Hallo closs,
closs hat geschrieben:Travis hat geschrieben: Es hängt davon ab, wie viel Glaubwürdigkeit man der Bibel bescheinigt. Ist man bei 100% und betrachtet sich den Textbefund zu Hiob, so wird man ihn als historische Person einordnen, analog zu Daniel und Noah.
Diese ganze Diskussion "historisch" oder "nicht historisch" halte ich a) für sehr interessant, b) für letztlich irrelevant. Warum? - Weil ich glaube, dass "Geschichte" ein Abdruck der "Heilsgeschichte" ist (und nicht umgekehrt). - Das heißt: "Heilsgeschichte" (= der Weg und die Entwicklung des Erkennens sowohl der Menschheit als Ganzes als auch jedes einzelnen Menschen) ist der übergeordnete Begriff, der sich der Historie bedient oder nicht. - Oder um es mit Goethe zu sagen: "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis".
Gott ist ein Gott der Geschichte. Er handelt in der Geschichte und er leitet die Geschichte. Selbstverständlich ist Geschichte ein Abdruck der Heilsgeschichte. Genau aus diesem Grund ist Historizität eben nicht irrelevant. Denn Heilsgeschichte hinterlässt Abdrücke in der Geschichte. Die Bibel berichtet uns von diversen "Abdrücken".
closs hat geschrieben:Das heißt: Ob ein "Gleichnis" sich der historischen Grundlage oder der mythischen Grundlage bedient, ist schlicht egal - es ist gleich glaubwürdig (oder unglaubwürdig, wenn es ein schlechtes Gleichnis ist) und gleich "wirklich" (oder unwirklich, wenn es ein schlechtes Gleichnis ist). - Das ist der Grund, warum ich die Bibel NIE nach historischen, sondern immer nur nach geistig-substantiellen Gesichtspunkten gelesen habe.
Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt die Perspektive zu erweitern.
closs hat geschrieben:Möglicherweise ist mein obiger Gedanke nicht allgemein geläufig, weil es eher üblich ist, sich für irgendEIN System zu entscheiden - vielleicht erscheint dieser Ansatz manchem trotzdem interessant. - Aus meiner Sicht ist der Vorteil, dass man sich sofort auf die eigentliche Substanz konzentrieren kann und nicht auf den Weg, auf dem sie (angeblich) transportiert wird.
Mir ist er geläufig, zumindest wenn Du das Verhältnis von Geschichte und Heilsgeschichte meinst.
Nimm mal Jakobus 5,7-11
7 Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn! Siehe, der Bauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld5 ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfange. 8 Habt auch ihr Geduld, stärkt eure Herzen! Denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen. 9 Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet! Siehe, der Richter steht vor der Tür.
10 Nehmt, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben! 11 Siehe, wir preisen die glückselig, die ausgeharrt haben. Vom Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.
Die Empfänger des Schreibens werden aufgefordert, das Leiden und die Geduld der Propheten zum Vorbild zu nehmen. Dann sollen die Empfänger am Beispiel von Hiobs Ausharren und Jesu Triumph am Kreuz, Gottes inniges Mitgefühl und Barmherzigkeit erkennen.
Die Empfänger des Briefes hatten reale Probleme. Was hätten ihnen da ein Hiob genützt, gäbe es diesen gar nicht? Das Ausharren Hiobs wird gerade dadurch zum Vorbild, weil dessen Ausharren real war und dieser dazu in einer Reihe mit dem vorbildlichen Verhalten weiterer historischer Personen genannt wird. Jakobus fordert auf, auf die zu sehen, die (tatsächlich) ausgeharrt haben (Vers 11) und nennt in dieser Reihe den Hiob.
Darüber hinaus gibt es innerbiblisch keine Hinweise darauf, dass Hiob keine reale Person gewesen wäre. Klar, kann man seine Existenz bestreiten, so man auf außerbiblische Bestätigung beharrt, aber da wären wir wieder bei der Glaubwürdigkeit, die man der Bibel beimisst. Auf diese Weise kann man jedoch die reale Existenz diverse biblischer Personen bestreiten, was auch getan wird.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.