Schöpfung im Widerstreit

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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fin
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#1 Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von fin » Sa 6. Mai 2017, 19:56

Diese Eröffnung enthält Quellenmaterial aus Wozu Fasten?.

(1) Paradoxon
seeadler hat geschrieben: Wir wissen nicht, wie das Böse in der Gegenwart eines Vollkommenen Gottes entstehen konnte. Dies ist ein bis heute unerklärbares Geheimnis. Für mich jedoch ist klar, dass alles aus Gott heraus kommt, das Gute wie auch das "Böse". Und hier gilt es zu hinterfragen, warum war dies so.

(2) Betrachtungsweisen
seeadler hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben: Mir war lange Zeit nicht präsent, dass es Christen gibt, die annehmen, dass Gott aus sich heraus fähig ist, das Böse zu schaffen.

Hat er auch nicht bewusst. Denn das Böse ist aus dem Geschaffenen schlechthin entwachsen. Kurzum, es war genauso darin eingebettet wie das "Gute" - oder um es mit einem anderen Sinnbild zu vergleichen: Solange es nur Licht gibt, und man nur im Licht lebt, weiß man nichts von der Existenz der Dunkelheit - was also ist Finsternis?

Schon mit dem ersten Schöpfungstag hatte Gott aber genau dies geschaffen. Er schuf die Finsternis! Denn das Licht selbst war ja bereits da, es war allgegenwärtig. Es ging also primär nicht um die Schaffung des Lichts, denn dieses war ja da. Nein, Gott schuf die Finsternis; noch genauer Gott schuf einen Raum, eine Trennung zwischen sich und ihm: Die Entstehung von "Materie". "Zeit" und "Raum"! Alles drei gab es bis zu diesem Augenblick noch nicht.

Und all dies schuf er aus sich heraus. Es war also in ihm und ein Teil von ihm!

(3) Der Mensch
seeadler hat geschrieben: So schuf auch der Mensch in sich und aus sich heraus einen Raum, der sich von dem unterschied, was ihm umgab. So wie Gott eigentlich jenen Raum und die Finsternis schuf, aus sich selbst heraus, so schuf und schafft auch der Mensch jenen Raum und seine Finsternis wiederum aus sich heraus - ein Abbild dessen, was er ebenfalls um sich herum sieht, aber erst durch die eigene Kreation erkennt.

(4) Göttliche Ziele (?!)
seeadler hat geschrieben: Die Frage ist, worin besteht jene eigentliche primäre Versuchung?

Eigentlich recht "trivial" und doch die wichtigste Entscheidung sowohl für Gott als auch für uns Menschen: Das zu töten, ein für alle mal, was "ich" erschaffen habe, was aus mir heraus entstanden ist, also das, was ich nicht haben möchte und mich davon für immer trennen muss. Das genau ist der Augenblick, in dem Satan erst richtig zum Zuge kommt, in dem er uns zeigt, was wir geschaffen haben und uns damit konfrontiert, töten wir ihn, so töten wir auch das Geschaffene.

(5) Schlußfolgerungen
seeadler hat geschrieben: Ich muss zugeben, gerade letzte genannte Erkenntnis im vorigen Post hat mich vorhin während meiner Autofahrt richtig traurig gemacht, ich habe geweit, weil ich mir vorstellte, wie dies sein muss, wenn man allles, aber auch wirklich alles aufgibt, verliert und schließlich sogar tötet. Denn es ist ja so, dass all jene Menschen, die Gott bewusst ablehnen, und damit ihre Rettung ablehnen und sich für die andere Seite entscheiden, vernichtet werden, und zwar alle. Dies ist aus der Prophetie insgesamt klar ersichtlich.

Und es wird Gott unsagbar traurig machen, so, wie es mich traurig macht, wenn ich darüber nachdenke. Selbst Abraham sollte ja aus dem gleichen Grund seinen Sohn Isaak aufgeben und töten. Das was auch ihm heraus kam, was er geschaffen hatte und was er liebte, dies alles sollte er nicht nur radikal aufgeben, sondern auch noch töten.

Mir wird es immer klarer und bewusst, was da eigentlich um uns herum wirklich abläuft.

Ich habe (für mich) wesentliche Punkte extrahiert und aus dem theologischen Unterforum herausgelöst, um sie hier - im Bereich Philosophie - freier besprechen zu können.

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fin
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#2 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von fin » Sa 6. Mai 2017, 19:59

Hallo Seeadler,
ich habe einige deiner Beiträge extrahiert und hier zusammengefasst, um obige Themen (weiter) besprechen und befragen zu können.

Ich meine, Punkt (1) ist ein zentrales Thema der Schöpfung und der Mensch wird seine wahre Bestimmung vermutlich nie verstehen, solange er die wahren Hintergründe nicht wirklich einsieht. Die Frage der Theodizee erscheint mir darum verständlich und sinnvoll, allerdings habe ich den Verdacht, daß bereits ihre klassischen Grundannahmen nicht stimmen und den Blick und Folgegedanken nur in eine Richtung lenken ...

(2) Folgt man der klassischen Sicht, dann stellt sich hier natürlich die Frage, ob Gott von Anfang an nicht nur Polaritäten, sondern auch Dualitäten im Sinn hatte. Diese Sichtweise führt oft das Argument an, das B. sei ein notwendiges Kriterium für das Prinzip der Freiheit und eine freiheitliche Entwicklung des Menschen darum ohne das B. nicht möglich! (Ich teile diese Ansicht nicht)

Du meinst hingegen, das B. sei von Gott nicht vorgesehen gewesen, sondern ein 'zufälliges' Ergebnis seiner Schöpfung, sehe ich das richtig? Demnach durchläuft der Mensch die gleichen Prozesse wie Gott und 'fastet' das 'Schlechte' aus sich heraus, wobei ich deinen Gedankengang in (5) noch nicht ganz nachvollziehen konnte.

Freue mich über Austausch.

Grüße, F.

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#3 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von seeadler » So 7. Mai 2017, 06:30

Hallo Fin,

du bist der erste, der so gezielt eigentlich den Sinn der Schöpfung hinterfragt (nach mir ;) ) .

Das Grundproblem ist hier die grundsätzliche "Glorifizierung" der Schöpfung: Die Erhebung der Schöpfung als einen Akt der Freude und zugleich künstlerischen anspruchsvollen Entfaltung eines "Kreationisten" = Gott.

Ich selbst bin unter anderem Maler, als Künstler aus Leidenschaft.

Man kann nun die Kunst dazu verwenden, also die schöpferische kreative Arbeit, um einfach so aus dem Stegreif heraus ohne weitere Motivation außer dem Drang, etwas Schönes zu erschaffen, etwas einzigartiges, ein Objekt der Genugtuung und Freude zu schaffen. Dem Beweis seiner künstlerischen Fähigkeiten.

Nun ja, kann man.

Man kann aber auch die Kunst dazu benutzen, etwas zum Ausdruck zu bringen, was einem auf dem Herzen liegt, was man eventuell nicht mit Worten wirklich beschreiben kann, sondern eventuell durch künstlerisches kreatives Handeln an einem Objekt das zum Ausdruck bringt, was einen bewegt.

Da ich selbst bereits vor sehr vielen Jahren eine Psychotherapie über viele Jahre hin absolviert habe, kenne ich auch dies Möglichkeit, die Kunst dazu zu benutzen, deine Probleme irgendwie darstellen zu wollen.

In diesem Fall hat jeder Akt deines Schaffens etwas mit dem Problem zu tun, an dem du selbst nagst. Jede Farbe, jeder Pinselstrich, jede Zeichnung stellt dann etwas bestimmbares dar.

Es ist nun aber auch so, wenn es dir relativ gut geht, so wirst du ein Bild, welches du beurteilen sollst ganz sicher anders beurteilen, als wenn es dir dreckig geht, um es mal so auszudrücken. Das gleiche Bild unter einer Zwangsjacke betrachtet erzeugt in dir vollkommen unterschiedliche Reaktionen. In diesem Sinne kann man und wird man auch die Schöpfung, die Genesis, unterschiedlich bewerten. Eine objektive Herangehensweise ist weder möglich noch erwünscht! Die Schöpfung soll etwas in uns auslösen, in Gang setzen, Reaktionen provozieren.

Sie dient dazu, über dich selbst als Objekt der Schöpfung nachzudenken. Denn schließlich geht es um mich, um dich, um uns. Jeder einzelne Mensch ist gemäß der Schöpfung das Ziel und keineswegs ein zufälliges kreatives Ergebnis.... zumindest nicht gemäß der Bibel, also gemäß der Schöpfung durch Jesus Christus.

Es war und ist nicht Gott, der hier geschaffen hat, sondern Jesus Christus! Diese Unterscheidung ist sehr bedeutungsvoll und daher wichtig für das Verständnis unserer Beziehung zu Gott UND Jesus Christus. Darum ist es eigentlich müssig, darüber zu diskutieren, warum Gott dies so alles geschaffen hat - denn dies hat Er nicht. Unser Schöpfer bleibt und ist Jesus Christus.

Und damit kommen wir zu einem ganz anderen Punkt, nämlich: Warum gebe ich jemand anderen die Vollmacht und die Möglichkeit, etwas zu schaffen, zu erschaffen, was in meinem Beispiel ich selbst vollziehen könnte? Und vor allem, was ist dabei zu beachten, wenn ich den "Anderen" beauftrage, etwas für mich zu erschaffen?

Du siehst also, hier tauchen grundlegende Fragen auf, die so in dieser Art, zumindest meines Wissens, noch nie wirklich gestellt worden sind.

Und dann erst kann man sich der Frage hingeben, was genau sollte da erschaffen werden und vor allem wozu? Nur zur Freude? Oder hat das ganze einen "therapeutischen" und damit sehr tiefen und wichtigen Zweck?

soweit erst mal meine Einführung

Gruß
Seeadler

(Ach ja, eine kleine Anmerkung. Es gibt Themen, die sind für mich sehr "heilig", weil sie in eine Tiefe gehen, die den eigentlichen Glauben betreffen. Wer nun meint, wie hier leider sehr oft üblich ist, auch diesen Thread und damit dieses Thema lächerlich machen zu wollen, durch den Dreck zu ziehen..... in dem Fall bin ich so schnell wieder draußen, aus diesem Thema, wie ich reingekommen bin. Ich bitte also um einen gewissen Respekt und einer gegenseitigen Achtung.)
Alles, was ich hier schreibe, verstehe ich lediglich als Gedanken und Anregungen, Inspirationen, keine Fakten! Wenn es mit tatsächlichen abgleichbaren Fakten übereinstimmt, dann zufällig.

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#4 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von fin » So 7. Mai 2017, 09:46

seeadler hat geschrieben:Hallo Fin,
Das Grundproblem ist hier die grundsätzliche "Glorifizierung" der Schöpfung: Die Erhebung der Schöpfung als einen Akt der Freude und zugleich künstlerischen anspruchsvollen Entfaltung eines "Kreationisten" = Gott.
-
Ich selbst bin unter anderem Maler, also Künstler aus Leidenschaft.
Hallo Seeadler, lieben Dank für deine zeitnahe Antwort. Das ist ein schöner Ansatz, meine ich, Schöpfung und Kunst.
Anbei mein allererstes Gedicht (aus der 80ern, aus der Erinnerung):

Was sagen mir die Sterne,
Sterne, Blumen und Wälder dieser Welt,
was sagt mir ein Lächeln oder die Stille, wenn der Mondschein fällt?
Dann, plötzlich, sehe ich die Antwort sich im Wasser spiegeln sehn,
es ist mein Bild und ich beginne zu verstehen,
die Schöpfungen dieser Welt wie mich selbst zu sehen.


seeadler hat geschrieben:Man kann aber auch die Kunst dazu benutzen, etwas zum Ausdruck zu bringen, was einem auf dem Herzen liegt, was man eventuell nicht mit Worten wirklich beschreiben kann, sondern eventuell durch künstlerisches kreatives Handeln an einem Objekt das zum Ausdruck bringt, was einen bewegt.
Ja, das scheint mir nicht nur eine schöne Idee, sondern geradezu die natürlicher Bestimmung unserer Welt. Man möchte fast meinen, die Erde lebt uns das vor, nur der Mensch scheint unterwegs über das Wort gestolpert zu sein. Krass, das habe ich so auch noch nicht in Worte gefasst :shock:

Lieber Seeadler, möglicherweise wurde unsere Schöpfung gekapert und der Nazarener war uns Menschen ein Fingerzeig, genau diesen Sachverhalt sichtbar/er zu machen. Das würde viele Widersprüche erklären und höchstwahrscheinlich auch bedeuten, daß die eigentliche Wahrheit nur indirekt vermittelt werden konnte/kann/darf ...

Möglicherweise waren/sind also alle Religionen mit Vorsicht zu genießen, wobei Buddha (jener Mensch, den das allgemeine Leid kümmerte) wohl ein redlicher Vorläufer war, der einen Weg aus Platons Höhle zu finden suchte.

Möglicherweise beginnt die Dissoziation schon mit dem Wort Gott und endet in der absoluten Gewalt einer Vormachtstellung. Wir sollten gerade diese höchste Ordnung sehr sorgfältig bedenken. Möglicherweise wurde genau dieser Begriff mißbraucht, zumal eine dem Menschen übergeordnete (himmlische) Kraft kaum Schwierigkeiten haben wird, dem kleinen Menschen alles Mögliche aufzutischen, bzw. zu suggerieren, zb. die Opferung des eigenen Kindes.

Ich meine, die biblische Aufforderung Isaak zu opfern spricht Bände (*), auch die allgemeine Lesart, die diese Narrative für 'heilig' hält, da ihr scheinbar ein göttlicher Wille innewohnt. Ich will damit nicht sagen, die biblischen Erzählungen seien eine Lüge, ganz im Gegenteil, sie dokumentieren alle möglichen Sachverhalte, nur führt das klassische Verständnis den Menschen in die Irre. Es braucht eine andere (neue) Lesart, die die Bibel nicht formal (pyramidal) liest, sondern inhaltlich (den jeweiligen Entsprechungen gemäß).

Das nur als mögliche Anregung, die nicht an dich speziell gerichtet ist.
Ich mach hier mal eine Pause. Lg.
Zuletzt geändert von fin am So 7. Mai 2017, 10:13, insgesamt 2-mal geändert.

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#5 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von fin » So 7. Mai 2017, 09:52

Ach so ...
seeadler hat geschrieben:Hallo Fin, du bist der erste, der so gezielt eigentlich den Sinn der Schöpfung hinterfragt (nach mir ;) )
Möglicherweise liegen wir gleich auf ...
Spoiler
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vielleicht liege ich auch eine kleine Schippe vorne :D

Rembremerding
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#6 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von Rembremerding » So 7. Mai 2017, 10:11

seeadler hat geschrieben:
Es ist nun aber auch so, wenn es dir relativ gut geht, so wirst du ein Bild, welches du beurteilen sollst ganz sicher anders beurteilen, als wenn es dir dreckig geht, um es mal so auszudrücken. Das gleiche Bild unter einer Zwangsjacke betrachtet erzeugt in dir vollkommen unterschiedliche Reaktionen. In diesem Sinne kann man und wird man auch die Schöpfung, die Genesis, unterschiedlich bewerten. Eine objektive Herangehensweise ist weder möglich noch erwünscht! Die Schöpfung soll etwas in uns auslösen, in Gang setzen, Reaktionen provozieren.
Da sich Selbsttäuschung von Selbsterkenntnis im Menschen oft nur durch Leid löst oder das Leid in der Welt als Hindernis vom Menschen betrachtet wird, tatsächlich wahrhaftig leben zu können, wird sich der "Künstler", der Schöpfer des "Gemäldes", sofern er mit dem Betrachter Interaktion wünscht, zuerst die Betrachtungsweise des Betrachters diesem bewusst machen, deshalb:
Sie dient dazu, über dich selbst als Objekt der Schöpfung nachzudenken.
(ich fände es genauer, hier vom Subjekt der Schöpfung zu sprechen)
Es war und ist nicht Gott, der hier geschaffen hat, sondern Jesus Christus! Diese Unterscheidung ist sehr bedeutungsvoll...Unser Schöpfer bleibt und ist Jesus Christus.
.. und damit scheint dem Menschen in Jesus Christus eine Lösung, eine Heilung, ein Schlüssel vorgegeben, sich selbst und damit Gott zu erkennen. Damit der Mensch versteht, muss der Blick also hin zum Herrn gehen. Was war sein Wirken, sein Wort als Erschaffender in seiner Schöpfung? Dazu unten mehr.
Warum gebe ich jemand anderen die Vollmacht und die Möglichkeit, etwas zu schaffen, zu erschaffen, was in meinem Beispiel ich selbst vollziehen könnte?
Diese Frage kann annähernd beantwortet werden und bezieht sich auf das Wesen im "Sohnsein des Sohnes" und des "Vatersein des Vaters", was aber das Thema in eine andere Richtung lenken würde, weshalb ich dies ausspare.
Und dann erst kann man sich der Frage hingeben, was genau sollte da erschaffen werden und vor allem wozu? Nur zur Freude? Oder hat das ganze einen "therapeutischen" und damit sehr tiefen und wichtigen Zweck?
In jedem Menschen und der Schöpfung liegt ein Sinn für das Schöne, das Gute, das Wahrhaftige, eine Sehnsucht nach Harmonie, auch Liebe genannt. Es ist der Pinselstrich des Künstlers, der diese Intention aus seinem innersten Wesen heraus seinem "Bild" mitgegeben, einverliebt und einverleibt, vermittelt, ja erst sinngebend in Existenz gebracht. Nun hat dieser göttliche Künstler die Fähgkeit Bilder, Ideen in Leben, sein Leben zu verwandeln, allerdings will er dies aus seinem Wesen heraus nicht als Kopie, sondern als immerwährenden Fortgang hin zum Guten, Wahrhaftigen, Schönen.

Nun zurück zu meinem Anfangsgedanken vom Leid:
Das Leid ist die bewusst erkannte Entfernung zwischen meinem Leben und dem Wahren, Schönen und Guten, das der "Künstler" in mich legte. Die Maßeinheit des Leids ist Sehnsucht, konkretisiert im Wunsch, materialisiert (sofern dies möglich) im Handeln.
Unser Künstler, Gott, will nicht nur, dass wir unseren Blick auf sein Bild bewusst wahrnehmen und beurteilen, sondern dadurch Teil des Künstlers werden mit diesem in unserem Bewusstsein erkannten Blick, um daraus selbst schöpfen und wahrhaftig, gut und in Schönheit (eben in Liebe) leben zu können. Dazu ist der Johannesprolog hilfreich und Joh 10:10b
ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Als Jesus Christus als Schöpfer Teil der Schöpfung, der Künstler Teil des Bildes wurde, verleihte er dem Bild das Leben, das Wesen des Künstlers in seiner unmittelbarsten Form, bei Johannes als "Fülle" bezeichnet.
Indem uns durch das Kreuz der Sohn Gottes das Leid in Gott selbst stellte, nahm er uns die Entfernung, die uns durch das Leid von Gott trennt. Aber er tat und tut noch mehr: Durch den dadurch neu gewonnenen und bewusst wahrgenommenen Blick auf das Bild sowie unseren neuen Standpunkt in Gott, und nicht mehr durch das Leid entfernt von Gott, erlangen wir durch die Kraft des Schöpfers Anteil am Schöpfer selbst und das bereits im Leben.

Buddha erkannte erstmals, dass das Leid uns von einem Leben in Fülle trennt.
Wir wissen aber, dass uns im Leben immer noch Leid begegnet. Ist denn da nicht der Kreuzestod des Herrn sinnlos geblieben? Eingeschränkt im subjektiven ja, aber nicht mehr objektiv. Denn sowohl Buddha als auch Christus veränderten des Menschen Standpunkt und schließlich Jesus das gesamte Koordinatensystem und um im "Bild" zu bleiben: das gesamte "Sujet" des Bildes.

Servus :wave:
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#7 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von closs » So 7. Mai 2017, 11:20

Rembremerding hat geschrieben:Das Leid ist die bewusst erkannte Entfernung zwischen meinem Leben und dem Wahren, Schönen und Guten, das der "Künstler" in mich legte.
Von der Grobrichtung insofern Zustimmung, dass "Leid" Indikator ist für etwas Un-Heiles.

Ansonsten würde ich "Bewusstsein" und "Leid" NICHT in Verbindung bringen - im Gegenteil: Das Bewusstsein/Erkennen ("jada") muss heilsgeschichtlich erst erlitten werden. - Erst mit dem "Sündenfall" kommt der Mensch in die Lage, etwas überhaupt bewusst erkennen zu KÖNNEN. - Ich glaube, dass hierin einige Theologien Henne mit Ei verwechseln.

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#8 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von Rembremerding » So 7. Mai 2017, 11:38

closs hat geschrieben:
Ansonsten würde ich "Bewusstsein" und "Leid" NICHT in Verbindung bringen - im Gegenteil: Das Bewusstsein/Erkennen ("jada") muss heilsgeschichtlich erst erlitten werden. - Erst mit dem "Sündenfall" kommt der Mensch in die Lage, etwas überhaupt bewusst erkennen zu KÖNNEN. Ich glaube, dass hierin einige Theologien Henne mit Ei verwechseln.
Nun lässt sich der Sündenfall ebenso daraus erklären, dass der Mensch selbst die Entfernung, das Leid, zwischen sich und Gott überwinden, also aus sich heraus selbst wie Gott sein wollte. Jedenfalls erklärt die Bibel uns dies in der dort schriftlich festgehaltenen Ätiologie. Der Antrieb war: das Leid, die erkannte Sehnsucht, so wie Gott sein zu wollen. Der Begriff "Leid" wird von mir hier also weniger emotional, mehr abstrakt-philosophsch verwendet.
Beachte, dass der Mensch eine Erkenntnis schon vor dem Sündenfall hatte: Er ist nicht Gott (und später: ich bin nicht der Nächste - die Frau).
Die Pädagogik Gottes, um dem Menschen ein Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis (und damit Gotteserkenntnis) zu lehren, begann schon mit der Möglichkeit zur Benennung der Tiere.
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#9 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von fin » So 7. Mai 2017, 12:57

-- Bevor die Agenten Roms --

... wieder einen vollständigen Schleier ziehen, um den Menschen in ihr scheinheiliges Labyrinth zu ziehen, noch ein paar Anmerkungen:

Buddha kümmerte das Leid, das diese Welt hervorbringt und sich ganz offensichtlich in einer Schieflage befindet, da sie Opfer erzwingt - auf Gedeih und Verderb!

Darwin nannte es schlicht: 'survival of the fittest'. 

Jesus war möglicherweise der erste Botschafter einer liebenden Wahrheit, eine Größe, die nicht nur für konkrete Heilung sorgte, sondern auch eine wahre Zuflucht für die Zukunft in Aussicht stellte. Sagte er nicht, mein Reich ist nicht von dieser Welt? 

Lebt unsere Welt nicht von Gewalt, in der die schwächsten Glieder gefressen werden, ob sie wollen oder nicht? Wer nicht selbst betroffen ist, kann natürlich leicht reden ... 

Findet ihr es nicht seltsam, die liebende Gestalt unter Druck zu setzen, sie grundsätzlich zu bedrohen und einer gefräßigen Welt auszusetzen, um sie obendrein an allen Ecken zu verführen?  

Ist dies nicht ein fragwürdiges Zuchtprogramm, dessen Leitbild und Liebevorstellung ein erpresstes und blutiges Martyrium vorsieht? 

Warum sollte man die liebende Gestalt bis zum Äußersten zwingen und immer wieder unterwerfen, bis zur totalen Verkehrung?  

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Manche Kreise feiern und propagieren ihre Kreuzigung sogar als Höhepunkt!
Mein Glaube ist anders.

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#10 Re: Schöpfung im Widerstreit

Beitrag von closs » So 7. Mai 2017, 13:30

Rembremerding hat geschrieben:Nun lässt sich der Sündenfall ebenso daraus erklären, dass der Mensch selbst die Entfernung, das Leid, zwischen sich und Gott überwinden, also aus sich heraus selbst wie Gott sein wollte.
Kann man. - Aber man sollte dieses "Wollen" als "Trieb-Wollen" und nicht als "Erkenntnis-Wollen" verstehen (Achtung: Der Sprachduktus bei der Baum-Szene ist rein triebhaft!!!!).

Rembremerding hat geschrieben: Der Begriff "Leid" wird von mir hier also weniger emotional, mehr abstrakt-philosophsch verwendet.
Da sind wir uns einig: Aus dem grundlegend, abstrakt-philosophischen Verständnis von Leid ist das, was wir als Leid fühlen, die Ableitung ins Leben hinein.

Rembremerding hat geschrieben:Beachte, dass der Mensch eine Erkenntnis schon vor dem Sündenfall hatte: Er ist nicht Gott (und später: ich bin nicht der Nächste - die Frau).
Moment: Erst NACH dem Sündenfall ist Adam in der Lage, Gott mit "Du" zu adressieren!!!

Rembremerding hat geschrieben:Die Pädagogik Gottes, um dem Menschen ein Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis (und damit Gotteserkenntnis) zu lehren, begann schon mit der Möglichkeit zur Benennung der Tiere.
SChwieriges Thema - ich sehe es etwas anderes (sorry - jetzt wird's etwas kompliziert):

2,18 Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt"

Alles Lebende vor Adam wurde im Plural geschaffen, jede Art der Schöpfung hat also von Beginn an seine Gemeinschaft. Bis zum Zeitpunkt 2,18 Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt" ist Adam der einzige, der als Gattung allein ist, allerdings auch der einzige, der Gott als „Abbild … ähnlich“ (1,26) ist. Somit ist von Anfang an der Mensch in Gemeinschaft mit Gott. Trotzdem kommt Gott zum Schluss, dass Adam nicht alleine sein sollte.

Ontologisch ist dies damit begründbar, dass alles Lebende vor Adam (Pflanzen/Tiere) daseins-beschränkt ist, währenddessen Adam (da durch den eingehauchten göttlichen „Lebensatem“ „gott-ähnlich“ (vgl. 2,7)) Seins-Zugang zu Gott hat. - Damit bezeichnet Adams Gemeinschaft mit Gott eine dimensional vertikal angelegte Gemeinschaft zwischen Mensch und Gott, also zwischen Schöpfung und Schöpfer – Adam hat also Gemeinschaft mit Gott, aber eben keine Gemeinschaft unter „Seinesgleichen“. Und dies, sagt Gott, sei „nicht gut“. - Bei der Suche nach Seinesgleichen scheitert Adam bei „allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes“ (2,20) – sie sind zwar auch Atmende, unterscheiden sich aber von Adam durch mangelnde Ebenbildlichkeit mit Gott. - Da Adam diese atmenden Tiere somit als Nicht-Seinesgleiche („ex negativo“) wahrnimmt (weil er eben im Gegensatz zu ihnen ebenbildlich ist), kann er sie als Untergeordnetes, also von ihm Distanziertes, also von ihm Über-Schaubares benennen, ihnen also einen Namen geben („Der Mensch rief <das Getier> mit Namen“ (Buber: 2,19)) - so wie ein geschwisterloses Kleinkind Puppen Namen gibt - im Wissen, dass Puppen keine Geschwister, also Seinesgleiche, sind.

2,23f Bein von meinem Bein …. Und sie werden ein Fleisch

Adam findet seine Gefährtin („ihm Gegenpart“ (Buber: 2,20)) also (vgl. zu 2,18) nicht aus der bestehenden Schöpfung (atmende Tiere) - Gott schafft die Gefährtin aber auch nicht als komplett neue Gattung, sondern aus Adam selbst (vgl. 2,21). – Schüfe nun Gott die Gefährtin wie Adam als eigene Gattung (also als eine andere Gattung als Adams Gattung), könnten beide jedoch nicht „ein Fleisch“ werden. – Gleichzeitig schafft nun Gott mit der Existenz der „seinesgleichen“ Gefährtin ein Drittes, das Gemeinschaftsrecht in der Gemeinschaft zwischen Gott und Adam hat. Während jedoch die Gemeinschaft zwischen Gott und Adam eine dimensional vertikal angelegte Gemeinschaft zwischen Sein und Schöpfung ist, übernimmt die Gefährtin die Partner-Rolle in horizontal angelegter Gemeinschaft, also zwischen Schöpfung und Schöpfung. – Die Tatsache, dass die Warnung vor dem Baum (vgl. 2,16) und die Schaffung der Gefährtin (vgl. 2,21) im Bibeltext unmittelbar hintereinander folgen, legt den inhaltlichen Zusammenhang dieser beiden Motive nah - beide Motive weisen auf ein Drittes zwischen Gott und Adam hin: Der Baum durch seine Sterblichkeits-Drohung, die Gefährtin durch ihre Beziehungs-Konkurrenz. Setzt sich dieses Dritte jeweils durch, sind Gott und Adam getrennt – beim Baum durch die Sterblichkeits-Drohung, bei der Gefährtin durch die Beziehungs-Konkurrenz.

2,24 Darum verlässt der Mann Vater und Mutter

Diese Trennung Adams von Gott wird unmittelbar bestätigt: Der Mann (Adam) entbindet sich von Vater (Gott) und Mutter (Heiliger Geist (vgl. zu 1,11)) und „bindet sich an seine Frau“ (2,24). Dies ist gleichbedeutend mit einer menschlichen Emanzipation von Gott zugunsten seiner „seinesgleichen“ Gefährtin. - Gott schafft also die Gefährtin, damit Adam nicht allein ist, nachdem er (Gott) ihn (Adam) „ex manu“ lässt, also aus der Hand gibt, also emanzipiert. - Ontologisch heißt dies, dass die menschliche Gemeinschaft innerhalb der Schöpfung (Adam und Eva) in Konkurrenz tritt zur Gemeinschaft zwischen Schöpfer und Schöfung (Gott und Mensch). - Deutend fügen wir hinzu, dass sowohl im textlichen Gesamteindruck als auch durch die Nähe von „Baum“-Motiv (vgl. 2,16) und „Gefährtin“-Motiv (vgl. 2,20) der Eindruck entsteht, dass Gott sein „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt“ in einen kausalen Bezug setzt zu dem „Baum der Erkenntnis“ – nämlich so, als wolle er sagen: ‚Da Du den Holon verlassen wirst, ist es nicht gut, wenn Du dann im Dasein allein bist‘. Somit erscheint der „Baum der Erkenntnis“ als ein Symbol für das „Aus der Hand geben“ des Menschen durch Gott, und die Gefährtin als ein Symbol für die Vorsorge, damit Adam nicht allein im Dasein sei.


Wir müssen das hier nicht diskutieren - ich habe es deshalb eingestellt, um zu zeigen, wie vernetzt und un-einfach dieses Thema ist.

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