Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:Stell dir die 1s-Wellenfunktion im Wasserstoff-Atom vor. Die beschreibt ein 1s-Orbital um den Atomkern herum. Innerhalb dieses Orbitals fluktuiert die Position des Elektrons um die Position des Atomkern herum. Diese Fluktuationen der Position des Elektrons führen nun aber nicht dazu, dass das Elektron auf ein höheres Niveau wechselt, wie z.B. das 2s- oder 3s-Niveau. Das Elektron bleibt, solange es nicht durch eine Energiezufuhr von außen auf ein höheres Niveau gehoben wird, immer im 1s-Niveau, egal wie sehr seine Position im 1s-Orbital fluktuiert.
Wir haben gelernt, dass es diese Position gar nicht gibt, sondern nur durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden kann.
Was das nun für die Position des Elektrons genau bedeutet, hängt davon ab, welche Interpretation der Quantentheorie man vorzieht. Das ist so ein Fall, wo tatsächlich unterschiedliche Ansichten gleichberechtigt nebeneinander stehen (auch wenn viele Physiker der Überzeugung sind, die von ihnen jeweils vertretene Interpretation sei sie einzig richtige).
Man kann z.B. der Ansicht sein, die Position eines Elektrons in einem Orbital sei objektiv unbestimmt, also sozusagen "verschmiert". Das hieße im Umkehrschluss für Quantenfelder, dass die elektrische Feldstärke ganz analog objektiv unbestimmt ist, also strenggenommen auch nicht schwankt oder fluktuiert, sondern ihr Wert unscharf ist. Demnach wäre es einfach eine zwar nicht zu 100% richtige, aber eben eingebürgerte Sprechweise zu sagen, die Feldstärke würde fluktuieren oder es würden Vakuumfluktuationen auftreten.
Oder man kann die Position der minimalen statistischen Interpretation vertreten, wonach es schlicht sinnlos sei, danach zu fragen, ob das Elektron im Wasserstoff-Atom eine bestimmte Position oder eine unscharfe Position habe, da es eben nicht messbar ist. Auf Quantenfelder übertragen hieße das, dass Felder auch nicht fluktuieren, sondern es eben sinnlos sei, nach der Feldstärke zu fragen oder danach, ob sie einen scharfen oder unscharfen Wert hat, solange man keine Feldstärkemessung durchführt. Vakuumfluktuationen gäbe es demnach also nicht (aber auch nicht in Form virtueller Teilchenpaare, denn die kann man ja ebenfalls nicht messen).
Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:Man könnte es so ausdrücken: damit Teilchen entstehen, reicht es nicht, dass die Feldstärke fluktuiert, die Amplitude der Fluktuation muss vielmehr einen gewissen Schwellenwert überschreiten, damit ein Teilchen entstehen, und einen weiteren Schwellenwert, damit ein zweites Teilchen entsteht, usw., ähnlich wie im Wasserstoff-Atom die Fluktuation der Elektronenposition einen Schwellenwert überschreiten muss, damit das Elektron aus dem 1s-Niveau ins 2s-Niveau wechselt.
Nehmen wir an, du hättest recht. Wie ist dann die Umwelt, die wir wahrnehmen, entstanden?
Ich verstehe die Frage so, dass du fragen willst, wie es sein kann, dass in dem Universum, in dem wir leben, ganz viele Teilchen gibt, wo doch am Anfang des Universums ein Vakuumzustand gestanden habe?
Zum einen ist gar nicht gesagt, dass das Universum zu Beginn in einem Vakuumzustand gewesen ist. Nach der Theorie des heißen Urknalls z.B. war das Universum zu Beginn weit von einem Vakuumzustand entfernt. Daneben gibt es kosmologische Szenarien, wie z.B. die inflationären Szenarien, in denen sich das Universum für gewisse Zeiträume nahe an einem Vakuumzustand befunden hat, aus denen es durch einen Vorgang des Wiederaufheizens in einen Zustand hoher Temperatur und hoher Teilchendichte, also einem vom Vakuumzustand weit entfernten Zustand überging. Grundlage für solche Wiederaufheizungs-Vorgänge ist, dass es Quantenfelder geben kann, deren Vakuumzustand etwas nichttrivialer ist als etwa der des elektromagnetischen Feldes.
Man kann für das elektromagnetische Feld eine Art potentielle Energie V(E) definieren, die proportional zum Quadrat der elektrischen Feldstärke ist, V(E) ~ E^2, was gerade die Grundlage für die Analogie zum harmonischen Oszillator ist, bei dem die potentielle Energie V(x) proportional zum Quadrat der Auslenkung ist, V(x) ~ x^2. Z.B. beim Higgs-Feld sieht die potentielle Energie aber anders aus, nämlich so:
V(φ) = - 1/2 μ^2 φ^2 + 1/4 λ^2 φ^4
wobei φ der Wert des Feldes ist (wie E beim elektrischen Feld) und μ und λ Feldparameter sind. In dieser potentiellen Energie konkurrieren ein Term, der ~ φ^2 ist, und einer, der ~ φ^4 ist. Das führt dazu, dass V(φ) kein globales Minimum bei φ = 0 hat, wie beim elektromagnetischen Feld, sondern zwei Minima, eines bei φ = +μ/λ und eines bei φ = -μ/λ, und ein lokales Maximum bei φ = 0. Jede dieser drei Extremstellen ist dem Vakuumzustand des elektromagnetischen Feldes vergleichbar, die Minima bei +/-μ/λ sind "richtige" Vakuumzustände, das lokale Maximum bei φ = 0 ist ein "falsches" Vakuum. Wiederaufheizungs-Vorgänge, wie sie in den inflationären Szenarien vorkommen, können nun Übergang aus so einem "falschen" Vakuum in ein "richtiges" Vakuum sein. Die Energiedifferenz zwischen dem falschen und richtigen Vakuum wird in Form von Teilchen freigesetzt.
Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:Schon klar. Es braucht natürlich ein bewegtes EM-Feld.
Und im Vakuumzustand ist es eben nicht "bewegt".
Das wissen wir Beide nicht.
Wir wissen, was die QFT und auch die populärwissenschaftliche Darstellung mit den virtuellen Teilchen im Vakuumzustand dazu sagen. Und hier sagen sogar beide das gleiche: nämlich dass Vakuumfluktuationen ein Effekt sind, der schon bei freien Feldern auftritt, also ohne dass man die Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Feldern, wie z.B. zwischen dem elektromagnetischen Feld und einem ladungstragenden Materiefeld wie dem Elektronenfeld, berücksichtigt.
Pluto hat geschrieben:Die Tatsache, dass wir hier sind um solche Fragen zu stellen, lässt eine solche Schlussfolgerung nicht zu (Anthropisches Prinzip).
Du meinst, das Anthropische Prinzip würde aussagen, dass Vakuumfluktuationen nicht schon bei freien Feldern auftreten? Das erklär mal bitte.
Pluto hat geschrieben:Agent Scullie hat geschrieben:Pluto hat geschrieben:PS: Hier ein Zitat eines Wissenschaftlers (Joseph Silk) der die QFT besser versteht als ich. Er ist der Meinung, das Quantenvakuum sei zu jedem beliebigen Zeitpunkt (at any given instant) voller virtueller Teilchenpaare:
Das ist nur eine weitere populärwissenschaftliche Darstellung.
Sorry, Aber in dem du die Teilche-Erklärung ständig als
populärwissenschaftliche Darstellung versuchst abzutun, wird deine Behauptung nicht wahrer
Stimmt, wahrer als wahr gibt es nicht.
Pluto hat geschrieben:denn damit strafst du eine Vielzahl großer Physiker wie Joseph Silk, Lügen.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Physiker, wenn sie populärwissenschaftliche Bücher schreiben, dem Leser Sachen auftischen, die bestenfalls als populärwissenschaftliche Darstellung durchgehen. Das betrifft nicht nur den Vakuumzustand der QFT, sondern auch ganz andere Sachen, sie z.B. Hawkings Darstellung der QM in "Eine kurze Geschichte der Zeit".