Ps. 18.37-39

Themen des alten Testaments
Antworten
2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#1 Ps. 18.37-39

Beitrag von 2Lena » So 13. Apr 2014, 17:47

Die Psalmen sind Lehrstücke zur Liebe und zu allen Gefühlen.
Sie provozieren Emotionen, lösen sie auf, zeigen Lösungen und geben Ideen für das beste Leben.

Werden die Psalmen jedoch nur in der Übersetzung gelesen, zeigt sich bisweilen die ärgste Fremdenfeindlichkkeit, Bigotterie, Hilflosigkeit, oft der Zerstörwahn eines Gottes, der vor Enttäuschung und aus Zorn um sich schlägt - nach Jahrtausenden des Nichtstuns.

Ich verwende in dem Beispiel eine etwas andere Verszählung. Die stammt aus der hebräischen Bibel. Man hat oft den Zusammenhang des Inhalts nicht erkannt und häufig nach Sätzen gezählt, statt nach dem Ordnungsregister des Dichters. Zudem gibt es im hebräischen Text eine andere Formdarstellung. (Für die anderen Seiten.)

Psalm 18.37 (18-38) Ich will meinen Feinden nachjagen und sie ergreifen und nicht umkehren, bis ich sie umgebracht habe.38 (18-39) Ich will sie zerschmeißen, und sollen mir nicht widerstehen; sie müssen unter meine Füße fallen.

Und dazu bittet wer Gott um Hilfe für dieses Anliegen? Man weiß nicht genau, wie der Vorleser das betonen kann mit den "Feinden". Meinte er, dass Visionen kämen und die statt zu hassen, besser gelernt würden. Die würden dann nicht umkommen, sondern die sollten vollkommen werden, richtig gekonnt werden. Die solle man nicht zerschmeißen. Man solle da nicht wiederstehen, sondern schön wäre es, wenn die allgemein angenommen würden. Da würde die jubeln und beginnen, meinte man. Ob eine Reihe von Schuld oder Liebe entstünde gehört überlegt.

Ein paar Worterklärungen:
[asigem] sie ergreifen - von [hisig] einholen, begreifen, einwenden, kritisieren. Das ergibt natürlich ein ganz anderes Umfeld und lässt erahnen, warum kein Zwang dasteht und unkritisiert der lustige Text stehen blieb.

[lo aschuv] nicht umkehren - oder ach, ich werde ... und das noch mit den Bedingungen von Zukunft oder Vergangenheit zu verschiedenen Standpunkten. [aschuv] ist zudem zurückkehren, wiedergeben, bereuen, wiederholen.

Psalm 18 geht um die Arbeit mit "wie es sein soll" und wie das der Liebe dient. Und wie die jeweiligen Reaktionen ablaufen...

Benutzeravatar
Simplicius
Beiträge: 218
Registriert: Di 11. Mär 2014, 08:07

#2 Re: Ps. 18.37-39

Beitrag von Simplicius » Do 18. Sep 2014, 10:14

Hallo 2Lena,

2Lena hat geschrieben: Werden die Psalmen jedoch nur in der Übersetzung gelesen, zeigt sich bisweilen die ärgste Fremdenfeindlichkkeit, Bigotterie, Hilflosigkeit, oft der Zerstörwahn eines Gottes, der vor Enttäuschung und aus Zorn um sich schlägt - nach Jahrtausenden des Nichtstuns.

in den Psalmen wird die gesamte menschliche Existenz angesprochen, jedes nur denkbare Gefühl, wie Du auch sehr richtig sagst - und das ist auch gut so. Psalmen geben den Vergewaltigten und Zerbrochenen Worte. Wo soll ich hin mit meiner Wut und meiner Ohnmacht, wenn meine Frau und meine Kinder angeschlachtet werden, wenn meine Heimat verbrannt wird, wenn mein Leben dem Tode nahe ist? Die Psalmen lehren uns, damit zu Gott zu kommen, ihm können wir unseren ganzen Haß, unsere Verbitterung, unsere Enttäuschung und unsere Verzweiflung übergeben.

Weißt Du, was ich an der Kirchenleitung zuletzt besonders schlimm fand? Daß sie die Psalmen "liturgisch angepaßt" hat. Sowohl die katholische Kirche, die die "Fluchpsalmen" einfach entfernt hat wegen "psychologischer Schwierigkeiten", als auch die evangelische Kirche, haben die Psalmen verstümmelt, damit sie nur noch nach harmlosem Singsang klingen: "Gott ist so lieb und tralala und halleluja, wie schön ist doch die Welt"... Nicht so, liebe Kirchenoberen, sondern gebt denen eine Stimme, die am Umkommen sind! Dazu sind die Psalmen von unschätzbarem Wert. Ich persönlich singe sie noch täglich und habe sie zu meinen ständigen Begleitern gemacht. Im Singen der Psalmen geschieht Katharsis, die Reinigung der Emotionen, wohltuend für Leib und Seele.

Liebe Grüße, Simplicius.
"Manni Flanke, ich Kopf, Tor!" (Horst Hrubesch).

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#3 Re: Ps. 18.37-39

Beitrag von closs » Do 18. Sep 2014, 12:27

Das Besondere an den Psalmen mag sein, dass sie nicht "theologische" oder "wissenschaftliche/historische" Werke sind, sondern zu ihrer Zeit nahe am Volk waren, also liturgisch genutzt wurden. - Und da sind aus meiner Sicht (wieder einmal) zwei Ebenen sichtbar:

1) Die unmittelbare Betroffenheit des Volkes, das in seiner Alltags-Realität weltliche Feinde hat, die sie in den Psalmen vernichten will - weil sie eine Bedrohung sind - also eine ganz alltägliche Erfahrung UND gleichzeitig pragmatisch statt spirituell.

2) Der Transfer ins Spirituelle, der allerdings vom Volk überhaupt nicht thematisiert wird.

Das Volk leidet, wird (wie ihre Feinde auch) bedroht und ruft den "Volks-Gott" an, der bei den Israeliten halt Jahwe heisst und bei den Feinden Baal heissen könnte. - Der geistige Mensch sucht (und findet) hinter diesem Motiv das Spirituelle und die Dialektik zwischen "gut" und "böse". - Beide Ebenen haben nach meinem Eindruck nichts miteinander zu tun.

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#4 Re: Ps. 18.37-39

Beitrag von JackSparrow » Do 18. Sep 2014, 22:46

2Lena hat geschrieben:Und dazu bittet wer Gott um Hilfe für dieses Anliegen?
Zu welchem anderen Zweck hätten die damals überhaupt einen Gott gebrauchen können?

Man weiß nicht genau, wie der Vorleser das betonen kann mit den "Feinden".
Die brauchten Land zum Leben, und das mussten sie sich erkämpfen. Nicht immer mit Erfolg - gegen Panzer kann der HERR beispielsweise nichts ausrichten. Und der HERR war mit Juda, und er nahm das Gebirge in Besitz. Aber die Bewohner der Ebene waren nicht zu vertreiben, weil sie eiserne Wagen hatten.

2Lena
Beiträge: 4723
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 09:46

#5 Re: Ps. 18.37-39

Beitrag von 2Lena » Do 18. Sep 2014, 22:58

Simplicius hat geschrieben:Ich persönlich singe sie noch täglich und habe sie zu meinen ständigen Begleitern gemacht. Im Singen der Psalmen geschieht Katharsis, die Reinigung der Emotionen, wohltuend für Leib und Seele.
Allerhand ... ist selten zu finden ...
Danke, dass du die "beiden" Seiten stehen lässt.
Mit den Emotionen zeigen sich selbt bei den "schlimmsten" Fällen, auf der Rückseite die Lösungen. Man darf keinen Psalm "verstümmeln", denn damit gehen die Lösungen nicht mehr.

closs hat geschrieben:Das Volk leidet, wird (wie ihre Feinde auch) bedroht und ruft den "Volks-Gott" an, der bei den Israeliten halt Jahwe heisst und bei den Feinden Baal heissen könnte.
Diese Vorstellungen passen aber nicht zu den damaligen. Schon allein deshalb nicht, weil sie wussten, was die Worte heißen. Gegen das Leid gab es die Lösungen des Verstehens und die wurden gelehrt. Vielleicht rechtzeitig, damit das Versprechen in Vers 3 auch passte: "Herzlich lieb habe ich dich Herr, meine Stärke!"

Antworten