Rembremerding hat geschrieben:Der Atheist und Philosoph Thomas Nagel rechnet in seinem Buch "Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist" mit dem reduktionistischen wissenschaftlichen Weltbild ab und bringt die angelsächsische Philosophenriege gegen sich auf.
„Wenn es einen philosophischen Vatikan gäbe, wäre das Buch ein guter Kandidat dafür, auf dem Index zu landen.“
[...]
Aber gottseidank gibt es keinen philosophischen Vatikan und Nagels Buch wird deshalb auch auf keinem Index landen.
Dieses Buch von Nagel wird das nächste philosophische sein, das ich lese. Ich selbst habe starke Sympathien für einen reduktionsitischen Naturalismus, sehe aber auch, wo seine Probleme liegen.
Das größte liegt wohl darin, dass wir uns als Subjekte mit Ich-Perspektive und eigenem Innenleben erleben und das so unmittelbar evident und unleugbar, dass eine Theorie, die versucht, dieses innere Erleben elegant wegzudiskutieren, letztlich nicht wirklich überzeugen kann. Das Qualia-Problem, also das qualitative Wahrnehmen bestimmter Sinneseindrücke wie Farben (Blauheit, Rotheit etc.) oder der unverwechselbare Geschmack eines Nahrungsmittels usw., steht exemplarisch für dieses Problem des Naturalismus. Zu behaupten, man könne einer blinden Person Farben ohne Informationsverlust so erklären, so dass es
keinen Unterschied macht, ob sie nur über dieses 3.-Person-Wissen verfügt oder tatsächlich selbst Farben sehen und erleben kann, ist einfach nicht sehr überzeugend. (siehe: das Mary-Gedankenexperiment;
http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_%28Ge ... eriment%29 )
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Information Philosophie" lese ich grade einen Artikel des deutschen Philosophen Holm Tetens: "Der Naturalismus: das metaphysische Vorurteil unserer Zeit?" hierzu. Leider gibt es den Artikel nicht im Netz.
Ich habe mir angewöhnt, zu solch grundsätzlichen Themen immer nur vorläufige eigene Haltungen einzunehmen. Nicht, weil ich zu feige wäre, eine klare Position zu beziehen, sondern weil ich es für philosophisch integerer halte, mich nicht voreilig bei so komplizierten, aber grundsätzlichen Positionen festzulegen. Ich halte das philosophisch für vollkommen okay, denn Philosophie wettet nicht auf das richtige Ergebnis, sondern muss versuchen ihre Probleme gedanklich zu durchdringen. Wenn mir eine Haltung sympathisch ist und ich sie gerne einnehmen möchte, aber ihre Probleme erweisen sich als zu groß, dann muss ich sie auch loslassen können. Philosophie (und alle Wissenschaft) sollte ja gerade keine Ideologie sein. Wenn sich eine Theorie als problematisch erweist, geht man zu einer besseren über: das ist völlig legitim und nicht nur das: es ist auch geboten.