Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

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Savonlinna
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#31 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 14:14

Novalis hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Historiche Wurzeln können überall gleich gewesen sein.
Aber was man aus dieser Erzählung macht, was man mit ihr transportiert: das ist dann das Entscheidende.
In der biblischen Erzählung steht am Ende die Erstellung des Regenbogens:

Der Regenbogen wird erstellt, als Zeichen von "Gott", dass er von nun an nie wieder die Schöpfung vernichten werde.

So etwas heißt immer:
die Gotesvorstellung durch den Menschen hat sich verändert.

Also: die Auffassung, dass Gott die Schöpfung zerstört, sei der Schnee von gestern.
Von nun an wird Gott anders aufgefasst: als jemand, dessen Verbindung mit dem Menschen unlösbar ist.
Zeichen dafür ist der Regenbogen, der Erde und Himmel verbindet.

Die Erzählung spiegelt also eine veränderte Gottesauffassung wider.

Sehr gut :thumbup:

Das Gleiche finden wir bei der Opferung des Isaak wieder.

Nur die Fundamentalisten - auch die fundamentalistischen Neo-Atheisten - können die Erzählschichten nicht erkennen.
Auch da handelt es sich um eine veränderte Gottesvorstellung, die man durch die Erzählung vermitteln will:
'Opfert keine Menschen mehr, Gott fordert das nicht, sondern opfert - stattdessen - Tiere.'

Das Tieropfer soll offenbar "als pädagogisch sinnvolle Maßnahme' die Menschen langsam vom Menschenopfer wegbringen, indem man ihnen erst einmal eine Ersatzhandlung anbietet.

Bei der biblischen Sintfluterzählung scheint es mir so zu sein, dass da noch viel krasser eine neue Gottesvorstellung etabliert werden soll.
Bei bibelwissenschaft.de habe ich sogar eine Deutung gelesen, die heute mehr Beachtung finde:

dass von vornherein "die Flut" mythisch verstanden wurde, also in etwa so, dass man insgesamt in Unverstehen "ertrinke".
Dass also von vornherein kein naturwissenschaftliches Ereignis gemeint war, sondern ein kollektiv-seelisches.

Wasser symbolisiert bis heute das Unbewusste, und das Ertrinken in einer Riesenflut hieße: man hat den Durchblick verloren.
Man sagt ja bis heute: 'ich ersaufe in dieser ganzen Arbeit' - und meint dabei überhaupt nicht ein Ersaufen in der Nordsee.

Das heißt:
Man muss gar nicht verlangen, dass man diese alten Erzählungen "geistig" liest, nur damit ihre Brutalität nicht zum Vorschein komme, sondern man muss sie vom damaligen Verständnis her lesen lernen.

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sven23
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#32 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2016, 14:28

Savonlinna hat geschrieben: Wasser symbolisiert bis heute das Unbewusste, und das Ertrinken in einer Riesenflut hieße: man hat den Durchblick verloren.
Man sagt ja bis heute: 'ich ersaufe in dieser ganzen Arbeit' - und meint dabei überhaupt nicht ein Ersaufen in der Nordsee.
In der christlichen Mythologie wurde die Sintflut auch als Symbol für die Taufe gedeutet.
Das hat nach meinem Geschmack eher was von biblischem Waterboarding.
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Savonlinna
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#33 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 14:35

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Allseits bekannt sollte sein, dass die biblische Sintflutgeschichte auf den etwa 1000 Jahre älteren Gilgamesch-Epos zurückgeht, er ist also schon der babylonischen Mythologie entliehen.
Belegst Du das - von mir Geblaute - mal bitte? Mir ist das nicht bekannt.
Wer hat das nachgewiesen?

George Smith war wohl der erste.
"Die Entdeckung und erste Übersetzung der Fluterzählung des Gilgamesch-Epos im Jahr 1872 durch George Smith sorgte für großes Aufsehen, denn es zeigte sich: Die biblische Sintfluterzählung ist nicht originell formuliert."
Quelle: bibelwissenschaft
Es gibt auch große Gemeinsamkeiten zwischen Genesis und Gilgameschepos.

Ja. Wer weiß das nicht?

Ich fragte aber nach dem, was ich gefragt habe. :D
Ich hatte es bereits blau angemalt.

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Mythologie lebt nicht von der Übertreibung - wo hast Du das her? -, sondern von dem mythischen Verstehen der Geschehnisse.
Ich schrieb, sie lebt auch von der Übertreibung, was wohl nicht bestritten werden kann, wenn man sich mythologische Erzählungen anschaut.
Hier im speziellen Fall der Sintflut wurde aus einem vermutlich lokalen Flutgeschehen eine globale Flut mit einer mehrere Kilometer hohen weltweiten Wassersäule. Das ist naturwissenschaftlich gesehen Unfug.
Und wer behauptet außer Dir und den Fundamentalisten, dass dieser naturwissenschaftliche Unfug überhaupt gemacht wurde?

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sven23
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#34 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2016, 14:47

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es gibt auch große Gemeinsamkeiten zwischen Genesis und Gilgameschepos.

Ja. Wer weiß das nicht?
Wenn es zwei Texte gibt mit großen Gemeinsamkeiten und der eine Text ist 1000 Jahre älter, was glaubst du wohl, wer bei wem abgekupfert hat? :roll:

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Mythologie lebt nicht von der Übertreibung - wo hast Du das her? -, sondern von dem mythischen Verstehen der Geschehnisse.
Ich schrieb, sie lebt auch von der Übertreibung, was wohl nicht bestritten werden kann, wenn man sich mythologische Erzählungen anschaut.
Hier im speziellen Fall der Sintflut wurde aus einem vermutlich lokalen Flutgeschehen eine globale Flut mit einer mehrere Kilometer hohen weltweiten Wassersäule. Das ist naturwissenschaftlich gesehen Unfug.
Und wer behauptet außer Dir und den Fundamentalisten, dass dieser naturwissenschaftliche Unfug überhaupt gemacht wurde?
Also "gemacht" wurde dieser Unfug sicher von niemandem. Es ist, wie schon gesagt, lediglich eine übersteigerte/übertriebene Erzählung, um eine Botschaft zu transportieren. Aus ethischer Sicht aber finde ich diese Botschaft - ähnlich wie die Hiobgeschichte und viele andere des AT- höchst unappetitlich.
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Savonlinna
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#35 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 15:05

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es gibt auch große Gemeinsamkeiten zwischen Genesis und Gilgameschepos.

Ja. Wer weiß das nicht?
Wenn es zwei Texte gibt mit großen Gemeinsamkeiten und der eine Text ist 1000 Jahre älter, was glaubst du wohl, wer bei wem abgekupfert hat? :roll:
Mensch, Junge! Wenn Du das nicht mal verstehst, was soll ich da machen?


Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Es ist, wie schon gesagt, lediglich eine übersteigerte/übertriebene Erzählung, um eine Botschaft zu transportieren. Aus ethischer Sicht aber finde ich diese Botschaft - ähnlich wie die Hiobgeschichte und viele andere des AT- höchst unappetitlich.
Die Botschaft, die Du dir ausdenkst, kann unappetlitlich sein, durchaus.
Aber warum denkst Du sie dir aus?
Warum schaust Du nicht rein in die Forschung?
Warum "machst Du Dir die Welt, wie sie Dir gefällt?" ;)

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sven23
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#36 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2016, 15:15

Savonlinna hat geschrieben: Mensch, Junge! Wenn Du das nicht mal verstehst, was soll ich da machen?
Ich habe verstanden, dass die Bibelschreiber sich aus dem Gilgamesch Epos bedient haben. Was ist daran nicht zu verstehen?
Ist doch nichts Schlimmes. Die ganze Weltliteratur ist voll von Texten, die von Vorbildern inspiriert wurden und manchmal ist daraus was ganz Neues, Eigenständiges entstanden. Manchmal haben sogar berühmte Schriftsteller ganze Sätze von anderen Autoren ganz unverfroren abgeschrieben. Das alles gibt es.


Savonlinna hat geschrieben: Die Botschaft, die Du dir ausdenkst, kann unappetlitlich sein, durchaus.
Aber warum denkst Du sie dir aus?
Warum schaust Du nicht rein in die Forschung?
Warum "machst Du Dir die Welt, wie sie Dir gefällt?" ;)
Ich habe mir nicht ausgedacht, dass Gott die Welt durch eine globale Flut ersäuft hat. Wie kommst du darauf?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#37 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 16:16

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Mensch, Junge! Wenn Du das nicht mal verstehst, was soll ich da machen?
Ich habe verstanden, dass die Bibelschreiber sich aus dem Gilgamesch Epos bedient haben. Was ist daran nicht zu verstehen?
Ich verstehe, dass Du das verstanden hast.
Aber wo steht das?

Es ist weder von irgendjemandem nachgewiesen noch behauptet das jemand.
Es ist auch höchst unwahrscheinlich, weil die mündlichen Traditionen älter sind als die schriftlichen.

sven23 hat geschrieben:Ist doch nichts Schlimmes.
Ich verstehe Deine Argumentation jetzt erst recht nicht.
Nur, weil das nichts Schlimmes ist, soll das so gewesen sein?
Was wäre denn für Dich schlimm daran, fall es so war, wie die Forscher es vermuten:
dass es eine interkulturelle Tradition gab, die verschiedene Verschriftlichungen generiert haben?

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Savonlinna
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#38 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von Savonlinna » Sa 21. Mai 2016, 17:17

sven23 hat geschrieben: Ich denke, ein Regenbogen und eine Taube können über einen globalen Genozid nicht hinwegtäuschen
Du kommst und kommst von Deinem Gottesglauben nicht los!

Wie kann ein Mensch, der nicht an Gott glaubt, von einem Genozid sprechen? :shock:
Wer hat denn diesen "Genozid" ausgeübt, in Deinen Augen?
Das deckt auf, meines Erachtens, dass Du in Deinm tiefsten Innern noch immer an einen handelnden Gott glaubst: nur, dass Du ihm nun Völkermord vorwirfst.

Wenn Du in Deinem tiefsten Innern akzeptieren könntest, dass diese Erzählung nie real war, würdest Du nicht immer wieder von Völkermord usw. sprechen.
Aber Deine Empörung geht noch immer gegen diesen Deinen Gott.
Das macht mir die Diskussion mit Dir so schwierig.

Du bist auch nicht bereit, die Erzählschichten und damit die Erzählintention dieser Erzählung zu untersuchen, weil es Dir lieber ist, Deine persönliche Deutung zu haben:
Anklage gegen einen grausamen Gott.

Du gehst nicht gegen modernistische Deutungen an, sondern gehst gegen den grausamen Gott an.

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sven23
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#39 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2016, 17:47

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Ich denke, ein Regenbogen und eine Taube können über einen globalen Genozid nicht hinwegtäuschen
Du kommst und kommst von Deinem Gottesglauben nicht los!

Wie kann ein Mensch, der nicht an Gott glaubt, von einem Genozid sprechen? :shock:
Wer hat denn diesen "Genozid" ausgeübt, in Deinen Augen?
Du verstehst immer noch nicht. Als jemand, der beruflich mit Literatur zu tun hat, sollte es dir doch geläufig sein, dass man literarische Figuren so besprechen kann, als habe es sie tatsächlich gegeben. Unabhängig davon, ob es historische Personen oder rein fiktionale Figuren sind. Ihr Handeln, ihr ethisches Konzept kann auch im letzteren Fall besprochen und bewertet werden.
Die Besonderheit bei religiösen Texten besteht doch darin, dass viele glauben, es handele sich tatsächlich um historisch Geschehenes. Sie gehen also davon aus, dass es diesen Genozid tatsächlich gegeben hat - und sie rechtfertigen ihn sogar. Das kann man selbst in einem moderaten Forum wie diesem beobachten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#40 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?

Beitrag von sven23 » Sa 21. Mai 2016, 18:01

Savonlinna hat geschrieben: Was wäre denn für Dich schlimm daran, fall es so war, wie die Forscher es vermuten:
dass es eine interkulturelle Tradition gab, die verschiedene Verschriftlichungen generiert haben?

Viel wahrscheinlicher ist die Theorie, dass die Jahwe Verehrer im babylonischen Exil mit den Flutmythen bekannt wurden und diese in eigene Geschichten eingeflochten haben. Fast wörtliche Übereinstimmung in einigen Passagen lassen das vermuten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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