Widerstand ist Pflicht

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
Novas
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#1 Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Novas » Di 5. Sep 2017, 19:17

Es ziemt dem Christen, der kompromisslos an der Vervollkommnung seines Christentums arbeitet, in keiner Weise, sich der Pflicht zum Widerstand gegen das Übel zu entziehen.

~Pierre Teilhard de Chardin


Rembremerding
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#2 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Rembremerding » Di 5. Sep 2017, 19:41

Die politische Dimension des Glaubens bedeutet nichts anderes als die Antwort der Kirche auf die reale Politische Herausforderung der Welt, in der sie existiert. Was wir wiederentdeckt haben, ist, dass diese Herausforderung von primärer Bedeutung für unseren Glauben ist und dass sich die Kirche ihrem Auftrag nicht entziehen kann. Dabei betrachtet sie sich selbst nicht als politische Institution, die mit anderen Institutionen konkurriert oder eigene politische Mechanismen besitzt. Noch weniger sucht sie die politische Führung zu übernehmen. Es geht um etwas viel Tieferes: darum, die Verpflichtung des Evangeliums einzulösen; es geht um eine echte Option für die Armen, um die Inkarnation in ihre Welt, um die Verkündigung der Frohbotschaft und darum, den Armen Hoffnung zu geben, sie zur Freiheit zu ermutigen, ihre Rechte zu verteidigen und ihr Schicksal zu teilen.
Diese Option der Kirche für die Armen erklärt die politische Dimension des Glaubens in ihrem Fundament und in ihren Konturen. Da die Kirche sich für reale, nicht fiktive Arme einsetzt, da sie für wirklich Ausgebeutete und Unterdrückte eintritt, lebt sie in einer politischen Welt und verwirklicht sich als Kirche auch im politischen Bereich. Und wenn sie sich – wie Jesus – den Armen zuwendet, dann hat sie auch gar keine andere Wahl.

Jeder Berufene ist ein Akteur der Veränderung in jenem Teil der Welt, in dem die Sünde auf dem Thron sitzt. Es geht um den Kampf für das Reich Gottes. Für diesen Kampf brauchen wir keine Panzer oder Maschinengewehre, keine Schwerter oder Karabiner. Wir werden unsere Rechte mit fester Überzeugung, aber auch mit einer weiten Liebe im Herzen verteidigen. (...) Denn auf diese Weise streben wir die Bekehrung der Sünder an: Wir säen in den Herzen und verändern die Welt.

sel. Erzbischof Oscar Romero
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JackSparrow
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#3 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von JackSparrow » Di 5. Sep 2017, 21:06

Novalis hat geschrieben:Es ziemt dem Christen, der kompromisslos an der Vervollkommnung seines Christentums arbeitet, in keiner Weise, sich der Pflicht zum Widerstand gegen das Übel zu entziehen.
Und es ziemt einem demokratischen Rechtsstaat, der seine Bürger vor religiösen Extremisten schützen will, die Errichtung eines totalitären christlichen Gottesstaates mit allen Mitteln zu verhindern.

Martinus
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#4 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Martinus » Mi 6. Sep 2017, 07:29

JackSparrow hat geschrieben: Und es ziemt einem demokratischen Rechtsstaat, der seine Bürger vor religiösen Extremisten schützen will, die Errichtung eines totalitären christlichen Gottesstaates mit allen Mitteln zu verhindern.

.. "totalitäre Christen" sind in Zeiten des totalitären Islam recht unterhaltsam. :thumbup: :clap: Der Gottesstaat ist doch das Ziel in der Religion des Friedens.
Angelas Zeugen wissen was!

ThomasM
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#5 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von ThomasM » Mi 6. Sep 2017, 09:21

Wenn Widerstand Pflicht ist, dann entscheide ich mich zum Widerstand gegen die, die Widerstand leisten.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Novas
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#6 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Novas » Mi 6. Sep 2017, 11:21

ThomasM hat geschrieben:Wenn Widerstand Pflicht ist, dann entscheide ich mich zum Widerstand gegen die, die Widerstand leisten.

Der christliche Glaube hat eine politische Dimension, wie es das schöne Zitat von Rem sehr gut ausdrückt. Ich finde dahingehend Thomas Merton sehr vorbildlich. Er wurde Mönch, um sich einem kontemplativen Leben in Stille und Versenkung zu widmen, weil das seine größte Sehnsucht war, „weil er dort –in dem Einsiedlerorden- eine bessere Möglichkeit zur totalen Versenkung zu finden hoffte“( so in „Christ in der Gegenwart“, 1979, S. 89), aber er hat sich dann doch immer wieder zum politischen Geschehen geäußert und - als „Einsiedler“ :) - eine sehr umfangreiche Korrespondenz mit vielen Menschen geführt. Das zeigt, wie das kontemplativ-innere Leben (wenn es authentisch ist) Ausdruck findet in einer neuen Lebensweise. Der Mensch schaut

in die Abgründe des eigenen Daseins, er schaut in Dinge, „die unbegreiflich sind“. Erst wer diese philosophische Erfahrung gemacht hat, kann im Sinne Mertons zum authentischen Glauben finden! Ohne Philosophie also kein Glaube, könnte man zugespitzt sagen. Merton betont: „Im übrigen wird echter Glaube erst möglich, wenn man sich kompromisslos der offenkundigen Absurdität des Lebens gestellt hat. Sonst neigt der Glaube dazu, ein geistlicher Zeitvertreib zu sein, bei dem man anerkannte übliche Floskeln sammelt und sie zum gängigen Erklärungsmuster zusammensetzt, ohne wirklich ihren Sinn zu erfassen…“ (ebd. 72)
Quelle: religionsphilosophischer-salon.de

Ein Glaube der an den Dingen vorbei lebt, ist ein Widerspruch in sich. Das ist ein falscher Glaube. Merton hat sich beispielsweise zum Vietnam-Krieg geäußert. Nicht jene Menschen, die auf den Schmutz und die sozialen und politischen Missstände dieser Welt hinweisen sind das Problem, sondern jene, die sie verursachen. Jesus hat die Blindheit nicht abgesegnet. Er hat viel mehr die Blinden geheilt, sodass ihr physisches und spirituelles Sehvermögen zurückkehrte und eine innere Wandlung geschieht.

Bild

Darüber ein Artikel von Fr. Andrew Stephen Damick, einem orthodoxen Christen aus Amerika, den ich sehr schätze: Spiritual Renewal and the Healing of the Blind
Zuletzt geändert von Novas am Mi 6. Sep 2017, 12:25, insgesamt 1-mal geändert.

Rembremerding
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#7 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Rembremerding » Mi 6. Sep 2017, 12:25

Könnte in einigen Fällen Widerstand gegen den Widerstand zu leisten nicht auch bedeuten, die Armen arm zu lassen, die Gefangenen gefangen, die Kranken krank, die Unbekleideten unbekleidet?
Das Übel der Welt wird so sein gelassen, was bedeutet, das Evangelium, immer seinen Möglichkeiten entsprechend, nicht aktiv zu leben.

Thomas Merton hatte einen Vorgänger, den Wüstenvater und Einsiedler Antonius (der Große), welcher sich ebenso aus der Einsamkeit heraus an politischen und theologischen Diskussionen beteiligte.
In den vielen Jahrzehnten seines Einsiedlerlebens pflegte er einen regen Briefkontakt mit geistigen und politischen Größen und verließ dennoch nur zweimal die Wüste: Um 311, auf einem Höhepunkt der Verfolgungen, ging er nach Alexandria und stand den Gefangenen trotz Verbotes bei. Als 100jähriger reiste er auf Bitten von Athanasius noch einmal nach Alexandrien und trat dort in vielbeachteten Reden gegen die Arianer auf.
Eine Einladung des Kaisers Konstantin, zu ihm nach Konstantinopel zu kommen, lehnte er jedoch mit den Worten ab: "Ein Einsiedler gehört nicht in die Stadt, sondern in die Wüste."

Servus :wave:
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ThomasM
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#8 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von ThomasM » Mi 6. Sep 2017, 12:41

Rembremerding hat geschrieben:Könnte in einigen Fällen Widerstand gegen den Widerstand zu leisten nicht auch bedeuten, die Armen arm zu lassen, die Gefangenen gefangen, die Kranken krank, die Unbekleideten unbekleidet?
Das Übel der Welt wird so sein gelassen, was bedeutet, das Evangelium, immer seinen Möglichkeiten entsprechend, nicht aktiv zu leben.
Könnte es.
Aber wenn Novalis mit der undifferenzierten Keule kommt, dann bleibt mir nur die Möglichkeit, ähnlich undifferenziert zu antworten.

Ich halte es mit dem berühmten Spruch:
Gott gebe mir die Kraft, das zu ändern, was ich ändern kann.
Er gebe mir die Gelassenheit das zu ertragen, was ich nicht ändern kann.
Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#9 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Rembremerding » Mi 6. Sep 2017, 13:54

ThomasM hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Könnte in einigen Fällen Widerstand gegen den Widerstand zu leisten nicht auch bedeuten, die Armen arm zu lassen, die Gefangenen gefangen, die Kranken krank, die Unbekleideten unbekleidet?
Das Übel der Welt wird so sein gelassen, was bedeutet, das Evangelium, immer seinen Möglichkeiten entsprechend, nicht aktiv zu leben.
Könnte es.
Aber wenn Novalis mit der undifferenzierten Keule kommt, dann bleibt mir nur die Möglichkeit, ähnlich undifferenziert zu antworten.
:thumbup:
Deshalb wollte ich meinen Beitrag nicht auf dich beziehen, sondern allgemein verfassen, weil ich es auch so verstanden habe.
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Novas
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#10 Re: Widerstand ist Pflicht

Beitrag von Novas » Mi 6. Sep 2017, 14:26

ThomasM hat geschrieben:Aber wenn Novalis mit der undifferenzierten Keule kommt, dann bleibt mir nur die Möglichkeit, ähnlich undifferenziert zu antworten

Nirgendwo habe ich eine Keule verwendet, schon gar nicht eine undifferenzierte.
Zuletzt geändert von Novas am Mi 6. Sep 2017, 20:07, insgesamt 1-mal geändert.

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