Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

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Pluto
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#81 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Pluto » Fr 30. Sep 2016, 20:22

Agent Scullie hat geschrieben:Folglich muss da ein Zustand vorherrschen, der sich deutlich von einem Vakuumzustand unterscheided, und das kann z.B. ein Firewall-Zustand sein.
Lieber Scullie,
Mathematik ist ein wunderbares Werkzeug, so lange man anerkennt, wer der "Boss" ist.

Ich bin der Erste, der sich den Erkenntnissen der Mathematik beugt.
Wie der Wiener Mathematiker Arnold Neumaier, der die puristische Sicht vertritt, und in deinem Sinn argumentiert, schreibt in seinem großartigen Artikel:
The only way the usual dynamic language for virtual particles is justified by the theory is purely figurative analogy in "virtual reality".
[Quelle]
Virtuelle Teilchen sind nach Neumaier eine Analogie.

Diese Analogie ist allerdings so gut, dass viele Textbücher der Physik auf sie nicht verzichten.
So lange Koryphäen wie Steven Weinberg, Leonard Susskind, Richard Feynman, Brian Greene oder Sean Carroll von virtuellen Teilchen reden, so bleiben diese eine legitime, sehr anschauliche Erklärung, für das was sich im postulierten Quantenvakuum und am Ereignishorizont von schwarzen Löchern abspielt, oder im Casimir-Experiment und im Lamb-Shift beobachtet werden konnte.

Hier noch ein Zitat, welches zeigt wie die "großen Meister" es vermutlich sehen.
However, I can save myself a little effort later by automatically including the possibility that the photon actually comes from the particle on the left and is absorbed by the particle on the right, with the recoil nudging the left particle: all I have to do is include situations in which the photon is "emitted on the right" in the future and goes "backward in time," and take its momentum to be minus what it really is! As long as I remember what's really going on, this trick is formally OK and saves a lot of trouble.
- [Richard Feynman].
Feynman sprach hier von seinen Diagrammen. Was er hier sagt, ist, man erspart sich viel Mühe wenn man Virtuelle Teilchen als Erklärung verwendet.

Noch Einer der virtuelle Teilchen als legitime Veranschuung versteht, ist der Physiker Matt McIrvin.
We are really using the quantum-mechanical approximation method known as perturbation theory. In perturbation theory, systems can go through intermediate "virtual states" that normally have energies different from that of the initial and final states. This is because of another uncertainty principle, which relates time and energy.
[Quelle]
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Halman
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#82 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Halman » Fr 30. Sep 2016, 21:37

In Feynman-Diagrammen tauchen ja auch virtuelle Teilchen auf. Ich denke, wir sollten Vakuumfluktuationen und Wechselwirkungen Quantenfeldern unterscheiden.
In der QFT wird die Krümmung der Raumzeit nicht behandelt. Die Hawking-Strahlung erfordert eine semiklassische Quantengravitation. Tatsächlich werden bei Schwarzen Löchern demnach reale Teilchen abgestrahlt.


:?: Wieso kann ich die PDF-Datei "Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes" aus diesem Beitrag hier nicht anhängen?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Agent Scullie
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#83 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Fr 30. Sep 2016, 23:56

Janina hat geschrieben:Frage: Wie würdest du dann die Artikel zum Lamb-Shift und dem Casimir-Effekt anders formulieren?

https://de.wikipedia.org/wiki/Lamb-Verschiebung
"Die Aufhebung der Entartung wird durch Vakuumfluktuationen bewirkt, bei denen ständig, in Übereinstimmung mit der Heisenbergschen Unschärferelation, Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen (Paarbildung) und sich vernichten (Annihilation). Die Existenz der Teilchen-Antiteilchen-Paare verursacht eine kleine Abweichung von der Coulomb-Wechselwirkung."

https://de.wikipedia.org/wiki/Casimir-Effekt
"...kann also einfacher berechnet werden, wenn angenommen wird, dass das Vakuum ein Raum voller virtueller Teilchen ist, die als Vakuumfluktuation bezeichnet werden..."
Den Artikel zum Lamb-Shift würde ich in etwa so formulieren:

"Die Aufhebung der Entartung zwischen 2s- und 2p-Niveau wird durch die Selbstenergie des Elektrons bewirkt. Diese lässt sich so verstehen, dass ein Elektron über das elektromagnetische Feld nicht nur mit anderen elektrisch geladenen Teilchen wechselwirkt, sondern auch mit sich selbst. Im Grunde gibt es diese Selbstenergie schon in der klassischen Elektrodynamik: nahe an einer elektrischen Ladung wird die elektrische Feldstärke sehr groß, und damit auch die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes, die quadratisch von der Feldstärke abhängt. In der quantisierten Theorie wirken sich zusätzlich noch die Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes auf die Selbstenergie aus. Diese Vakuumfluktuationen kann man sich anschaulich so vorstellen, das die elektrische und magnetische Feldstärke keine scharfen Werte haben wie in der klassischen Theorie, sondern mit einer gewissen Amplitude schwanken, d.h. fluktuieren. Über die Selbstenergie des Elektrons tragen die Vakuumfluktuationen also indirekt zur Verschiebung des 2s-Niveaus bei.

Will man berechnen, wie groß die Lamb-Verschiebung ist, so kann man das z.B. über die S-Matrix-Theorie tun. Zu dem Term der S-Matrix, der hauptsächlich für die Lamb-Verschiebung verantwortlich ist, gehört dann ein Feynman-Diagramm, in dem die Selbstenergie des Elektrons durch ein virtuelles Photon, das das Elektron mit sich selbst austauscht, repräsentiert wird."

Ich würde dann außerdem noch ein entsprechendes Feynman-Diagramm als Grafik hinzufügen, so eines wie das Diagramm (c) in Abbildung 9.1 in diesem Artikel:

https://itp.tugraz.at/LV/ewald/QFP/qft9.pdf

Kurz zur Erläuterung: die durchgezogene schwarze Linie mit den Beschriftugen p, p-k, p'-k und p' ist das Elektron, die gestrichelte Linie mit der Beschriftung k' das virtuellen Photon für die Selbstenergie, die gestrichelte Linie mit der Beschriftung p'-p das virtuelle Photon, das die Wechselwirkung des Elektrons mit dem Atomkern vermittelt.

Zum Casimir-Effekt würde ich schreiben:

"Die anziehende Kraft zwischen zwei leitenden kann also einfacher berechnet werden, wenn angenommen wird, dass alle Moden des elektromagnetischen Feldes zwischen den Platten und außerhalb der beiden Platten im Vakuumzustand sind, wobei außerhalb alle beliebigen Moden zugelassen sind, zwischen den beiden Platten dagegen nur diejenigen Moden, bei denen die Wellenlänge im passenden Verhältnis zum Plattenabstand steht. Den Vakuumzustand einer Mode kann man sich so vorstellen, dass die elektrische und magnetische Feldstärke nicht den scharfen Wert null haben, wie das klassisch zu erwarten wäre, wenn keine elektromagnetischen Wellen angeregt sind, sondern in einem gewissen Maße um den Wert null herum schwanken (fluktuieren). Mit diesen sog. Vakuumfluktuationen ist verknüpft, dass die Energie jeder Mode nicht exakt null ist, sondern etwas größer. Zwischen den Platten ist jedoch die Zahl der Moden kleiner als außerhalb, daher ist die Energie aller Moden zusammengenommen zwischen den Platten kleiner als außerhalb, und zwar umso mehr, je dichter die Platten zusammen sind. Daraus ergibt sich eine Kraft, die die Platten zusammendrückt."
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#84 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Zeus » Sa 1. Okt 2016, 00:39

Was ist ein "Mode"?
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(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#85 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 01:11

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welche empirischen Belege kannst du vorlegen, die für deine Darstellung sprechen?
Alle Belege, die die QFT bestätigen. Z.B. der Casimir-Effekt und der Lamb-Shift. Die könnten zwar auch als Belege für eine Alternativtheorie herhalten, aber bislang gibt es so eine nicht.
Das ist falsch, denn wie Janina zitierte...
Was Janina da zitierte, ist ein weiteres Beispiel für so eine populärwissenschaftliche Quelle, in der die (falsche) Darstellung präsentiert wird, dass nach der QFT am Vakuumzustand virtuelle Teilchen beteiligt seien. Und wie in allen anderen populärwissenschaftlichen diesen Typs wird da auch überhaupt keine Alternativtheorie zur QFT beschrieben, sondern, wie schon mehrfach betont, eine falsche Darstellung der QFT präsentiert.

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Die Klein-Gordon-Gleichung ist so etwas ähnliches wie die Maxwell-Gleichungen, nur halt für Spin-0-Bosonen (Photonen haben Spin 1). Kannst ja einfach mal danach googeln. Ansonsten kann ich dir den Schwabl (QM II) und den Mandl/Shaw empfehlen.
Danke!
Hier findest du übrigens eine Online-Quelle, die stark an den Mandl-Shaw angelehnt ist:

https://itp.tugraz.at/LV/ewald/QFP/

Die Quantisierung eines skalaren Feldes, das durch die Klein-Gordon-Gleichung beschrieben wird, geht übrigens ganz ähnlich wie die des elektromagnetischen Feldes, wie ich sie in meinem PDF-Dokument erläutert habe. Eigentlich brauchst du nur das elektrische Feld durch das skalare Feld zu ersetzen, der Rest ist gleich, außer dass die Zahl der Moden nur halb so groß ist, weil es bei ein skalaren Feld keine Polarisationsrichtung gibt.

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Ja natürlich sprach Hawking von Teilchen. Aber nicht von virtuellen.
Von mir aus, kann man das Adjektiv "virtuell" auch weg lassen. Das ändert nichts!.
Wenn das der einzige Unterschied wäre, würde das nichts ändern, das mag wohl sein. Jedoch ist das nicht der einzige Unterschied. Stellen wir die beiden Darstellungen mal gegenüber.

Die eine (falsche) Darstellung - nennen wir sie nachfolgend Darstellung I - besagt:

"Nach der QFT entstehen überall im Raum ständig (virtuelle) Teilchenpaare, die normalerweise innerhalb kurzer Zeit wieder verschwinden. Wenn jedoch ein schwarzes Loch in der Nähe ist, kann durch dessen Gravitation so ein (virtuelles) Teilchenpaar auseinandergerissen werden, wobei das eine (virtuelle) Teilchen des Paares in das schwarze Loch fällt, während das andere entkommt (und zu einem realen Teilchen wird) und von einem Beobachter außerhalb des schwarzen Loches als Hawking-Strahlung registriert werden kann."

Nun die andere (korrekte) Darstellungen - nennen wir sie Darstellung II:

"Nach der QFT besitzen alle Felder einen Vakuumzustand. Ist ein schwarzes Loch in der Nähe, so wird durch dessen Gravitationsfeld der Vakuumzustand in einer Weise modifiziert, dass Teilchen entstehen, die von einem Beobachter außerhalb des schwarzen Loches als Hawking-Strahlung registriert werden können. Einen ganz ähnlichen Effekt gibt es auch ganz ohne schwarzes Loch und ohne Gravitationsfeld, nämlich bei einem beschleunigten Beobachter in einer flachen Raumzeit, den sog. Unruh-Effekt: was von einem gleichförmig bewegten Beobachter als Vakuumzustand registriert wird, wird von einem beschleunigten Beobachter als Zustand mit Teilchen wahrgenommen."

Soweit die beiden Darstellungen. Jetzt arbeiten wir mal die Unterschiede heraus:

- Laut Darstellung I sind ständig überall (virtuelle) Teilchenpaare vorhanden, auch dann, wenn kein schwarzes Loch in der Nähe ist, laut Darstellung II dagegen nicht.

- Laut Darstellung I werden die Teilchen der Hawking-Strahlung nicht durch das Gravitationsfeld des schwarzen Loches erzeugt, das Gravitationsfeld des schwarzen Loches verhindert nur, dass Teilchenpaare sofort wieder verschwinden, und ermöglicht auf diese Weise Teilchen, zu entkommen und die Hawking-Strahlung zu bilden. Laut Darstellung II hingegen werden die Teilchen, die die Hawking-Strahlung bilden, überhaupt erst durch das Gravitationsfeld des schwarzen Loches erzeugt.

- Laut Darstellung I gibt es zu jedem Teilchen, das entkommt und zur Hawking-Strahlung beiträgt, ein Partnerteilchen, das in das schwarze Loch fällt. In Darstellung II kommt kein solches Partnerteilchen vor.

Du kannst aus Darstellung I soviel das Adjektiv "virtuell" streichen so viel du willst (habe das bereits durch Einklammerung vorbereitet), da kommt auf keinen Fall Darstellung II bei heraus. Der Unterschied zwischen beiden Darstellung ist also offensichtlich doch etwas größer.

Pluto hat geschrieben:Weder an der Aussage von Stephen Hawking, noch an der physikalischen Realität die man versucht anschaulich zu erklären.
Im Fall der Hawking-Strahlung wissen wir über die physikalische Realität eigentlich sehr wenig. Alles was wir dazu wissen, ist das, was Hawkings Ansatz einer semiklassischen Quantengravitation, den er da benutzt hat, hergibt. Und das ist Darstellung II, nicht Darstellung I.

Pluto hat geschrieben:Vielleicht dachte er, die Erklärung mittels Teilchen sei einfacher als die Erklärung der dahinter stehenden Mathematik.
Darstellung II kann sowohl in mathematisierter Form formuliert werden als auch in nicht-mathematisierter Form (wie oben). Für den Laien wäre die nicht-mathematisierte Form vermutlich leichter zu verstehen. Aber hier reden wir ja davon, was Hawking in seiner Fachpublikation getan hat, da werden ihn die Belang des Laien eher weniger interessiert haben.

Allerdings sind beides, die mathematisierte als auch die nicht-mathematisierte Formulierung von Darstellung II, Erklärungen mittels Teilchen - dieselbe Erklärung mittels Teilchen, um genau zu sein - so dass dein Gedankengang nicht wirklich Sinn ergibt.

Pluto hat geschrieben:Deine mathematische Darstellung
Darstellung II kann anders als Darstellung I auch in mathematisierter Form formuliert werden. Für Darstellung I gibt es keine mathematisierte Form, was daran liegt, dass sie aus keiner bekannten Theorie abgeleitet werden kann. Da aber Darstellung II auch in nicht-mathematisierter Form formuliert werden kann (wie oben), ist es nicht angemessen, sie als mathematische Darstellung zu bezeichnen. Die mathematisierte Form von Darstellung II könnte man schon eher mathematische Darstellung nennen.

Pluto hat geschrieben:sehe ich als eine Art "stenografische" Darstellung der physikalischen Realität. Während Erstere eher den Mathematiker anspricht, reden Physiker i.d.R. lieber von physikalischen Abläufen. Doch letztlich sind es zwei alternative Darstellungen derselben Wirklichkeit.
Die beiden Formulierungen von Darstellung II, die mathematisierte und nicht-mathematisierte (wie die oben), sind zwei verschiedene Formulierungen derselben Wirklichkeit.

Im Unterschied zu Darstellung I, die gar keine Formulierung irgendeiner Wirklichkeit ist, sondern nur eine populärwissenschaftliche Darstellung.

Pluto hat geschrieben:Nochmals... Die Mitglieder der Royal Society sind alles andere als ein Laienpublikum, sonder die "Creme" der Naturwissenschaft.
Eben: der Naturwissenschaft. Also nicht der Physik im speziellen, schon gar nicht der Quantenphysik oder Elemtarteilchenphysik, sondern der Naturwissenschaft im allgemeinen. Also sind viele davon gar keine Physiker, sondern z.B. Chemiker, Biologen, Mediziner oder Klimaforscher. Hier kann man einen groben Überblick darüber gewinnen, mit welch einer breiten Spanne an Fachgebieten sich die Royal Society beschäftigt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Royal_Soc ... eichnungen

Carrol hatte somit guten Grund zu der Annahme, dass unter seinen Zuhörern auch viele Nicht-Physiker sein würden, und dass er daher eher auf populärwissenschaftliche Darstellungen setzen sollte. Wenn du dir mal die verschiedenen Folien seiner Präsentation ansieht, die im Verlauf des Videos gezeigt werden, so wird dir auffallen, dass die allesamt auf sehr populärwissenschaftlichem Niveau gehalten sind.

Pluto hat geschrieben:Also tue bitte nicht so als wäre die Erklärung mit Teilchen falsch.
Also erstens einmal tue ich nicht so, sondern das ist tatsächlich so. Würde ich gegenteiliges behaupten, so würde ich lügen. Und du kannst mich noch so sehr darum bitten zu lügen, ich werde dieser Bitte nicht Folge leisten.

Pluto hat geschrieben:Sie ist einfach eine andere Darstellung, die du als Mathematiker ablehnst.
Eher als jemand, der es für sinnvoll hält, bei der Wahrheit zu bleiben.

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Du kannst ihm ja eine E-Mail schreiben und ihn dazu befragen. Ich kann meine PDF-Datei auch gerne ins Englische übersetzen, dann kannst du ihm die schicken und ihn fragen, was er dazu meint.
Das können wir gerne so machen. :D

Meine Vermutung ist, er wird antworten, dass die vermuteten Phänomene am Ereignishorizont eines S/L sich nun mal mit physikalischen Teilchen einfacher erklären, als rein mathematisch.
Diese Vermutung ist in der Form sinnlos, weil beide Formulierungen von Darstellung II, die mathematisierte und die nicht-mathematisierte, Erklärungen mit Teilchen - genauer: ein- und dieselbe Erklärung - sind.

Aber du vertratst ja auch gar nicht Darstellung II, sondern Darstellung I. Mit der kann überhaupt nichts erklärt werden, da es keine Theorie gibt, aus der sie abgeleitet werden kann.

Pluto hat geschrieben:Das macht beide Erklärungen gleichwertig.
Die beiden Formulierungen von Darstellung II sind als Erklärungen identisch, also ein- und dieselbe Erklärung, deswegen ist es sinnlos von "beiden" Erklärungen zu sprechen.
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#86 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 01:17

Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Wikipedia ist eine populärwissenschaftliche Darstellung und innerhalb derer ist die Darstellung mit virtuellen Teilchen sinnvoll und zumindest nicht falsch.
Das wage ich zu bezweifeln. Die Wikipedia Erklärung ist schließlich von Physikern geschrieben, die etwas von ihrem Fach verstehen.
Das wäre schön, wenn das so wäre. Leider ist es aber nicht so. Bei Wikipedia kann jeder Artikel editieren, der denkt er würde etwas vom jeweiligen Thema verstehen. Auch dann, wenn er eben nichts davon versteht.

Pluto hat geschrieben:Wie gesagt, es handelt sich um zwei mögliche Darstellungen ein und desselben Phänomens.
Wir nennen schließlich das Gebäude in der wir leben, ein "Haus". Die Franzosen nennen es "maison", aber wir meinen dasselbe.
Das ist bei dem populärwissenschaftlichen Bild mit den virtuellen Teilchen beim Vakuumzustand anders: da ist eben nicht dasselbe gemeint wie bei der korrekten Darstellung.
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#87 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 01:20

Pluto hat geschrieben:Übrigens... in diesem Artikel beschreibt der Autor (Gordon Kane, Direktor des Michigan Center for Theoretical Physics an der University of Michigan) die Wirkung von virtuellen Teilchen...
Und übrigens ist dieser Artikel wieder nur ein weiteres Beispiel für eine populärwissenschaftliche Quelle. Scientifc American (deutsch: Spektrum der Wissenschaft) ist eine populärwissenschaftliche Zeitschrift.
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#88 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 01:28

Zeus hat geschrieben:Was ist ein "Mode"?
Die Frage ist falsch gestellt. Korrekt wäre "Was ist eine Mode?". Mode ist weiblich.

Betrachte z.B. das elektromagnetische Strahlungsfeld. In dem gibt es allerlei Arten von elektromagnetischen Wellen, mit unterschiedlichen Ausbreitungsrichtungen, unterschieden Wellenlängen, unterschiedlichen Polarisationsrichtungen. In diese schier unüberschaubare Vielfalt an Wellen kann man aber Ordnung bringen. Als erstes führt man all die vielen verschiedenen Ausbreitungsrichtungen auf drei Richtungen zurück: vorwärts/rückwärts, rechts/links/, aufwärts/abwärts. Zu jeder dieser drei Richtungen gibt es dann zwei Polarisationsrichtungen, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung sind. Und zu jeder so gebildeten Ausbreitungsrichtung/Polarisationsrichtung-Kombination gibt es ganz viele unterschiedliche Wellenlängen. Es kommen schlussendlich ganz viele Ausbreitungsrichtung/Polarisationsrichtung/Wellenlänge-Kombinationen heraus. Jede davon ist eine Mode.

Ganz ähnlich ist es bei anderen Feldern.
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#89 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 01:45

Pluto hat geschrieben:Was du da schreibst, klingt für mich als wäre die Physik der Vasall der Mathematik. Es ist aber genau umgekehrt: Mathematik ist ein Hilfsmittel, was Physiker verwenden um ihre Thesen zu erhärten.
Und die Verwendung dieses Hilfsmittels führt zu einem interessanten Effekt: nicht-mathematisierte Darstellungen von Theorien können, wenn sie denn korrekt im Sinne von mit der jeweiligen Theorie in Übereinstimmung stehend sind, immer mit einer mathematisierten Darstellung in Verbindung gebracht werden.

Beispiel: die von mir vorgebrachte nicht-mathematisierte Darstellung von Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes als Schwankungen des elektrischen und magnetischen Feldes kann mit einer mathematisierten Darstellung in Verbindung gebracht werden, in der es eine Wellenfunktion mit der Feldveränderlichen q_r als Parameter gibt. Die ebenfalls nicht-mathematisierte Darstellungen von Vakuumfluktuationen als ständiges Entstehen und Verschwinden von virtuellen Teilchen kann dagegen nicht mit einer mathematisierten Darstellung in Verbindung gebracht werden, weder einer der QFT noch sonst irgendeiner bekannten Theorie.

Pluto hat geschrieben:Ähnlich verhält es sich mit den Quantenfeldern. Bittet man um empirische Bestätigung fallen diese auf Phänomene zurück wie der Casimir Effekt oder der Lamb-Shift, die alle bereits eine alternative Erklärung mit dem Quantenvakuum voller spontan entstehender Teilchen haben.
Nein, die haben sie nicht. Die populärwissenschaftliche Darstellung der QFT mit den virtuellen Teilchen bei Vakuumflukatuationen ist überhaupt keine Erklärung, zumindest dann nicht, wenn man an eine Erklärung höhere Anforderungen stellt als die, für einen Laien einleuchtend zu klingen. Es gibt keine in sich schlüssige Theorie, aus der eine solche Darstellung ableitbar wäre, und folglich kann es sich dabei nicht um eine Erklärung handeln.

Pluto hat geschrieben:Die Frage ist:
Sind diese Erklärungen nun veraltet
Erstens sind diese "Erklärungen" keine Erklärungen, sondern populärwissenschaftliche Darstellungen, und zweitens sind sie, da sie jünger als die QFT sind, sicherlich nicht veraltet. Sie sind einfach nur falsch, weil sie weder aus der QFT noch sonst einer Theorie ableitbar sind.

Pluto hat geschrieben:und deshalb falsch (wie es die Puristen unter den Mathematikern behaupten)
Wusste ich gar nicht, dass es Puristen unter den Mathematikern gibt, die so etwas behaupten. Hast du mal ein Beispiel?

Pluto hat geschrieben:oder sind sie einfach nur andere Sichten auf ein und dasselbe Phänomen?
Ja. Allerdings Sichten, die außer zu populärwissenschaftlichen Darstellungen zu rein gar nichts taugen.
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#90 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 02:08

Pluto hat geschrieben:So lange Koryphäen wie Steven Weinberg, Leonard Susskind, Richard Feynman, Brian Greene oder Sean Carroll von virtuellen Teilchen reden, so bleiben diese eine legitime, sehr anschauliche Erklärung
Nein, tun sie nicht, weil sie erstens gar keine Erklärung sind - sofern man an Erklärungen höhere Anforderungen stellt als die, dass sie dem Laien einleuchtend erscheinen - und zweitens weil die besagten Koryphäen ausschließlich in populärwissenschaftlichen Quellen über virtuelle Teilchen reden (bei Vakuumfluktuationen, bei Wechselwirkungsprozessen ist das was vollkommen anderes).

Pluto hat geschrieben:Hier noch ein Zitat, welches zeigt wie die "großen Meister" es vermutlich sehen.
However, I can save myself a little effort later by automatically including the possibility that the photon actually comes from the particle on the left and is absorbed by the particle on the right, with the recoil nudging the left particle: all I have to do is include situations in which the photon is "emitted on the right" in the future and goes "backward in time," and take its momentum to be minus what it really is! As long as I remember what's really going on, this trick is formally OK and saves a lot of trouble.
- [Richard Feynman].
Feynman sprach hier von seinen Diagrammen.
Ganz genau, und diese Diagramme betreffen keine virtuelle Teilchen im Vakuumzustand, sondern virtuelle Teilchen bei Wechselwirkungsprozessen, und das ist etwas völlig anderes. Wenn man Wechselwirkungsprozesse, wie z.B. die Streuung zweier Elektronen aneinander, mit dem Mitteln der Störungsrechnung behandelt und eine S-Matrix aufstellt, dann treten da tatsächlich virtuelle Teilchen auf, z.B. ein virtuelles Photon, das zwischen den beiden aneinander streuenden Elektronen ausgetauscht wird. Mit Vakuumfluktuationen hat das aber rein gar nichts zu tun, da es die nicht nur bei Wechselwirkungsprozessen gibt, sondern schon bei freien Feldern, wie im Fall des elektromagnetischen Feldes beim freien Strahlungsfeld. Für das freie Strahlungsfeld gibt es keine S-Matrix, und somit auch keine Feynman-Diagramme.

Pluto hat geschrieben:Was er hier sagt, ist, man erspart sich viel Mühe wenn man Virtuelle Teilchen als Erklärung verwendet.
Da bezieht er sich jedoch auf Wechselwirkungsprozesse (z.B. die Streuung zweier Elektronen aneinander), nicht auf Vakuumfluktuationen. Das ist ganz was anderes.

Pluto hat geschrieben:Noch Einer der virtuelle Teilchen als legitime Veranschuung versteht, ist der Physiker Matt McIrvin.
We are really using the quantum-mechanical approximation method known as perturbation theory. In perturbation theory, systems can go through intermediate "virtual states"
Da sagt er es ja schon: perturbation theory, also zu deutsch Störungsrechnung oder auch S-Matrix-Theorie. Das ist ein Vefahren zur Behandlung von Wechselwirkungsprozessen. Z.B. kann man die Streuung zweier Elektronen unter Vermittlung des elektromagnetischen Feldes mit dem Mitteln der Störungsrechnung berechnen, dabei kommt dann ein Feynman-Diagramm mit einem virtuellen Photon, das zwischen den beiden Elektronen ausgetauscht wird, heraus.

Dabei geht es aber um Wechselwirkungsprozesse, also Prozesse, wo unterschiedliche Felder miteinander interagieren - hier: das elektromagnetische Felder und das zu den Elektronen gehörende Dirac-Materiefeld (das ist ein fermionischen Feld und wird durch die Dirac-Gleichung beschrieben) - nicht um Vakuumfluktuationen eines freien Feldes, also eines Feldes für sich betrachtet.

Du kennst jetzt also bereits die drei wichtigsten Typen von Feldern in der QFT:

- skalare Felder, beschrieben durch die Klein-Gordon-Gleichung, mit Spin-0-Bosonen als Feldquanten
- fermionische Felder, beschrieben durch die Dirac-Gleichung, mit Spin-1/2-Fermionen als Feldquanten (z.B. Elektronen, Myonen, Quarks, ...)
- vektorielle Felder, beschrieben durch Gleichungen vom Typ der Maxwell-Gleichungen, mit Spin-1-Bosonen als Feldquanten (Photonen, W- und Z-Bosonen, Gluonen)
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