Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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lovetrail
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#11 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 21:08

Münek hat geschrieben: Du willst mich wohl auf den Arm nehmen. Von einer Bewährung des christlichen Glaubens kann angesichts der blutigen Geschichte der über weite Strecken macht- und geldgierigen Kirche nun wahrlich keine Rede sein.
Jesus würde diese blutige Geschichte wohl nicht gutheissen. Das Christentum bewährt sich auch darin, trotzdem weiter an Jesus zu glauben.
Natürlich gibt es immer ein paar Mutige - nur werden diese kritisch Hinterfragenden dann ohne Erbarmen an die frische Luft gesetzt bzw. ihnen wird ratz-fatz die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen (siehe Küng, Ranke-Heinemann, Drewermann u.a.).
Na und, dann werden sie halt an die Luft gesetzt. Dort sind sie womöglich wirksamer.

Das ist Deine persönliche Einschätzung. Ich erlebe leider immer wieder das Gegenteil. Darum meine hier im Forum immer wieder aus jeweiligem aktuellem Anlass vorgebrachte diesbezügliche Kritik. Im Zweifelsfall werden viele Gläubige ihrem Glauben einen höheren Stellenwert einräumen als der Wahrheit. Natürlich gibt es auch viele Gläubige, die dann verständlicherweise ihren Glauben verlieren
und von der Fahne gehen.

Von welcher Wahrheit sprichst du?
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Andreas
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#12 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Andreas » Sa 14. Jan 2017, 21:10

Münek hat geschrieben:Du verstehst?! :lol:
Nö. Als ich deinen Beitrag überflog, stach mir das Wort "Redlichkeit" ins Auge. Bei "Vorsicht heiß und fettig" mach ich schnell die Bahn frei ohne mich lange mit lesen aufzuhalten. Ich meide Verbrühungen und ranzige Fettflecken. Das bin ich meiner unbeflekten Unredlichkeit schuldig. Ich werd mich doch auf meine alten Tage nicht noch ehrlich machen. Ich schau nächstes Jahr nochmal, ob sich da in deiner Argumentation was neues ergeben hat. Versprochen.

Novas
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#13 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Novas » Sa 14. Jan 2017, 21:40

Rembremerding hat geschrieben:
lovetrail hat geschrieben:
Ich bin aber so "gutgläubig", dass ich meine, die Bibel als Wort Gottes überführt uns (zumindest auf lange Sicht) von unserem unzureichenden Vorwissen und ändert dieses also, bzw erweitert es auch. Unter gewissen Umständen kann dieser Prozess aber fehlschlagen und sogar zu einem schlimmeren Missverstehen führen, sodass man an Jesu Worte denken muss: "Mit den Ohren hören sie, verstehen aber doch nicht."

Hinsichtlich des Themas muss auch hinterfragt werden, inwieweit belastbar das "sola scriptura" von Martin Luther ist.
Er nahm das Schriftverständnis von Petrus Valdes auf und im Grunde ist die HKM ab dem 19. Jahrhundert auch ein wissenschaftlicher Reflex dieser Sichtweise der Hl. Schrift, die sich immer mehr auf die Wortwörtlichkeit und die Irrtumslosigkeit berief.

Die Gefahr dieser Sichtweise ist auch, dass immer mehr die Tatsache verloren geht, dass das Christentum keine Buchreligion ist, sondern eine Beziehung zum allmächtigen liebenden Gott, der Mensch wurde.

So ist es :thumbup: der Verdienst von Luther war es, dass er gesehen hat, dass der HEILIGE GEIST eine innere Wirklichkeit im Menschen ist. Anstatt blind einer äußeren Autorität zu folgen, sollen wir lernen dieser inneren Autorität Gehör zu schenken (und so mündige Menschen werden). Dann noch seine Bibel-Übersetzung. Das "sola scriptura" halte ich jedoch für die Saat des Fundamentalismus. Es gibt tausende von unterschiedlichen Gruppierungen, die alle für sich den Anspruch erheben die Bibel korrekt verstanden zu haben und sich gegenseitig das richtige Verständnis absprechen. Daran sieht man: "alleine die Schrift" genügt einfach nicht.
Grundsätzlich kann man sagen: jede Auslegung des Bibeltextes spiegelt den ‚Erkenntnishorizont’ des Auslegers.

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lovetrail
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#14 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 22:10

Novalis hat geschrieben:Daran sieht man: "alleine die Schrift" genügt einfach nicht.

Es gibt 5 solas:

Sola Fide (allein der Glaube)
Sola Scriptura (allein die Schrift)
Solus Christus (allein Christus)
Sola Gratia (allein die Gnade)
Soli Deo Gloria (allein Gott gehört die Ehre)

LG
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Rembremerding
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#15 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Rembremerding » Sa 14. Jan 2017, 22:15

Novalis hat geschrieben: der Verdienst von Luther war es, dass er gesehen hat, dass der HEILIGE GEIST eine innere Wirklichkeit im Menschen ist. Anstatt blind einer äußeren Autorität zu folgen, sollen wir lernen dieser inneren Autorität Gehör zu schenken (und so mündige Menschen werden). Das "sola scriptura" halte ich jedoch für die Saat des Fundamentalismus.
Sola scriptura ist nicht Luthers Entdeckung von Anfang an. Sie entwickelte sich, wie einiges andere auch, erst während der von beiden Seiten unselig geführten Auseinandersetzungen mit seiner Kirche.
Wenn nun die Hl. Schrift jenes Wort Gottes ist, welches von ihm erzählt, dann kann man doch nicht davon ausgehen, dass sie urplötzlich fertig vorlag. Das Urchristentum war nicht biblisch, es war apostolisch. Aus ihr heraus entstand doch erst die Hl. Schrift.
Sola scriptura setzt voraus, dass die Hl. Schrift der Gemeinde gegenübersteht, als Richtschnur und Regularium. Von Anfang an aber lebte die Gemeinde, die Ekklesia, durch die Hl. Schrift und die Hl. Schrift durch die Ekklesia.

Fundamentalismus ist eine folgerichtige Entwicklung aus einer Haltung gegenüber der Hl. Schrift, die sie quasi als vom Himmel fallend definiert. Nie hat jedoch die Kirche bestritten, dass der Hl. Geist eben in dieser Kirche und ihren Gliedern ein Instrument fand, das die Hl. Schrift und den Kanon festlegte. So unterschieden schon die Kirchenväter Worte Jesu zu seiner fleischlichen Lebenszeit und Wirken Jesu später in seiner Gemeinde. Diese Schichtungen erkannte später die HKM als Schriftzeugnisse der authentischen Jesuworte und dem Osterglauben der Gemeinde. Daran schlossen sich Schriftzeugnisse der frühen Kirche an, die allesamt ihre Einheit im Kanon der Hl. Schrift fanden und vom Hl. Geist und damit von Gott inspiriert.

Somit muss eine Bibelauslegung immer im Sinne der Apostel geschehen und in dem Geiste, in dem die Hl. Schrift entstand, dem Hl. Geist. Jene Sola scriptura war eine wichtige und zu jener Zeit notwendige Anregung von Martin Luther. Sie allein ließ die menschlichen Zusätze klarer hervortreten und half sie auszutilgen. Aber sola scriptura ist schlussendlich und paradoxerweise nicht biblisch, denn auch die Apostel wandten dieses Auslegungsprinzip nicht an.

Servus :wave:
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Tyrion
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#16 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Tyrion » Sa 14. Jan 2017, 23:20

lovetrail hat geschrieben:Jesus würde diese blutige Geschichte wohl nicht gutheissen.

Wow, du bist dir nicht sicher, ob Jesus das Abschlachten und Foltern unzähliger Menschen nicht doch gutheißen würde? ("wohl nicht" lässt Zweifel...). Und nicht gutheißen heißt auch nicht ablehnen. Man kann neutral dazu stehen.

Interessant, dein Jesus-Bild mal so konkret mitzubekommen. Du bist unsicher, ob Jesus diese Verbrechen verurteilen würde.

Das Christentum bewährt sich auch darin, trotzdem weiter an Jesus zu glauben.

Wow (nochmals). Dieser Satz ist hart. Was hat sich da bewährt?

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lovetrail
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#17 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von lovetrail » Sa 14. Jan 2017, 23:40

Tyrion, komm mir nicht mit solchen Mätzchen!

Gute Nacht.
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Raiauer
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#18 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Raiauer » So 15. Jan 2017, 11:05

Guten Morgen....Es gibt viele Themenbereiche der Bibel, wo man persönlich Prämissen aufstellen kann, ohne Gefahr zu laufen sich im folgenschweren Irrtum zu verrennen. Es gibt aber auch Themen in der Bibel, die fundamental bedeutungsschwer sind und die, wenn man sich dort verrennt, sich selber oder andere schadet. Damals, bei den ersten Christen, haben die Apostel die christliche Lehre formuliert. Heute gibt es hunderttausende die sich für Apostel halten und deshalb gibt es auch hunderttausende von verschiedenen Ansichten. Diese " Ich finde für mich selbst den passenden Glauben "- Philosophie ist verantwortlich für das Auseinanderfallen von christlichen Gemeinden. Wenn man den Maßstab der Urgemeinde anlegt, ist die Grundlehre der Christen bereits festgelegt und in der Bibel formuliert. Persönliche Prämissen dort anzulegen, könnte zum Schiffbruch im Glauben führen.Jesus hat für eine Führung unter den Christen gesorgt. Im ersten Jahrhundert war alles klar. Man wusste wer diese Führung ist und die Christen haben sich dieser Führung unterstellt. Heutzutage ist nichts klar. Jede christliche Religion beansprucht für sich von Gott geführt zu werden. Das ist leider für Suchende sehr verwirrend. Man kann diesen Suchenden nur raten sich die Urgemeinde genau anzuschauen und diese zu vergleichen mit dem heutigen Angebot um zu sehen, wo die Gemeinde Christi ist, oder man ist als Einzelgänger unterwegs, aber das wäre nicht im Sinne des Erfinders.

LG Rainer
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Helmuth
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#19 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von Helmuth » Mo 16. Jan 2017, 19:18

Raiauer hat geschrieben: Im ersten Jahrhundert war alles klar. Man wusste wer diese Führung ist und die Christen haben sich dieser Führung unterstellt. Heutzutage ist nichts klar.
Schon ein flüchtger Bilck in die Schrift zeigt, dass hier auch eine Prämisse vorliegt, das Urchristentum war noch sooo anders und rein und echt und authentisch und ... Bereits beim ersten Lesen des Briefes an die Galater oder des 1. Briefes an die Korinther zeigt sich, dass solche Annahmen geschrottet werden können.

Die Geistesgaben war stärker, aber den Unfug und den Streit darüber gab es von Anfang an. Sogar die Stellung des Paulus war umstritten, siehe 2. Brief an die Korinther. Eine wirkliche und sehr unangefochtene Autorität war Petrus, aber er konnte nicht überall sein. Und sein Problem wiederum war, er wollte oder konnte nicht so recht mit Heiden. Seine jüdischen Paradigmen legte auch er jahrelang nicht ab.

Bei den ersten Heiden-Gemeinden erkennen wir, dass Griechen von ihrer griechischen Bildung her geprägt waren und diese Denkart mit eingebracht haben. Darum musste Paulus auch hier von Anfang an Festungen zertrümmern, indem er ihnen von den stummen Götzen berichtet um den Schutt solchen Denkens wegräumen. Was ich sagen will, die ersten Gemeinden waren keinen Deut besser.

Spätestens Johannes bericht uns über die vielen falschen Christen, die aus den Gemeinden hervorgegangen sind und von denen sich der Name Antichrist bei manchen wie ein Hirnbranding ins Denken eingebrannt hat. Überall sehen sie den, nur nicht bei sich selbst.

Ich finde an sich unterschiedliche Herangehensweisen oder Auffassungen gar nicht so das große Übel, Das größere ist mangelnde Liebe, gerade also das allerwichtigste was Jesus uns lehrte. Genau das versagt unter den Brüdern am meisten. Und wenn ich sage, dass das gerade heute so von mir wahrgenommen wird, mache ich mir bewusst, dass ich selbst dabei wiederum einem Paradigma auflaufen kann.

Herr, wer erlöst uns nur aus diesem Affenkäfig voller Narrengedanken? Ich hätte eine Antwort: Der Herr Jesus Christus.

Shalom achim!
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

closs
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#20 Re: Die Rolle der Prämissen bei der Bibelauslegung

Beitrag von closs » Mo 16. Jan 2017, 21:40

Rembremerding hat geschrieben:Hinsichtlich des Themas muss auch hinterfragt werden, inwieweit belastbar das "sola scriptura" von Martin Luther ist.
Lovetrail hat geschrieben:Ohne sola scriptura kann man alles Mögliche ins Christentum hineinschmuggeln.
Spannendes Thema - denn genau das war der erbitterte Streit zwischen Luther und Melanchthon.

Luther wollte der "Freigeisterei" von Melanchthon einen Riegel vorschieben, weil er Angst hatte, dass damit "alles Mögliche ins Christentum hineingeschmuggelt" wird - da hatte Luther aus meiner Sicht recht. - Melanchthon hat wohl dagegen gemeint, dass die göttliche Wahrheit auch ohne Bibel funktionieren muss - da hat er genauso recht. - Im Grunde handelt es sich letztlich um eine pädagogische Frage: Wie kann man das Wort Gottes besser vermitteln? - Über die Bibel und nichts als die Bibel, weil dort alles nötige steht? - Oder über das universal Geistige, das es auch ohne Bibel gibt?

Pädagogisch war Luther aus meiner Sicht pragmatischer - Melanchthon war da etwas "aufgeklärter", was aber auch immer die Gefahr der Entgrenzung und Verballhornung in sich hat, wie wir in unserer heutigen Zeit besonders gut sehen können. - Dazu würde noch der Briefwechsel zwischen Erasmus von Rotterdam und Luther passen, in dem der Luther dem Erasmus derart die Ohren wäscht, als wären sie Feinde.

Luther war kein "Aufklärer", sondern eigentlich Katholik. Und er hat die Entgrenzungs-Gefahren der Aufklärung in den Anthropozentrismus hinein erkannt - deshalb "Sola Scriptura".

Novalis hat geschrieben:der Verdienst von Luther war es, dass er gesehen hat, dass der HEILIGE GEIST eine innere Wirklichkeit im Menschen ist. Anstatt blind einer äußeren Autorität zu folgen, sollen wir lernen dieser inneren Autorität Gehör zu schenken
Das wäre dann die Synthese des dann doch "aufgeklärten Katholiken" Luther. - Einerseits keine Rom-Gläubigkeit, gleichtzeitig innere Bindung an die Bibel. - Aber eben auch keine Entgrenzung - so weit weg vom Zentralismus der Bibel, die in Rom haptisch symbolisiert war, wollte er dann doch nicht.

Rembremerding hat geschrieben: Aber sola scriptura ist schlussendlich und paradoxerweise nicht biblisch, denn auch die Apostel wandten dieses Auslegungsprinzip nicht an.
:lol: Jetzt wird's kompliziert - aber Du hast recht. - Der Universalismus der Lehre Jesu ist schwer vereinbar mit "Sola Scriptura".

Was übrigens immer funktioniert, ist "Solus Spiritus". - Aber das ist pädagogisch nicht umsetzbar - das geht eher beim autoritären "Sola Scriptura".

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