Savonlinna hat geschrieben:Eine Meinungsäußerung findet man hier:
http://www.bible-researcher.com/luke17.21.html,
wo man argumentiert, dass á¼Î½Ï„ὸς in keinen antiken griechischen Texten "mitten unter", sondern stets "in" bedeutet.
Es wird dort behauptet, dass die Übersetzung "mitten unter euch" aus theologischen Gründen getätigt wurde, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass Lukas "inwendig in euch" meinte.
Das stimmt auch mit der - allerdings etwas älteren - Interlinearversion überein, die ich mitzitiert habe.
Das würde heißen: Luthers früheste Übersetzung: "inwendig in euch" könnte korrekt gewesen sein.
Vielleicht. Das Problem im religiösen Themenfeld, in dem es um Glaubensansichten geht, besteht nach meiner bescheidenen Erfahhrung darin, dass im Web (und sicher nicht nur dort) oftmal s"theologisch gefärbte" Erklärungen zu finden sind. Gut möglich, dass die Quelle aus "theologischen Gründen" so argumentiert. (Damit will ich nicht behaupten, dass dem sicher so sei, aber ich bin da skeptisch.)
Savonlinna hat geschrieben:Das Fatale allerdings: Jesus sprach nicht Griechisch. Seine Worte - falls sie historisch sind - finden wir also auch nur in Übersetzungen vor.
Das ist richtig, allerdings können wir uns in diesem Falle nur auf Lukas' Κοινή (
KoinÄ“, spätantikes Altgriechisch) stützen. Schauen wir uns den Text noch mal an:
Luk 17:21:
21ουδε εÏουσιν ιδου ωδε η ιδου εκει ιδου Î³Î±Ï Î· βασιλεια του θεου
εντος υμων εστιν
Unklar ist uns, wie εντος (
entos) korrekt zu übersetzen ist. Vorgeschlagen sind
- in
- innerhalb
- inwendig
Ein Hilfe bietet meiner Meinung nach der nähere Kontext. Gem.
Luk 17:20 antwortete Jesus den Pharisäern. Wollte Jesus wirklich zum Ausdruck bringen, dass das Reich Gottes
in den Pharisäern war? Oder lag es in der Absicht des Evangelisten, dies zum ausdruck zu bringen? Dies erscheint mir doch recht unwahrscheinlich. Dass Jesus gem. Lukas hier "innerhalb" im Sinne von "in eurer Mitte" meinte, erscheint mir auch i.V.m.
Luk 11:20 (ferner
Luk 12:8-9) naheliegend.
Es gibt noch eine andere Bibelstelle, in der im Deutschen das Wort "Inwendig" auftaucht und zwar in Mat 7:15.
Zitat aus
Mat 7:15:
15 Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen!
Inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
Der griechische Grundtext lautet:
Mt 7,15:
15Ï€Ïοσεχετε δε απο των ψευδοπÏοφητων οιτινες εÏχονται Ï€Ïος υμας εν ενδυμασιν Ï€Ïοβατων
εσωθεν δε εισιν λυκοι αÏπαγες
In der Gegenüberstellung mit dem lukaischen Vers fällt auf, dass im matthäischen Vers ein anderes griechisches Wort mit "inwendig" übersetzt wurde als im LukasEv:
- Mattäus 7,15: εσωθεν (
esothen)
- Lukas 17,21: εντος (
entos)
Laut "pons" bedeutet "
εσωθεν "von innen" und ist demnach korrekt mit "Inwendig" übersetzt.
Warum verwandte Lukas in Luk 17:21 nicht das selbe Wort wie Matthäus in 7:15, wenn er "in" oder "inwendig" meinte? Ich vermute, weil er einen anderen Gedanken zum Ausdruck bringen wollte, der auch durch Luk 11:20 gestützt wird.
Savonlinna hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Noch ein Hinweis: Die Kritik der Atheisten ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Bibel verkündet recht deutlich ein ersehntes [König]Reich Gottes (Matthäus nennt es Himmelreich).
Selbstverständlich gibt es verschiedene Auffassungen - sowohl in der Bibel als auch bei den Theologen.
Das sage ich doch die ganze Zeit.
Okay.
Savonlinna hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Und ferner ist es nicht korrekt, Goethes Schriften analog zu biblischen Schriften zu setzen, so nach dem Motto, wenn man einen Zusammenhang zur Offenbarung herstellt, warum nicht zu Goethe oder Schiller?
Das habe ich ja auch nicht behauptet.
Du reißt meinen Gedanken ganz aus dem Kontext, in dem ich ihn notiert habe.
Gut, dann schaue ich mir Deinen Gedanken noch mal im Kontext an:
Savonlinna hat geschrieben:Die Bibelschriften gehören erst ab dem Zeitpunkt historisch zusammen, als sie zur Bibel zusammengefügt wurden.
Dieser Vorgang wurde natürlich historisch untersucht, er begann schon sehr früh.
Prof. Erich Zenger sprach diesbezüglich von einem
"dramatischen Zusammenhang". Schaue doch bitte im ersten
Link unter "Jüdisch-christliche Bibelhermeneutik" (Seite 2 des PDF-Dokuments).
II. Der Tanach: Heilige Schrift der Juden (Seite 2)
• Abfolge der 3 Blöcke (Tora, Nebiim, Ketubim) entspricht der sukzessiven Kanonwerdung. Die Tora ist das Fundament, auf das die anderen Blöcke bezogen sind. Sie wird beim Sabbatgottesdienst in einer fortlaufenden Lesung vorgetragen. Die Dreiteilung als theologisches Konzept ist älter als abgeschlossener Kanon, sie liegt in Sir 38, 34b-39,1 (um 190 n. Ch.) ausdrücklich vor.
Die
Torah bildet sozusagen das Fundament für die
Nebiim (Propheten) und
Ketubim (Schriften). Das NT zitierte hunderte Mal aus dem
Tanach (AT). Dieser "dramatische Zusammenhang" rechtfertigt meiner Aufassung nach die Zusammenstellung der biblischen Schriften zur "kleinen Bibliothek"
Bibel. Dir frühen Zusammenstellungen der biblischen Schriften (Qumran, »Synode von Jamnia« um 90 n. Chr.«, Die Chester Beatty Papyri P^
45, P^
46 u. P^
47) stützen diese These (s.
Kanonisierung).
Savonlinna hat geschrieben:Dass die Zusammenfügung der Bibel "gottgewollt" ist und - sage ich mal als Beispiel - die Zusammenfügung der User in diesem Forum nicht - ist nicht begründbar. Entweder ist alles gottgewollt oder nichts.
Welchen logischen Grund gibt es, hier eine Dichotomie anzunehmen? Wäre doch möglich, dass Gott auch Dinge zulässt, die nicht von ihm gelenkt sind.
Savonlinna hat geschrieben:Es besteht theoretisch auch kein Grund, die Bibel nicht mit Goethes Schriften zu harmonisieren oder in Spannung zueinander zu sehen.
Ja, wobei man wohl feststellen würde, dass sich Goethes Schriften völlig anders zu biblischen Schriften verhalten als bspw. der Gilgamesh-Epos.
Savonlinna hat geschrieben:Wenn man sagen würde: Alles, was ist, alles, was geschieht, hängt miteinander zusammen, dann kann ich das nachvollziehen, da alles aufeinander einwirkt, über eine unabsehbare Anzahl von Kanälen. Und wenn das jemand "Gott" nennt, dieses Einwirken aufeinander, dann kann ich das auch begreifen.
Nicht begreifen kann ich die Parteilichkeit. Dass man irgendetwas Beliebiges herausgreift und sagt: Das hängt inwendig miteinander zusammen, der Koran und das Gilgamesh-Epos damit aber nicht.
Dies hängt doch vom literarischen Zusammenhang ab. Der Gilgamesh-Epos ist durchaus "verwandt" mit Teilen der biblischen Urgeschichte in der Genesis und der Koran zitiert aus den Psalmen. Doch das Spannungsverhältnis von Koran und Bibel ist schon sehr verschieden gegenüber dem dramatischen Zusammenhang der biblsichen Schriften untereinander.
Der Koran entstand in einer späteren Epoche in recht kurzer Zeit als göttliche Offenbarung durch Mohammed und stand somit in Konkurrenz zur Bibel. Der Koran gilt nach islamischen Verständis gewissermaßen als "Korrektur".