Aber das Gottesreich kam ja nicht, hier liegt also ein fundamentaler Irrtum des Wanderpredigers vor.
Aber wie erklärst du dir, dass der von dir zitierte "Theologe" ja nicht nur die Kirche kritisiert, sondern ganz explizit Paulus, dem er Verfälschung der Lehre Jesu vorwirft?
Zwar war auch Jesus ein Gegner der Tieropfer. Doch im Unterschied zu Paulus hatte er einen Gott verkündet, der überhaupt kein "Sühnopfer" benötigt und auch nie, zu keiner Zeit, ein solches Opfer benötigt hatte. (2) Stattdessen wünscht der Gott, den Jesus verkündet, dass alle Seine Kinder Ihm ihr Herz öffnen, Schritt für Schritt ihr Ego "opfern" und für ihren Nächsten da sind.
Paulus hingegen kehrt wieder zurück zu den alten vorchristlichen Gottesvorstellungen der Menschen wie "Gotteszorn" und "Sühnopfer", und er deutet diese nur auf Christus hin um. Der Höhepunkt seiner Umdeutung besteht schließlich darin, dass man durch den bloßen Glauben an ein solches Sühnopfer "gerecht" werden könne - also "ohne Verdienst" (Römerbrief 3, 24), das heißt ohne das rechte Tun. Dies ist eine wesentliche Botschaft des Paulus, und es war eine angenehme Botschaft für das Volk, weil auf diese Weise eine hohe Ethik und Moral zwar wünschenswert, aber letztlich entbehrlich war. Mit dem unbequemen Jesus von Nazareth hatte das jedoch nichts mehr zu tun.
Quelle: Der Theologe