Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#71 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » Mo 12. Jun 2017, 07:53

Thaddäus hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sokrates gilt dagegen als der weiseste aller Menschen, wie es das Orakel von Delphi kundtut. Und er gilt als der Weiseste, weil er die grundsätzliche Begrenztheit seines Wissens erkennt. ;)

Ja, so wie der mysteriöse (bis heute unbekannte) Verfasser der mystischen Schrift der Wolke des Nicht-Wissens :) (engl.: The Cloud of Unknowing)
Da ist der unbekannte Verfasser des Buches allerdings einige hundert Jahre zu spät dran. ;)
Warum sollte ich mich um das zu spät verfasste Buch kümmern, wenn ich Platon, Aristoteles, Epikur und alle anderen wichtigen griechischen Philosophen - die offenbar ihrer Zeit so Voraus waren, dass heute noch Bücher erscheinen, die ihre Einsichten nur wiederholen - im Original lesen kann?


Auf welchem Wege der Mensch sich der Wahrheit nähert, ist unerheblich, meiner Ansicht nach, denn die Wahrheit ist nicht im Streit mit sich selbst. Platon war der Auffassung, dass die Seele durch Kontemplation zu einem höheren Wissen (Erleuchtung) aufsteigen kann. In der griechischen Philosophie werden auf diesem Weg drei Stufen genannt:


1) Katharsis = Die Reinigung

2) Photisis = Die Erleuchtung

3) Henosis = Die Einswerdung der menschlichen Seele mit dem Göttlichen, "dem Einen"


Für Christen ist Jesus Christus das zeitlose Bild des vollkommenen „Gottmenschen“, der dieses Einssein mit Gott bzw. Henosis („Ich und der Vater sind eins“) vollkommen lebte. Ziel der christlichen Theologie - dem wahren Sinn nach - ist das Schauen dieser Einheit, die visio beatifica, sodass wir die Kunst des Sehens meistern, welche wir von dem Rabbi und Propheten aus Nazaret lernen. Ein Symbol dafür ist der lustige Strahlenkranz um den Köpfen :)

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Halman
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#72 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Mo 12. Jun 2017, 15:13

Der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza (*24.09.1632, ✡21.02.1677) war einer der Begründer der modernen Religions- und Bibelkritik.
Anders als Descartes unterschied er nicht mehr fundamental zwischen Körper und Geist; sondern deutete er sie als Aspekte der ihnen zugrunde liegenden absoluten und unendlichen Substanz, welche er pantheistisch als Gott begriff und in dem alle Ideen wahr sind, denn die absolute Unendlichkeit bedingt, um es mit einer Redewendung aus Star Trek auszudrücken, »unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination« und bleibt daher unergründlich.
Die Ideen manifestieren sich in Körpern, wie dem fehlbaren Menschen, und können daher inadäquate Ideen hervorbringen, welche Leiden verursachen können und daher besser vermieden werden sollten.

Zitat von Albert Einstein:
Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit dem Schicksal und den Handlungen der Menschen abgibt.

Spinoza widmete sich den klassischen Themen über Gott, die Seele und die Ethik auf recht ungewöhnliche Art und zwar mit seiner »geometrischen Methode«*, durch die er seine Lehrsätze, Definition und Axiome begründete.
Gemäß Spinozas Kausalitätsbegriff kann meiner Kenntnis nach eine Sache nur dann begriffen werden, wenn die Ursache so genau verstanden wird, dass man daraus die Sache vollständig ableiten kann.
Anders als sonst in der Logik üblich, scheint er kaum zwischen Kausalität und logischer Folgerungsbeziehung zu unterscheiden. Möglicherweise ließ er sich mehr von der Mathematik als von der philosophischen Logik beflügeln. Auch Galilei bevorzugte die Mathematik.


Zur Abgrenzung logischer Beziehungen zur Kausalität
Ein Teil hat zum Ganzen, dem es angehört, eine logische Beziehung. So ist die Beziehung dieses Beitrages zum Thread keine kausale.

Kann mir jemand Wittgensteins' Tractatus erklären? Wieso gilt P → Q?

* [url=http://universal_lexikon.deacademic.com/303785/Spinoza%3A_Geometrische_Methode]Spinoza: Geometrische Methode[/url]
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#73 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Di 13. Jun 2017, 14:02

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Ich wollte eigentlich Folgendes ausdrücken:
∀P
∀x
¬(P⊃x)∧(¬P⊃x)

An den Lehrzeichen im Zitatfeld kannst Du es erkennen. Die Lehrzeichen sind, wenn Du das Eingabefeld zum Antworten öffnest, in der Tautologie gut sichtbar.

Also, ist meine Form der Aussagenlogig korrekt?
Leider immer noch nicht. Weil du im Grunde in der Aussagnelogik bleibst und nicht prädikatenlogisch formulierst.
Danke für die Klarstellung. Dies liegt wohl daran, dass ich bei meinem Fachbuch Logik der Philosophie auf Seite 71 hängengeblieben bin. Es ist ja auch ein Übungsbuch und ohne Übungspartner*in werden mir mir die Wahrheitstafeln und die Prädikatenlogik wohl immer verschlossen bleiben. Also gebe ich mich mit der Aussagenlogik zurfrieden. Für einen Laien ist das doch gar nicht so schlecht, diese zu üben.

Thaddäus hat geschrieben:So schreibst du:
∀P
∀x

... was bedeutet: für alle P und für alle x. P soll aber ein Prädikat von x sein, also eine Eigenschaft von x. Deshalb musst du prädikatenlogisch formulieren ∀(Px). Nur so heißt es: "Alle x haben die Eigenschaft P".

Der Ausdruck: ¬(P⊃x)∧(¬P⊃x) bedeutet: Es ist nicht der Fall, dass, (wenn P dann x) UND es ist der Fall, dass (wenn nicht-P dann x).

Erstens müsstest du um den gesamten Ausdruck (P⊃x)∧(¬P⊃x) noch eine Klammer setzen, denn du willst ja den gesamten Ausdruck verneinen, also:
¬ [(P⊃x)∧(¬P⊃x)].

Mit ¬(P⊃x)∧(¬P⊃x) verneinst du nur den ersten Klammer-Ausdruck, aber nicht auch den zweiten, wie du es eigentlich willst! Du siehst, die Klammern machen deutlich, welche Ausdrücke oder Variablen genau verneint werden sollen. Aber auch dann ist P in diesem Ausruck trotzdem keine Eigenschaft von x, sondern so, wie du es notierst, ist es stattdessen eine eigene Individuenvariable. Du implizierst mit der ersten Klammer: es ist nicht der Fall, dass, wenn P dann x und in der zweiten Klammer: es ist der Fall, dass wenn nicht-P, dann x.
Das ist aber etwas völlig anderes, als das, was du eigentlich ausdrücken möchtest.

Um prädikatenlogisch eine Eigenschaft von x auszudrücken, muss stattdessen formuliert werden: ∀(Px). Nur so heißt es prädikatenlogisch: "Für alle x gilt, x hat die Eigenschaft P" (siehe oben).
Ja, richtig und nun leuchtet es mir auch ein. Danke für Deine Erklärung.

Gelten in der formalen Logik die selben Klammerregeln wie in der Mathematik?

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Prädikatenlogisch muss der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch etwas komplizierter konstruiert werden. Meine prädikatenlogischen Kenntnisse sind etwas eingestaubt, weshalb ich für die Richtigkeit der folgenden Formulierung nicht die Hand ins Feuer legen will, aber es müsste ungefähr so aussehen ...

∀ = Allquantor (∃ = Existenzquantor / ∃!x = es existiert genau ein x )
~ = non/nicht/es ist nicht der Fall (auch "¬")
∧ = Konjunktion "und" (manchmal auch als "." dargestellt)
P = Prädikat/die Eigenschaft P
x = Individuenvariable


∀(Px) = für alle x mit der Eigenschaft P

∀(Px) ~[(Px) ∧ (~(P)x)] zu lesen als: Für alle x mit der Eigenschaft P gilt, es ist nicht der Fall, dass x die Eigenschaft P hat und x (gleichzeitig) nicht die Eigenschaft P hat.
Danke für Deine fortgeschrittene Logik.
Sehr gerne! Wobei ich mir - wie gesagt - nicht völlig sicher bin, ob meine Formulierung prädikatenlogisch tatsächlich ganz korrekt ist. Im Gespräch mit kompetenten Logikern habe ich selbst lernen müssen, dass man verdammt viele Fehler machen, weil man so wahnsinnig genau formulieren muss. Denen schreibt man seinen Versuch einer formalogisch korrekten Formulierung eines normalsprachlichen Ausdrucks, und die lachen sich tot über die dämlichen Fehler, die man dabei gemacht hat. Die Hauptanforderung an Mathematiker und Logiker ist, dass die sehr sehr exakt arbeiten müssen, sonst kommt nur Unsinn heraus. Aber tröste dich. Über mich haben Logiker schon sehr herzlich gelacht ... und haben mich spöttisch "logisch interessierte Schlumpfine" genannt! :lol: Ich habe es ihnen nicht krumm genommen ...
:D
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#74 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Pluto » Di 13. Jun 2017, 16:59

Novalis hat geschrieben:[Auf welchem Wege der Mensch sich der Wahrheit nähert, ist unerheblich, meiner Ansicht nach, denn die Wahrheit ist nicht im Streit mit sich selbst. Platon war der Auffassung, dass die Seele durch Kontemplation zu einem höheren Wissen (Erleuchtung) aufsteigen kann. In der griechischen Philosophie werden auf diesem Weg drei Stufen genannt...
Ganz so egal ist es nicht, welchen Weg man wählt. Man sollte den Kürzesten und Effizientesten wählen.

Was meinst du mit "die Wahrheit ist nicht im Streit mit sich selbst"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#75 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Thaddäus » Di 13. Jun 2017, 19:25

Halman hat geschrieben:Gelten in der formalen Logik die selben Klammerregeln wie in der Mathematik?
Eigentlich ist es sogar einfacher. Klammern setzt man in der Logik um die Variablen und Ausdrücke, die zusammengehören sollen und auf die eine bestimmte Operation zutreffen soll. Man muss aber nicht auf Hierarchien von Operationen wie Punkt- vor Strichrechnung Rücksicht nehmen, denn die gibt es ja nicht.

Wenn du also formulierst:

¬(P⊃x)∧(¬P⊃x)

... dann bezieht sich die erste Negation als Operation auf die erste Klammer mit ihrem Ausdruck und die zweite Negation nur auf das "P" in der zweiten Klammer.

Willst du den gesamten Ausdruck negieren, dann muss ...

¬[(P⊃x)∧(¬P⊃x)] oder ¬((P⊃x)∧(¬P⊃x))

... notiert werden. Die eckige Klammer zu nehmen, erleichtert lediglich die Übersichtlichkeit.



Aber du triffst die wunde Stelle bei meiner eigenen prädikatenlogischen Formulierung:

∀(Px) ~[(Px) ∧ (~(P)x)]

Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob ich ∀(Px) ~[(Px) ∧ (~(P)x)] oder doch

∀(Px) ~[(Px) ∧ ~(Px)] notieren muss.

Mir scheint ~(P)x richtig (x hat nicht die Eigenschaft P), weil ich ja nur (gemäß Aristoteles) das Prädikat verneinen will, das im zweiten Ausdruck eben kein Prädikat von x sein soll.
Oder ob ich doch den ganzen Ausdruck ~(Px) verneinen muss, was heißt: Nicht: x hat die Eigenschaft P.

Na ja, wenn du das mal einem richtigen Logiker zeigst und der bemerkt: "Was hat die Schlumpfine denn da wieder für einen logischen Unsinn formuliert?", dann sieh es mir nach ... :)

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#76 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Fr 16. Jun 2017, 13:56

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Gelten in der formalen Logik die selben Klammerregeln wie in der Mathematik?
Eigentlich ist es sogar einfacher. Klammern setzt man in der Logik um die Variablen und Ausdrücke, die zusammengehören sollen und auf die eine bestimmte Operation zutreffen soll. Man muss aber nicht auf Hierarchien von Operationen wie Punkt- vor Strichrechnung Rücksicht nehmen, denn die gibt es ja nicht.
Danke für die Klarstellung.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du also formulierst:

¬(P⊃x)∧(¬P⊃x)

... dann bezieht sich die erste Negation als Operation auf die erste Klammer mit ihrem Ausdruck und die zweite Negation nur auf das "P" in der zweiten Klammer.

Willst du den gesamten Ausdruck negieren, dann muss ...

¬[(P⊃x)∧(¬P⊃x)] oder ¬((P⊃x)∧(¬P⊃x))

... notiert werden. Die eckige Klammer zu nehmen, erleichtert lediglich die Übersichtlichkeit.
Ja, das ist logisch.

Thaddäus hat geschrieben:Aber du triffst die wunde Stelle bei meiner eigenen prädikatenlogischen Formulierung:

∀(Px) ~[(Px) ∧ (~(P)x)]

Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob ich ∀(Px) ~[(Px) ∧ (~(P)x)] oder doch

∀(Px) ~[(Px) ∧ ~(Px)] notieren muss.

Mir scheint ~(P)x richtig (x hat nicht die Eigenschaft P), weil ich ja nur (gemäß Aristoteles) das Prädikat verneinen will, das im zweiten Ausdruck eben kein Prädikat von x sein soll.
Oder ob ich doch den ganzen Ausdruck ~(Px) verneinen muss, was heißt: Nicht: x hat die Eigenschaft P.

Na ja, wenn du das mal einem richtigen Logiker zeigst und der bemerkt: "Was hat die Schlumpfine denn da wieder für einen logischen Unsinn formuliert?", dann sieh es mir nach ... :)
Gewiss doch. Um ehrlich zu sein, bin ich mit diesen Abschnitt überfordert. Aber Du sollst ja auch nicht so alleine sein, ich bin der Schlumpf.

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Noch ein kleiner Nachtrag zu meinen Beitrag über die Pythagoreer. Wie bereits erwähnt, beschäftigten sie sich auch mit Zahlenmystik*.
â–º"Die ungeraden Zahlen sind der rechten Seite, der Grenze, dem Männlichen, Ruhenden, Geraden, dem Licht, dem Guten und, geometrisch ausgedrückt, dem Quadrat zugeordnet" (Zitat)*
â–º Die geraden Zahlen sind "dem Unbegrenzten, der Vielheit, der linken Seite, dem Weiblichen, Bewegten, Gekrümmten, der Finsternis, ja dem Bösen und, in geometrischer Form, dem Rechteck" zugeordnet ... (Zitat)*

Hippasos von Metapont wurde einer antiken Anekdote zufolge ermordert. Dies zeigt, dass auch die fortschrittlichen „Mathematiker“ Kinder ihrer Zeit waren. Allerdings ist nicht sicher, ob die Anekdote wirklich historisch ist, sie kann auch Fiktion sein, um Hippasos treffend zu charaktersieren.

Später hatte ich Euler erwähnt. Dem möchte ich ergänzend hinzufügen, dass die Eulersche Zahl Bild nach Leonhard Euler benannt wurde.
Kann mir jemand verständlich erklären, welche Bedeutung diese Zahl hat? Damit meine ich verständlicher als in Wikipedia.

Bei meinen Schwierigkeiten mit der Mathematik finde ich ein wenig Trost in einer Äußerung von Lichtenberg:
Bei dem Studium der Mathematik kann wohl nichts stärkeren Trost bei Unverständlichkeiten gewähren, als dass es sehr viel schwerer ist, eines andern Meditata zu verstehen, als selbst zu meditieren.
Meditieren ist hier im alten Sinne von Nachdenken gemeint.
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Reduktionismus

In meinem Eröffnungsbeitrag erwähnte ich u. a. die Mileter, welche alle Erscheinungsformen auf einen "Urstoff" zurückführten.

Der vorsokratische Philosoph Demokrit sagte:
„Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter; in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum.“
Demokrit „entlarvt“ die Qualia als Illusion.

Der Reduktionismus behauptet, dass alle Phänomene, die nicht „materiell“ sind, nicht wirklich existieren und daher nur Illusionen sind. Dabei handelt es sich um eine „Illusions-Hypothese“. So ist der menschliche Geist für manche moderne positivistische Reduktionisten eine Illusion.
In reduktionistischen „Irrumtstheorien“ versucht man psychologisch und/oder kausal den Irrtum zu entlarven. Das Menschenbild, dass aus diesem Materialismus folgt, kann als Kränkung empfunden werden. Aber wenn es das „Ich“ gar nicht gibt, was täuscht sich dann?
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#77 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Mi 12. Jul 2017, 16:46

So, nun traue ich mich an die moderne Philosophie heran, die mich als Laien - dies gebe ich gerne zu - über meine Grenzen hinausführt. Daher könnte es durchaus sein, dass in diesem Beitrag Fehler enthalten sind. Daher gilt: Alles ohne Gewähr.
Sollten Euch Fehler und Irrungen auffallen, so bitte ich darum, diese kenntlich zu machen und zu korrigieren. Ich stelle folgende Erörderung über Frege und Kripke hiermit zum philosophischen Diskurs.

Saul Aaron Kripke (* 13. November 1940) ist ein amerikanischer Philosoph und Logiker.
Friedrich Ludwig Gottlob Frege (* 8. November 1848; † 26. Juli 1925) war ein deutscher Logiker, Mathematiker und Philosoph.

In der Philosophie geht es oftmals darum, Begriffe zu analysieren. Laut Kripkes berühmten Argument unterscheiden sich der alethische und der epistemologische Möglichkeitsbegriff.
Es wurden Diverse Theorien zu möglichen Welten formuliert.
Kripke führte eine Semantik der möglichen Welten ein. „Es ist möglich“ wird z. B. gleichgesetzt mit „es gibt eine mögliche Welt, in der es der Fall ist“ und „Es ist notwendig“ heißt „es ist in allen möglichen Welten der Fall“.
Eine Möglichkeit (die nicht in allen Welten der Fall ist) ist z.B. die, dass im Ozean des Jupitermondes Europa Leben existiert.
Allgemeiner könnte man dies so ausdrücken:
"Es ist nicht bewiesen, dass nicht X"
â–¡X
~[]~X.
Somit ist diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen.


Von der Modallogik zum philosophischen Werkzeug

So wäre es möglich gewesen, dass 2016 Hillary Clinton und nicht Donald Trump die Wahl gewonnen hätte. Wichtig ist, dass die Beschreibung der Welt konsistent ist.
Könnte man dies im Sinne der Kripke-Semantik so ausdrücken (FRAGE 1): "Es gibt eine geeignete Mögliche Welt, in der Hillary Clinton 2016 Präsidentin wurde."

Mir wurde zugetragen, dass Kripke in einer Diskussion, in der es um die Frage ging, ob es außer dem physikalischen Möglichkeitsbegriff andere gibt, meinte, dass ein Tisch nicht notwendigerweise aus Holz besteht muss, sondern aus Kunststoff oder einem unbekannten Material bestehen kann (← FRAGE 2: Ist dies der epistemologische Möglichkeitsbegriff?).
Wenn man aber festgestellt hat, dass der Tisch aus Holz besteht, dann ist es ein Holztisch, welcher in diesem Fall mit dem Wort "Tisch" bezeichnet wird, was die anderen Möglichkeiten in diesem Fall ausschließt (← FRAGE 3: Ist dies der alethische Möglichkeitsbegriff?).

Fachliches hierzu in diesem philosophischen Beitrag von Thaddäus. :blumenstrauss:

Mann könnte die Frage stellen: Handelt es sich beim Phänomen "Licht" notwendigerweise um eine elektromagnetische Welle? Könnte es nicht sein, dass es sich z.B. um Ultraschallwellen handelt, die wir ähnlich wie Fledermäuse als "Licht" wahrnehmen? Diese Möglichkeit muss man erst dann fallenlassen, wenn (wie beim Holztisch) erwiesen ist, dass es sich beim Licht um EM-Wellen und nicht um Ultraschallwellen handelt.

Wie verhält es sich mit Schmerz? Ist es nicht denkbar, dass es sich um falsche Nervensignale handelt? Nun, auch Phantomschmerzen werden phänomenal als Schmerzen erlebt. Das feuern zwar Nerven, aber eben nicht dort, wo der Schwerz empfunden wird.
Daher kann man infrage stellen, dass die Schmerzen identisch mit den Nervensignalen sind, denn es ist denkbar, Schmerzen zu empfinden, obgleich durch die Nerven gar keine Schmerzsignale feuern, weil z.B. das schwerzende Körperteil gar nicht mehr exisitiert. Es ist also sehr zweifelhaft, ob Schmerz identisch mit Nervenfeuer ist.

Kripkes Namenstheorie und Mill

John Stuart Mill (* 20 Mai 1806; † 8. Mai 1873) unterscheidet meines Wissens zwischen Individual- und Gattungsnamen. Während der Individualname konkret ein bestimmtes Individuum bezeichnet, verweist der Gattungsname auf die Eigenschaften, welche eine Gattung kenntlich machen.
"Ist es möglich, dass die Stadt Siegen auch woanders als am Fluss Sieg erbaut wurde?" Gem. Mill ja, denn der Individualname verweist auf die Stadt und weist keine Eigenschaften auf.

In einer Diskussion hatte ich mal aufgeschnappt, dass Willard Van Orman Quine (* 25. Juni 1908; † 25 Dezember 2000) in diesem Sinne gar keine "Namen" gekannt hatte und Bertrand Arthur William Russell (* 18 Mai 1872; † 2. Februar 1970; Mathematiker, Logiker und Philosoph) Dinge nur unter den Namen "Dieses oder jenes" mit deutender Geste kannte. Allerdings habe ich diesbezüglich nicht nachgeforscht.
Für Kripke gab es meines Wissens nur Individualnamen.

Kommen wir hierzu zum ersten Beispiel nach Frege, indem die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung verdeutlich wird.
Wir wissen: Der Morgenstern ist ontisch identisch mit dem Abendstern.
Allerdings wäre es durchaus möglich gewesen, dass sie ontisch verschieden sind. Doch mit der Feststellung, dass diese Individualnamen den selben Himmelkörper bezeichnen, ist der Morgenstern ontisch notwendig identisch mit dem Abendstern.
Notwendig ist auch, dass der Morgenstern als letzter Stern am Morgen zu sehen ist, weil dies seine Identität als Morgenstern bedingt. Dies ist der Sinn des Begriffes Morgenstern.
Die Bedeutung ist das ontische Objekt, also der Planet Venus.

Fachliches hierzu in diesem Beitrag von Thaddäus. :thumbup:


1. Die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung bezieht sich bei Frege nicht nur auf einzelne Begriffe, sondern auch auf ganze Sätze. Als Beispiel nehme ich den Satz: Cäsar wurde durch Brutus ermordet. Der Sinn dieses einfachen Satzes ist selbsterklärend, die Bedeutung hängt vom Wahrheitsgehalt ab, also davon, ob die Aussage wahr oder falsch ist.

FRAGE 4: Ist es korrekt, dass man sowohl in der mathematischen Logik und wie auch der Modelltheorie diesbezüglich von der Denotationsfunktion spricht?


FRAGE 5: Ist es zulässig, den Satz, "wenn es regnet wird die Straße nass", in die Aussagenlogik A → B zu transformierten, oder ist dies falsch?
Natürlich lässt sich die Kausalität auch anders darstellen: Wenn die Straße zu einem bestimmten Zeitpunkt nass ist, muss es vorher geregnet haben.



Wer sich mehr für diese Thematik interessiert und mehr wissen will, dem empfehle ich: Gottlob Frege: Über Sinn und Bedeutung.

Ferner verweise ich auf die Bedeutungsbegriffe.

Ende des 1. Teils
Zuletzt geändert von Halman am Mi 12. Jul 2017, 17:05, insgesamt 1-mal geändert.
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#78 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Mi 12. Jul 2017, 16:52

2. Kripke gebraucht beispielhaft Personennamen, soweit ich weiß Ludwig Wittgenstein (* 26. April 1889; † 29. April 1951) referierend.


So, nun wird es hypotheisch.

Den Mann, der die Hebräer aus Ägypten führte (Exodus), kennen wir unter den Namen Moses. Was wäre aber in dem Fall, wenn er mit seinem Bruder Aaron verwechselt wurde? Würden wir dann eigentlich Aaron meinen, wenn wir Moses sagen?

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Aristoteles: Muss er der Schreier seiner Bücher sein? Den Namen Aristoteles kennen wir von seinen Büchern, ferner kennen wir ihn aus den Lexikon auch als den Mann, der Alexander den Großen unterrichtete. Ist es notwendig, dass tatsächlich ein Mann namens Aristoteles die Bücher schrieb und Alexander den Großen unterrichtete?

Ist es notwendig, dass tatsächlich ein Mann names Moses die Israeliten aus dem Sklavenhaus Ägyptens führte?

Sofern ich Kripke richtig verstanden habe, ist dies aus modallogischen und linguistischen Gründen nicht zwingend notwendig, weil wir die Personen, die entsprechendes schrieben und taten lediglich unter diese Namen kennen bzw. so "getauft" wurden, auch wenn ihre Namen andere gewesen sein mögen, und wir eben diese Personen meinen (Bedeutung), auch wenn sie andere Namen getragen haben mögen.

Nehmen wir ein Beispiel aus der Neuesten Zeit. Gemäß dem Lexikon bewies "Gödel" den Unvollständigkeitssatz. Angenommen, wir würden herausfinden, dass es in Wirklichkeit "Schulze" war, hätten wir dann ein richtiges Bild von ihm, wenn auch unter falschen Namen, oder hätten wir ein irriges Bild über Gödel unter seinen Namen?


Übrigens sind Kripkes "mögliche Welten" nicht metaphysischer Art. Wenn man z.B. würfelt, so könnte der Würfel alle Augenwerte von eins bis sechs zeigen, es gibt dann also sechs mögliche Welten, so wie sich zwei mögliche Welten beim Münzwurf nur darin unterscheiden, ob "Kopf" oder "Zahl" zu sehen ist.
Die möglichen Welten entsprechen den Möglichkeiten der Wahrscheinlichkeiten. Hier scheint mir eine Verbindung von stochastischer Statistik und Modallogik vorzuliegen.
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#79 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Pluto » Mi 12. Jul 2017, 17:41

Halman hat geschrieben:FRAGE 5: Ist es zulässig, den Satz, "wenn es regnet wird die Straße nass", in die Aussagenlogik A → B zu transformierten, oder ist dies falsch?
Natürlich lässt sich die Kausalität auch anders darstellen: Wenn die Straße zu einem bestimmten Zeitpunkt nass ist, muss es vorher geregnet haben.
Vergleiche die beiden Aussagen:

  • (a) Wenn es regnet, wird die Straße nass.
    (b) Wenn die Straße nass ist, hat es vorher geregnet.
(a) ist immer wahr, (b) hingegen nicht, denn es hätte auch Jemand mit dem Gartenschlauch spritzen können. 8-)
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#80 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Thaddäus » Mi 12. Jul 2017, 19:47

Halman hat geschrieben: Der vorsokratische Philosoph Demokrit sagte:
„Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter; in Wirklichkeit gibt es nur Atome im leeren Raum.“
Demokrit „entlarvt“ die Qualia als Illusion.
Demokrit meinte etwas anderes (an so etwas wie Qualia hat er ganz sicher nicht gedacht). Demokrit will sagen, dass den Atomen (also den einfachsten unteilbaren Teilchen) keine Eigenschaften wie Farbe oder Geschmack etc. zukommen. Er bestreitet aber nicht, dass es Farben, Geschmack usw. gibt. Atome können diese Erlebnisse im Menschen auslösen, wenn sie auf dessen Augen oder seine Zunge treffen.

Halman hat geschrieben: Der Reduktionismus behauptet, dass alle Phänomene, die nicht „materiell“ sind, nicht wirklich existieren und daher nur Illusionen sind.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Zumal diese Behauptungsaussage offenkundig selbstwidersprüchlich ist.

In seiner allgemeinsten Defintion kann man ruhig auf den Wiki-Eintrag zu "Reduktionsimus" verweisen:
"Reduktionismus ist die philosophische Lehre, nach der ein System durch seine Einzelbestandteile (‚Elemente‘) vollständig bestimmt wird. Dazu gehört die vollständige Zurückführbarkeit von Theorien auf Beobachtungssätze, von Begriffen auf Dinge und von gesetzmäßigen Zusammenhängen auf kausal-deterministische Ereignisse."
Natürlich gibt es diverse Spielarten des Reduktionismus. Aus dieser allgemeinen Def. ist die obige Behauptung jedenfalls nicht ableitbar.

Behauptungen wie: "alle Phänomene, die nicht materiell sind, existieren nicht wirklich und sind daher nur Illusionen" werden von einigen wenigen sehr schlechten Philosophen, manchmal von Physikern und fachspezifisch etwas abgewandelt gerne von philosophisch wild herum dillettierenden Neurowissenschaftlern vorgebracht. Für alle Philosophen, die so etwas ernstlich behaupten, entschuldige ich mich hier - als aktive Philosophin und Repräsentantin dieses Faches - bei allen Usern dieses Forums ganz offiziell, denn sie sind eine Schande der Dummheit für die Philosophie (die alles sein darf, aber nicht dumm).

-------------------------------------------------------------
Jeder, der obige Behauptung ernsthaft vorträgt, übersieht offensichtlich folgende unmittelbare Widersprüche:

Wenn es tatsächlich der Fall ist, dass "alle Phänomene, die nicht materiell sind, nicht wirklich existieren und daher nur Illusionen sind ", dann existiert diese behauptende Aussage selbst offenkundig nicht (denn sie ist offensichtlich nichts Materielles) und ist nur Illusion!!! (denn auch das wird ja gleichzeitig behauptet). Da wir diese behauptende Aussage hier zur Kenntnis nehmen können und ich darauf in diesem Augenblick eine Erwiderung schreibe, MUSS sie in irgend einer Weise offenbar existieren. Da es sich bei der Behauptung um einen sinnvollen Satz handelt, der der sprachliche Ausdruck des entsprechenden Gedankens ist, MÜSSEN nicht nur der Satz und seine Bedeutung existieren (nämlich die entsprechende Behauptung), sondern auch der Gedanke, dem damit Ausdruck verliehen wird. Wie eine nicht-existierende Aussage über nicht-existierende Phänomene (da sie ja nicht materiell sind) gleichzeitig eine "Illusion" sein kann, wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Hinzu kommt, dass eine Illusion zwar "nur" eine Illusion ist, aber als Illusion zweifellos existieren muss.

Die Aussage ist also nicht nur in einem einfachen Sinne widersprüchlich, - sie ist gleich in vielfältiger Weise unmittelbar selbstaufhebend widersprüchlich.
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Ich kann es leider nicht konzilianter Ausdrücken: Ein Philosoph, der ernstlich behauptet, dass "alle Phänomene, die nicht materiell sind, nicht wirklich existieren und daher nur Illusionen sind", ist ein kompletter Voll*pfosten und hat wirklich keinerlei Ahnung, was er da behauptet. Philosophen werden in unseren Tagen eigentlich in ihrem Studium explizit darauf trainiert, logisch konsistente Aussagen zu treffen und folgerichtig zu denken. Um so peinlicher, wenn es welche gibt, die einen solchen Stuss von sich geben. Physiker und Neurowissenschaftler, die solche Behauptungen aufstellen, begehen offenbar den Fehler, sich in ein Gebiet vorzuwagen, von dem sie augenscheinlich keine Ahnung haben.

Halman hat geschrieben: Dabei handelt es sich um eine „Illusions-Hypothese“. So ist der menschliche Geist für manche moderne positivistische Reduktionisten eine Illusion.
Meine obige Erwiderung und Klarstellung gilt ebenso für diese These.

Halman hat geschrieben: In reduktionistischen „Irrumtstheorien“ versucht man psychologisch und/oder kausal den Irrtum zu entlarven. Das Menschenbild, dass aus diesem Materialismus folgt, kann als Kränkung empfunden werden. Aber wenn es das „Ich“ gar nicht gibt, was täuscht sich dann?
Exakt! Was es nicht gibt, kann auch nicht getäuscht werden. Die Kränkung besteht übrigens für jeden, der über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügt, in der unglaublichen Dämlichkeit, die abverlangt und unterstellt wird, die obige "Illusions-These" ernsthaft in Betracht zu ziehen, obwohl sie unmittelbar widersprüchlich sind.

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