Parusieverzögerung

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Savonlinna
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#171 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Mo 20. Apr 2015, 23:26

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das ist im Prinzip das, was ich schon vermutet und hier auch schon geschrieben hatte:dass die Ankunft Christi erst nach Ostern formuliert wurde, also aus der Gemeinde stammte. So habe ich das letztlich auch gelernt, nur hatte ich keine Erinnerung mehr daran, wo ich das her hatte.

Ach, sach bloß, :o das hast Du schon geschrieben? :o Gibts da einen Link?
Ja, wann soll das denn sonst gewesen sein, vierzig Jahre nach Jesu Tod, als die Evangelien geschrieben wurden? Ich dachte immer, Jesus sei nach seinem Tod schon tot gewesen. :x Und darauf habe ich eigentlich immer hingewiesen, weil man hier immer annahm, Jesus selber habe das gesagt.
Dass Jesus selber glaubte, dass er nicht wiederkommen wird, weil das ja noch nicht eingetreten sei, das hat mir halt nie eingeleuchtet. ;)

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Münek
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#172 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Mo 20. Apr 2015, 23:42

@ Mein lieber Halman,

ich stimme Dir grundsätzlich zu. :)

Mit einer Einschränkung: Die "Zeit war nicht insofern erfüllt", dass der Messias auftrat, sondern die
Zeit war erfüllt, weil der Anbruch der Gottesherrschaft auf Erden nahe war.

Diese Aussage stand im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu. Darüber sind sich alle Theologen einig.


Nur Jesu Irrtum wird unterschiedlich "interpretiert".

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Halman
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#173 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Halman » Mo 20. Apr 2015, 23:46

Savonlinna hat geschrieben:Es gibt da tatsächlich einen Artikel über "Parusie", den ich jetzt erst mal nur übeflogen habe.
Aber ich zitere daraus mal, was mir gerade ins Auge gestochen ist:

Da das Anliegen des 'Historischen Jesus' die personale Vermittlung der gegenwärtig ankommenden Gottesherrschaft für → Israel war (vgl. Lk 11,20; 17,20f), deren geschichtlich wirkmächtiger Anfang (vgl. Mk 4,31.32a) sich trotz seines Todes in Vollendung durchsetzen wird (vgl. Mk 14,25), dürfte ihm die postmortale eschatologische Parusie-Hoffnung seiner Person (vgl. die Parusie des Menschensohn-Christus Mt 24,3ff) fremd gewesen sein.

Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass von der Ankunft Christi erst in der nachösterlichen → Gemeinde gesprochen wurde, die ihre Hoffnung im Kontext einer röm.-hell. Umwelt artikulierte
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex ... 2bec5d6df/ - Beginn Abschnitt 2.

Das ist im Prinzip das, was ich schon vermutet und hier auch schon geschrieben hatte:
dass die Ankunft Christi erst nach Ostern formuliert wurde, also aus der Gemeinde stammte.
So habe ich das letztlich auch gelernt, nur hatte ich keine Erinnerung mehr daran, wo ich das her hatte.
Die "Blauung" im Zitat stammt von mir.
Dies ist die "offizielle" Lehrmeinung gem. der Exegese. Diese sehe ich allerdings kritisch, denn die Abgrenzung von Vorösterlich und Nachösterlich leuchtet mir nicht ein. Zu Ostern soll sich in historischer Hinsicht so gut wie nichts ereignet haben, abgesehen von einem erstaunlichen Sinneswandel der Jünger, welche nun im "österlichen Lichte" plötzlich alles vergessen und völlig neu interpretieren (s. hierzu "Die Bibelfälscher", Seite 87ff., Klaus Berger). So entsteht der tiefe Ostergraben, indem sich außer einem wundersamen Bewusstseinsphänomen nichts historisches befindet und davon soll monokausal die gesamte Entstehung der Urchristengemeinde abhängen. Zurecht weist Prof. Berger in seinem Buch darauf, wie grotesk dies ist.
Zitat aus "Die Bibelfälscher" (Seiten 87-88):
Ostern ist damit der deux ex machina zur Erkärung aller sonst unerklärlichen Dinge. Ich finde es rundherum erstaunlich, dass noch niemand an diesem Zentraldogma ernsthafte Zweifel angemeldet hat. ... Die Monopolfunktion von Ostern aber ist dabei so unwahrscheinlich wie jede monkausale Erklärung in der Geschichte sonst auch. Der außermatische , fast zwanghafte Rückgriff jedes Foerscher auf dieses Allheilmittel ist grotesk.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#174 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Halman » Mo 20. Apr 2015, 23:53

Münek hat geschrieben:@ Mein lieber Halman,

ich stimme Dir grundsätzlich zu. :)

Mit einer Einschränkung: Die "Zeit war nicht insofern erfüllt", dass der Messias auftrat, sondern die
Zeit war erfüllt, weil der Anbruch der Gottesherrschaft auf Erden nahe war.
Hmm, ich sehe hier eine andere Bedeutung: Ging es nicht um Jesu Tätigkeit als "Wanderprediger"? Davon berichten doch die Evangelisten so ausführlich. Der Zeit des Wirkens Jesu wird im NT doch höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Zu Beginn des MkEv trat Jesus seinen Dienst an.

Aber wie dem auch sei, es lebe der Pluralismus. :)

Münek hat geschrieben:Diese Aussage stand im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu. Darüber sind sich alle Theologen einig.
Nicht alle. ;)

Münek hat geschrieben:Nur Jesu Irrtum wird unterschiedlich "interpretiert".
Inwiefern?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#175 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Mo 20. Apr 2015, 23:53

Savonlinna hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das ist im Prinzip das, was ich schon vermutet und hier auch schon geschrieben hatte:dass die Ankunft Christi erst nach Ostern formuliert wurde, also aus der Gemeinde stammte. So habe ich das letztlich auch gelernt, nur hatte ich keine Erinnerung mehr daran, wo ich das her hatte.

Ach, sach bloß, :o das hast Du schon geschrieben? :o Gibts da einen Link?
Ja, wann soll das denn sonst gewesen sein, vierzig Jahre nach Jesu Tod, als die Evangelien geschrieben wurden? Ich dachte immer, Jesus sei nach seinem Tod schon tot gewesen. :x Und darauf habe ich eigentlich immer hingewiesen, weil man hier immer annahm, Jesus selber habe das gesagt.
Dass Jesus selber glaubte, dass er nicht wiederkommen wird, weil das ja noch nicht eingetreten sei, das hat mir halt nie eingeleuchtet. ;)

Entschuldige bitte,

ich gebe mir Mühe, Dich zu verstehen. Aber es gelingt mir nicht. Mir ist im Moment nicht klar, welche
Position Du eigentlich vertrittst. Könntest Du Dich vielleicht etwas präziser ausdrücken?!

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#176 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Di 21. Apr 2015, 00:04

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nur Jesu Irrtum wird unterschiedlich "interpretiert".
Inwiefern?

Ich habe doch erst vor Kurzem zwei Kostproben geliefert.

Einmal den Bischof Kasper ("Verheißungsüberschuss") und zum Zweiten den Außenseiter-Theologen
Klaus Berger ("Gott braust auf seinen Thron heran").

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#177 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Di 21. Apr 2015, 00:10

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Diese Aussage stand im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu. Darüber sind sich alle Theologen einig.
Nicht alle. ;)

Naja, vielleicht einer.

Aber selbst Dein Lieblings-Theologe Klaus Berger zieht Jesu Zentralbotschaft des "nahen Gottesreiches"
meines Wissens nicht in Zweifel. Oder?

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#178 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Di 21. Apr 2015, 01:00

Halman hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Seine Botschaft an das Volk war eben nicht: "Kehrt um! Tut Buße! Denn in einigen tausend oder
hunderttausend Jahren wird die Zeit erfüllt und das Reich Gottes nahe sein."

Seine Botschaft war ausschließlich "präsentisch" (gegenwartsbezogen). Er dachte an die Erfüllung im "hier und jetzt".
Weil im "Hier und Jetzt" die Botschaft an die "Kinder Israels" verkündet wurde. JETZT war die Gelegenheit das Wort des Messias zu vernehmen und umzukehren. Daher ging ja Johannes der Täufer Jesus voraus. Es war die Zeit Jesu Wirkens, denen die Evangelisten so viel Aufmerksamkeit schenkten. Dies war ihnen wichtig und daher hob Markus es hervor.

Mein lieber Halman,

was Du schreibst, klingt sehr "pastoral"... ;)

Dass die "Zeit erfüllt IST und das Reich Gottes NAHE IST", also das Zentrum der Botschaft Jesu (Evan-
gelium = frohe Botschaft), das klammerst Du bei Deinen Überlegungen aus - verständlich, weil sich Jesus geirrt hat....

Jesus sagte nicht: "Ich, der Messias, bin da, sondern das Reich Gottes steht vor der Tür." Mit dieser Botschaft folgte
er der Sekte der "Essener" (mach Dich diesbezüglich mal schlau! ;) ) und "Johannes, dem Täufer" - und Jesus stellte
auch seine Person - nach den Synoptikern - nicht in den Mittelpunkt "heilsgeschichtlichen Geschehens".

Das Gottesreich ja, aber nicht sich selbst. Die "Vergottung" seiner Person setzte erst nach seinem Tode ein (siehe Pau-
lus, siehe das Johannesevangelium)...
Zuletzt geändert von Münek am Di 21. Apr 2015, 01:14, insgesamt 1-mal geändert.

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#179 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Salome23 » Di 21. Apr 2015, 01:10

Münek hat geschrieben:
Jesus sagte nicht: "Ich, der Messias, bin da, sondern das Reich Gottes steht vor der Tür."
Also dass es "vor der Tür steht" hat er wohl nicht gesagt, aber er sagte auch Folgendes:

Lukas 11, 20
20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.

Also es ist zu ihnen gekommen ;)

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#180 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Münek » Di 21. Apr 2015, 01:18

Salome23 hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Jesus sagte nicht: "Ich, der Messias, bin da, sondern das Reich Gottes steht vor der Tür."
Also dass es "vor der Tür steht" hat er wohl nicht gesagt, aber er sagte auch Folgendes:

Lukas 11, 20
20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.

Also es ist zu ihnen gekommen ;)

Ja, aber nur punktuell in der Person Jesu,

im Übrigen gehen präsentische und futuristische Aussagen "zum Reich Gottes" in den Evangelien "wild" durcheinander -
mit diesen Unstimmigkeiten tun sich auch heutige Theologen bei ihrer Exegese recht schwer.

Ich denke, Jesus hat wirklich geglaubt, Gott würde vom (nicht allzuweit entfernten) Himmel "in Kürze herniederkom-
men
, um hier auf Erden seine Herrschaft für alle Menschen sichtbar anzutreten" (natürlich einschließlich des Raus-
schmisses der Römer als heidnische Besatzungsmacht).

Dem Letzteren hat Jesus auch nicht ausdrücklich widersprochen, sondern ist der diesbezüglichen Frage seiner Jünger
schlichtweg ausgewichen (Apg. 1, 6 und 7).

Lange nach Jesu Tod hat dann in der "Offenbarung des Johannes" seine Vorstellung "konkrete Formen angenommen" (Got-
tes Wohnung bei den Menschen auf der "neuen Erde" - mit allem pipapo wie "Baum des Lebens", riesige erleuchtete Stadt
Jerusalem mit Gottes und seines Sohnes allgegenwärtiger sichtbarer Präsenz bei seinen Geschöpfen).

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