Parusieverzögerung III

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Münek
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#1311 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Fr 28. Aug 2015, 23:58

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:An welchen Fakultäten wird die "kanonische Exegese" überhaupt angewendet?
In christlich-theologischen Fakultäten. - Man arbeitet dort historisch-kritisch und deutet die Ergebnisse daraus kanonisch..

Woher weißt Du das? Kläre uns mal auf. Ich dachte, die historisch-kritische Methode sei
nach wie vor der Standard der Bibelauslegung an den Fakultäten.


Seit wann werden diese Ergebnisse von denselben Professoren "nochmals kanonisch gedeutet"?
Ist das Deine Wunschvorstellung oder kannst Du das belegen? :o

Ich hätte da gern mal was Handfestes, was ich selbst überprüfen kann. Kannst Du liefern oder kommt da mal wieder nix?

closs
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#1312 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 00:31

Münek hat geschrieben:Ist das Deine Wunschvorstellung oder kannst Du das belegen?
Auch das hatten wir wiederholt - ich such's nochmal raus:

"Die Studie Die Interpretation der Bibel in der Kirche (1993) der Päpstlichen Bibelkommission von Johannes Paul II., das auf Initiative und nach dem Entwurf des damaligen Kommissionspräsidenten Kardinal Joseph Ratzinger entstand, empfahl erstmals, den synchronen kanonischen Zugang zusammen mit der zum echten Bibelverständnis unverzichtbar bezeichneten diachronen historisch-kritischen Methode anzuwenden: „Dadurch soll die historisch-kritische Methode nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.“[2]

Papst Benedikt XVI. entwickelte durch die Verbindung dieser beiden, lange als gegensätzlich geltenden, Bibelauslegungen seine ganzheitliche theologische Exegese („Ratzinger-Exegese“), die in seinem Werk Jesus von Nazareth (2007–2012) entfaltet und vor allem in dessen ersten Band beschrieben wird: „»Kanonische Exegese« – Lesen der einzelnen Texte der Bibel in deren Ganzheit – ist eine wesentliche Dimension der Auslegung, die zur historisch-kritischen Methode nicht in Widerspruch steht, sondern sie organisch weiterführt und zu eigentlicher Theologie werden lässt.“" (wik)

Um es ganz einfach zu sagen:
Die Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese dienen als Grundlage für eine geistig ausdeutende Theologie. - Die HKM ist also der methodische Sockel, auf dem Theologie aufgebaut wird (in deren eigener Hermeneutik). - Die Wissenschaftlichkeit wird also sowohl genutzt als auch vollumfänglich anerkannt - einer säkulare Deutung aus dieser Wissenschaftlichkeit wird eine theologische Deutung entgegengesetzt.

Die RKK macht ganz einfach mit den wissenschaftlichen Ergebnissen etwas anderes als es die atheistische Deutung tut - on top der wissenschaftlichen HKM-Arbeit. - Insofern gibt es kein Problem mit der Wissenschaftlichkeit der HKM-Forschung, weil sie voll genutzt wird. - Ich weiss echt nicht, wie oft ich das noch (in unterschiedlichsten Formulierungen) sagen soll.

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sven23
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#1313 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 06:22

closs hat geschrieben:Zum x-ten Mal: Das ist nicht das Problem der kanonischen Hermeneutik."
Doch, ist es.
"Die Kanonische Exegese wurde in den 1980er Jahren in den USA entwickelt, dort dezidiert als Gegenpol zur historisch-kritischen Methode."
Quelle: Wikipedia
Wenn man nun behauptet, die historisch-kritische Methode "ergänze" die HKM, dann ist das eine Verniedlichung von Konterkarierung. Immer noch gilt Conzelmann: die Kirche lebt davon, daß die Ergebnisse der HKM in ihr nicht präsent sind.
Kann man ja machen, aber man sollte dann nicht den Eindruck erwecken, als sein man wissenschaftlich unterwegs.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#1314 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 06:38

closs hat geschrieben: Papst Benedikt XVI. entwickelte durch die Verbindung dieser beiden, lange als gegensätzlich geltenden, Bibelauslegungen seine ganzheitliche theologische Exegese („Ratzinger-Exegese“), die in seinem Werk Jesus von Nazareth (2007–2012) entfaltet und vor allem in dessen ersten Band beschrieben wird: „»Kanonische Exegese« – Lesen der einzelnen Texte der Bibel in deren Ganzheit – ist eine wesentliche Dimension der Auslegung, die zur historisch-kritischen Methode nicht in Widerspruch steht, sondern sie organisch weiterführt und zu eigentlicher Theologie werden lässt.“" (wik)
Ratzingers Jesusbuch gilt manchen Theologen als "peinliche Entgleisung".
"Die sonst bei der historisch-kritischen Arbeit gültigen Gesetze gälten bei der historisch-kritischen Bibelexegese nur eingeschränkt, umso mehr, als der biblische Text gemäß kirchlicher Lehre von Gott inspiriert sei."

"Benedikt weist die in der Schulexegese vertretene These zurück, dass frühchristliche Gemeinden schöpferisch die älteste christliche Lehre von Christus ausgebildet haben,..."
Quelle
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Münek
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#1315 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 29. Aug 2015, 09:06

closs hat geschrieben: Um es ganz einfach zu sagen:
Die Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese dienen als Grundlage für eine geistig ausdeutende Theologie. - Die HKM ist also der methodische Sockel, auf dem Theologie aufgebaut wird (in deren eigener Hermeneutik). - Die Wissenschaftlichkeit wird also sowohl genutzt als auch vollumfänglich anerkannt - einer säkulare Deutung aus dieser Wissenschaftlichkeit wird eine theologische Deutung entgegengesetzt.

Die RKK macht ganz einfach mit den wissenschaftlichen Ergebnissen etwas anderes als es die atheistische Deutung tut - on top der wissenschaftlichen HKM-Arbeit. - Insofern gibt es kein Problem mit der Wissenschaftlichkeit der HKM-Forschung, weil sie voll genutzt wird. - Ich weiss echt nicht, wie oft ich das noch (in unterschiedlichsten Formulierungen) sagen soll.

Tja, damit wären wir dann wieder bei den GLAUBENSWAHRHEITEN und der DOGMATIK gelandet.

Ich bin davon überzeugt, dass die "kanonische Exegese" mit ihrer "christologischen Hermeneutik" in den theologischen Fakultäten keinen Fuß fassen wird - sosehr der Dogmatiker Ratzinger dies sich auch wünschen mag. Da werden die historisch-wissenschaftlich arbeitenden Theologen ganz gewiss nicht mitspielen.

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#1316 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 29. Aug 2015, 09:15

Ratzingers kühner Umgang mit den neutestamentlichen Quellen hätte vor keiner unabhängigen
historischen Kommission Bestand und hat es auch nicht vor dem Forum der freien Theologie.



(Prof. Gerd Lüdemann in seinem Buch "Das Jesusbild des Papstes" S. 149)

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#1317 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 09:22

sven23 hat geschrieben:Ratzingers Jesusbuch gilt manchen Theologen als "peinliche Entgleisung".
Streit gibt es unter Theologen immer. - Im übrigen muss man zwischen "Prämisse" und "wissenschaftlicher Arbeit" unterscheiden.

Münek hat geschrieben:Ich bin davon überzeugt, dass die "kanonische Exegese" mit ihrer "christologischen Hermeneutik" in den theologischen Fakultäten keinen Fuß fassen wird
Ich erwarte eher, dass sich die Theologie abspalten wird in zwei Fakultäten - eine innerhalb der Geschichtswissenschaften, die andere als "Lehre von Gott". Also "Theologie" aus säkularer Sicht und Theologie aus christlicher Sicht.

Münek hat geschrieben:Ratzingers kühner Umgang mit den neutestamentlichen Quellen hätte vor keiner unabhängigen historischen Kommission Bestand und hat es auch nicht vor dem Forum der freien Theologie.
Das ist logisch. - Denn mit "unabhängig" und "frei" meint Lüdemann Theologie nach SEINEN Prämissen.

Der Satz gilt also auch umgekehrt: Conzelmanns, Kubitzas, Lüdemanns kühner Umgang hätte auch keinen Bestand vor dem Forum christlicher Theologie. - Die Modelle beider Seiten sind einfach zu unterschiedlich.

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#1318 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 29. Aug 2015, 09:32

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich bin davon überzeugt, dass die "kanonische Exegese" mit ihrer "christologischen Hermeneutik" in den theologischen Fakultäten keinen Fuß fassen wird
Ich erwarte eher, dass sich die Theologie abspalten wird in zwei Fakultäten - eine innerhalb der Geschichtswissenschaften, die andere als "Lehre von Gott". Also "Theologie" aus säkularer Sicht und Theologie aus christlicher Sicht.

Aber das haben wir doch bereits, lieber Kurt: EXEGESE und DOGMATIK.

Nur werden in der Dogmatik eben keine Bibeltexte ausgelegt, sondern kirchlich verbindlich vorgegebene Glaubenslehren.

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#1319 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 29. Aug 2015, 09:35

closs hat geschrieben: - Die Modelle beider Seiten sind einfach zu unterschiedlich.

Eben - sag das mal dem Ratzinger.

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#1320 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 09:43

Münek hat geschrieben:Aber das haben wir doch bereits, lieber Kurt: EXEGESE und DOGMATIK.
Da kämen wir wieder in die Frage rein, wo die Grenze ist zwischen reiner wissenschaftlicher Beobachtung und weltanschaulicher Schlussfolgerung daraus. - Ich muss gestehen, dass ich dabei die Interfaces zwischen Exegese, Hermeneutik und Dogmatik in der Praxis (!) noch nicht verstanden habe.

Das hängt damit zusammen, dass in unserem Thema der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" eindeutig weltanschauliche Schlussfolgerung aus wissenschaftlichen Beobachtungen ist, aber unter wissenschaftlicher Exegese gebucht wird - dann wäre "Exegese" also auch ein "dogmatischer" Prämissen-Laden. - Dazu würde ich gerne mal eine Wissenschafts-Theoretiker hören.

Münek hat geschrieben:Eben - sag das mal dem Ratzinger.
Er hat es ja vor vielen Jahrzehnten erkannt und beide zusammengeführt. - Egal, was passiert: Die HKM wird fester Bestandteil innerhalb der christlichen Theologie bleiben.

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