Savonlinna hat geschrieben:Falls Jesus, als Sohn Gottes, aber vielleicht auch als normaler Mensch, das Reich Gottes als einen Zustand sieht, der die göttliche Präsenz im Hier und Jetzt meint, dann ist dieses Reich Gottes in dem Moment da, wo diese göttliche Präsenz wiedererkannt wird.
Meinst Du das in dem Sinne, wie es im
Bibelwerk erklärt wird:
Die Gottesherrschaft ist eine sich jeweils neu ereignende Wirklichkeit, die in Jesu Lehre, seinen Gleichnissen, zeichenhaften Machttaten und Gemeinschaftsmählern - in seinen Beziehungen zu Gott und den Menschen erfahrbar wurde.
Savonlinna hat geschrieben:Das hat das alte jüdische Volk so aufgefasst, in dieser Tradition kann also auch ein Jude Jesus gestanden haben.
Ich habe das hier alles zitiert, vor ein paar Tagen.
Und dass die Auferstehung Jesu als Präsenz des Gottesreiches aufgefasst werden konnte und wohl auch wurde, wird in der Forschung eben erwähnt.
Dies ist eine mögliche Deutung. Jesus fuhr zum Himmel auf setzte sich zur rechten Gottes als König im "Himmelreich / der Himmelsherrschaft" (
basileia ton ouranon), um mal die matthäische Ausdrucksform zu verwenden (s. obiger Link).
Gottes Himmelreich war also schon präsent. Dazu passt auch "Pauli"² Aussage an die Urchristen in Kolossä: Gem. seinem Verständnis waren sie
versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe - dieses Reich war für sie also Glaubenswirklichkeit.
Savonlinna hat geschrieben:Darum besteht da keineswegs Konsens, dass sich Jesus geirrt hat.
Also ich denke, dass die atheistische Kritiker-Fraktion keinen absoluten Konsens meint, sondern einen breiten Konsens. Besteht dieser denn nicht?
Savonlinna hat geschrieben:Zumal außerdem die biblischen Erzählungen nicht als historische Berichte aufgefasst werden müssen, sondern als Mythen notiert sein können, die überhaupt nicht falsifizierbar sind, weil sie - wie gute Märchen - keine historischen Wahrheiten schildern, sondern existentielle Zusammenhänge.
Hierbei möchte ich anmerken, dass es zwischen Märchen und Mythen bedeutsame Unterschiede gibt, es handelt sich um zwei Literaturgattungen.
Zitat von
Logan5:
Märchen sind komplett erfunden und transportieren gezielt moralische Wertbotschaften oder Lebensweisheiten. Sie werden tradiert wie Sinnsprüche.
Mythen gehen auf tatsächlich erlebte Ereignisse zurück, die subjektiv als besondere Erfahrung gedeutet und als solche weiter gegeben werden. Die religiös gedeutete Erfahrung - also die theologische Aussage - ist der einzige Wahrheitsanspruch solcher Texte, nicht die korrekte Wiedergabe historischer Ereignisse.
Die Texte des AT mögen mit mythischen Texten verwandt sein oder verwandt erscheinen, doch die Evangelien des NT sind schon nach meinem Empfinden weniger in "mythologischer Sprache" verfasst, mit einem greifbareren historischen Bezug.
²
Mir ist bewusst, dass der Kolosserbrief als pseudopaulinisch gilt, doch ich bin anderer Auffassung.