Parusieverzögerung

Themen des Neuen Testaments
closs
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#1471 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Fr 15. Mai 2015, 13:11

Pluto hat geschrieben:Selektive Wahrnehmung der Fakten.
Die tatsächlichen Fakten der historisch-kritischen Forschung steht NICHT im Widerspruch zur Ansicht der Kirchen.

sven23 hat geschrieben:Realitätsverweigerung.
Dito.

Münek hat geschrieben:Gibt es da was "Offizielles"?
Müsste ich suchen - weiss aber nicht, ob ich dazu Lust habe, weil das Bild eigentlich klar ist.

Das Problem liegt doch wo ganz anders (weshalb ich eigentlich KEINE Lust habe, Sachen zu suchen, die mit dem Problem nichts zu tun haben). - Es ist der Theologie natürlich bekannt, dass es zur Zeit Jesu einen Naherwartungs-Hype im Volk gab - so weit gehend, dass man sogar Paulus unterstellen kann, dass er es zeitweise gemeint hat. - Spricht man jedoch über Jesus selbst, steht man vor der Frage: Hat Jesus dafür oder dagegen gesprochen.

Aus den Zitaten der Bibel kann man teilweise (aber wirklich nur teilweise) erschließen, dass Jesus selbst so gedacht haben könnte. - Demgegenüber steht, dass Jesus so oft an anderer Stelle das INNERLICH Nahe des göttlichen Reiches gemeint hat, aber äußerlich zitiert wurde, wie es die Jünger (bzw. die zeitnahen Textverfasser) verstanden haben. - Es kann also sehr wohl sein, dass die Leute um Jesus herum ("Und sie verstanden ihn nicht") gemeint haben, Jesus spräche einer Naherwartung das Wort.

Das heisst: Es ist reine Glaubens-Sache, ob man Jesus eine eigene Naherwartung unterstellt oder nicht, da diese Differenz der Text-Quellen zu Jesu eigener Meinung aus diesen Text-Quellen selbst schwierig bis nicht ermittelbar ist. - Deshalb nochmals der Verweis auf Savolinnas Anmerkung (aus dem Gedächtnis): " Eine Analyse eines Textes über Jesus ist etwas ganz anderes als eine Analyse Jesu". - Aber das predige ich ja auch schon seit 1848.

Persönlich glaube ich, dass Jesus keine Naherwartung hatte, weil das Motiv, dass göttliche Aussagen erste mal falsch verstanden, dann verdaut und dann eventuell kapiert werden, seit dem AT nachweisbar sind - siehe Deut. 29,3:

"Aber nicht gab ER Euch ein Herz zu erkennen, Augen zu sehen, Ohren zu hören, bis auf diesen Tag".

Das gilt auch für die Jünger bis mindestens Pfingsten - und auch das war erst der Anfang. - Sie haben einfach nicht erkannt, dass mit der Auferstehung selbst das Reich Gottes IM Menschen im Dasein sein kann - und eben kein äußeres Reich, demnach irgendein weltliche Thron mit Gott besetzt wäre - das ist AT-Denken und eben nicht NT-Denken.

Nun muss man solchen geistigen Ausführungen nicht folgen - aber man sollte schon erkennen, dass die Interpretation, die andere Schlüsse aus historisch-kritischen Ergebnissen zieht, EBENFALLS eine Glaubens-Aussage ist. - Da scheint es zu hapern.

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#1472 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Pluto » Fr 15. Mai 2015, 13:22

closs hat geschrieben:Wie erklärst Du Dir, dass weder evangelische noch katholische Kirche unter diesen Umständen trotzdem Jesus keine eigene Naherwartung zusprechen?
In der Bibel gibt es genügend Stellen die eindeutig auf eine Naherwartung hinweisen (dazu braucht es keine h-k Lesart.
In Kapitel 22 der Offenbarung, insbesondere Off.22,7-20 wird die Naherwartung als Fakt angesehen.

Das ist nun 2000 Jahre her. In der heutigen Zeit wäre es ein Unding, diese Erwartung aufrecht zu halten. Das wäre unseriös.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1473 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Pluto » Fr 15. Mai 2015, 13:26

closs hat geschrieben:Das Problem liegt doch wo ganz anders (weshalb ich eigentlich KEINE Lust habe, Sachen zu suchen, die mit dem Problem nichts zu tun haben). - Es ist der Theologie natürlich bekannt, dass es zur Zeit Jesu einen Naherwartungs-Hype im Volk gab - so weit gehend, dass man sogar Paulus unterstellen kann, dass er es zeitweise gemeint hat. - Spricht man jedoch über Jesus selbst, steht man vor der Frage: Hat Jesus dafür oder dagegen gesprochen.
Die Naherwartung wurde ebenfalls in den Evangelien und vor allem in der Offenbarung des Johannes gepredigt.
Nur nach und nach, kam es zu einer Enttäuschung der Hoffnungen.

Erstaunlich dabei ist das Ergebnis einer Umfrage in den USA. wonach 50% der Menschen an eine Wiederkehr Jesus innerhalb ihrer Lebzeiten erwartet.
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#1474 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Zeus » Fr 15. Mai 2015, 13:50

closs hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode ist bis heute in der evangelischen und katholischen Kirche die Standardmethode der Bibelauslegung.
Da siehst Du mal, wie unterschiedlich man "historisch-kritische Methode" interpretieren kann.

Wie erklärst Du Dir, dass weder evangelische noch katholische Kirche unter diesen Umständen trotzdem Jesus keine eigene Naherwartung zusprechen?
Was bleibt denen Anderes übrig?
Wenn die Kirchen zugeben würden, dass Jesus sich im zentralen Punkt seiner Verkündigung geirrt hat, wer würde dann noch glauben, dass dieser Wanderprediger Gottes Sohn war?
Stell dir doch mal vor, der Papst wäre nichts Besseres als der Stellvertreter eines einfachen jüdischen Rabbi, und all die Würdenträger würden als Scharlatane entlarvt! :shock: ,
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#1475 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Savonlinna » Fr 15. Mai 2015, 13:54

Zeus hat geschrieben: In seinem Buch "Der Jesuswahn" vom Jahr 2011 - ist das nahe genug an "heute", liebe Savonlinna? - schreibt der Theologe Dr. Kubitza
"Und es wird gefragt, ob sich die Kirchen denn zu Recht auf jenen Jesus von Nazareth berufen, den sie als Gottes Sohn verkündigen. Die wissenschaftliche Forschung hat längst erkannt, dass Jesus ein ganz anderer war. Er hat sich bis zum Ende als frommer Jude verstanden, der das nahe Gottesreich ankündigt. In diesem zentralen Punkt seiner Verkündigung hat er sich geirrt, denn das Gottesreich kam nicht. Und auch auf Jesu Wiederkunft warten die Christen seit 2000 Jahren vergeblich."

Wie sich die Zeiten doch ändern! :shock:
Gell? :lol:
Ha! Ha! Ha!
Entschuldigung, ich musste laut loslachen. War auf keinen Fall böse gemeint.
Aber leere Behauptungen kann jeder bringen.
Ich wundere mich immer wieder neu darüber, wie unbedarft und blind einfach alles mitunter geglaubt wird, was einem gefällt.
Ich brauche Nachweise, Quellen, Zitate.

Das Buch werde ich bestimmt mal lesen; so, wie es hier vorgestellt wird, muss es ziemlich dümmlich sein.
Aber ich gebe ihm eine Chance!

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#1476 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Fr 15. Mai 2015, 14:01

Pluto hat geschrieben:In der Bibel gibt es genügend Stellen die eindeutig auf eine Naherwartung hinweisen
Und es gibt genügend Stellen, die auf das Gegenteil hinweisen - ich stelle Dir erneut etwas ein, womit Salome sich aus dieser Diskussion verabschiedet hat:

Salome hat geschrieben:Matthäus 24
...
6 Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da.
7 Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort.
8 Das alles aber ist der Anfang der Wehen.
9 Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern.
10 Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen.
11 Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen.
12 Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.
13 Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden.
14 Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker ...
...
24 Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, sodass sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten.
... Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Menschensohn kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.
31 Und er wird seine Engel senden mit hellen Posaunen, und sie werden seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum andern.

Punkt. Mehr gibts dazu nicht zu sagen :D


Das sollte alles innerhalb von 25 oder 40 Jahren passieren? - Also nochmals: Es gibt "eindeutige" Hinweise für beide Versionen.

Pluto hat geschrieben:Das ist nun 2000 Jahre her. In der heutigen Zeit wäre es ein Unding, diese Erwartung aufrecht zu halten. Das wäre unseriös.
Stimmt - weil die zeitliche Bindung dieser Erwartung an sich unseriös ist.

Pluto hat geschrieben:Nur nach und nach kam es zu einer Enttäuschung der Hoffnungen.
Und hier kommt das Motiv zu tragen, dass sich der Naherwartungs-Hype zur Zeit Jesu als menschlich, also falsch gedacht erwiesen hat.

Zeus hat geschrieben:Was bleibt denen Anderes übrig?
Es reicht bereits, wenn man seriös mit dem Begriff "historisch-kritisch" umgeht. - S.o.

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#1477 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von Pluto » Fr 15. Mai 2015, 14:06

closs hat geschrieben:Das sollte alles innerhalb von 25 oder 40 Jahren passieren?
Warum nicht?
Der menschlichen Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt.

closs hat geschrieben:Also nochmals: Es gibt "eindeutige" Hinweise für beide Versionen.
Ja natürlich. Je länger die Ur-Christen warteten, um so zögerlicher wurden nach der anfänglichen Euphorie ihre Hoffnungen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nur nach und nach kam es zu einer Enttäuschung der Hoffnungen.
Und hier kommt das Motiv zu tragen, dass sich der Naherwartungs-Hype zur Zeit Jesu als menschlich, also falsch gedacht erwiesen hat.
Logisch ist es menschgemacht, wie die Bibel auch.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#1478 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Fr 15. Mai 2015, 14:35

closs hat geschrieben: Das sollte alles innerhalb von 25 oder 40 Jahren passieren? - Also nochmals: Es gibt "eindeutige" Hinweise für beide Versionen.
Ja warum denn nicht. Das meiste könnte innerhalb eines Jahre passieren. Es gibt immer irgendwo Erdbeben, Umstürze und politische Unruhen. Was soll daran ungewöhnlich sein?
Den kritischsten Punkt sehe ich hier:
14 Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker ...
Ist mit ganze Welt die damals bekannte Welt gemeint oder alle Kontinente?
Man sah sich wohl seitens der Schreiber gezwungen, die Naherwartung (ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...) umzumünzen in ein Projekt, das noch genügend zeitlichen Spielraum läßt. Aber das sollte inzwischen auch längst erledigt sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1479 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von closs » Fr 15. Mai 2015, 14:50

Pluto hat geschrieben:Ja natürlich.
Du sagst "Ja natürlich" und fährst mit EINER Version fort. - Ich habe WIRKLICH beide Versionen gemeint.

Pluto hat geschrieben:Logisch ist es menschgemacht, wie die Bibel auch.
Natürlich - gottgewollt, aber menschgemacht.

sven23 hat geschrieben:Ja warum denn nicht.
Da muss man arg großzügig sein, um seine eigene Version aufrechtzuerhalten - "und dies ist erst der Anfang" - und dann passiert noch Vieles, was beschrieben wird. - Beim besten Willen: Da ist der Wunsch der Vater des Gedanken.

sven23 hat geschrieben:Ist mit ganze Welt die damals bekannte Welt gemeint oder alle Kontinente?
Meines Wissens ging auch die damals bekannte Welt weit über das Missionsgebiet der Jünger hinaus. - Alexander der Große war vorher in Indien gewesen - es gab Handelswege aus Asien. - Auch hier: Da müsste Gott schon einen Wunder-Zeitraffer einbauen, damit nach dieser Textstelle Deine Version möglich wäre.

Warum nimmt man die Dinge einfach nicht hin, wie sie dastehen? - Es ist ganz und gar nicht unüblich, dass man bei kritischer Textarbeit auf Widersprüche unterschiedlicher Zitate trifft.

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sven23
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#1480 Re: Parusieverzögerung

Beitrag von sven23 » Fr 15. Mai 2015, 15:14

closs hat geschrieben:Da muss man arg großzügig sein, um seine eigene Version aufrechtzuerhalten - "und dies ist erst der Anfang" - und dann passiert noch Vieles, was beschrieben wird. - Beim besten Willen: Da ist der Wunsch der Vater des Gedanken.
Überhaupt nicht. Du kannst nicht einen einzigen Punkt nennen, der nicht binnen kürzester Zeit möglich wäre.
Die Missionierung der ganzen Welt ist ja lediglich ein weiterer Baustein der Parusieverzögerung, um die es ja geht.
Nachdem die Städte Israel durch waren und sich nichts tat, mußte man die Hürden erhöhen.

closs hat geschrieben: Meines Wissens ging auch die damals bekannte Welt weit über das Missionsgebiet der Jünger hinaus. - Alexander der Große war vorher in Indien gewesen - es gab Handelswege aus Asien. - Auch hier: Da müsste Gott schon einen Wunder-Zeitraffer einbauen, damit nach dieser Textstelle Deine Version möglich wäre.
Moment, hier verdrehst du wieder was. Ich behaupte nicht, daß die Missionierung der ganzen Welt in einer Generation möglich sein soll. Im Gegenteil: das ist doch gerade Ausdruck der Parusieverzögerung (siehe oben), nachdem die Naherwartungsankündigungen sich in Luft auflösten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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