sven23 hat geschrieben:In etwa schon. Nur dass sich das Gros der Forschung einer sehr zurückhaltenden, verklausulierten und manchmal auch euphemisierenden Sprache bedient.
Wahnsinn.
sven23 hat geschrieben:Auch das hat seine Grenzen, wenn man intellektuell redlich bleiben will
Dass diese Grenzen auch für die von Dir vertretenen Auffassungen gelten, weißt Du aber auch - oder?
sven23 hat geschrieben:Gerade im Gesamtkontext und unter Berücksichtigung der Entwicklung und Veränderung der Texte ist die Naherwartung plausibel nachvollziehbar und deshalb in der Forschung konsensfähig.
Das gilt doch für die theologische Forschung genauso. - Wenn wir einmal den Dampf rausnehmen würden: Es ist nicht erstaunlich, wenn zwei exegetische Perspektiven mit ihren unterschiedlichen Setzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen - insofern spreche ich der HKM die Redlichkeit nicht ab, da ich ihre Logik aus ihren Setzungen verstanden habe.
sven23 hat geschrieben:Ich habe Röm 3,7 auch sofort verstanden und ehrlich gesagt, so schwer ist das doch nicht.
Schon - aber Du hast das Gegenteil rausgelesen. - Frage:
1) Sind Dir serlöse HKM-ler bekannt, die Deine Version teilen?
2) Wie erklärst Du Dir, dass die verständnismäßig vereinfachenden Volksbibeln das Gegenteil von dem verstehen, was Du meinst?
sven23 hat geschrieben:Es ist aber unredlich, weniger Lesekundigen ein X für ein U vorzumachen.
Möglicherweise machen sie aber aus einem für Leseungeschulte schwerer zu verstehenden x ein leichter zu verstehendes x. - Willst Du den Übersetzern unterstellen, dass sie absichtlich den Text semantisch verändert haben?
sven23 hat geschrieben:Immerhin hast auch du anfangs Röm 3,8 falsch verstanden.
Stimmt - das war in der Eile und ist deshalb passiert, weil im Kontext irrelevant ist. - Ob diejenigen verdammt sind, die denken, eine Lüge für Gott sei keine Lüge, oder diejenigen, die es unterstellen, dass so gedacht werden würde, ist wurscht. - Beides ist richtig. - Aber dastehen tut in der Tat, dass diejenigen verdammt sind, die dem Paulus unterstellen, er würde meinen, er hielte Lüge für Gott NICHT für eine Lüge. - Insofern steht hier, dass Du verdammt bist - denn genau das machst Du.
sven23 hat geschrieben:Ich meine, dass Bultmann absolut Recht hat, wenn er meint, dass es kein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge gibt.
Da hat er sich halt möglicherweise getäuscht. - Geschichte ist das, was stattfindet - egal ob es von Göttlichem beeinflusst ist oder nicht - da wird Bultmann nichts dran ändern können.
Wie auch immer: Man kann das meinen. - Aber man kann nicht so tun, als sei diese Meinung eine wissenschaftliche Grundlage der Exegese - es sei denn, man kennzeichnet sie ausdrücklich als Setzung: "Im Folgenden legen wir die Bibel mal so aus, als ob Gott nicht in die Geschichte eingreifen würde".
Dann ist das EIN Ansatz. - Hier wird dieser selektive Ansatz so dargestellt, als sei er der einzig wissenschaftlich redliche Ansatz UND man besteht trotz dieses selektiven Charakters noch darauf, als Einziger ergebnisoffen zu sein. - Sachemal, geht's noch? - Und da wunderst Du Dich, wenn die HKM in DIESEM Gewand als ideologische/dogmatische Größe verstanden wird?
sven23 hat geschrieben:Jede Exegese ist schon Interpretation. Die Frage ist nur, tut man dies auf wissenschaftlicher oder auf glaubensdogmatischer Ebene.
Bultmanns Ansatz IST ein glaubensdogmatischer Ansatz.
Ihr könnt doch nicht eine Setzung nach der anderen platzieren (hier: "Es gibt kein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge") und dann darauf bestehen, NICHT glaubensdogmatisch zu sein. - Und diese Selbst-Irrnis obendrauf zur Basis dazu nehmen, anderen zu erzählen, SIE seien glaubensdogmatisch (was ja stimmt) und deshalb "wissenschaftlich unredlich". - Again: Geht's noch? - Und da wunderst Du Dich, wenn die HKM in DIESEM Gewand als ideologische/dogmatische Größe verstanden wird?
sven23 hat geschrieben:Die Forschung bevorzugt erstere.
Ein verquerer Satz, weil "wissenschaftlich" und "glaubensdogmatisch" auf völlig verschiedenen Ebenen stehen. - Wissenschaft kann auf Setzungen beruhen (wahrscheinlich tut sie das sogar immer).
Wenn man sagt "Im Folgenden legen wir die Bibel mal so aus, als ob Gott nicht in die Geschichte eingreifen würde", dann heißt das nicht, dass diese Auslegung deshalb nicht wissenschaftlich wäre. - "Wissenschaft" hat nichts mit "Setzungen ja oder nein" zu tun, sondern mit einer nachvollziehbaren Methodik. - Konkret heisst dies bspw., dass man interpretative Ergebnisse sachlich begründet: "Aufgrund der Aussage 'Ihr werdet mit den Städten Israels nicht fertig werden, ...' interpretieren wir auf UNSERER Setzungsbasis, dass Jesus eine Naherwartung hatte".
Das ist Wissenschaft, weil Schlussfolgerung und Basis dieser Schlussfolgerung erkennbar verbunden sind. - Allerdings kann man unter anderen Setzungen anderer wissenschaftlicher Meinung sein - das ist normal in der Wissenschaft. - Letztlich läuft es darauf raus, dass man am Ende guckt, was mit Setzungen 1 und Setzungen 2 insgesamt rausgekommen ist und kann sich noch mal überlegen, ob die Setzungen ("hermeneutisches Vorwissen") überdacht werden sollten.
Aber so zu tun, als sei die eine Setzung redlich und die andere nicht, ist WIRLICH unredlich und im übrigen wissenschaftlich unprofessionell. - Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass die biblische Exegese im wesentlichen weltanschaulich geprägt ist - es gibt hier einen Kulturkampf zwischen geistig-spirituell und materialistisch, der sich jeweils wissenschaftlich äußert.
Das Foulspiel seitens des Materialismus besteht eigentlich nur darin, dass er sich zu seinen Setzungen nicht bekennt - und im übrigen damit genau die Rolle der Kirche im Mittelalter einnimmt: "Was wir sagen, ist das einzig Wahre". - Der Materialismus mit seinen Unterdisziplinen hat heute die Gesellschaft genauso in der Hand wie die RKK es im Mittelalter vorgemacht hat - auch da wird eine Aufklärung kommen. - Wenn die Welt nicht komplett ins Unkultivierte abstürzt, wird sich der heutige Begriff der "Aufklärung" (wieder) in eine universale Größe entwickeln - also wieder das werden, was eigentlich damit gemeint ist.