Parusieverzögerung II

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sven23
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#601 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » Mi 27. Mai 2015, 12:16

closs hat geschrieben:Im Grunde ist es also eine Rezeptions-Frage: Haben die Jünger und dann die Schreiber Jesus von vorneherein richtig oder falsch rezipiert? - x hält sich an den "Normalfall" ("So blöd können die ja nicht gewesen sein - natürlich haben sie ihn richtig verstanden"). - y hält sich an ein spezielles Textmotiv, das seit dem AT immer wieder vorkommt ("Eure Gedanken sind nicht meine Gedanken"). - Obwohl es Wissenschaft ist: Es ist reine Glaubens-Frage. - UND: Beides ist text-kritisch vertretbar, weil beides textlich mehrfach belegt ist.

Das Problem ist aber auch, daß du die Schreiber für völlig unterbelichtet hälst. Die hatten nämlich Jahrzehnte später, als man schon erkennen konnte, daß die Naherwartung ein Fehlschuss war, alle Möglichkeiten, die Naherwartung durch Jesus abzustreiten oder wenigstens zu verschweigen.
Daß sie dies nicht taten, spricht ja gerade -wie Kubitza meint- für die Authentizität.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Hemul
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#602 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Hemul » Mi 27. Mai 2015, 12:28

Münek hat geschrieben:@ Lieber Hemul

Wer hier keine Widersprüche zwischen den Angaben des Johannesevangelisten und der Synoptiker erkennt, muss blind sein .
@Lieber Münek
Wer annimt, dass Jesus zu der sechsten Stunde(12 Uhr) im dunklen vor Pilatus stand-sollte hier selbst einmal seine Blindenbrille endlich abnehmen.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#603 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Mi 27. Mai 2015, 12:57

Münek hat geschrieben:Nein, es werden historische Sachverhalte untersucht, die in den biblischen Schriften ihren Niederschlag gefunden haben.
Das ist ja ok. - Aber es kann nicht sein, dass man die Version "Jesus hat ein (quasi-)historisches Weltreich in Bälde vorausgesagt" als historisch versteht, und die Version "Die Text-Verfasser haben dieses Weltreich fälschlich als äußeres verstanden" als nicht-historisch versteht.

Verstehst Du unter "historisch-kritisch", dass man nur historisch naheliegende Versionen berücksichtigt?

sven23 hat geschrieben:Das Problem ist aber auch, daß du die Schreiber für völlig unterbelichtet hälst.
Wie lange dauert es, bis ein Naturalist versteht, dass Ergebnis-Offenheit der Evolution und Teleologie der Fügung nicht interferieren? - Es dauert lange, weil die Menschen im Maßstab ihrer Zeit denken, und nicht, weil sie unterbelichtet sind.

K(aum)einer kommt aus seiner Zeit heraus, wenn er denkt.

sven23 hat geschrieben:Daß sie dies nicht taten, spricht ja gerade -wie Kubitza meint- für die Authentizität.
Ja - für die Authentizität, dass sie wirklich glaubten, Jesus habe ein äußeres Reich in Bälde angekündigt.

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Münek
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#604 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Mi 27. Mai 2015, 14:30

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein, es werden historische Sachverhalte untersucht, die in den biblischen Schriften ihren Niederschlag gefunden haben.
Das ist ja ok. - Aber es kann nicht sein, dass man die Version "Jesus hat ein (quasi-)historisches Weltreich in Bälde vorausgesagt" als historisch versteht, und die Version "Die Text-Verfasser haben dieses Weltreich fälschlich als äußeres verstanden" als nicht-historisch versteht.

Verstehst Du unter "historisch-kritisch", dass man nur historisch naheliegende Versionen berücksichtigt?

Warum sollten die Exegeten historisch FERNLIEGENDES berücksichtigen? :shock:

Warum sollte Deine Version "Die Jünger verstanden ihn nicht" in ihren Fokus
geraten? Dafür fehlt jegliche überzeugende Begründung. Zumal Jesus selbst
seinen Jüngern exakt das Gegenteil bestätigt hat
(Matth. 13,11).

Hemul
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#605 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Hemul » Mi 27. Mai 2015, 14:46

Münek hat geschrieben: Warum sollte Deine Version "Die Jünger verstanden ihn nicht" in ihren Fokus
geraten? Dafür fehlt jegliche überzeugende Begründung. Zumal Jesus selbst
seinen Jüngern exakt das Gegenteil bestätigt hat
(Matth. 13,11).
Warum? :roll: Ganz einfach-weil Jesus gem. Deinem genannten Beweis:
11 Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Weil euch gegeben ist, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu wissen, jenen aber ist es nicht gegeben;
Einige Zeit später, nämlich in Apostelgeschichte 1:6-8 auch folgendes gesagt hat:
6 Sie nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn und sagten: Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder her? 7 Er sprach zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.
:wave:
Zuletzt geändert von Hemul am Mi 27. Mai 2015, 14:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Münek
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#606 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Mi 27. Mai 2015, 14:50

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Daß sie dies nicht taten, spricht ja gerade -wie Kubitza meint- für die Authentizität.
Ja - für die Authentizität, dass sie wirklich glaubten, Jesus habe ein äußeres Reich in Bälde angekündigt.

Die Jünger haben ihrem Rabbi halt geglaubt, als er ihnen am letzten gemeinsamen Abend beim
Passamahl versicherte:


"Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis
an den Tag, da ich´s neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich" (Matth. 26,29).

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#607 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Hemul » Mi 27. Mai 2015, 14:57

Münek hat geschrieben: Die Jünger haben ihrem Rabbi halt geglaubt, als er ihnen am letzten gemeinsamen Abend beim
Passamahl versicherte:
"Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis
an den Tag, da ich´s neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich" (Matth. 26,29).
Klar haben die Jünger Jesus damals das geglaubt. Sie wussten aber auch, bevor es soweit ist mussten sie ihren Maultieren gem. Matthäus 24:14 ganz kräftig die Sporen geben-gelle? 8-)
14 Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreis, allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.
:wave:
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#608 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von dagegen » Mi 27. Mai 2015, 14:58

Das Ausbleiben der Naherwartung bzw. die Parusieverzögerung wird keineswegs so gedeutet, dass sich Jesus über sein erneutes Kommen geirrt habe. Es ist auch keineswegs so, dass Theologen wie Kaspar hier einräumen, dass Jesus sich geirrt habe (contra Münek). Es ist vielmehr so, daß das Reich Gottes mit Jesus Christus schon angebrochen ist. Das meinte ich, als ich schrieb, der Gläubige wird Zeuge eines Spiels, das bereits geschieht. In Apg 7,56 heißt es von Stephanus:

Apg 7,56 hat geschrieben:Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen
und rief: "Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen."

Der irdische Jesus verkündete die Nähe des Reiches Gottes. Seit seiner Auferstehung verkündet die Kirche den Anbruch des Reiches Gottes bereits für "diese Generation". Der Anbruch des Reiches Gottes ist also nicht mit dem Weltende und dem Kommen Jesu als Weltenrichter am Ende der Zeit zu verwechseln.

Weder dürfen wir uns das Kommen des Reiches Gottes so vorstellen, dass es in irgendeinem historisch fassbaren Ereignis geschehe (vgl. dazu Lukas 17,21:
LK 17,20 Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte.
Lk 17,21 Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch.
) noch dass der Jüngste Tag irgendeinen tatsächlich einen ganz bestimmten Tag meine. Der Jüngste Tag ist kein historisch zu bestimmendes Datum, sondern meint den "Tag", an dem Gott uns, jeden einzelnen "aufrichtet". Nach dem Glauben ist es ohnehin der Herr, der das Leben gibt und dem Menschen die Richtung seines Lebens weist, und zwar tagtäglich. Er muss nicht auf einen bestimmten Tag warten. Der Jüngste Tag ist jeden Tag...

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#609 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Hemul » Mi 27. Mai 2015, 15:09

dagegen hat geschrieben: Weder dürfen wir uns das Kommen des Reiches Gottes so vorstellen, dass es in irgendeinem historisch fassbaren Ereignis geschehe .
Das Kommen des Reiches Gottes wird wie folgt in Daniel 2:44 beschrieben:
44 Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird. Und das Königreich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird all jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber wird es ewig bestehen
:
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#610 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Mi 27. Mai 2015, 15:10

@ Hemul

Beide Textstellen widersprechen sich nicht.

Dass die Jünger das Geheimnis des Gottesreiches kannten, wie Jesus es ihnen ausdrücklich bestätigte, schließt
ja nicht automatisch mit ein, dass sie damit auch den Zeitpunkt des Kommens des Reiches kannten; zumal
Jesus diesen Zeitpunkt selbst nicht wusste.

Ist Dir übrigens aufgefallen, dass die Jünger ihren Rabbi nach diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gefragt haben?
Sie wollten nur wissen, ob mit dem Anbruch der Gottesherrschaft das Reich Israel wiederhergestellt wird. :thumbup:

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