Parusieverzögerung III

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Pluto
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#1871 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Pluto » Di 8. Sep 2015, 20:14

Hemul hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was liest Du daraus?
Was liest Du denn hier heraus? :roll:
Du zuerst, Hemülchen.

Hau rein in die Tasten...
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Hemul
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#1872 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Hemul » Di 8. Sep 2015, 20:39

Münek hat geschrieben:Was liest Du daraus?
Hemul hat geschrieben:Was liest Du denn hier heraus? :roll:
Pluto hat geschrieben:Du zuerst, Hemülchen. Hau rein in die Tasten...
Das glaubst auch Du nur. ;) Jetzt flugs aber zurück zu den Affen -äh- Darwin. :lol:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Savonlinna
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#1873 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Sep 2015, 20:56

Novalis hat geschrieben: Das hat gar nichts mit der Durchsetzung einer bestimmten Weltanschauung zu tun, Menschen beeinflussen sich immer gegenseitig;
Natürlich beeinflussen sich Menschen immer gegenseitig.
Das habe ich nicht abgestritten.

Novalis hat geschrieben: und ganz sicher sehe ich Menschen nicht als "Manipulationsmasse"; es ist mir ein Rätsel, wie Du von meinem Beitrag auf so ein Wort kommst.
Ich bin auf dieses Wort gekommen durch diesen Deinen Satz:
Novalis hat geschrieben:Entweder Menschen mit einem guten Willen schließen sich zusammen und beeinflussen andere Menschen oder der Job wird von denen übernommen, die es ganz und gar nicht gut meinen.
In beiden Fällen wird der Mensch als Manipulationsmasse angesehen, weil man ihn eben nach der eigenen Facon beeinflussen will.
Ob man guten oder schlechten Willens dabei ist, ist für mich nicht entscheidend. Beides ist kein guter Wille.
Jeder will den anderen in sein Lager ziehen, und dazu muss er halt den anderen in irgendeiner Form bearbeiten.

Es ist also ein Ringen um den anderen: kriege ich ihn katholisch oder kriege ich ihn adventistisch oder kriege ich ihn atheistisch usw.
Nur eins vergisst man dabei: dass man den anderen auch in Ruhe lassen kann. Er kann selber wählen, welche Beiträge im Forum ihm einleuchten, welche Bücher er lesen will, und welchen Weg er geht.
Wenn Menschen ihre Überredungskunst einsetzen, um den anderen in das eigene Lager zu ziehen, versuchen sie, ihn von sich selber wegzuziehen, ihn zu spalten und mit Suggestionskraft - je nach Charisma des Suggerienden - seinen eigenen Weg zu blockieren.

Darum ist für mich nur die Pädagogik akzeptabel, die, wenn um Hilfe gebeten wird, man versucht herauszufinden, wohin der andere eigentlich immerlich will.
C.G.Jung hat das vertreten ("Individuation"), Carl Rogers mit seiner personenkonzentrierten Psychologie auch.
Diejenigen, die die anderen nach der eigenen facon beeinflussen wollen, wollen den anderen fremdbestimmen; Jung und Rogers aber wollen zulassen und, falls erwünscht, mithelfen, dass das Individumm sein EIGENES inneres Ziel verwirklicht, seine Bestimmung also erst einmal erkennt und dann ihr folgt.

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Savonlinna
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#1874 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Savonlinna » Di 8. Sep 2015, 21:36

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich beziehe mich hier die ganze Zeit auf Deine Aussage, dass man letztlich wissen will, was Jesus gedacht hat.
Als Ideal würde ich daran festhalten - umgekehrt: Es kann nicht sein, dass man etwas oder jemanden ausschließlich als Anregung für eigene Gedanken hat. - Ich behaupte nicht, dass man das Ideal erreichen kann.
Was ich daran so schwer nachvollziehen kann: dass man ein Ideal hat, das nicht nur gänzlich gegen die gesamte Natur geht - man kann nun mal Gedanken anderer nicht lesen, und schon gar nicht die von Verstorbenen -, sondern von dem wirklich Wertvollen entfernt.

Das wirkt so auf mich, als ob jemand sein Leben lang das Ideal hat, auf einen Menschen mit drei Nasen zu stoßen und dabei wirklich wesentliche Dinge nicht verfolgt.

Was ich blau markiert habe: das wäre in meinen Augen auch nicht die Alternative.
Die Alternative wäre, eine andere Form der Realität als die der physischen zu verstehen zu suchen.
Für mich steckt da einfach eine große Weisheit dahinter, dass sich Menschen physisch von einem entfernen, mit den Jahren.
Deine Aussage klingt ein bisschen so für mich - und ich kann das ja nun sogar auch nachvollziehen -, dass man von den Gebeinen eines geliebten Menschen nicht loskommt, die Knochen in seinem Zimmer aufbewahrt, immer mit der Hoffnung, dass die Knochen sich doch noch mal wieder zusammensetzen.

Aber es kann doch auch ganz anders sein. Ich muss wieder mal den Heiligen Geist ins Spiel bringen.
Es kann doch sein, dass der Gott, an den Du glaubst, die Gestalt des Jesus, so, wie sie für dich wichtig ist, mittels Rezeption - also mittels dichterisch-visionärer Schau, an der über die Jahrtausende gearbeitet wird, "gebiert", oder gebären lässt.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das verdinglichte Denken ist die Voraussetzung für naturwissenschaftliches Denken.
Wenn Du unter "nicht-verdinglichtes Denken" "geistiges Denken" verstehst, hast Du Dich sehr wohl verständlich gemacht - aber ich frage lieber mal nach.
Das war auch klug, nachzufragen. :)
Denn ich verstehe noch immer nicht, wie man "Denken" rein materiell auffasst. Denken ist kein materieller, sondern geistiger Prozess. Immer.
Aber wenn Du es verdoppelst - "geistiges Denken" - dann verstehe ich den Zusatz nicht. Damit ist eine bestimmt Form des Denkens gemeint - aber welche?

Das Gegenteil von "verdinglichen" ist für mich so was wie: "flüssig lassen".

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Denn die überlieferten Aussagen beziehen sich in keinem Punkt auf das Denken der Person, sondern nur auf Geäußertes der Person.
Das ist schon klar. - Aber MUSS man es komplett abgehoben von der Person, der es zugeordnet wird, verstehen? - Kann man nicht wenigstens das Ziel haben, dass das eigene Verständnis dem nahekommt, was die Person gedacht hat? - Ohne, dass man es selbstverständlich nie nachweisen kann. - Aber es kann doch ein innerer Antrieb sein, der nicht nach Lohn fragt - oder nicht?
Ich habe es insofern leichter als Du, als ich Mythisches nur als Ahnung für eine zukünftige - realisierbare! - Utopie halte.
Bloch nennt das "Konkrete Utopie".

Wir als Menschen sind noch nicht fertigentwickelt. Wir ahnen etwas, was ab und zu in visionären Gedichten oder Erzählungen ausbricht.
Möglicherweise ist es virtuell in uns, oder wir erschaffen es - sind schöpferisch. Bloch gibt Tipps, wie man es in uns erwischen kann, dieses Utopische, nach deren Realisierung wir uns sehnen.

Wenn man also, um in Deiner religiösen Sprache zu bleiben, den Jesus, den man sucht, verstehen will, dann muss man in sich selber hineinhören.
Denn Gott kann nur IM MENSCHEN geboren werden. Nicht im Sinne von erfunden werden, sondern im Sinne von: real gemacht werden.

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#1875 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Di 8. Sep 2015, 22:47

Savonlinna hat geschrieben:man kann nun mal Gedanken anderer nicht lesen
Darum geht es doch nicht. - Es geht darum, dass man sich bemüht, aus Aussagen anderer nicht nur etwas Eigenes zu machen, sondern diesen Aussagen gerecht zu werden. Natürlich kann man dies nie erreichen, aber man kann doch die Aussage-Quelle nicht einfach als solche entsorgen, nachdem man sich von ihr hat anregen lassen ("Egal, was Du gedacht hast - Hauptsache, Du hast mich inspiriert").

Savonlinna hat geschrieben:Die Alternative wäre, eine andere Form der Realität als die der physischen zu verstehen zu suchen.
Falls ich Dich richtig verstehe: Ja. - Natürlich nimmt man Gehörtes/Gelesenes als Anstoß, um es (ich würde es nennen:) "Geistiges" daraus zu entwickeln.

Aber jetzt kommt der Punkt: Wenn aus Jesu Mund (egal jetzt mal, durch wen vertreten) 100 Aussagen kommen, die einzigartig zusammenpassen, glaube ich schon, dass man ein insgesamtes Gefühl bekommen kann, was er gedacht hat.

Savonlinna hat geschrieben:Deine Aussage klingt ein bisschen so für mich - und ich kann das ja nun sogar auch nachvollziehen -, dass man von den Gebeinen eines geliebten Menschen nicht loskommt, die Knochen in seinem Zimmer aufbewahrt, immer mit der Hoffnung, dass die Knochen sich doch noch mal wieder zusammensetzen.
Passt eigentlich nicht zu mir - für mich ist alles Vergängliche nur Offenbarung für Geist - auch das Historische. - Aber wenn in einer dieser Offenbarungen Leben steckt (wenn also eine Offenbarung Mensch ist), ergibt sich natürlich ein Identifikations-Feld.

Savonlinna hat geschrieben:Es kann doch sein, dass der Gott, an den Du glaubst, die Gestalt des Jesus, so, wie sie für dich wichtig ist, mittels Rezeption - also mittels dichterisch-visionärer Schau, an der über die Jahrtausende gearbeitet wird, "gebiert", oder gebären lässt.
Guter Satz. :thumbup: - Du hast soeben "Offenbarung" und "Heilsgeschichte" verschmolzen. - Absolut einverstanden.

Savonlinna hat geschrieben:Denn ich verstehe noch immer nicht, wie man "Denken" rein materiell auffasst.
Ich, und Denken materiell auffassen? :o :o :o Da bist Du aber wirklich an der falschen Adresse.

Savonlinna hat geschrieben:Aber wenn Du es verdoppelst - "geistiges Denken" - dann verstehe ich den Zusatz nicht. Damit ist eine bestimmt Form des Denkens gemeint - aber welche?
In Abgrenzung zu intellektuellem Denken.

Savonlinna hat geschrieben:Möglicherweise ist es virtuell in uns, oder wir erschaffen es
Persönlich glaube ich, dass wir nicht ex nihilo "erschaffen", sondern ideenhaft (vielleicht meinst Du das mit "virtuell") Vorhandenes gestalten.

Savonlinna hat geschrieben:Denn Gott kann nur IM MENSCHEN geboren werden. Nicht im Sinne von erfunden werden, sondern im Sinne von: real gemacht werden.
So ist es. - Die nächste Frage wäre dann: Durch wen "real gemacht"?

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Münek
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#1876 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 9. Sep 2015, 00:43

Hemul hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Nimm doch z.B. einfach den Text Offb. 1, 1+3 zur Kenntnis. Da steht doch alles
Wesentliche
. Ich habe ihn zitiert.
Was liest Du daraus?
Was liest Du denn hier heraus? :roll:

Na genau das, was da steht. Was steht denn da? Lesen kannst Du doch.

Nochmal der Text für Dich (Offb. 1, 1+3):

"Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen
Knechten zeigt, was BALD geschehen MUSS...denn die Zeit ist NAH.....

Im Kapitel 22, 20 versichert der "auferstandene Christus": "Ja, ich komme BALD."


Das war vor über 1900 Jahren... Wieso hat der "Sohn Gottes" sein gegebenes Wort NICHT gehalten... :o
Schon zu seinen Lebzeiten hat er seinen Landsleuten verkündigt: "Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen." :thumbup:
Die Mitglieder der sieben angeschriebenen kleinasiatischen Gemeinden haben sein versprochenes Kommen sooo erwartet... :cry:

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Halman
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#1877 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Halman » Mi 9. Sep 2015, 03:29

Münek hat geschrieben:Nochmal der Text für Dich (Offb. 1, 1+3):

"Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen
Knechten zeigt, was BALD geschehen MUSS...denn die Zeit ist NAH.....

Im Kapitel 22, 20 versichert der "auferstandene Christus": "Ja, ich komme BALD."


Das war vor über 1900 Jahren... Wieso hat der "Sohn Gottes" sein gegebenes Wort NICHT gehalten... :o
Schon zu seinen Lebzeiten hat er seinen Landsleuten verkündigt: "Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen." :thumbup:
Die Mitglieder der sieben angeschriebenen kleinasiatischen Gemeinden haben sein versprochenes Kommen sooo erwartet... :cry:
Ich erlaube mir mal, in Deinem Bibelzitat ein paar Wörter durch die griechischen zu ersetzen:

"Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen
Knechten zeigt, was εν ταχει geschehen MUSS...denn die Zeit ist εγγύς.....

"Ja, ich komme ταχυ."


Die rot markierten Begriffe vermitteln meiner Meinung nach eher den Gedanken einer Plötzlichkeit, deren Zeitpunkt im Sinne von Apk. 16:15 unbestimmt ist.
Das blau markierte Wort vermittelt den Gedanken von "Nähe". Aber DAS hatten wir schon abgefrühstiückt.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1878 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Novas » Mi 9. Sep 2015, 06:50

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es kann doch sein, dass der Gott, an den Du glaubst, die Gestalt des Jesus, so, wie sie für dich wichtig ist, mittels Rezeption - also mittels dichterisch-visionärer Schau, an der über die Jahrtausende gearbeitet wird, "gebiert", oder gebären lässt.
Guter Satz. :thumbup: - Du hast soeben "Offenbarung" und "Heilsgeschichte" verschmolzen. - Absolut einverstanden.


So ist es richtig. :thumbup:
Wenn man also, um in Deiner religiösen Sprache zu bleiben, den Jesus, den man sucht, verstehen will, dann muss man in sich selber hineinhören.
Denn Gott kann nur IM MENSCHEN geboren werden. Nicht im Sinne von erfunden werden, sondern im Sinne von: real gemacht werden.

Da wären wir bei der christlichen Mystik.

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Münek
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#1879 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Mi 9. Sep 2015, 09:37

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nochmal der Text für Dich (Offb. 1, 1+3):

"Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen
Knechten zeigt, was BALD geschehen MUSS...denn die Zeit ist NAH.....

Im Kapitel 22, 20 versichert der "auferstandene Christus": "Ja, ich komme BALD."


Das war vor über 1900 Jahren... Wieso hat der "Sohn Gottes" sein gegebenes Wort NICHT gehalten... :o
Schon zu seinen Lebzeiten hat er seinen Landsleuten verkündigt: "Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen." :thumbup:
Die Mitglieder der sieben angeschriebenen kleinasiatischen Gemeinden haben sein versprochenes Kommen sooo erwartet... :cry:
Ich erlaube mir mal, in Deinem Bibelzitat ein paar Wörter durch die griechischen zu ersetzen:

"Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen
Knechten zeigt, was εν ταχει geschehen MUSS...denn die Zeit ist εγγύς.....

"Ja, ich komme ταχυ."


Die rot markierten Begriffe vermitteln meiner Meinung nach eher den Gedanken einer Plötzlichkeit, deren Zeitpunkt im Sinne von Apk. 16:15 unbestimmt ist.
Das blau markierte Wort vermittelt den Gedanken von "Nähe". Aber DAS hatten wir schon abgefrühstiückt.

"...denn die Zeit ist NAHE", sagt eigentlich schon alles. Da ist nichts misszuverstehen, es sei denn, man will es.

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Savonlinna
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#1880 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Savonlinna » Mi 9. Sep 2015, 10:42

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:man kann nun mal Gedanken anderer nicht lesen
Darum geht es doch nicht.
closs hat geschrieben:Aber jetzt kommt der Punkt: Wenn aus Jesu Mund (egal jetzt mal, durch wen vertreten) 100 Aussagen kommen, die einzigartig zusammenpassen, glaube ich schon, dass man ein insgesamtes Gefühl bekommen kann, was er gedacht hat.
Im ersten Zitat sagst Du, dass es nicht darum geht, dass man die Gedanken anderer lesen kann, und im zweiten Teil sagst Du das Gegenteil: dass hundert Zeugen dann doch einem ein Gefühl dafür vermitteln könnten, was die bezeugte Person GEDACHT hat.

Insofern muss ich da jetzt darauf verzichten, da einen Sinn reinzukriegen.
Fakt ist jedenfalls, dass es
a. keine hundert Zeugen bezüglich der Aussagen Jesu GIBT, sondern ein paar wenige Schrifststeller, die ein BILD von Jesus formen
b. dass selbst, wenn es sie gäbe und das 2000 Jahre zurückläge, das nichts über die GEDANKEN Jesu aussagen würde, sondern über die Art des Verstehens der Zeugen
c. dass selbst heute, wenn es 100 Zeugen über einen Vortragenden gäbe, diese Zeugen immer nur das bezeugen können, was sie GEHÖRT haben und nie je, was der Vortragende damit gemeint hat und welche Gedanken er bei dem Gesagten gehabt hat.

Und dann passt meine Analogie dann ja doch: dass man noch aus Knochen Gedanken rauspressen will, die man nicht mal zu Lebzeiten hätte erfahren können.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:man kann nun mal Gedanken anderer nicht lesen
Darum geht es doch nicht. - Es geht darum, dass man sich bemüht, aus Aussagen anderer nicht nur etwas Eigenes zu machen, sondern diesen Aussagen gerecht zu werden.
Ja, natürlich versuchen viele Interpreten, dem gerecht zu werden, was überliefert wurde. Aber dazu habe ich doch nie das Gegenteil gesagt. Ich bin immer jemand, der sich bemüht, Originales aus der Zeit heraus, in der es geschrieben wurde, zu verstehen, und nicht das heutige Verstehen darüber zu stülpen.

Andererseits bist Du es ja selber, der „geistig“ lesen will, was eben ja nun genau das heißt:
Das eigene heutige Verstehen als Maßstab zu nehmen und die historische Person die historische Person sein zu lassen.

Insofern sehe ich bei Dir kein klares Suchen; aber das ist natürlich auch jedermanns Recht.

closs hat geschrieben: Natürlich kann man dies nie erreichen, aber man kann doch die Aussage-Quelle nicht einfach als solche entsorgen, nachdem man sich von ihr hat anregen lassen ("Egal, was Du gedacht hast - Hauptsache, Du hast mich inspiriert").
Das erscheint mir irgendwie verworren, was Du da schreibst.
- WER genau hat das behaupetet, dass die Quelle entsorgt werden soll?
- Wer oder was genau ist die Quelle, Deiner Meinung nach? Für mich sind es überlieferte literarische Werke. Für Dich offenbar dann doch eine historische Person, für die es irgendwie 100 Zeugen gibt. Dass es hingegen nicht einen einzigen Zeugen gibt, blendest Du aus irgend einem Grund aus.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Alternative wäre, eine andere Form der Realität als die der physischen zu verstehen zu suchen.
Falls ich Dich richtig verstehe: Ja. - Natürlich nimmt man Gehörtes/Gelesenes als Anstoß, um es (ich würde es nennen:) "Geistiges" daraus zu entwickeln.
Ich stelle hier mal eine Vermutung an:
Du benutzt den schwammigen Begriff „Geistiges“ darum auch hier, weil Du selber schwimmst. Ich bin jemand, der durchaus die schwierigsten – mystischen -Texte verstehen kann, wenn sie nicht konstruiert sind, sondern etwas Erkanntes formuliert wird.

Bei Dir aber verstehe ich darum so selten, weil Du selber nicht zu wissen scheinst, um was es geht. Und immer dann setzt Du den Begriff „Geistiges“ ein, als Pausenfüller sozusagen.

Was Du aus meinem Satz entnommen hast – aus Gehörtem „Geistiges“ - zu entwickeln“, habe ich nicht gemeint, auch nicht gesagt.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Deine Aussage klingt ein bisschen so für mich - und ich kann das ja nun sogar auch nachvollziehen -, dass man von den Gebeinen eines geliebten Menschen nicht loskommt, die Knochen in seinem Zimmer aufbewahrt, immer mit der Hoffnung, dass die Knochen sich doch noch mal wieder zusammensetzen.
Passt eigentlich nicht zu mir - für mich ist alles Vergängliche nur Offenbarung für Geist - auch das Historische. -
Das kann man als theoretische Überzeugung natürlich immer wieder formulieren.
Aber das hilft mir nichts, denn de facto suchst Du ja nach dem historischen Jesus.
Und es hilft mir auch darum nichts, weil eine theoretische Überzeugung nicht beinahltet, dass man es selber umsetzt.
Du sprichst nämlich die ganze Zeit von dem Vergangenen, das Du verstehen möchtest.

closs hat geschrieben:Aber wenn in einer dieser Offenbarungen Leben steckt (wenn also eine Offenbarung Mensch ist), ergibt sich natürlich ein Identifikations-Feld.
Ich weiß ja nun wieder nicht, was Du immer unter "Offenbarung" verstehst. Ich glaube an keine Offenbarungen. Du gehst mit dem Begriff aber so um, als sei er so für alle evident wie das Wort "Kino".

Falls Du Folgendes insgesamt meinst:
Wenn es so wäre, wie Ernst Bloch es zumindest vom Ansatz her formuliert:
dass das Mythische eine innewohnende Ahnung von konkreter und also realisierbarer Utopie ist, also in den physischen Bereich eintreten kann:
dann ist es nicht ausschließbar, dass durch eine Laune der Natur dergleichen schon einmal vorgekommen ist. Und dass von da aus die Strahlkraft herstammt.

Für wahrscheinlich halte ich es aber nicht.
- Zum einen nicht, weil die Strahlkraft auf mich zum Beispiel nicht wirkt.
MEINE Utopie realisiert sich nicht in der überlieferten Jesus-Gestalt.
- Zum anderen nicht, weil die Art der Überlieferung dagegen spricht. Der Endpunkt, den wir erreichen können, liegt im Dichtertum einiger Evangelisten und in dem Visionären des Paulus.
Insofern halte ich die Gestalt, um die es geht, für eine, die mit den Jahrhunderten und Jahrtausenden „geboren“ wird. Denn die Erstentwürfe dieser Figur, die das Göttliche in sich schon geboren hat, sind für mich nicht überzeugend.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es kann doch sein, dass der Gott, an den Du glaubst, die Gestalt des Jesus, so, wie sie für dich wichtig ist, mittels Rezeption - also mittels dichterisch-visionärer Schau, an der über die Jahrtausende gearbeitet wird, "gebiert", oder gebären lässt.
Guter Satz. :thumbup: - Du hast soeben "Offenbarung" und "Heilsgeschichte" verschmolzen. - Absolut einverstanden.
Nur, dass Du in Deinen letzten Beiträgen zu diesem Thema ganz andere Fragen gestellt hast.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Denn ich verstehe noch immer nicht, wie man "Denken" rein materiell auffasst.
Ich, und Denken materiell auffassen? :o :o :o Da bist Du aber wirklich an der falschen Adresse.
Ich habe einfach das Gegenteil gebildet: wenn es Deiner Auffassung nach "geistiges" Denken gibt - und Materie das Gegenstück zu "materiell" ist -, dann muss es eben auch "materielles"Denken geben...

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Aber wenn Du es verdoppelst - "geistiges Denken" - dann verstehe ich den Zusatz nicht. Damit ist eine bestimmt Form des Denkens gemeint - aber welche?
In Abgrenzung zu intellektuellem Denken.
Da die Wortzusammenstellung "geistiges Denken" nur von Dir alleine stammt, wäre es hilfreich, wenn ich verstehen könnte, wie so etwas aussieht.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Möglicherweise ist es virtuell in uns, oder wir erschaffen es
Persönlich glaube ich, dass wir nicht ex nihilo "erschaffen", sondern ideenhaft (vielleicht meinst Du das mit "virtuell") Vorhandenes gestalten.
"Ideenhaft" ist mir dann schon wieder ein zu theoretisches Konstrukt.
Ich meine schlicht das, was man ahnt, aber was noch nicht umgesetzt ist.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Denn Gott kann nur IM MENSCHEN geboren werden. Nicht im Sinne von erfunden werden, sondern im Sinne von: real gemacht werden.
So ist es. - Die nächste Frage wäre dann: Durch wen "real gemacht"?
Wie wir es oben beschrieben haben:
durch die jahrtausendelange Arbeit von Menschen an diesem inneren Bild.

Diese inneren Bilder platzen dann irgendwann in die Wirklichkeit.
Sowohl zum Guten als auch zum Schlechten.
Jahrhundertelange Arbeit an dem Feindbild "Jude" - eine rein mentale sprich geistige Arbeit, nur durch Worte - ist dann irgendwann real geworden.
Tolkien beschreibt diesen Vorgang in "Notion Club Papers".

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