Schon im Tanach (AT) gibt es Schriftstellen, mit denen man sowohl die Freiheit des Willens und damit die Unbestimmtheit belegen kann, wie auch Schriftstellen, die geeignet sind, um die Prädestination zu belegen. Die Sadduzäer verneinten ein voraus gefügtes Schicksal, die Essener glaubten an absolute Vorherbestimmung. Beide Sichtweisen sind m. E. einseitige Betrachtungen.closs hat geschrieben:Es gibt auch Bibelstellen, die es belegen. - Das ginge jetzt in die Diskussion "Gott - Gottes-Offenbarung" - also ein anderes Thema.Salome23 hat geschrieben:Wieviel Bibestellen soll ich dir vorlegen, die das Gegenteil aufzeigen?
Die pharisäische Sichtweise sagt mir am Meisten zu, da sie den Gesamtkontext der Schriften Rechnung trägt.Zitat aus die Juden in der Antike. Willensfreiheit und Unsterblichkeit:
Während die Essener die allmächtige Gewalt des Schicksals (heimarmenë) lehren, gegen die der Mensch nichts auszurichten vermag, und die Sadduzäer im Gegensatz dazu das Schicksal gänzlich ablehnen und alles dem menschlichen Willen anheimgeben, vertreten die Pharisäer das Zusammenwirken von Schicksal und menschlicher Vernunft.
In Verbindung mit dem Thema über "Hiob, Gott und Teufel" kamen wir auf die Prädestination zu sprechen. Im November letzten Jahres erklärte ich in diesem Beitrag, warum ich diesbezüglich die pharisäische Position teile und die augustinische Prädestinationslehre negiere.
Ich denke, lieber Kurt, dass hier Dein Argument mit Gottes Willen viel besser greift als beim Thema Allmacht. Wenn Gott wirklich über einen freien Willen verfügt, sollte er dann nicht auch die Freiheit besitzen, selbst entscheiden zu können, was er prädestiniert und was er offen lässt? Ich glaube dies jedenfalls. Die Bibel beschreibt ja auch beides: Vieles wird prophezeit, aber nicht alles wird vorhergesehen (pharisäische Deutung). Gott erscheint in der Bibel als souveräner Planer, der was er will seit Grundlegung der Welt vorherbestimmt, um seine großen Vorsätze zu verwirklichen; doch dazu muss er nicht jede individuelle Willenseintscheidung einzelner Menschen prädestinieren. Bei all dem sollten wir im Sinn behalten, dass Gottes Gedanken viel höher sind als unsere Gedanken (Jesaja).
Im Hebräischen gibt es einen höheren Titel als Gott. Das hebräische Wort für Gott lautet Elṓah, entsprechend dem griechischen Theós (θεός) und dem lateinischen Deus. Im Hebräischen wird die Pluralform ElohÃm (×להי×) aber nicht nur für eine Mehrzahl von Göttern verwendet, sondern auch als Pluralis Majestatis, um die unvergleichliche Hoheit und Erhabenheit JHWHs gegenüber anderen Göttern hervorzuheben. Insofern müssen Götter keineswegs allherrschend oder gar allmächtig sein, auch müssen sie nicht allwissend oder allweise sein. Doch ElohÃm erhebt sich als Pantokrator allherrschend über alle anderen Götter und Mächte; aber nicht im Sinne eine logisch unmöglichen Non-Entität, denn ich glaube nicht an einen Gott, der onthologisch ausgeschlossen ist.closs hat geschrieben:Ja - schon. - Weil ein Gott, der als "Alles in Einem" bezeichnet wird, aus meiner Sicht nicht vorstellbar ist als jemand, der selbst in eine ungewisse Zukunft torkelt. - Einem Wesen, das NICHT allwissend und allmächtig ist, das Wort "Gott" zuzuteilen, halte ich für schräg - dann sollte man lieber gänzlich auf das Wort "Gott" verzichten.Salome23 hat geschrieben:Wenn wir nun aufklären ob Gott es ist oder nicht ist, trägt es zur Heilsrelevanz bei?
Allwissenheit und Vorherbestimmung hängen mit Gottes allgewaltiger Macht zusammen, da auch die Prädestination eine machtvolle Fähigkeit ist. Sie ist aber nur dann machtvoll, wenn sie frei ist und Gott nicht totaldeterminiert und damit seine Handlungsfreiheit auf null reduziert. Die Fähigkeit oder die Macht zu besitzen, alles Zukünftige in Erfahrung zu bringen, zwingt Gott doch nicht dazu, dies auch zu tun - er ist doch frei.
Auch wir Menschen, die wir laut der Bibel im Schattenbild Gottes geschaffen wurden, nutzen mitunter diese Freiheit. Da denke ich an eine Frau, die schwanger wird. Mit Hilfe eines Arztes kann sie in Erfahrung bringen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Doch sie kann sich auch überraschen lassen. Dies schränkt sie nicht ein - das Gegenteil ist der Fall.
So fasste Gott gem. Ex 19:6 den Vorsatz, eine heilige Nation aus königlichen Priestern zu gründen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der 5. Vers:
Sein Vorsatz ließ offenbar Freiraum für individuelle Willenseintscheidungen. Wenn also Petrus in 1Per 2:9 darauf Bezug nimmt, so will er nach meinem Verständnis mit der Feststellung, "Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht ..." nicht zum Ausdruck bringen, dass jede Einzelperson schon bei Moses auserwählt worden wäre. Vielmehr lädt Gott durch Jesus Christus dazu ein, sich selbst frei für die Auserwählten zu entscheiden.5 Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern mein Eigentum sein; denn mir gehört die ganze Erde. 6 Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein. Das sind die Worte, die du zu den Söhnen Israel reden sollst.
Dies könnte man mit einem großen Fest vergleichen, bei dem Gäste vorgesehen sind. Doch wer sich persönlich dafür entscheidet, zu diesen Gästen zu gehören, ist dessen Entscheidung und nicht die des Gastgebers.
Führen die Begriffe allwissend und allmächtig in einem philosphisch-abstraktem Sinn aufgrund ihrer Absolutheit nicht zu logischen Dilemmas?closs hat geschrieben:Genauso irrig wäre es aus meiner Sicht, griechische "Götter" und "Jahwe" zu vergleichen, nur weil für beide das Wort "Gott" verwendet wird. - Griechische Götter sind "Stärkere"/"Übermenschen", aber nicht Gott unter dem das Alpha und Omega ist. - Ein nicht-allwissender/nicht-allmächtiger Gott ist für mich komplett irrelevant. Kann ich nix mit anfangen. Könnte mir gestohlen bleiben.
@ Scrypt0n
Danke für Deinen gut strukturieren Beitrag. Darauf werde ich später antworten, wenn ich weniger müde bin.