Parusieverzögerung III

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Münek
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#1151 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Di 25. Aug 2015, 02:15

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In dem gesamten Threadthema ging es NIE um "Glaubensaussagen".
Primär nicht -

Auch sekundär nicht, sondern überhaupt nicht.

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Münek
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#1152 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Di 25. Aug 2015, 02:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du hast Dich mit Deiner Glaubensfackel ins wissenschaftliche Lager begeben - und dort wehte Dir zu Recht ein eisiger Wind ins Gesicht...
Das ist Dein geradezu dogmatisch anmutender Irrtum: Im wissenschaftlichen Lager wehen sowohl eisige als auch warme Winde - je nach wissenschaftlicher Perspektive. - Aber wie oft habe ich das jetzt eigentlich schon gesagt?

Welche wissenschaftlichen Perspektiven gibt es denn in der Bibelexegese? :o

Du hast schon mal von zwei wissenschaftlichen Lagern innerhalb der Theologie gesprochen, konntest das zweite Lager auf Nachfra-
ge aber nicht konkret benennen.

Im wissenschaftlichen Lager wird Deine Glaubensfackel durch den eisigen Wind der knochenhart-undogmatischen (glaubensmäßig
nicht festgelegten) Forschung zwangsläufig ausgeblasen. Das ist ihr Schicksal, weil Glaubensvorstellungen in jedweden Wissen-
schaftsbetrieb kein Existenzrecht besitzen. Deswegen habe ich dir manchesmal geraten, Dich lieber zurückzuziehen und im warmen
Refugium der Dogmatik
zu verweilen; unter den Fittichen der Mutter-Glucke Kirche bist Du wohl geborgen.


Du erinnerst mich manchmal - sorry - an ein trotziges Kind, welches partout mit dem Kopf durch die Wand will.

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Andreas
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#1153 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Andreas » Di 25. Aug 2015, 03:11

Münek hat geschrieben:NUR: In dem gesamten Threadthema ging es NIE um "Glaubensaussagen". Es ging immer um bibelhistorische Wissenschaft und deren Ergebnisse. Wie Du Dich erinnern kannst, entzündete sich die lebhafte Debatte primär an der Feststellung, es bestehe in der wissenschaftlichen Theologie ein breiter Konsens darüber, dass Jesus eine Naherwartung hatte, die sich nicht erfüllt hat.
Ach, jetzt verstehe ich das erst!

Dass Jesus eine Naherwartung hatte, die sich nicht erfüllt hat, soll niemand glauben - aber jeder soll es wissen, damit endlich alle aufhören zu glauben, was in der Bibel steht. Das Reich Gottes kommt gar nicht, weil sich Jesus geirrt hat. DAS wollen uns die Theologen der neutestamentlichen Forschung sagen. Mann, die sind wirklich knochenehrlich. Sie setzen der intellektuellen Redlichkeit willen sogar ihre hochdotierten Arbeitsplätze aufs Spiel.
Hut ab.

Und der Münek, der Zeus und alle Athis hier helfen ihnen ehrenamtlich dabei.

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Naqual
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#1154 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Naqual » Di 25. Aug 2015, 06:26

Münek hat geschrieben: Ich kann mich ja irren, aber das von Jesus als nah angekündigte Reich Gottes ist nicht gekommen. Oder habe ich da was übersehen?
Was glaubst Du wohl, weshalb Christen im sonntäglichen Gottesdienst nach wie vor beten: "...dein Reich komme..."? Das würden sie
doch nicht machen, wenn es schon da wäre...

Lk 17,21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Für mich heißt diese Belegstelle, dass Jesus als er das sagte, das Reich Gottes bereits als etwas Existentes sah, nicht Kommendes.


Dem Irrtum Jesu kann man nicht mit der Ausflucht begegnen, Jesus habe ein "Inneres Reich"
Gottes verkündigt. Das hat er nicht und das glaubt nicht mal Ratzinger, der in seinem Jesus-
buch die Auffassung vertritt, das "Reich Gottes" sei Jesus von Nazareth in Person.
Wo machst Du den Irrtum Jesu fest im NT? Also so ganz konkret.
Ich gehe mir Dir sicher überein, dass die ersten Christen eine irrtümliche Naherwartung des Endes der Welt hatten. Aber Jesus?
Der sagte nur, dass er es nicht weiß, sondern nur der Vater. Die ersten Christen wussten es auf einmal wieder besser, bzw. sie taten sich mit müßigen Spekulationen hervor.
Ratzingers Schlussfolgerung vermag ich nicht zu folgen, es ist für mich zu "reduktionistisch" auf die Person Jesu.
Jesus war allenfalls eine (und die exemplarischste) Konkretisierung des Reiches Gottes. Bis hin zum Kreuz, das die enorme irdische Machtlosigkeit bzw. Machtverzicht mit sich trug. Ganz anders dann wie die Kirchengeschichte, die dann immer wieder mit der irdischen Macht kollaborierte.

Also der präsente Jesus verkörpert die Gegenwart des Reiches Gottes und lehrt gleichzeitig das Volk und seine Jünger, Gott um das Kom-
men seines Reiches zu bitten....
Damit habe ich gar nicht so meine Schwierigkeiten. Das Reich ist da, wenn es durch die Gläubigen konkretisiert wird. Das möge kommen.
Soweit es aber konkretisiert wird, ist es schon da.

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sven23
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#1155 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Di 25. Aug 2015, 07:04

Andreas hat geschrieben:Ach, jetzt verstehe ich das erst!
.
Ah, ein Schnellmerker. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Samantha

#1156 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Samantha » Di 25. Aug 2015, 09:18

Savonlinna hat geschrieben:So ist es. Das habe auch von der Website bibelwissenschaft.de hier zitiert. Wird hier aber ignoriert, weil es nur eine richtige Meinung geben kann: die von Münek.
Außerdem habe ich bei den brandneuen Übersetzungen des Neuen Testamentes aufgezeigt, wie sehr man sich Mühe gibt, dieses innere Reich Gottes richtig zu übersetzen.
Nützt aber auch nichts, weil das Müneks Ansicht widerspricht. Also kann das nicht stimmen, was die Übersetzer herausgefunden haben. :D
Es ist m. E. eher dogmatisch, wenn "zu ergebnisoffen" geforscht wird, denn dann wandelt man auf dünnem Eis - man verlässt dann die "Redlichkeit", da wichtige Details außen vor bleiben und somit ein falsches Ergebnis in die Irre führt.


Münek hat geschrieben:Das Entscheidende ist, die Ergebnisse dürfen nicht vorgegeben, sondern müssen offen sein.
Sonst wird es autokratisch und damit unwissenschaftlich

Daran scheitert die Dogmatik aus inneren Gründen. Sie fesselt sich selbst, weil sie nicht ergebnis-
offen arbeiten will - und somit auch nicht darf. Wer dennoch aus intellektuell-redlichen Gründen
ausbricht (siehe Uta Ranke-Heinemann), wird bestraft und entfernt.
Ja, dann fang endlich mal an, Deine eigene "Redlichkeit" infrage zu stellen. Deine Ergebnisoffenheit hat etwas paradoxes - scheinbar offen, aber nicht in alle Richtungen und daher dogmatisch.

closs
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#1157 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Di 25. Aug 2015, 11:09

Münek hat geschrieben:Welche wissenschaftlichen Perspektiven gibt es denn in der Bibelexegese?
Immer unter dem Vorbehalt, dass es mir in der PRaxis schwerfällt, zwischen Exegese und Hermeneutik zu unterscheiden (der theoretische Unterschied ist mir klar):

Die historisch-kritische Hermeneutik (= Interpretation) hat eine andere Perspektive als die kanonische Hermeneutik als die narrative Hermeneutik als die feministische Hermeneutik als die etc. - Alle dieser Perspektiven basieren auf den gleichen wissenschaftlichen Daten.

Es ist falsch, dass die HK-Hermeneutik wissenschaftlicher sei als die kanonische - etc.

Naqual hat geschrieben:Ich gehe mir Dir sicher überein, dass die ersten Christen eine irrtümliche Naherwartung des Endes der Welt hatten. Aber Jesus?
Vielen Dank für diese Differenzierung.

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Savonlinna
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#1158 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Savonlinna » Di 25. Aug 2015, 11:10

Münek hat geschrieben: Hat aberJesus tatsächlich zwei Gottesreiche verkündigt...? :o
Versuch doch zu verstehen:

Die historisch-kritische Methode befasst sich mit TEXTEN!
Du suchst immer nach der Psyche des historischen Jesus.

Das kann für einen persönlich interessant sein, aber eine Wissenschaft kann das nicht untersuchen.
Sie untersucht, was Autor A für ein Christusbild vermitteln wollte, und was Autor B für ein Christusbild vermitteln wollte.
Und es können auf diese Weise von verschiedenen Autoren verschiedene Christus-Bilder überliefert werden!

Und es ist von der Wissenschaft unbestritten, dass zumindest laut einem Autor das INNERE GOTTESREICH von Jesus angekündigt wurde.
Es ist völlig sinnlos, das zu bestreiten, und die Diskussion darüber ist nur ein heißer Luftballon.

Noch einmal zur Erklärung:
Keiner der hier relevanten Autoren hat Jesus selber interviewt oder auch nur kennengelernt.
Sie alle schreiben auf der Basis von mündlichen und schriftlichen Berichten.

Dieses Phänomen gibt es auch in der Geschichtswissenschaft, und die Geschichtswissenschaft ist sich dessen voll bewusst, dass sie die historische Faktizität nicht rekonstruieren kann.
Obwohl ich das hier mehrmals zitiert habe, wird das offenbar nicht erfasst und berücksichtigt.

Ich zitiere noch einmal die hier relevanten Punkte:

Historische Methode
Vergangenheit und Geschichte
=>
• Jede historische Aussage ist ausgewählt (Konstruktion)
• Geschichte liegt nur als Erzählung vor (Narrativität)
• Geschichte ist vom erkennenden Subjekt geprägt
(Subjektivität / erkenntnisleitendes Interesse)
• = Standort und Perspektive
http://www.phil.uni-greifswald.de/filea ... S07-08.pdf

Was hier steht, können unsere Atheisten offenbar irgendwie nicht erfassen.
Sich darüber die Köppe einzuschlagen, wie Jesus WIRKLICH war, ist nicht einmal für einen Dorfpfarrer noch ein Thema.
Für bestimmte Atheisten ist das aber ein Dauerthema, darum ist diese Diskussion ja auch so altmodisch.
Man intersssiert sich nicht für die Prämissen der Geschichtswissenschaft - siehe die obigen Thesen -, sondern will vorsintflutliche Überlegungen anstellen.

Für GLÄUBIGE Christen haben in meinen Augen gerade die Erläuterungen der Methoden der Geschichtswissenschaft und damit der der historisch-kritischen Wissenschaft eine gute Grundlage dafür geliefert, dass das Phänomen "Christus" "geistig" vorhanden ist, und auch wirksam vorhanden ist.

Das ist den eben zitierten Thesen zu entnehmen:
"Geschichte ist vom erkennenden Subjekt geprägt", von "Standort" und "Perspektive".

Die heutige Wissenschaft ist dem Wesen der Religionen sehr viel mehr auf die Spur gekommen als noch vor fünfzig Jahren, weil sie das erkennende Subjekt einbezieht.
Das bekämpfen die Atheisten, wie es scheint.
Sie bekämpfen die Erkenntnisse der Wissenschaft.
Und darum scheint Atheismus wissenschafts-feindlich.

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sven23
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#1159 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Di 25. Aug 2015, 12:20

closs hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Ich gehe mir Dir sicher überein, dass die ersten Christen eine irrtümliche Naherwartung des Endes der Welt hatten. Aber Jesus?
Vielen Dank für diese Differenzierung.
Es darf retrospektiv überhaupt keine Rolle spielen, ob es ins Welt- oder Glaubensbild paßt, ob der Wanderprediger und Endzeitprophet Jesus sich geirrt hat. Der Irrtum Jesu und meinetwegen auch der Irrtum der Schreiber war ja nicht mehr aus der Welt zu tilgen, deshalb auch die späteren Versuche, die Naherwartung umzudeuten und zu relativieren, was man dann gemeinhin unter dem Stichwort "Paursieverzögerung" zusammenfassen kann.
Hätte es diese Naherwartung nie gegeben, wären alle späteren Parusieverzögerungsversuche überflüssig gewesen, die ja bis hin zu Fälschungen gingen, wenn man nur an den 2. Petrusbrief denkt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Savonlinna
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#1160

Beitrag von Savonlinna » Di 25. Aug 2015, 13:13

sven23 hat geschrieben:Der Irrtum Jesu und meinetwegen auch der Irrtum der Schreiber war ja nicht mehr aus der Welt zu tilgen,
Versuch doch einfach mal logisch zu denken, sven.
Welchen "Irrtum" sollen denn die Schreiber gehabt haben, die erst frühenstens fünzig Jahre nach Jesu Tod überhaupt die Feder in die Hand genommen haben?

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