stereotyp hat geschrieben: ↑So 5. Apr 2020, 11:14
Naqual hat geschrieben: ↑Sa 4. Apr 2020, 16:20
Der Widerspruch zwischen einem Gott der Liebe und einem, der ein blutiges Vergeltungsopfer benötigt, entsteht ja daraus, dass die Notwendigkeit für das Opfer nicht belegt oder sinnvoll beschrieben werden kann.
Warum also muss dann jemand sterben? Wer sündigt, kann nicht zu Gott kommen (also Tod = Trennung von Gott). Das ganze alte Testament erzählt davon, die Gott die Menschheit durch das Gesetz erziehen wollte. Aber ständig gingen sie „mit ihrem Herzen in die Irre“. Das Gesetz wurde um des Gesetzeswillen gehalten, und die Traditionen (zusätzliche Gesetze und Interpretationen) gewann bald die Oberhand. So wie das auch in unseren Rechtsstaaten (oder Kirchen) zu beobachten ist, regieren eigentlich Juristen (oder Pharisäer), die sowohl für Politik, als auch für die Wirtschaft ständig legale Wege finden, den Bürger zu betrügen.
Also hat der Sohn das einzige Opfer gebracht, dass alle zukünftigen ablösen sollte, den Tod endgültig besiegt, und somit einen leichten Weg für alle geschaffen. Durch die Annahme identifiziert man sich mit dieser Liebe und wird ein neuer Mensch.
Genau genommen wird die Frage nicht beantwortet warum für Gott(Vater) ein Blutopfer erforderlich ist. Oder für uns. Also wenn jemand meine Schwester erschlägt, werde ich deswegen kein besserer Mensch.
Du schreibst, er hat den Tod besiegt um einen leichten Weg für alle zu schaffen. Das lese ich im Neuen Testament nicht. Jesus sagte: "wer mir nachfolgen will, nehme sein Kreuz auf sich". Denke nicht, dass die Jünger da gedacht, hey wow. Easy going, den Weg gehen wir sofort und ohne zu zögern. Es steht auch, dass der Weg breit ist, der in die Verdammnis führt. Und das hat Gründe, die tief biologisch in uns verankert sind: In der Natur überlebt man als widerstandsfähiger und starker Egoist. Das gilt schließlich sogar als "Herde" für ganze Organisationen und sei es z.B. eine katholische Kirche. Jesus besiegte nun den Tod (den Part glaube ich sogar, wenn auch in anderer Bedeutung). Allerdings "für sich" und als Beispiel für uns. Der Teil, der ihn zur rechten Gottes rutscht (in dem sein Sein in Gottesnähe ist, bzw. sich sogar mit Gott überschneidet): für andere gibt er von sich alles: sein Leben, seine Ehre, Wohlfühlen und ist bereit Entehrung, Schmerzen bis zum Tode, den leiblichen Tod selbst, usw. in Kauf zu nehmen. In dem man Moment ist das was gestorben ist jeglicher Egoismus. Jesus als demonstratives Beispiel unmittelbarer Gottesnähe im Extrem. Und wie dankt es ihm die "Christenheit" (mal abgesehen von unschönen historischen Ereignissen)?
Sie sagt: Glaube dass er für Dich gestorben ist und Du bist gerettet. Da kann man viel glauben, weil es so nicht funktioniert. Im Gegenteil, bei manchen besteht sogar die Gefahr, dass der Glaube an das Kreuz ihre Verdammnis ist: sie sind bereit eigenes Fehlverhalten ganz egoistisch auf einen anderen abzuschieben. Dafür wird man kein Held im Reiche Gottes.
Was beim Gläubigen funktionieren kann: er blendet das Erfordernis eines Ausgleichsopfers aus, sieht nicht auf den Vater in dieser Vorstellung, sondern auf die unglaubliche Liebe und Selbstlosigkeit des Sohnes! Wenn er hiervon beeindruckt ist bis in die Tiefen seines Gefühlslebens, ist das Kreuz ein starkes Symbol das den einzelnen zu ändern vermag.
Wie sieht das denn bei Dir aus? Wie würdest du z.B. Sünde definieren, und wie reagiert "die Liebe" auf ein unbußfertiges Herz? Was ist die kosmische Konsequenz daraus? Wie sieht die "Heilsgeschichte" aus? Oder (um im Bild zu bleiben) wie tragen Vater und Sohn ihre Differenzen aus?
Mir kommt mir dein Gott-Verständnis so ähnlich vor, wie eine alleinerziehende Mutter, die ihr Kind nicht disziplinieren will.
Ich vermute mal, dass meine Einlassungen oben zum Kreuz mit der letzten Einschätzung von Dir nicht ganz zusammengehen.
Das Erfordernis von Disziplinieren sehe ich schon auch (in gewissen Grenzen). Wobei man sich darüber im klaren sein muss:
Strafen ändern nicht die Person, sondern das Verhalten der Person. Also die Person unterwirft sich, weil sie nicht mehr sündigen kann. Damit ist sie angepasst, aber keine bessere Person. (Wenn auch die äußerliche Anpassung zu Besserungen im Inneren führen können, wechselwirken auf das Innere im Laufe längerer Zeit) In meinem Verständnis hat Jesus nicht nur auf das Verhalten geblickt, sondern auf das Herz (antik-jüdisch für Verstand, Gefühl, Wollen). Es geht also darum das Herz in diesem Sinne, die Person als solche, zu verändern zum Guten. Denn die Person handelt Früchte aus ihrem "Stamm" heraus. Bei einem faulen Stamm kommen faule Früchte bzw. bei gutem Stamm kommen gute Früchte. Antik formulierte Psychologie.
Wenn Du mich nach Definitionen fragst: Sündigen ist Sein und Handeln im Gottesfernen Bewusstseinszustand. Liebe ist Sein und Handeln im Gottesnahen Bewusstseinszustand ("Christusbewusstsein").
Deine Formulierung "wie tragen Vater und Sohn ihre Differenzen aus", kenne ich so in meinen Gedankengängen nicht. Da Vater der Ursprung Gott ist und Sohn die menschliche Form (wie Du und ich): die Differenzen sind seelische Entfernungen. Aber wie auf einer schnell rotierenden Scheibe. Je mehr Du zum Mittelpunkt (Gott) kommst, desto ruhiger, je weiter Du Dich entfernst, desto stürmischer wirds und desto mehr Verletzungen, wenn Du wieder einmal von der Scheibe fällst oder geworfen wirst.
Naja..ich habe bisher noch nichts über dein Verständnis von Gott gelesen. Mir kommen bei solchen "Gott ist Liebe" Aussagen immer "Anything goes" in den Sinn, oder "Do what thou wilt.."
Mit Aleister Crowleys Zitat wollte ich nur ein brühmt-berüchtigtes Beispiel eines ähnlich mystischen (also eines verborgenen, unergründlichen) Gott-Verständnises geben. Das gehört, wie auch die anderen von dir angesprochen "Taktiken" oder Abwehrverhalten, zu meinem Diskussionsstil. Es liegt mir fern, dich persönlich anzugreifen oder polemisch zu werden, und hoffe, wir können darüber hinweg sehen und uns auf das Argument konzentrieren. Also.. nichts für ungut?!
Crowley ist so etwas wie ein provozierender Punk in der Welt der Religiösen (und auch für Freimaurer). Man darf ihn aber nicht für dumm halten. Aber das wäre ein ganz anderes Thema.
Hier nur kurz ein Gedanken: "Tue was Du willst" (Crowley). Ist richtig. Denn wenn Du Gutes tust ohne es zu wollen, sagt es über Dich alles andere aus als dass Du in Gottesnähe bist. Dann kannst Du gleich tun was Du willst. - So hat es jetzt Crowley nicht gemeint, aber es ist ein wichtiger Umstand.
Ich weiß, dass Du mich persönlich nicht angreifen willst. Die Diskussion wäre sonst schon ganz anders verlaufen!