Eli, Eli, lama asabtani?

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sven23
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#1 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von sven23 » Fr 15. Apr 2022, 11:42

Mein Gott, warum hast du mich verlassen? sollen gem. Markusevangelium (15,34) die letzten Worte Jesu am Kreuz gewesen sein.
Es wird uns hier also ein Mensch präsentiert, der Zweifel an der eigenen Mission äußert, ja, der selbst verzweifelt ist. Nun sind diese Worte mit großer Wahrscheinlichkeit erfunden, weil es Angehörigen nicht gestattet war, der Hinrichtung beizuwohnen.
Aber es ist Ausdruck einer Tendenz im ältesten Evangelium, Jesus noch als Menschen darzustellen, weniger als Gott, wie es spätere Evangelisten taten, besonders Lukas und Johannes.
Und angesichts des eigenen Todes ist die Enttäuschung und Verzweifelung ja eine durchaus verständliche und menschliche Reaktion, wenn man fest mit dem Eingreifen Gottes gerechnet hat.

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Der Evangelist Matthäus übernimmt diese Stelle aus dem Markusevangelium. (27,46)

Der Evangelist Lukas findet wohl, dass dies für einen Gottessohn keine angemessenen Worte sind.
Er macht daraus:

Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (23,34)
Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (23,43)
Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (23,46)

Insgesamt erscheint Jesus bei Lukas etwas zu geschwätzing für einen Sterbenden.

Johannes übernimmt keine Vorlage seiner Vorgänger, sondern erfindet neue "letzte" Worte:

Frau, siehe, dein Sohn! und Siehe, deine Mutter!
(19,26–27)
Mich dürstet. (19,28)
Es ist vollbracht. (19,30)

Bei Johannes ist der Vergottungsprozess am weitesten fortgeschritten, folgerichtig setzt er mit "Es is vollbracht" den Schlussakkord, der aus der passiven Rolle des Hingerichteten einen aktiven und von Gott gewollten Sühne- und Opfertod macht.

Aber wie schon gesagt, sind alle letzten Worte aus historischen Gründen wahrscheinlich erfunden. Sie folgen aber der allgemeinen Tendenz des Vergottungsprozesses, der bei Johannes seinen Höhepunkt findet.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Ruedi
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#2 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von Ruedi » Fr 15. Apr 2022, 11:52

Ich gehe davon aus, dass neben dem hellenistischen Vergottungsprozesses, auch schlicht und einfach, jedes spätere Evangelium die Fehler der vorangehenden korrigieren sollte. Leider schlichen sich dann weitere ein.  :shock:

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sven23
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#3 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von sven23 » Fr 15. Apr 2022, 12:38

Ruedi hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:52
Ich gehe davon aus, dass neben dem hellenistischen Vergottungsprozesses, auch schlicht und einfach, jedes spätere Evangelium die Fehler der vorangehenden korrigieren sollte. Leider schlichen sich dann weitere ein.  :shock:
Ja, so könnte man es auch sagen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Ruedi
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#4 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von Ruedi » Do 21. Apr 2022, 15:50

sven23 hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:42
Der Evangelist Lukas findet wohl, dass dies für einen Gottessohn keine angemessenen Worte sind.
Er macht daraus:

Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (23,34)
Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (23,43)
Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (23,46)

Insgesamt erscheint Jesus bei Lukas etwas zu geschwätzing für einen Sterbenden.

Johannes übernimmt keine Vorlage seiner Vorgänger, sondern erfindet neue "letzte" Worte:

Frau, siehe, dein Sohn! und Siehe, deine Mutter! (19,26–27)
Mich dürstet. (19,28)
Es ist vollbracht. (19,30)

Irgendwie haben die wohl gemerkt, dass so was weiches eher zu Jesaja 53 passt, nachdem die anderen beiden es versifft haben.

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SamuelB
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#5 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von SamuelB » Mo 30. Mai 2022, 19:40

Da geht doch noch was:

sven23 hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:42
Mein Gott, warum hast du mich verlassen? sollen gem. Markusevangelium (15,34) die letzten Worte Jesu am Kreuz gewesen sein.
Es wird uns hier also ein Mensch präsentiert, der Zweifel an der eigenen Mission äußert, ja, der selbst verzweifelt ist.
Dies ist also die Version, in welcher der Satan gewinnt, der Infragesteller. Da hätte er sich die Gespräche in der Wüste sogar klemmen können.

sven23 hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:42
Der Evangelist Lukas findet wohl, dass dies für einen Gottessohn keine angemessenen Worte sind.
Mit Recht. Das ist Gotteslästerung, wenn man sich die Bedeutung der Worte mal genau überlegt, also aus Sicht Jesus= Sohn Gottes. (--> Dein Gott ist nicht hier.) Da passt der Satz wirklich nicht ins weiterentwickelte Konzept.

sven23 hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:42
Aber wie schon gesagt, sind alle letzten Worte aus historischen Gründen wahrscheinlich erfunden.
Ok, Spaß beiseite? 🥺

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sven23
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#6 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von sven23 » Di 31. Mai 2022, 14:13

SamuelB hat geschrieben:
Mo 30. Mai 2022, 19:40
Da geht doch noch was:
sven23 hat geschrieben:
Fr 15. Apr 2022, 11:42
Aber wie schon gesagt, sind alle letzten Worte aus historischen Gründen wahrscheinlich erfunden.
Ok, Spaß beiseite? 🥺
Nee, die Forschung meint das durchaus ernst. Da wie schon gesagt es Angehörigen nicht gestattet war, der Hinrichtung beizuwohnen, war auch niemand anwesend, der die letzten Worte hätte mitgekommen können.
Trotzdem ist eine eindeutige Tendenz anhand der ihm in den Mund gelegten Worte erkennbar. Aus dem Menschen Jesus wird im Laufe der Zeit ein Gottessohn, fast ein Vollgott. Der Mensch Jesus wird zum Gott umgeglaubt. Das alles passiert aber erst lange nach seinem Tod. Zu Jesu Lebzeiten war die Vergottung seiner Person noch überhaupt kein Thema, ganz im Gegenteil wäre das in jüdischem Verständnis Gotteslästerung gewesen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Ruth
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#7 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von Ruth » Di 31. Mai 2022, 14:40

sven23 hat geschrieben:
Di 31. Mai 2022, 14:13
wie schon gesagt es Angehörigen nicht gestattet war, der Hinrichtung beizuwohnen, war auch niemand anwesend, der die letzten Worte hätte mitgekommen können.
In Markus 15,39 gab es einen Hauptmann ...
Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!

Nicht wenige Bibelgläubige gehen davon aus, dass dieser Hauptmann später zu den Christusgläubigen gehörte.
Da die Christus-Anhänger erst nach dem Tod Gemeinschaften bildeten, könnte es ebenso sein, dass etliche der "Beamten" die das Ganze beaufsichtigt haben, sich denen angeschlossen und darüber berichtet haben, was sie erlebt haben.

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sven23
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#8 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von sven23 » Mi 1. Jun 2022, 08:07

Ruth hat geschrieben:
Di 31. Mai 2022, 14:40
sven23 hat geschrieben:
Di 31. Mai 2022, 14:13
wie schon gesagt es Angehörigen nicht gestattet war, der Hinrichtung beizuwohnen, war auch niemand anwesend, der die letzten Worte hätte mitgekommen können.
In Markus 15,39 gab es einen Hauptmann ...

Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!
Es ist ein oft genutzer taktischer Schachzug der Evangelisten, jemanden von der "Gegenseite" des Christentums umzupolen. Plötzlich "erkennt" der Gegner, dass er auf der falschen Seite steht und bekennt sich zum Christentum. Das soll wohl Argumente für eine bevorstehende Missionierung liefern.
Im vorliegenden Fall sah der Hauptmann angeblich den Vorhang des Tempels zerreißen und es fiel ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen: sie hatten soeben Gottes Sohn getötet.
Dem Evangelisten Matthäus war das aber noch zu unspektatkulär.

Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. Die Gräber öffneten sich und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt. Nach der Auferstehung Jesu verließen sie ihre Gräber, kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.
(Mt 27,51–53)

Von diesen "spektakulären" Ereignissen wissen nachfolgende Schreiber nichts mehr, obwohl es ja nicht unbemerkt geblieben sein konnte, wenn plötzlich Zombies durch die Stadt wandelten.

Ruth hat geschrieben:
Di 31. Mai 2022, 14:40
Nicht wenige Bibelgläubige gehen davon aus, dass dieser Hauptmann später zu den Christusgläubigen gehörte.
Ja, es müssen schon sehr Bibelgläubige oder Biblizisten sein, die heute noch die Evangelien als historische Tatsachenberichte betrachten. Es waren Glaubenspropagandaschriften, die Glauben wecken sollten. Dazu war jedes Mittel recht, auch die Lüge, denn sie wurde ja nicht als Sünde angesehen, wenn sie der Verherrlichung Gottes diente. (siehe Paulus)
Ich denke auch nicht, dass die Evagelisten und Paulus ein Unrechtsbewußtsein in dieser Hinsicht hatten.

Ruth hat geschrieben:
Di 31. Mai 2022, 14:40
Da die Christus-Anhänger erst nach dem Tod Gemeinschaften bildeten, könnte es ebenso sein, dass etliche der "Beamten" die das Ganze beaufsichtigt haben, sich denen angeschlossen und darüber berichtet haben, was sie erlebt haben.
Dann hatten sie ein schlechtes Gedächtnis, denn die angeblich letzten Worte sind höchst unterschiedlich (siehe oben). Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass ein sich im Todeskampf befindlicher Mensch noch literarische Ergüsse von sich gibt.
Es bringt also nichts, den Märchen der Evangelisten noch eigene Märchen hinzuzufügen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Ruth
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#9 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von Ruth » Mi 1. Jun 2022, 13:19

sven23 hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 08:07

Von diesen "spektakulären" Ereignissen wissen nachfolgende Schreiber nichts mehr, obwohl es ja nicht unbemerkt geblieben sein konnte, wenn plötzlich Zombies durch die Stadt wandelten.

;) .... war ja klar, dass du dann erst einmal scharfe Geschütze heraus kramst, um zu "beweisen", dass alles nicht stimmen kann. Ich weiß ja nicht, was für einen Nutzen du dir davon versprichst, Beweismittel zu suchen und finden, um die Geschichten der Bibel als unglaubwürdig darzustellen.

Ich muss dir dazu sagen, dass es mir so ziemlich egal ist, was davon echt mal geschehen ist oder nicht. Ich glaube nicht an die Bibel, sondern an Gott, der Menschen auf verschiedene Weise "begegnet" .... nicht als Zombie, sondern durch Impulse, Zeichen und Hilfe für den Alltag.

Ich verstehe die ganzen biblischen Geschichten als "Zeugnisse" von Menschen für Menschen, durch Berichte wie sie selbst Gottes "Spuren" im persönlichen Leben erfahren. Erfahrungen, die etwas Gutes/Aufbauendes im Alltag bewirkt haben. Sie sind immer also Interpretationen der eigenen Wahrnehmungen ... mehr nicht.

Und unter diesem Aspekt ist es völlig egal, ob das genauso geschehen ist oder einfach nur so gedeutet wurde. Menschen, die selbst Gott im eigenen Leben "begegnen" erkennen darin Botschaften, die in diesen Berichten enthalten sind.... je nachdem, wie weit etwas in dem Moment gerade passt ... wenn es das "Herz" trifft. Mehr muss es nicht tun.

In diesem Sinne war mir nach deinem Einwurf, dass niemand von den Angehörigen dabei gewesen sein kann, eben nur der Hauptmann eingefallen, der eben doch etwas mitbekommen hat. Wer nun von den Herumstehenden genau was berichtet hat, weiß keiner so genau. Vielleicht hat Jesus auch so manches noch vorher gesagt, dass dann in das Geschehen rund um die Kreuzigung eingefügt wurde, so wie es von Mal zu Mal weitererzählt wurde.

Und nebenbei noch .... die Berichte von Menschen, die mir in der heutigen Zeit begegnen und von ihren Erfahrungen mit Gott berichten, verstehe ich ganz genau so, wie die Berichte der Bibel. Ich benutze sie nach dem Motto: "Prüfe alles und das Gute behalte".... ohne dem anderen erst versuchen, deren eigenen Erfahrungen abzuwerten oder gar zu auszureden.

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sven23
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#10 Eli, Eli, lama asabtani?

Beitrag von sven23 » Fr 3. Jun 2022, 09:24

Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
sven23 hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 08:07
Von diesen "spektakulären" Ereignissen wissen nachfolgende Schreiber nichts mehr, obwohl es ja nicht unbemerkt geblieben sein konnte, wenn plötzlich Zombies durch die Stadt wandelten.
;) .... war ja klar, dass du dann erst einmal scharfe Geschütze heraus kramst, um zu "beweisen", dass alles nicht stimmen kann.
Das sind keine Geschütze, sondern ganz normale textkritische Untersuchungen. Man darf ja auch ruhig mal den gesunden Menschenverstand einschalten und sich fragen:
wenn die Geschichte bei Matthäus stimmen sollte, warum hat dann das ältere Markusevangelium dies nicht erwähnt? Die logische Schlußfolgerung kann nur sein: er konnte davon noch nichts wissen, weil Matthäus dies erst Jahre später erfunden hat. Dieses Muster findet sich immer wieder, wenn man die Evangelien miteinander vergleicht.


Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
Ich weiß ja nicht, was für einen Nutzen du dir davon versprichst, Beweismittel zu suchen und finden, um die Geschichten der Bibel als unglaubwürdig darzustellen.
Warum muss alles immer einen Nutzen haben. Versprechen sich Gläubige einen Nutzen von ihrem Glauben, sprich eine Belohnung im Jenseits?
Ich will mich auch nicht mit fremden Federn schmücken. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Bibeltexte stammt ja größtenteils von der neutestamentlichen Forschung, die sich unabhängig von glaubensideologischen Aspekten wissenschaftlicher Methodik verpflichtet fühlt.
Die Suche nach Wahrheit (was historisch der Fall war) und Erkenntnisgewinn sind doch erstrebenswerte Ziele und ein Gebot der intellektuellen Redlichkeit.

Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
Ich muss dir dazu sagen, dass es mir so ziemlich egal ist, was davon echt mal geschehen ist oder nicht. Ich glaube nicht an die Bibel,...
Um so unverständlicher ist es dann, wenn man mit Amateurexegese die Forschungsergebnisse zu widerlegen versucht, bzw. die historische Glaubwürdigkeit herzustellen versucht.

Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
Ich verstehe die ganzen biblischen Geschichten als "Zeugnisse" von Menschen für Menschen, durch Berichte wie sie selbst Gottes "Spuren" im persönlichen Leben erfahren. Erfahrungen, die etwas Gutes/Aufbauendes im Alltag bewirkt haben. Sie sind immer also Interpretationen der eigenen Wahrnehmungen ... mehr nicht.
Richtig, sog. Gotteserfahrungen sind subjektive Wahrnehmungen. Gott "wohnt" im Gehirn, wie Neurobiologen sagen. Wo genau, ist umstritten, manche vermuten im Belohnungszentrum oder im präfrontalen Cortex. Dialoge mit Gott sind Selbstgespräche auf einer Metaebene.

Auch Krankheiten und psychische Störungen haben die Hirnforschung auf eine Spur gebracht:

Daher stellt sich auch die Frage, ob unser religiöser Glaube nicht im Endeffekt auf die Aktivität im Gehirn reduziert werden kann. So treten stark religiös geprägte Erlebnisse bei Patienten mit einem Krampfanfall, einer sogenannten Epilepsie, auf. Auch Patienten mit einer Schizophrenie zeigen immer wieder starke religiöse Erlebnisse. Einige dieser Patienten erleben sich selbst als Gott und verhalten sich dann auch entsprechend.
Quelle


Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
Und unter diesem Aspekt ist es völlig egal, ob das genauso geschehen ist......
Ich finde ganz und gar nicht, dass das völlig egal ist. Warum sollte ein Gott, wenn es ihn denn gäbe, auf Lügen angewiesen sein? Das ist doch intellektuell und philosophisch völlig unbefriedigend. Die Kirche hatte wohl selbst Zweifel und vorsichtshalber das Glaubensgebäude in nicht hinterfragbare Dogmen gießen lassen.
Und wenn man bedenkt, welche fatalen Auswirkungen die Behauptung der Historizität der Ereignisse hatte (Judenhass, Judenverfolgung, Kreuzzüge, Glaubenskriege, usw.), dann kann man nicht sagen, dass dies völlig egal ist.

Ruth hat geschrieben:
Mi 1. Jun 2022, 13:19
In diesem Sinne war mir nach deinem Einwurf, dass niemand von den Angehörigen dabei gewesen sein kann, eben nur der Hauptmann eingefallen, der eben doch etwas mitbekommen hat.
Der Hauptmann ist ebenso wie Pilatus ein Vertreter der "Gegenseite". Diese werden nach altbewährtem Muster "umgepolt", d. h. sie werden zu Zeugen der Göttlichkeit von Jesus gemacht, bzw. instrumentalisiert. Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass der wegen seiner Grausamkeit berüchtigte Pilatus, der in seiner Amtszeit Tausende hat kreuzigen lassen, sich mit jedem Einzelnen in einem Prozess beschäftigt hat, zumal Jesus nicht mal römisches Bürgerrecht besaß. Auch die Frau von Pilatus wird noch über eine Traumsequenz, die die Unschuld Jesu belegen soll, in die Handlung mit einbezogen.
Der Evangelist Matthäus will hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nach dem jüdischen Krieg und der Zerstörung des Tempels war für jeden klar: wer sich mit Rom anlegte, war dem Untergang geweiht. Mit der Verschiebung der Schuld am Tod von Jesus an die Juden wollte man die Römer entlasten und ihnen signalisieren, dass von der christlichen Sekte keine Gefahr für das römische Imperium ausgeht, andererseits den Juden eins auswischen, weil sie die posthume Vergottung des Wanderpredigers nicht mitmachen wollten.
So pojizierten sie die Verhälnisse nach dem jüdischen Krieg in die Zeit Jesu zurück und beschrieben einen Konflikt zwischen Jesus und dem jüdischen Volk, speziell den Pharisäern, den es zu seinen Lebzeiten nie gegeben hat.
Der Jude Jesus wollte seine jüdischen Landsleute vor dem unmittelbar bevorstehenden göttlichen Endzeitgericht warnen. Die Evangelisten versuchten ihn seiner eigenen Religion zu entfremden, ihn aus dem Judentum herauszulösen und ihn zum Protagonisten einer neuen Sekte zu machen.
Ich denke, der gute Jesus würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon wüßte.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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