Alles Teufelszeug? III

closs
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#821 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 28. Jul 2016, 12:23

sven23 hat geschrieben:Dazu haben weder Berger noch Ratzinger sachliche Begründungen geliefert.
Doch - kanonisch. - Ratzinger sagt sinngemäß: "Wer an eine Naherwartung in der Bibel glaubt, hat die Bibel nicht genau gelesen". - Wie die katholischen Begründungen genau sind, weiss ich nicht auswendig - sie werden ähnlich sein wie die meinigen - weil es einfach naheliegend ist, wenn man gesamt-kontextuell und spirituell liest.

sven23 hat geschrieben:Sie loben zwar die historisch-kritische Methode ausdrücklich, können aber nicht begründen, warum die Ergebnisse, die mit dieser Methode ermittelt wurden, falsch sein sollen.
"Jesus hatte eine Naherwartung" ist kein Ergebnis einer Wissenschaft, sondern eine säkulare Schlussfolgerung aus einer Wissenschaft.

sven23 hat geschrieben:Ja, das ist doch gerade der Vorteil der Methode.
Wenn man sich daran hält und nicht von säkulare Quellen-Interpretationen auf ein nicht-säkulares Quellen-Objekt (= Jesus) schließt, ist das tatsächlich ein Vorteil. - Insofern ist die Aussage "Nach Quelle x hatte Jesus eine Naherwartung, wenn man methoden-vorgegeben säkular interpretiert", korrekt. - Aber der katholische Theologie geht es doch um die historische Wirklickeit Jesu, wenn er NICHT nur Mensch, sondern auch "Gottes Sohn"/Gott ist.

sven23 hat geschrieben:Die historisch-kritische Methode will die Primärintention des Schreibers ermitteln, also: was war die Absicht des Autors?
Prinzipiell ok. - Aber dann sollte man auch die Wandlung eines Erkenntnisstandes berücksichtigen, die zu interpretieren ist mit:
a) entweder: Autoren haben ältere Quellen und somit Jesu Ursprungs-Haltung verfälscht.
b) oder: Autoren haben sich gegenüber älteren Quellen entwickelt und sind somit Jesu Ursprungs-Haltung näher gekommen.

Das Urteil, ob a) oder b), ist eine rein weltanschauliche Entscheidung. - Richtig wäre, Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen und zu beschreiben (= HKM) und dann entweder nach a) und b) zu interpretieren oder gar nicht. Es sei denn, man legt sich weltanschaulich fest ("Glaubensentscheid"), was bei der RKK offen und bei vielen HKM-lern verdeckt erfolgt.

sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese interessiert sich nur für das rezeptionstechnisch kontaminierte Endprodukt.
Das wäre Ausdruck des Glaubens-Entscheids a).

sven23 hat geschrieben:Das Endprodukt ist näher am verkündeten, mythologischen Jesus, aber nicht am historischen.
WENN Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, ist dieses Produkt auch näher am historischen Jesus, also so, wie er wirklich war.

sven23 hat geschrieben:Also bis jetzt konntest du uns weder Ross noch Reiter nennen, die die historisch-kritische Methode falsch anwenden oder "weltanschaulich" verwenden.
Jeder HKM-ler, der seine säkularen Untersuchungen so interpretiert, als könne Jesus nicht "Gottes Sohn"/Gott sein. - FALLS Theißen seinen Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" nicht ausdrücklich mit der im Vorwort zum Ausdruck gebrachten Einschränkung meint, dass HKM nur innerhalb ihrer Möglichkeiten Aussagen treffen kann - wenn er also diesen Satz historisch verabsolutieren würde - , würde auch er dazu gehören. - Aber ich glaube nach wie vor, dass die wirklich guten HKM-ler nicht so weltanschaulich kontaminiert sind, wie sie hier dargestellt werden.

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sven23
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#822 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 28. Jul 2016, 14:16

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dazu haben weder Berger noch Ratzinger sachliche Begründungen geliefert.
Doch - kanonisch. - Ratzinger sagt sinngemäß: "Wer an eine Naherwartung in der Bibel glaubt, hat die Bibel nicht genau gelesen".
"Genau lesen" ist keine hinreichende Begründung. Da müssen schon belastbare Fakten her.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie loben zwar die historisch-kritische Methode ausdrücklich, können aber nicht begründen, warum die Ergebnisse, die mit dieser Methode ermittelt wurden, falsch sein sollen.
"Jesus hatte eine Naherwartung" ist kein Ergebnis einer Wissenschaft, sondern eine säkulare Schlussfolgerung aus einer Wissenschaft.
"Säkulare Schlussfolgerung" ist ja lediglich eine Abwertung, aber kein sachliches Argument gegen die Nahewartung. Wieso kommt da eigentlich nichts? Das muss doch Gründe haben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese interessiert sich nur für das rezeptionstechnisch kontaminierte Endprodukt.
Das wäre Ausdruck des Glaubens-Entscheids a).
Na, endlich kapiert, was Ratzinger von dir will?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Endprodukt ist näher am verkündeten, mythologischen Jesus, aber nicht am historischen.
WENN Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, ist dieses Produkt auch näher am historischen Jesus, also so, wie er wirklich war.
Wie er "wirklich" war, weiß niemand. Das ist Ausdruck dessen, was jemand aus ideologischen Gründen glauben will, unter Vernachlässigung der Quellen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also bis jetzt konntest du uns weder Ross noch Reiter nennen, die die historisch-kritische Methode falsch anwenden oder "weltanschaulich" verwenden.
Jeder HKM-ler, der seine säkularen Untersuchungen so interpretiert, als könne Jesus nicht "Gottes Sohn"/Gott sein. - FALLS Theißen seinen Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" nicht ausdrücklich mit der im Vorwort zum Ausdruck gebrachten Einschränkung meint, dass HKM nur innerhalb ihrer Möglichkeiten Aussagen treffen kann - wenn er also diesen Satz historisch verabsolutieren würde - , würde auch er dazu gehören. - Aber ich glaube nach wie vor, dass die wirklich guten HKM-ler nicht so weltanschaulich kontaminiert sind, wie sie hier dargestellt werden.
Also kannst du niemanden benennen, weil es wieder mal Strohmänner sind.
Und Theißen sagt doch lediglich:
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Das ist Stand der Forschung unter Berücksichtigung der Quellenlage.
Die Forschung kann sich nun mal nicht wie ein Laie ein paar Bibelstellen rauspicken und meinen, damit wäre die Arbeit getan. Nein, sie muss alles berücksichtigen, auch die sich widersprechenden Passagen in plausiblen Zusammenhängen darstellen können.
So gehört auch die Naherwartung Johannes des Täufers dazu, der ja anfangs "Lehrer" und Vorbild für Jesus war.

"War es ein Irrtum, als Jesus und die ersten Christen das nahe Ende der Welt und den Anfang einer neuen Welt erwarteten?
...
Jesus hat den Irrtum der Naherwartung geteilt, aber auch überwunden.
Er begann als Anhänger Johannes des Täufers. Der erwartete das Ende der Welt. Die Axt ist schon an die Wurzel der Bäume gelegt. Das Gericht kommt. Jesus hat sich taufen lassen, um ihm zu entgehen. Denn das Gericht kam so schnell, dass keine Zeit mehr war, die eigene Um
kehr unter Beweis zu stellen. Daher bot der Täufer einen Ersatz an. Gott akzeptiert die Taufe als symbolische Umkehr –noch im allerletzten Augenblick. Doch die Naherwartung des Täufers war ein Irrtum."

Gerd Theißen

"Texte wie Mt 3,7–10 EU par. Lk 3,7–9 EU sowie Mt 3,11f. EU par. Lk 3,16f. EU sind wort- und bildgewaltige Drohpredigten, die das nahe Endgericht Gottes verkünden."
Quelle: Wikipedia

"Auffällig ist, dass Matthäus den Täufer noch vor Beginn seiner Rede mit den programmatischen Worten zitiert: “Kehrt um! Denn nahegekommen ist die Königsherrschaft der Himmel (Mt 3,2)!” Das entspricht exakt jenen Worten, mit denen wenig später Jesus erstmals in Erscheinung treten wird (Mt 4,17; vgl. etwas volltönender Mk 1,15); ganz gleichlautend führen beide auch das Gerichtswort von dem unfruchtbaren Baum im Munde (Mt 3,10 / Mt 7,19). Matthäus macht durch diese strenge Parallelität deutlich: Der Täufer und Jesus ziehen sachlich an einem Strang. Ihre Botschaft stimmt vor allem darin überein, dass sie die nahe Gottesherrschaft ankündigen und zur Umkehr rufen."
Quelle: Bibelwissenschaft.de

Die Naherwartung von Johannes und Jesus ist breiter Konsens in der Forschung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#823 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Do 28. Jul 2016, 14:48

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das macht sie nicht. Wo hast Du das her?
Natürlich macht sie das (es mag Einzelne geben, die es anders sehen - aber da ist die RKK tolerant). - Meinst Du etwa, die RKK-Theologie geht von "pro Naherwartung" in Deinem Sinne aus? - Sie geht davon aus, dass die Jesus-Bewegung anfänglich stark von einer Naherwartung geprägt war - ja. - Aber doch nicht, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
Die Nähe der kommenden Gottesherrschaft auf Erden steht im Zentrum der jesuanischen Predigt. Das ist Konsens in der theologischen Wissenschaft. Zum Thema Naherwartung heißt es im "Neues Theologisches Wörterbuch" (Academic dictionaries and encyclopedias):

"Naherwartung" wird im Hinblick auf neutestamentliche Aussagen in zweifacher Bedeutung verwendet:

1. Die NAHERWARTUNG JESU bezog sich sich auf die alsbaldige , von der Sammlung ganz Israels ausgehende universale Verwirklichung der endzeitlichen Herrschaft Gottes.

2. Die NAHERWARTUNG DER URGEMEINDE galt der Parusie (des Menschensohnes bzw. des Kyrios Jesus) in irdisch absehbarer, sehr kurzer Zeit.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn ich Dich jetzt um Belege für Deine Behauptung bitte, weiß ich, dass da - wie gehabt - nix kommt.
Kathpedia hatte ich bereits mehrfach erwähnt - wenn es seitens der RKK als falsch befunden worden wäre, würde es gestrichen sein.
Ich wusste, dass Du nicht liefern kannst. Kathpedia gehört im Übrigen einem privaten Verein in Österreich, bei der auch Laien Beiträge schreiben dürfen.

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#824 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Do 28. Jul 2016, 15:26

Thema anbgetrent: Dogmen
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#825 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 28. Jul 2016, 15:29

sven23 hat geschrieben:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
sven23 hat geschrieben:"Genau lesen" ist keine hinreichende Begründung.
Stimmt - das war das Fazit.

sven23 hat geschrieben:"Säkulare Schlussfolgerung" ist ja lediglich eine Abwertung
Nicht mal das. - Es ist eine logische Folge aus einem Ansatz - ganz nüchtern.

sven23 hat geschrieben: aber kein sachliches Argument gegen die Nahewartung. Wieso kommt da eigentlich nichts?
Da kam x-mal genug. - Auf den Paradigmen-Wechsel und das daraus folgende Abstand-Nehmen-Müssen der Regel "Älteste Quelle = inhaltlich authentischste Quelle" wurde mehrfach hingewiesen - damit ist eigentlich das Wesentlicht erklärt.

sven23 hat geschrieben: endlich kapiert, was Ratzinger von dir will?
Wieso "endlich"? - Er steht (im Gegensatz zu einigen HKM-lern) zu seiner Setzung. - Das ist wissenschaftlich legitim - woanders nennt man das "ein Modell".

sven23 hat geschrieben:Wie er "wirklich" war, weiß niemand.
Eben deshalb muss man verschiedene Modelle durchspielen und dann gucken, welches Modell für welchen Fall das weiterführendste ist.

sven23 hat geschrieben:Und Theißen sagt doch lediglich:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Wenn er glaubhaft versichert, dass er meint "Als Jesus ..., rechnete er in Übereinstimmung mit den Regeln einer säkularen Sichtweise der HKM mit ...", ist das i.O. - Wenn er meint, er würde damit eine Tatsachen-Äußerung tätigen, schießt er sich ins Knie.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung kann sich nun mal nicht wie ein Laie ein paar Bibelstellen rauspicken und meinen, damit wäre die Arbeit getan.
Das ist doch genau der Vorwurf der gesamt-kanonischen Exegese gegen die HKM.

sven23 hat geschrieben: "Doch die Naherwartung des Täufers war ein Irrtum."
Diesen speziellen Fall kenne ich nicht gut genug - jedenfalls ist die Begründung dafür mit dem Satz "Das Reich Gottes ist nah" nicht relevant - eben weil man das geistig-spirituell ganz anders versteht. - Kennst Du Zitate, die diesbezüglich klar sind? Meinetwegen: "Jesus wird in den nächsten Jahrzehnten wiederkommen - und zwar mit äußerem Donner und Doria" ---???---

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung von Johannes und Jesus ist breiter Konsens in der Forschung.
In säkularer Logik der HKM kann das gut sein. - Aber die Frage, was Jesus WIRKLICH gedacht hat, ist doch damit nicht annähernd beantwortet.

Münek hat geschrieben:"Naherwartung" wird im Hinblick auf neutestamentliche Aussagen in zweifacher Bedeutung verwendet
Mit dem Kreuzestod sehen die christlichen Kirchen in der Mehrheit diesen Prozess (sieh 1.) eingeleitet.

Dass die Urgemeinde in alttestamentarischer Formatierung tatsächlich an eine "äußere" Naherwartung in Deinem Sinn geglaubt haben, weiß die kirchliche Theologie seit Generationen. - Hier aber geht es um Jesus, also um seinen neutestamentarischen Paradigmen-Wechsel. - Wenn die HKM dafür keine methodischen Mittel hat, ist das ihr Problem und nicht das Problem der kirchlichen Theologie.

Münek hat geschrieben:Ich wusste, dass Du nicht liefern kannst.
Das geht bei Dir grundsätzlich nicht. - Man kann Dir einen Überblick über die allgemeine theologische Haltung der RKK zu dieser Frage geben und sogar theologische Koryphäen dazu nennen - ersters ist dann "privat" und zweiteres sind ideologische Spinner.

Zitate von Testimonials nützen nichts, wenn man selber nicht ins Thema reingeht und selber mal fundiert nachdenkt. - Es ist keine Frage der Wissenschaft an sich, sondern eine Frage der geistigen Formatierung, mit der man Wissenschaft betreibt. - Und da sind HKM und kanonische Exegese halt unterschiedliche formatiert, ebene weil sie Unterschiedliches setzen. - EIGENTLICH normal.

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#826 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Do 28. Jul 2016, 16:28

closs hat geschrieben:Du siehst die Wissenschaft als Methodik, findest diese Methodik gut und vor allem bewährt - und hast damit recht.
Ja. :thumbup:

closs hat geschrieben:nämlich im Sinne von: "Welche Realität kann ich mit dieser Methode abbilden?". - Die Antwort beim kritischen Rationalimus (alias Naturwissenschaft): Diese Methodik ist super für materielle Fragestellungen - sogar alternativlos.
Ich denke hier weichst du ganz entschieden vom Geist Poppers ab, wenn er sagt, "Wissenschaft ist Wahrheitssuche".
Du behauptest zwar, es gebe bessere Wege um sich der Wahrheit zu nähern, kannst diesen Weg nicht definieren. Du appellierst zwar an die Vernunft und Plausibilität im Menschen, aber du kannst diesen Weg weder beschreiben noch erklären wie man vorzugehen hat.

Wonach suchen wir eigentlich?
Natürlich hat der kritische Rationalismus seine Fehler und Macken, aber es gibt auf der ganzen Welt keine bessere Alternative um sich der Wahrheit in der Welt zu nähern.
Wie sagte Winston Churchill über die Demokratie? — Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind. Man könnte diesen Satz auch auf die Wissenschaft anwenden, wenn es um die Suche nach der Wahrheit geht.

Gibt es denn einen besseren Weg der Wahrheitsfindung als den der Wissenschaften? Wenn ja, wie begründest du ihn?

closs hat geschrieben:Insofern würde ich nie reinreden, wenn ein Physiker von naturwissenschaftlichen Ergebnissen spricht - da kann ich gar nicht mitreden.
Ich glaube hier irrst du, oder aber du hast eine sonderbare Einstellung zum kritischen Rationalismus. Diese sollte laut Popper für alle Disziplinen gelten, nicht nur für die Naturwissenschaft.

closs hat geschrieben:Diese Schlussfolgerung steht der Naturwissenschaft nicht zu - weil sie hier nicht mitreden kann.
Das ist eine reine Behauptung, ausgesprochen im Brustton der Überzeugung. aber mit Argumenten hapert es halt.
Es klingt genauso hohl wie wenn Kreationisten behaupten, es gebe keine "Makroevolution".

closs hat geschrieben:Bei Schlussfolgerungen daraus rede ich dann aber schon mit. - Denn WENN es Gott gibt, sind die Aussagen Jesu in einem ganz anderen Kontext zu interpretieren, als wenn Jesus nur ein Wanderprediger wäre.
Ja... WENN es Gott gibt. Aber auch hier fehlen dir die überzeugenden Argumente.

closs hat geschrieben:Glaube mir: Wir haben zu meiner wissenschaftlichen Zeit viel deutlicher zwischen objektiver Beobachtung ("Diese Quelle entstand aus folgenden Gründen zwischen 80 und 120 n.Chr.) und Interpretation ("Jesus hatte selbst eine Naherwartung") unterschieden. - Und gerade WEIL wir es unterschieden haben, hat die HKM bei uns überhaupt nichts im Interpretativen zu suchen gehabt - sie war Hilfs-Wissenschaft, die für die folgende Interpretation von großem Nutzen war.
Ds glaube ich dir. Aber die Zeiten ändern sich.

closs hat geschrieben:Eigentlich ist "Dogma" und "Definition" dabei ziemlich dasselbe.
Das ist ausgeschlossen!
Eine gute Definition ist begründbar, ein Dogma hingegen nicht. Es lebt nur durch die Behauptung.

closs hat geschrieben:So, wie die HKM sagt "Wir untersuchen, als gäbe es Gott NICHT", sagt die RKK "Wir untersuchen, als gäbe es Gott". - Bei identischer Quellenlage sind die Ergebnisse unterschiedlich, weil sie dann ganz anders interpretiert werden müssen.
Haben wir das nicht längst geklärt?
Es gibt keine solche Symmetrie wie du sie dir vorstellst. Die kanonische Exegese untersucht und interpretiert unter der Annahme der Existenz Gottes. Die HKM hingegen untersucht lediglich die Aussagen der Texte; dazu muss sie gar keine Annahmen treffen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#827 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Do 28. Jul 2016, 16:38

Ein fachlich versierte kritische Auseinandersetzung mit der kanonischen Exegese findet jeder, der möchte, in meinem Thread ab diesem Beitrag von Thaddäus. Es lohnt sich auch, die Folgebeiträge von Savonlinna zu lesen.
Ganz so einfach ist es eben nicht.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#828 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 28. Jul 2016, 17:09

Halman hat geschrieben: Es lohnt sich auch, die Folgebeiträge von Savonlinna zu lesen. Ganz so einfach ist es eben nicht.
Ja - vielen Dank.

Pluto hat geschrieben:Du behauptest zwar, es gebe bessere Wege um sich der Wahrheit zu nähern
So pauschal sage ich das nicht. - Ich sage, dass der Kritische Rationalismus in allen naturwissenschaftlichen Fragestellungen das Mittel der Wahl ist - also ganz in Deinem Sinne. - Jedoch auch: Dass bei geistigen Fragestellungen der KR nur eine assistierende Rolle spielen kann, weil da die Musik woanders spielt.

Pluto hat geschrieben:Du appellierst zwar an die Vernunft und Plausibilität im Menschen, aber du kannst diesen Weg weder beschreiben noch erklären wie man vorzugehen hat.
Auch das hatten wir schon mehrfach - Stichwort: Hermeneutischer Zirkel.

Pluto hat geschrieben:Gibt es denn einen besseren Weg der Wahrheitsfindung als den der Wissenschaften?
Auch hier ist wieder eine klammheimliche Setzung enthalten - nämlich: Nicht jede Wissenschaft ist kritisch-rationalistisch fundiert - auch Hermeneutik ist Wissenschaft. - Wobei dieses Thema derart kompliziert ist, dass diese stichwortartige Aussage von mir ganz und gar nicht ausreichend ist. Mir geht es erstmal um ein Grundverständnis.

Deine Frage würde ich anders formulieren:
Bei welchem Thema/"Objekt" ist welcher wissenschaftliche Ansatz das Mittel der Wahl?

Pluto hat geschrieben:Ds glaube ich dir. Aber die Zeiten ändern sich.
Aber diese heutige Vermischung ist doch kein Frotschritt!!

Pluto hat geschrieben:Diese sollte laut Popper für alle Disziplinen gelten, nicht nur für die Naturwissenschaft.
Man kann den KR natürlich auch innerhalb der Geisteswissenschaften anwenden (Quellen-Kritik, Text-Kritik, historisches Umfeld, biografisches Umfeld, etc.), aber nicht im substantiell interpretativem Bereich. - Mit dem KR kann man weder Shakespeare noch die Bibel substantiell verstehen, sondern nur das Umfeld davon.

Pluto hat geschrieben:Das ist eine reine Behauptung, ausgesprochen im Brustton der Überzeugung. aber mit Argumenten hapert es halt.
Gar nicht - was aus Deiner Sicht "Hapern" ist, ist der Umstand, dass diese Argumente nicht kritisch-rationalistischer Natur sind.

Pluto hat geschrieben:Ja... WENN es Gott gibt. Aber auch hier fehlen dir die überzeugenden Argumente.
Dito - im nicht-falsifizierbaren gibt es keine kritisch-rationalistischen Argumente, sondern geistige Argumente. - Auch hier: Das gilt für Shakespeare oder Bach oder Goethe genauso wie für die Bibel.

Indirekt räumst Du aber mit Deiner Bemerkung ein, dass kritisch-rationalistische Untersuchung der Bibel immer a-theistische Untersuchung ist. - Als EINE Modell ist das ok - aber als einzig seriöser Zugang, da kritisch-rationalistisch einordenbar, ist es ein echter Witz.

Pluto hat geschrieben:Eine gute Definition ist begründbar, ein Dogma hingegen nicht.
Das ist unrichtig - beides ist Begründbar. - Definitionen wie Dogmen sind FOLGEN von Begründungen und nicht deren Ersatz.

Pluto hat geschrieben:Die kanonische Exegese untersucht und interpretiert unter der Annahme der Existenz Gottes.
Richtig: "Was würde diese Stelle im Kontext mit allen anderen Stellen der Bibel bedeuten, wenn es Gott gäbe".

Pluto hat geschrieben: Die HKM hingegen untersucht lediglich die Aussagen der Texte; dazu muss sie gar keine Annahmen treffen.
Streng genommen richtig - WENN sie sich nur daran halten würde. Denn dann würde sie NUR über Quellenverfasser sprechen und nicht über Quellenthemen (hier: Jesus).

Noch viel gravierender:
Der methodische alias kritisch-rationalistische Ansatz zwingt dazu, die Quellen in Bezug auf das Objekt (Jesus) so zu interpretieren, als sei Jesus lediglich ein Wanderprediger und nicht "Gottes Sohn"/Gott. - Das IST eine logische Folge des KR, der der HKM zugrunde liegt - und somit ist es eine Präjudizierung in Bezug auf die Textauslegung. - Wenn DAS keine Setzung/Annahme ist ... - Das muss doch ins Auge stechen.

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#829 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 28. Jul 2016, 17:18

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: aber kein sachliches Argument gegen die Nahewartung. Wieso kommt da eigentlich nichts?
Da kam x-mal genug. - Auf den Paradigmen-Wechsel und das daraus folgende Abstand-Nehmen-Müssen der Regel "Älteste Quelle = inhaltlich authentischste Quelle" wurde mehrfach hingewiesen - damit ist eigentlich das Wesentlicht erklärt.
Das ist ja gerade die laienhafte Erklärung, über die die Forschung nur den Kopf schüttelt.
Hier noch mal die Rezension zu Ratzingers Papstbuch.
https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: endlich kapiert, was Ratzinger von dir will?
Wieso "endlich"? - Er steht (im Gegensatz zu einigen HKM-lern) zu seiner Setzung. - Das ist wissenschaftlich legitim - woanders nennt man das "ein Modell".
Aufrufe zum Glaubensentscheid sind in wissenschaftlichen Modellen nicht gerade üblich. :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie er "wirklich" war, weiß niemand.
Eben deshalb muss man verschiedene Modelle durchspielen und dann gucken, welches Modell für welchen Fall das weiterführendste ist.
Auch das hat Strauss doch gemacht. Es änderte nichts.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und Theißen sagt doch lediglich:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Wenn er glaubhaft versichert, dass er meint "Als Jesus ..., rechnete er in Übereinstimmung mit den Regeln einer säkularen Sichtweise der HKM mit ...", ist das i.O. - Wenn er meint, er würde damit eine Tatsachen-Äußerung tätigen, schießt er sich ins Knie.
Theißen meint, wie die Forschung generell, dass der biblische Jesus eine Naherwartung hatte. Da sich diese aber bereits bei Abfassung der Evangelien quasi als Irrtum erwiesen hat, macht sie nur Sinn, wenn sie authentisch ist. Deshalb nimmt die Forschung hier Übereinstimmung des historischen Jesus mit dem biblischen an.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung kann sich nun mal nicht wie ein Laie ein paar Bibelstellen rauspicken und meinen, damit wäre die Arbeit getan.
Das ist doch genau der Vorwurf der gesamt-kanonischen Exegese gegen die HKM.
Der aber unbegründet ist, weil sich die Forschung mit allen Quellen auseinandersetzt und deren urprünglichen Sinn und deren Entwicklung berücksichtigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: "Doch die Naherwartung des Täufers war ein Irrtum."
Diesen speziellen Fall kenne ich nicht gut genug -
Das macht nichts. Die Forschung hat sich dafür um so intensiver mit dem Thema beschäftigt Das ist der Unterschied zu einem theologischen Laien, der ich im übrigen auch einer bin. Aber ich versuche, dazu zu lernen. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung von Johannes und Jesus ist breiter Konsens in der Forschung.
In säkularer Logik der HKM kann das gut sein. - Aber die Frage, was Jesus WIRKLICH gedacht hat, ist doch damit nicht annähernd beantwortet.
In diesem Fall nimmt die Forschung an, dass auf Grund der Quellen historischer und verkündeter Jesus deckungsgleich sind, bei Johannes übrigens auch.

closs hat geschrieben: Zitate von Testimonials nützen nichts, wenn man selber nicht ins Thema reingeht und selber mal fundiert nachdenkt. - Es ist keine Frage der Wissenschaft an sich, sondern eine Frage der geistigen Formatierung, mit der man Wissenschaft betreibt. - Und da sind HKM und kanonische Exegese halt unterschiedliche formatiert, ebene weil sie Unterschiedliches setzen. - EIGENTLICH normal.
Unnormal wäre aber, wenn man eine unwissenschaftliche Methode wie die kanonische Exegese in der historischen Jesusforschung einsetzen würde.
Genau deshalb wird das auch nicht gemacht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#830 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Halman » Do 28. Jul 2016, 17:29

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: aber kein sachliches Argument gegen die Nahewartung. Wieso kommt da eigentlich nichts?
Da kam x-mal genug. - Auf den Paradigmen-Wechsel und das daraus folgende Abstand-Nehmen-Müssen der Regel "Älteste Quelle = inhaltlich authentischste Quelle" wurde mehrfach hingewiesen - damit ist eigentlich das Wesentlicht erklärt.
Das ist ja gerade die laienhafte Erklärung, über die die Forschung nur den Kopf schüttelt.
Hier noch mal die Rezension zu Ratzingers Papstbuch.
https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf
Schön, dass Du es nochmal verlinkt hast. Dies nehme ich zum Anlass, nochmal an Zengers Rezenssion zu erinnern:
http://www.con-spiration.de/texte/2007/zenger.html
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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