closs hat geschrieben:Tyrion hat geschrieben:Mir geht es nicht um eine Positionierung, sondern um das konsequente Eigenverständnis seiner Position. - Und da sehe ich in der Tat eklatante Mängel - nicht nur bei den Materiösen, aber da auffallend oft.
Interessante Aussage - da scheinen wir ja nicht so weit weg zu sein.
"Wir" müssten da komplett gleicher Meinung sein, denn das ist nicht meine, sondern deine Aussage!
Das "Minderwertige" gilt auch für religiöse Positionen, wenn sie sich ideologische darstellen. - Aus meiner Sicht kann man das vermeiden, wenn man bemerkt und sagt: "Ich habe folgende Setzungen, für die ich mich glaubens-entschieden habe: Daraus folgt ..."
Meist passiert das aber doch nicht. Meist gehen religiöse Menschen ganz automatisch davon aus, dass sie und nur sie recht haben und dass beispielsweise eine Existenz einer Gottheit keine Setzung, sondern die einzige Wahrheit sei. Das ist ja das Problem am Glauben - er gilt vielen als sakrosankt.
- das gilt für Religiöse genauso wie für Materiöse.
Nein. Ich gehe weiter davon aus, dass der Schmerz, den der Hammer auf dem Daumen verursacht, auch für dich real und keine potentielle Setzung ist. Man kann auch sagen, dass die Existenz der physischen Welt eine Übereinkunft aller (fast aller?) Menschen ist, eine Konvention. Die Existenz einer metaphysischen Welt hingegen eben nicht. Zumal sie sich jeder anders vorstellt (oder ausmalt, einbildet usw.). Natürlich ist sie möglich, aber es gibt eben keine Evidenzen und jeder malt sie sich anders aus.
Es gibt doch einen Unterschied zwischen etwas real erfahrbaren und einer hypothetischen Geistwelt.
- Und da ist es halt so, dass es die Religiösen bemerken und sagen - und die Materiösen meistens nicht.
Umgekehrt wird ein Schuh draus.Die Geistwelt wird sogar als dermaßen real angesehen, dass daraus Vorstellungen und Zwänge für Dritte abgeleitet werden (wie man sich zu verhalten hat, was man nicht tun darf - das wird ja auf alle ausgeweitet, nicht nur auf diejenigen, die zumndest zufällig an die gleiche Geistwelt glauben).
Tyrion hat geschrieben:Du erhebst in meinen Augen in vielen Punkten einen Absolutheitsanspruch, greifst aber andere an
Das ist mit Verlaub etwas anderes, DENN: Meine einzige absolute Aussage ist, dass es keine absoluten Aussagen gibt. - Das ist etwas anderes als "Was nicht intersubjektiv nachweisbar ist, ist nicht Realität".
Natürlich ist das etwas anderes. Du machst ja eben beides. Du schreibst einerseits, dass es keine absoluten Aussagen gebe, um dann absloute Aussagen zu machen. Sogar soweit, dass du festlegst, wer was wie gut begreift, wer weniger begreift, wer dumm ist, wer irrt (usw.) und was letzten Endes die wahre Welt ("die Wahrheit") ist und was nicht. Und die metaphyische Ebene als unplausibel zu verwerfen, legst du als mangelhaft fest. Das empfinde ich als sehr absolut. Da aber auch du nicht ständig einen Disclaimer nutzen willst, sage ich ja nicht, dass dem so sei, sondern dass deine Aussagen oft so klingen.
Denkfehler. - Es ist ein Unterschied, ob man sagt "Nach meiner Glaubensentscheidung sieht meine Weltanschauung so ... aus" oder "Meine Weltanschauung ist objektiv - ich brauche keine Glaubensentscheidung".
Du unterscheidest also wirklich nicht zwischen den zwei Aussagen
1. "Wenn du die Hand jetzt auf die heiße Herdplatte legst, dann verbrennst du dich. Lass das bitte sein!"
und
2. "Wenn du mir jetzt nicht gehorchst, dann kommst du in die Hölle!"
Deine Kinder täten mir leid. Sollte deine Glaubensentscheidung die Existenz einer Hölle sein (solche Menschen gibt es tatsächlich), dann würdest du nicht qualitativ unterscheiden wollen zwischen objektivierbaren Aussagen wie der verbrannten Handfläche und nicht überprüfbaren Aussagen über deine Vorstellung einer fiktiven Hölle? Dann hoffe ich, dass deine Kinder gut aufwachsen konnten
Das eine ist physisch überprüfbar, das andere eine rein fiktive Vorstellung. Und du hast kein Verständnis dafür, dass viele Menschen das physisch Überprüfbare als objektiver prüfbar erachten als etwas, was man eben nicht überprüfen kann?
Wissenschaft ist sich bewusst, dass letzten Endes nichts überprüfbar ist, da ja auch unsere Existenz eine Fitkion sein könnte, weil das, was man gerade erlebt, auch ein Traum sein kann etc. Dennoch wird das als sehr unwahrscheinlich erachtet. Insofern wird eben als Konvention gesagt, dass man verhindern sollte, dass Kinder vom Hausdach springen, denn sie würden sich schwer verletzen oder sterben. Das nennt man eine objektive Gefahr. Sie hängt nicht vom Betrachter ab. Die Gefahr, dass ein Kind sein Seelenheil verliert (falls es das überhaupt geben sollte), weil es versehentlich Schweinefeleisch gegessen hat, ist eine rein subjektiv gegalubte Möglichkeit. Sie ist nicht objektivierbar. Man könnte sagen, die Objektivierbarkeit der Gefahr beim vom Dach springen ist um Größenordnungen höher als die theoretische Gefahr beim Schweinefleischessen.
Und trotzdem sagen religiöse Menschen gerne, dass alles, was sie glauben, die einzige Wahrheit ist (und sie gehen teils so fest davon aus, dass sie die, die diese Wahrheit nicht glauben wollen, töten - Beispiel Islamisten).