenten. Ein herrliches Zeugnis der christlichen Mystik!

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