es wurde ja bereits angesprochen, dass im Prinzip für eine Aussage, dass eine Auslegung „falsch“ sei, eine verlässlich „richtige“ Auslegung bestehen müsste.
Als ich mich mal ein wenig mit dem Umgang der Juden bzw. Rabbiner mit der Heiligen Schrift beschäftigt habe, fiel mir auf, dass ein großer Teil des jüdischen Denkens ein Vergleichen möglicher Auslegungen ist ohne dabei unbedingt einen Sieger erklären zu müssen. Das beginnt im Judentum z.B. schon bei der Bedeutung einzelner Worte bishin zu einer einer Betrachtung von Texten als vielschichtig zu verstehende Aussagen. Zum Beispiel las ich mal von einem Passus, wo davon handelte, dass man eine Kerze so anzünden solle, dass man die Flamme an den Docht hält bis dieser deutlich auflodert. Ein Rabbi legte das als Erziehungskonzept aus, dass man einem Kind nicht nur mal kurz zu etwas auffordern solle, sondern im richtigen Handeln bei ihm bleiben solle, bis das richtige Handeln in dem Kind wirklich angekommen ist. Andernfalls würde das Kind nur unnötig lange mit dem richtigen Handeln ringen bzw. dieses sogar wieder recht bald erlöschen.
In einem anderen Kontext habe ich mal versucht zu erklären, dass es weniger um eine Richtung geht als um das Ziel. Wäre das Ziel übertragen auf ein Bild z.B. dass alle Leute nach Berlin gehen sollten, dann würde es für die einen bedeuten, dass sie besser nach Norden gehen, die anderen besser nach Süden, usw. Also kann für einen gemäßigten Menschen eine radikale Aufforderung gut sein, hingegen für einen radikalen Menschen die Aufforderung zur Mäßigung.
Wenn Pharisäer oder Schriftgelehrte Jesus aufs Glatteis führen wollten, konfrontierten sie ihn zumeist mit einem Problem, bei dem man gemäß der Bibel den Eindruck haben könnte, dass man sich da in ein Dilemma verstrickt. Also egal wie man es auslegen würde, könnte man dann vorwerfen, dass die gewählte Auslegung der Bibel widerspricht. Wenn man diese Problematik etwas abstrahiert, dann ergibt sich das Problem deshalb, weil der Mensch dazu neigt aus einzelnen Aussagen ein Gesetz oder Dogma zu machen. Wer fleischlich gesinnt war, brauchte also nur ewig über solch ein Dilemma zu diskutieren und könnte so zuverlässig verhindern jemals gottgemäß zu handeln.
[quote]Denn das ganze Gesetz ist in einem Worte erfüllt, in dem: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst".[/quote]â€â€[url=http://bible.com/57/gal.5.14.elb]Galater‬ â€5:14‬ â€ELB‬‬[/url]
Das Fleisch neigt ganz gerne dazu die Bibel so auszulegen, dass es die eigene Fleischlichkeit rechtfertigt (was meine Antwort auf Dein „Warum“ in der Überschrift bei diesem Thema ist). Aber worin besteht da dann die Liebe zum Nächsten? „Wie Dich selbst“ ist eben nicht das Gleiche wie „nur Dich selbst“.
Außerdem finde ich, dass die „Liebe zur Wahrheit“ nicht unerwähnt bleiben sollte:
[quote]und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, daß sie der Lüge glauben, auf daß alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit.[/quote]â€â€[url=http://bible.com/57/2th.2.10-12.elb]2. Thessalonicher‬ â€2:10-12‬ â€ELB‬‬[/url]
Besonders interessant finde ich dabei, dass ein Mangel an der Liebe zur Wahrheit also einhergeht mit einem Wohlgefallen an Ungerechtigkeit. Oder anders ausgedrückt: auch hier fehlt es an der Liebe zum Nächsten, da wohl niemand ungerecht behandelt werden möchte, aber beim Umgang mit Anderen dergleichen all zu leicht in Kauf genommen wird.
Grüße,
Daniel.
P.S. Ich verstehe nicht, warum die Quotes und URLs nicht ordentlich dargestellt werden, weswegen ich es leider auch nicht besser machen kann
