lovetrail hat geschrieben:Andreas, ich versteh dich schon, glaube ich. Aber was ist denn nun deine Conclusio daraus? Oder geht es dir primär darum,zum Nachdenken anzuregen?
Ich hab keine Conclusio. Ich mach mir Gedanken über uns Christen, woran es liegt, dass wir so gespalten sind. In der Geschichte des Christentums aber auch im Kleinen, wie hier im Forum. Warum schlagen wir immer so aus der Art dessen, der unser Vorbild ist? Ich suche nach den Ursachen, nach Antworten. Ich habe kein Patentrezept. So wie es ist, ist vieles nicht gut. Jesus fordert uns zum Umdenken auf. Das passt doch zur Problemlage. Wenn wir nicht umdenken, bleibt es so wie es ist. Wenn jeder darauf hofft, dass der Andere umdenkt, denkt niemand um. Das erleben wir ja leidvoll. So kann das nichts werden.
Wo kann man den Hebel ansetzen? Was hindert uns? Darüber denke ich schon seit langem nach. Unterschiedliches Bibelverständnis ist das, was zunächst am auffälligsten ins Auge springt. Irgendwann wollte ich die Bibel verstehen und las sie von vorne bis hinten durch - einmal, zweimal, dreimal. Ich verstand kaum etwas.
Ist viel Text, zuviel Text am Stück, zu komplex, zu fremdartig. Meine mentale Werkstatt ist viel zu klein für dieses monströse Werkstück "die Bibel". Ich brauchte Hilfe. Ich las Kommentare. Da wurde relativ viel behauptet und relativ wenig nachvollziehbar begründet. Es viel mir schnell auf, dass es ziemliche Unterschiede in den Interpretationen gab, je nach dem, aus welcher theologischen Ecke sie kamen. Ich wollte aber lernen "die Bibel" und nicht die Theologien der miteinander im Clinch stehenden Kirchen zu verstehen. Okay, das wird also auf eine persönliche Angelegenheit zwischen mir und dem Text hinauslaufen müssen.
Ich hoffte, über die Hintergründe der Entstehungsgeschichte der Bibel weiter zu kommen. Ich lernte einige interessante Fakten über Handschriften, Übersetzungen, Geschichte, Archäologie, Religionsgeschichte, Kirchengeschichte uvm. Das änderte ein wenig mein Verhältnis zur Bibel, ich las ein wenig anders und verstand manches mehr.
Mir wurde klar, dass es da einen Unterschied zwischen der historischen Geschichte und den biblischen Geschichten gab. Das änderte nichts am Text, aber etwas an meiner Einstellung mit der ich an den Text heranging. Der literarische Aspekt rückte etwas mehr in den Vordergrund - ohne dass die Bibel in meinen Augen zu bloßer Literatur verkam. Ich sag es mal so: Aus der "Heiligen Schrift" wurde für mich "Heilige Literatur mit Geschichtsanteilen".
Das half mir, die Texte anders zu verstehen als bisher - eben ein wenig umzudenken - weil die geistlichen Anteile deutlicher zu Tage treten konnten, wenn ich mein Augenmerk nicht mehr so sehr auf das Geschichtliche richte. Dadurch erkannte ich auch in der Schrift, dass genau das auch manchen Schreibern der Bibel im Laufe der Jahrhunderte klar geworden ist und sie das ältere Gottesbild (Tun-Ergehen-Theologie auf dem Gehorsam aufbauend) mit ihrem besser entwickelten Geschichtsverständnis und ihrer Realgeschichte nicht mehr in Einklang bringen konnten. Deshalb redigierten sie die Texte teilweise. Andere Schreiber versuchten am alten Verständnis festzuhalten oder fielen wieder in die alten Muster zurück. Auch politische, wirtschaftliche Einflüsse spielten bei ihrem Schreiben eine Rolle. Warum sollte es damals anders gewesen sein als heute? Sachzwänge des Alltags und religiöses Leben beeinflussen sich gegenseitig, beides muss realisiert und organisiert werden. Das geht nicht "ruckelfrei" - damals nicht und heute nicht. Umgedacht: die Bibel ist nicht aus einem Guss "Gottes Wort" aber Gott meldet sich darin dennoch immer wieder mal zu Wort.
Die Frage ist dann wo man Menschenwort und wo man Gotteswort in der Bibel verortet. Möglicherweise kommen sich Frager nicht so leicht in die Haare wie Antworter. So ganz unbiblisch wäre das nicht.
Das auch von mir unvermeidliche Zitatengehoppel zur biblischen Untermauerung:
1.Chr 16,11 hat geschrieben:Fragt nach dem Herrn und seiner Macht, sucht sein Antlitz allezeit!
Ps 83,17 hat geschrieben:Bedecke mit Schmach ihr Gesicht, damit sie, Herr, nach deinem Namen fragen.
Ps 105,4 hat geschrieben:Fragt nach dem Herrn und seiner Macht; sucht sein Antlitz allezeit!
Jes 31,1 hat geschrieben:Weh denen, die nach Ägypten ziehen, um Hilfe zu finden, und sich auf Pferde verlassen, die auf die Menge ihrer Wagen vertrauen und auf ihre zahlreichen Reiter. Doch auf den Heiligen Israels blicken sie nicht und fragen nicht nach dem Herrn.
Jer 2,6 hat geschrieben:Sie fragten nicht: Wo ist der Herr, der uns aus Ägypten heraufgeführt, der uns in der Wüste den Weg gewiesen hat, im Land der Steppen und Schluchten, im dürren und düsteren Land, im Land, das keiner durchwandert und niemand bewohnt?
Jer 2,8 hat geschrieben:Die Priester fragten nicht: Wo ist der Herr? Die Hüter des Gesetzes kannten mich nicht, die Hirten des Volkes wurden mir untreu. Die Propheten traten im Dienst des Baal auf und liefen unnützen Götzen nach.
Zef 1,6 hat geschrieben:und alle, die dem Herrn den Rücken kehren, die ihn nicht suchen und nicht nach ihm fragen.
Soweit mal bis hierher.