Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#1 Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Novas » Fr 24. Nov 2017, 20:59

Angeregt durch das Tier wurde Gott. Erleben wir derzeit die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen oder ist das nur ein Ausdruck seiner Hybris? Wohin führt uns der rasante wissenschaftlich-technologische Fortschritt und benötigt das nicht ebenso einen inneren spirituellen Fortschritt, ein höherentwickeltes Bewusstsein im Umgang damit? Je mehr Macht der Mensch besitzt, desto größer ist seine Verantwortung.

Catholic hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber ist es richtig überall Verbote auszusprechen, anstatt die Richtung der Forschung zu beeinflussen?

Grundsätzlich bin ich nur für Verbote wenn es garnicht mehr anders geht.
Bezogen auf die Forschung halte ich Verbote für wenig sinnvoll.
Wenn z.B. embryonale Stammzellenforschung in einem Land verboten ist heisst das erstmal nicht dass sie grundsätzlich nicht mehr stattfindet sondern nur,dass sie in dem (!) Land nicht mehr stattfindet.
Wichtiger finde ich es,dass sich Wissenschaftler und Ethiker Gedanken machen ob es nicht ethische Grenzen der Forschung gibt.

Ja, es gibt bestimmte göttliche Grundsätze und Prinzipien, welche auch die wissenschaftliche Forschung beherzigen sollte, wenn es ihr wirklich um das Wohl der Menschheit geht. Wahre Wissenschaft und wahre Religion ergänzen sich in dieser Hinsicht perfekt. Leider ist jedoch die Vorstellung, dass Wissenschaft und Religion gegensätzlich und unvereinbar sind, tief in der Gesellschaft verwurzelt und das ist nicht gerade hilfreich, wenn es um den Dialog geht. Cui bono („Wem nützt es“) wenn sie gegeneinander arbeiten, anstatt zum gegenseitigen Wohl zusammen? Die Erzählung vom ewigen Krieg zwischen Wissenschaft und Religion basiert auf einer sehr einseitigen und verzerrten Geschichtsschreibung. Die Wissenschaft als „Entdeckerin der Wirklichkeiten“ ist unerlässlich. Die Aufgabe der Religion hingegen besteht in der geistig-seelischen und moralischen Entwicklung des Menschen, sie dient der Kultivierung und Vervollkommnung seines Charakters.

Beide zusammen ermöglichen wahren Fortschritt, der immer beidseitig sein muss: materieller und spiritueller Fortschritt. Wenn jemand behauptet, dass Wissenschaft und Religion unvereinbar sind, sich ausschließen, dann sagt er damit im Grunde:

"Nur wissenschaftlich-technologischer Fortschritt alleine ist wichtig und dort ist das alleinige Heil zu finden. Die innere spirituelle Entwicklung, die Entwicklung des Charakters und menschlichen Bewusstseins ist unwichtig und bedeutungslos. Es ist egal, was für ein Mensch Du bist und wie Du lebst"

Das ist sehr großer Unsinn. Oder besser gesagt, dahinter verbirgt sich eine kriminelle Gesinnung, der Recht und Unrecht, die Frage nach Gut und Böse, Wohl und Wehe des Menschen vollkommen egal ist und nur noch einer instrumentellen Vernunft folgt, was sehr unschöne Folgen hat, wie nicht nur Christen, sondern auch echte Marxisten wie Max Horkheimer erkannt haben:

Die Kritik der instrumentellen Vernunft ist auch eine Kritik an Naturbeherrschung, also am instrumentellen Verhältnis der (westlichen) Kultur zur Natur. Horkheimer kritisiert, dass die Natur, einschließlich der Tiere, heute „als ein bloßes Werkzeug des Menschen“ aufgefasst werde und „Objekt totaler Ausbeutung“ sei. Er stellt einen Zusammenhang her zwischen der Unterdrückung der (inneren wie äußeren) Natur und intrahumanen Herrschafts- und Unterdrückungsformen; da die Geschichte der Anstrengungen des Menschen, die Natur zu unterjochen, auch die Geschichte der Unterjochung des Menschen durch den Menschen sei und Naturbeherrschung Menschenbeherrschung mit einschließe, gelte im Umkehrschluss: „Der Mensch teilt im Prozeß seiner Emanzipation das Schicksal seiner übrigen Welt.“
Instrumentelle Vernunft

Wissenschaft und Technik können dem Menschen dienen, aber sie können ebenso missbraucht werden. Deshalb stellt sich die moralische Frage ebenso für Wissenschaftler. Spätestens seit der Erfindung der Atombombe sollte das klar sein.

Bild
Albert Einstein und Robert Oppenheimer, die zusammen am Manhatten-Projekt gearbeitet haben.

Während des Zweiten Weltkriegs wuchs bei der amerikanischen Regierung die Sorge, dass das nationalsozialistische Deutschland als erste Nation eine Atombombe bauen könnte (Uranprojekt). Um dies zu verhindern, wurde mit dem Manhattan-Projekt die Entwicklung einer amerikanischen Atombombe forciert.

Nachdem er 1941 Kitty Harrison geheiratet hatte, übernahm Oppenheimer 1942 die ihm angebotene wissenschaftliche Leitung des Manhattan-Projekts. Es war unter anderem seine Aufgabe, die besten Wissenschaftler des Landes für das geheime Projekt zu gewinnen. Oppenheimer verlegte das Projekt in die Wüste von New Mexico, wo in über 2000 Metern Höhe das Los Alamos National Laboratory errichtet wurde. Diese Forschungseinrichtung beherbergte schließlich etwa 3000 Menschen.

Die Forschungen in Los Alamos wurden abgeschlossen. Die erste Atombombe der Welt wurde “The Gadget” (deutsch: „das Gerät, technische Spielerei“) genannt und auf dem Testgelände „White Sands Missile Range“ mit dem Codenamen „Trinity“ in der Wüste von New Mexico am 16. Juli 1945 um 5:29:45 Uhr gezündet. Neun Kilometer davon entfernt wurde ein Bunker errichtet.

In Bezug auf dieses Ereignis zitierte Oppenheimer in einem Interview von 1965 die Zeile:

“Now, I am become Death, the destroyer of worlds.”

„Jetzt bin ich zum Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“

– aus der „Bhagavad Gita“, einer zentralen heiligen Schrift des Hinduismus.[6]
Wikipedia: Robert Oppenheimer

Es ist sehr skurril, dass er dir Bhagavad gîtâ zitierte, insbesondere wenn man bedenkt, wer darin den Satz „Jetzt bin ich zum Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“ sagt. Das sagt nämlich Gott. Das heißt, die Wissenschaftler haben begonnen Gott zu spielen, als sie „Trinity“ in der Wüste von New Mexico gezündet haben. Scheinbar hat Oppenheimer in diesem Moment intuitiv verstanden und mit einem gewissen Schrecken realisiert, dass die Wissenschaft eine moralische Grenze überschritten hat. Die Menschheit hat nun die Macht von Göttern, aber haben sie ebenso ihre geistige und moralische Reife, um damit richtig umzugehen? Da habe ich gewisse Bedenken ... :) ich zitiere von der Seite „Wortwuchs.net“ eine kurze Erklärung zum Begriff der Apotheose, damit jeder weiß, wovon ich rede:

Als Apotheose wird die Vergötterung oder Verherrlichung eines Menschen, also Sterblichen, zum Gott oder auch Halbgott bezeichnet. Vor allem im Altertum war es üblich, lebende Herrscher zu Gottheiten zu erklären, wodurch mitunter die rechtmäßige Herrschaft legitimiert wurde. In der Antike wird teils eine Zeremonie, die den Sterblichen zum Gott erklärt, als Apotheose bezeichnet. Der Apotheose gegenüber steht die Reinkarnation, die die Wiedergeburt eines Heiligen oder Gottes meint. Der Begriff lässt sich aus dem Altgriechischen ableiten (ἀποθέωσις) und mit Vergötterung übersetzen. Folglich verweist schon die Übersetzung darauf, worum es grundsätzlich geht: nämlich entweder um den Akt, also die Zeremonie, einen Menschen in den Kreis der Götter zu erheben oder eben die Vergötterung einer Person. Schauen wir dafür auf ein Beispiel aus der bildenden Kunst, das den griechischen Dichter Homer zeigt.

Bild
Die Apotheose von Homer, 1827, Jean Auguste Dominique Ingres

Das Gemälde ist Die Apotheose von Homer des französischen Malers Jean-Auguste-Dominique Ingres, das er im Jahr 1827 fertigstellte und wohl zu den bekanntesten und bedeutsamsten Werken des Künstlers zählt. Im Zentrum des Bildes thront der griechische Dichter Homer inmitten einer großen Schar wohlbekannter Persönlichkeiten. Zu seinen Füßen sitzen in grünem sowie orangefarbenem Gewand die allegorischen Darstellungen seiner bedeutensten Schriften (linke Frau: Ilias, rechte Frau: Odyssee). Auf diesem Gemälde finden sich weitere Dichter (bspw. Virgil), bildende Künstler (bspw. Raphael) sowie viele weitere Koryphäen aus sämtlichen Epochen der Zeitgeschichte. Im linken Vordergrund stehen unter anderem Mozart, Shakespeare und Torquato Tasso. Auf dem Tempel im Hintergrund lässt sich der Schriftzug OMHPOE erahnen, also die moderne griechische Bezeichnung für den Dichter Homer.

Homer selbst sitzt erhöht zwischen dem geballten Wissen der europäischen Kultur und wird von einem Engel oder auch der Siegesgöttin Nike mit einem Lorbeerkranz gekürt. Er wird im Bild also zu einem Gott erhoben, wobei die Darstellung an den Göttervater Zeus erinnert. Somit verweist der Titel des Werkes sowie das Abgebildete auf die eindeutige Apotheose von Homer: die Vergötterung des Menschlichen.

[...]

In der bildenden Kunst ist die Apotheose ein häufiges Motiv. Aber auch in der Literatur und dem Theater finden sich solche Elemente. Im Theater wird mit dem Begriff meist ein verherrlichendes Schlussbild bezeichnet, das den Menschen erhebt. Beispiele finden sich in zahlreichen griechischen Dramen, aber auch in neueren Werken wie Goethes Faust.
http://wortwuchs.net/apotheose/

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SamuelB
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#2 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von SamuelB » Fr 24. Nov 2017, 22:13

Ich finde, meine Frage, ob du Freimaurer bist, hat gemessen an dem, was du - insbesondere hier - schreibst, schon ihre Berechtigung. Dazu muss man das 'Gequatsche' natürlich kennen. :lol:

Ja, Privatsphäre, ok. Ist aber schon etwas übertrieben.


Bevor man die Frage beantwortet, ob der Mensch zwischenzeitlich Gott geworden ist oder noch im Werden begriffen ist, sollte man sinnigerweise klären, was man unter 'Gott' versteht. Welche Eigenschaften muss so ein Wesen erfüllen?
Da klaffen die Meinungen zweifellos weit auseinander. Mir gegenüber äußerte bspw mal einer, Gott müsse auf jeden Fall allmächtig sein, sonst würde er den nicht anerkennen. Darauf lege ich jetzt nicht so Wert...

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#3 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von SilverBullet » Fr 24. Nov 2017, 22:25

SamuelB hat geschrieben:Bevor man die Frage beantwortet, ob der Mensch zwischenzeitlich Gott geworden ist oder noch im Werden begriffen ist, sollte man sinnigerweise klären, was man unter 'Gott' versteht. Welche Eigenschaften muss so ein Wesen erfüllen?
Ganz einfach:
=> kein Wesen sein,
=> nicht vorhanden sein,
=> keinen einzigen Zusammenhang liefern (egal über was)

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#4 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Pluto » Fr 24. Nov 2017, 23:23

Novalis hat geschrieben:Angeregt durch das Tier wurde Gott. Erleben wir derzeit die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen oder ist das nur ein Ausdruck seiner Hybris?
Ja. Der Mensch ist gottgleich geworden. Nun kann er nacj Belieben in dies Schöpfung eingreifen.
Wohin führt uns der rasante wissenschaftlich-technologische Fortschritt und benötigt das nicht ebenso einen inneren spirituellen Fortschritt, ein höherentwickeltes Bewusstsein im Umgang damit? Je mehr Macht der Mensch besitzt, desto größer ist seine Verantwortung. [/quote]Aber reicht denn Verantwortung.
Der Mensch kann die DNA verändern. Was willst du konkret gegen den Fortschritt tun? Ich glaube nicht das Gebete mit oder ohne Rosenkranz viel bringen werden.

Novalis hat geschrieben:Ja, es gibt bestimmte göttliche Grundsätze und Prinzipien, welche auch die wissenschaftliche Forschung beherzigen sollte, wenn es ihr wirklich um das Wohl der Menschheit geht. Wahre Wissenschaft und wahre Religion ergänzen sich in dieser Hinsicht perfekt. Leider ist jedoch die Vorstellung, dass Wissenschaft und Religion gegensätzlich und unvereinbar sind, tief in der Gesellschaft verwurzelt und das ist nicht gerade hilfreich, wenn es um den Dialog geht. Cui bono („Wem nützt es“) wenn sie gegeneinander arbeiten, anstatt zum gegenseitigen Wohl zusammen? Die Erzählung vom ewigen Krieg zwischen Wissenschaft und Religion basiert auf einer sehr einseitigen und verzerrten Geschichtsschreibung. Die Wissenschaft als „Entdeckerin der Wirklichkeiten“ ist unerlässlich. Die Aufgabe der Religion hingegen besteht in der geistig-seelischen und moralischen Entwicklung des Menschen, sie dient der Kultivierung und Vervollkommnung seines Charakters.
Das ist angesichts der bevorstehenden Veränderungen zu wenig. Wenn die Wissenschaft in der Lage ist einen Supermenschen erfolgreich zu erschaffen, was nützt dann die Vervollkommnung des Charakters?

Novalis hat geschrieben:Beide zusammen ermöglichen wahren Fortschritt, der immer beidseitig sein muss: materieller und spiritueller Fortschritt. Wenn jemand behauptet, dass Wissenschaft und Religion unvereinbar sind, sich ausschließen, dann sagt er damit im Grunde:
"Nur wissenschaftlich-technologischer Fortschritt alleine ist wichtig und dort ist das alleinige Heil zu finden. Die innere spirituelle Entwicklung, die Entwicklung des Charakters und menschlichen Bewusstseins ist unwichtig und bedeutungslos. Es ist egal, was für ein Mensch Du bist und wie Du lebst"
Das ist sehr großer Unsinn. Oder besser gesagt, dahinter verbirgt sich eine kriminelle Gesinnung, der Recht und Unrecht, die Frage nach Gut und Böse, Wohl und Wehe des Menschen vollkommen egal ist und nur noch einer instrumentellen Vernunft folgt, was sehr unschöne Folgen hat, wie nicht nur Christen, sondern auch echte Marxisten wie Max Horkheimer erkannt haben
Der Mensch wird vom eigenen Geschöpf vom Sockel gestoßen? Seit mindestens 50'000 Jahren stand er zuoberst auf der Nahrungskette, und nun soll er weichen? Ist das dein Problem?

Novalis hat geschrieben:Wissenschaft und Technik können dem Menschen dienen, aber sie können ebenso missbraucht werden. Deshalb stellt sich die moralische Frage ebenso für Wissenschaftler. Spätestens seit der Erfindung der Atombombe sollte das klar sein.
Was meinst du mit "missbraucht"? Vielleicht ist es gut, dass endlich der Supermensch das Sagen hat.

Novalis hat geschrieben:
In der bildenden Kunst ist die Apotheose ein häufiges Motiv. Aber auch in der Literatur und dem Theater finden sich solche Elemente. Im Theater wird mit dem Begriff meist ein verherrlichendes Schlussbild bezeichnet, das den Menschen erhebt. Beispiele finden sich in zahlreichen griechischen Dramen, aber auch in neueren Werken wie Goethes Faust.[/i]
http://wortwuchs.net/apotheose/
Du denkst immer noch in traditionellen Mustern. Die Apotheose ist längst zur Realität geworden. Welche Möglichkeiten hat nun der Mensch? Soll er sich dagegen stemmen? Mit welchen Mitteln?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Catholic
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#5 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Catholic » Fr 24. Nov 2017, 23:37

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Wissenschaft und Technik können dem Menschen dienen, aber sie können ebenso missbraucht werden. Deshalb stellt sich die moralische Frage ebenso für Wissenschaftler. Spätestens seit der Erfindung der Atombombe sollte das klar sein.
Was meinst du mit "missbraucht"?

Ich denke dass Novalis genau das meinte.
Macht kann von Menschen auch missbraucht werden um Menschen zu schaden.
Die atomare Kernspaltung kann friedlich genutzt werden um auf diese Weise Energie zu gewinnen oder um Kernwaffen zu bauen.
Es ist "Segen und Fluch zugleich" dass der Mensch ansich erstmal neutrale Techniken nutzen kann um anderen Menschen zu schaden.
Warum gibt es den Nobelpreis?
Weil eben jener Alfred Nobel merkte,dass das von ihm entwickelte Dynamit,eigentlich für friedliche Zwecke im Bergbau gedacht,für militärische und kriminelle Zwecke zweckentfremdet wurde.

closs
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#6 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von closs » Sa 25. Nov 2017, 00:16

SamuelB hat geschrieben:Bevor man die Frage beantwortet, ob der Mensch zwischenzeitlich Gott geworden ist oder noch im Werden begriffen ist, sollte man sinnigerweise klären, was man unter 'Gott' versteht. Welche Eigenschaften muss so ein Wesen erfüllen? Da klaffen die Meinungen zweifellos weit auseinander.
So ist es. - Nimmt man abrahamitische Religionen als Maßstab, ist "Gott" das für absolute Allmacht, Allwissenheit und Überzeitlichkeit Stehende. - In diesem Sinne kann der Mensch nie Gott sein.

Pluto hat geschrieben: Was willst du konkret gegen den Fortschritt tun? Ich glaube nicht das Gebete mit oder ohne Rosenkranz viel bringen werden.
Gen. 11,4 Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen - Die Babel-Geschichte steht für das, was Du als "Fortschritt" bezeichnest.

Pluto hat geschrieben:Wenn die Wissenschaft in der Lage ist einen Supermenschen erfolgreich zu erschaffen, was nützt dann die Vervollkommnung des Charakters?
"Supermenschen" werden immer nur materielle Eigenschaften haben und keine meta-materielle Existenz - das genau aber ist die Grundlage geistigen Denkens. - Mit anderen Worten: "Supermenschen" können einen eine Weile lang ärgern, aber nicht auf Dauer wirksam sein.

Pluto hat geschrieben:Die Apotheose ist längst zur Realität geworden. Welche Möglichkeiten hat nun der Mensch? Soll er sich dagegen stemmen? Mit welchen Mitteln?
Das kann man schon, indem man geistig erkennt - aber das wird natürlich nicht auf breiter Front passieren. - Man hat deshalb nur als Individuum die Möglichkeit, zu erkennen - das reicht schon.

Novas
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#7 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Novas » Sa 25. Nov 2017, 00:59

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Angeregt durch das Tier wurde Gott. Erleben wir derzeit die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen oder ist das nur ein Ausdruck seiner Hybris?
Was willst du konkret gegen den Fortschritt tun?

Wenn der Fortschritt dem Wohl des Menschen dient, dann freue ich mich sehr darüber :thumbup: Doch echter Fortschritt beinhaltet für mich immer in einem ganzheitlich-integralen Sinne die spirituelle Evolution des Menschen im Sinne einer Bewusstseinserweiterung, ein Durchbruch in ein höheres Bewusstsein, wie sie Ken Wilber in seinem Buch Die Halbzeit der Evolution: Der Mensch auf dem Weg vom animalischen zum kosmischen Bewußtsein beschreibt. Das finde ich sehr interessant und bedenkenswert.

Wir haben erst die Hälfte der Evolution hinter uns. „Der Einstein der Bewusstseinsforschung“ zeigt den Weg der Menschheit vom animalischen zum transpersonalen Bewusstsein der Zukunft. Gelingt es dem Menschen die Krisen der Gegenwart zu bestehen, steht ihm eine vielversprechende Entwicklung bevor, die ihn so weit über den gegenwärtigen Stand hinausführen wird, wie er heute mental über dem Affen steht. Neuauflage mit neuem Vorwort von Ken Wilber.

Bild

Das wird allerdings nicht zum “Tod Gottes” führen, wie es Nietzsche meinte, sondern viel mehr zu seiner Auferstehung, zu einem höheren und erweiterten Verständnis von Gott. Ich glaube an den wahren und lebendigen Gott, der in der ganzen Evolution des Seins und der Menschwerdung zum Ausdruck kommt und mit ihm durch seine ganze Geschichte geht. Jesus selbst sagte: „Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen” (Joh 16,12.13). Er spricht vom Heiligen Geist als dem „Geist der Wahrheit“, der uns in ein immer höheres Verständnis der Dinge führt.

Viele Christen stehen dem offen gegenüber, wie solche Buchtitel zeigen.

Gott 9.0: Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird
Wendezeit im Christentum: Perspektiven für eine aufgeklärte Theologie
Der Mystiker aus Nazareth
Integrales Christentum: Das Praxisbuch zu Gott 9.0

Schluss mit lustig ist für mich jedoch genau dort, wo sich der sogenannte Fortschritt gegen den Menschen wendet, also in die Inhumanität umschlägt. Diese Idee den Menschen durch einen “Cyborg” zu ersetzen halte ich für ziemlich absurd. Als Nachfolger Jesu interessiere ich mich nun mal für den Menschen - durchaus auch die Vergöttlichung des Menschen, wenn man diesen Begriff verwenden möchte - aber das ist ein Prozess mit, in und durch den Menschen und niemals gegen ihn. Davon abgesehen denke ich, dass Christen immer an vorderster Front dabei sein sollten, wenn es um höhere Erkenntnis geht. So gesehen habe ich keineswegs etwas gegen den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt, aber er sollte nicht von der spirituellen Entwicklung des Menschen getrennt, sondern mit ihr kombiniert werden. Der christliche Mystiker und Benediktinerpater Willigis Jäger, Gründer des Benediktushof (Zentrum für Meditation und Achtsamkeit) in Holzkirchen hat es hervorragend gesagt:

So offenbart sich Gott als Mensch. Sie können nur zusammen erscheinen. Das ist für mich der Sinn der Inkarnation Jesu. Es soll darin sichtbar gemacht werden, dass alles eine Inkarnation Gottes darstellt, von den Quarks und Leptonen bis hin zu den rein geistigen Formen, von denen wir keine Ahnung haben. Wir sind „Gottmenschen“. Ich kann auch sagen: Gott hat sich als Mensch manifestiert.

~ Willigis Jäger

In gewisser Weise sind wir alle „Gottmenschen“, Söhne und Töchter Gottes, weil sich Gott durch den Menschen und die ganze menschliche Evolution manifestiert. Das ist der tiefere Sinn der ganzen christlichen Inkarnationslehre. Ich verstehe das Christentum inzwischen in einem universalen und kosmischen Sinne, es gibt eine den ganzen Kosmos umfassende “Christuswirklichkeit”, wie bereits das Johannes-Evangelium sagt, aber mein Eindruck ist, dass wir erst in unsrer Gegenwart wirklich verstehen, was da gesagt wurde. Gott und seine Schöpfung ist sehr viel größer, als wir gedacht und erwartet haben. Das könnte auch die Evolution intelligenter Lebensformen auf anderen Planeten beinhalten (ich bin mir dessen im Zeitalter von SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) und des Hubble Space Telescope sehr sicher :) )




closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Was willst du konkret gegen den Fortschritt tun? Ich glaube nicht das Gebete mit oder ohne Rosenkranz viel bringen werden.
Gen. 11,4 Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen - Die Babel-Geschichte steht für das, was Du als "Fortschritt" bezeichnest

Wenn der “Fortschritt” nur der egoistischen Selbstglorifizierung dient, dann stimmt das, meiner Ansicht nach. Doch dann ist es kein echter Fortschritt im Vollsinne des Wortes. Vor diesem falschen und illusorischen Fortschritt warnt die Bibel mit der Babel-Geschichte. Echter Fortschritt zeigt sich in der menschlichen Fähigkeit zur Selbst-Transzendenz, was ein anderes Wort für die Entfaltung unsres spirituellen Potentials ist, wie Mitleid und Liebesfähigkeit:

Selbst-Transzendenz, Begriff der existenzanalytischen Anthropologie V. Frankls zur Bezeichnung des intentionalen Wesenszugs der Person: “der grundlegende anthropologische Tatbestand, daß Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweist, das nicht wieder es selbst ist – auf etwas oder auf jemanden: auf einen Sinn, den da ein Mensch erfüllt, oder auf mitmenschliches Sein, dem er da begegnet. Und nur in dem Maße, in dem der Mensch solcherart sich selbst transzendiert, verwirklicht er auch sich selbst: im Dienst an einer Sache – oder in der Liebe zu einer anderen Person ... ganz er selbst wird er, wo er sich selbst – übersieht und vergißt.” Die Person genügt sich demnach von ihrem Wesen her niemals selbst, sondern ist auf die “Ergänzung durch andere(s)” angewiesen, was sie erst ganz (= “heil”) sein läßt. Selbst-Transzendenz ist daher die anthropologische Voraussetzung für Existenz (als “vollzogene” Selbst-Transzendenz). Selbst-Transzendenz hat als innere Voraussetzung die Selbstdistanzierung und als äußeren Referenzpunkt Werte, die in einem Sinn-Zusammenhang stehend Orientierung geben. Mit dieser intentionalen Konstitution der Person geht das Vermögen zum Dialog und zur Begegnung einher.

~ Spektrum.de, Lexikon der Psychologie. Selbst-Transzendenz

Das “Böse”, so könnte man aus dieser Perspektive sagen, ist nichts anderes, als die Verweigerung der Selbsttranszendenz und das Gefangensein in der eigenen Egozentrik. Was ist “Satanismus” anderes, als rücksichtsloser Egoismus? Die “Vergöttlichung des Menschen”, wie sie von orthodoxen Christen erstrebt wird, meint im Gegensatz dazu die Überwindung des Egoismus, die Entfaltung der Liebesfähigkeit, die Öffnung hin zum großen Ganzen, religiös gesprochen die Liebe zu Gott ;) Mangel an Selbsttranszendenz/Egoismus könnte stattdessen zum Untergang der menschlichen Spezies führen. Ich glaube nicht, dass das passieren wird (dazu ist mein Gottvertrauen zu groß), aber ganz grundlos laufen nicht so viele Weltuntergangsfilme im Kino. Darum ist das kein nebensächliches Thema. Bei mir steht es ganz oben auf der Liste. Das positive Szenario lautet: der Mensch wird geistig reif und erwachsen. Das negative Szenario: wir könnten ebenso in eine hochtechnologische Barbarei hinein laufen, die mit Fortschritt verwechselt wird, wie es im amerikanischen Drohnenkrieg sichtbar wird, der ein Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen die UN- Charta ist.

Ist es nicht absurd, wenn man einerseits vom “Supermenschen” träumt, aber andererseits solche Unmenschlichkeit zu beobachten ist? Bevor man versucht den Supermenschen zu erschaffen, sollten wir erst mal ganz und gar Mensch werden; und bevor man von Weltraumkolonisierung träumt, sollte man erst mal die Vereinigung der Menschheit und Frieden auf Erden herbeiführen. Wenn wir das geschafft haben, können wir den nächsten Schritt wagen.


„Es stimmt, die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber der Mensch kann nicht ewig in der Wiege bleiben. Das Sonnensystem wird unser Kindergarten.“

– Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski, Wegbereiter der modernen Raumfahrt

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#8 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Pluto » Sa 25. Nov 2017, 17:03

Novalis hat geschrieben:Wenn der Fortschritt dem Wohl des Menschen dient, dann freue ich mich sehr darüber :thumbup: Doch echter Fortschritt beinhaltet für mich immer in einem ganzheitlich-integralen Sinne die spirituelle Evolution des Menschen im Sinne einer Bewusstseinserweiterung, ein Durchbruch in ein höheres Bewusstsein, wie sie Ken Wilber in seinem Buch Die Halbzeit der Evolution: Der Mensch auf dem Weg vom animalischen zum kosmischen Bewußtsein beschreibt. Das finde ich sehr interessant und bedenkenswert.
Was ist, wenn das ein großer Irrtum ist?
Was ist, wenn der Mensch kurz davor steht, den Supermenschen zu kreieren, den die Evolution nicht mehr interessiert, der vermutlich eine uns völlig unbekannte Form von Bewusstsein besitzt?
Was wäre, wenn dieser Supermensch uns von die Herrschaft der Erde strttig machen würde, und dadurch unsere Nemesis ausgelöst wird?

Novalis hat geschrieben:Das wird allerdings nicht zum “Tod Gottes” führen, wie es Nietzsche meinte, sondern viel mehr zu seiner Auferstehung, zu einem höheren und erweiterten Verständnis von Gott.
Das stimmt nur unter Voraussetzung, dass der Mensch nicht verdrängt wird. Bisher ist er mit den anderen Homo-Arten fertig geworden, aber schafft er das auch mit dem Supermenschen?

Novalis hat geschrieben:Ich glaube an den wahren und lebendigen Gott, der in der ganzen Evolution des Seins und der Menschwerdung zum Ausdruck kommt und mit ihm durch seine ganze Geschichte geht. Jesus selbst sagte: „Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen” (Joh 16,12.13). Er spricht vom Heiligen Geist als dem „Geist der Wahrheit“, der uns in ein immer höheres Verständnis der Dinge führt.
Was in der Bibel steht, wäre dann hinfällig.


Novalis hat geschrieben:Viele Christen stehen dem offen gegenüber, wie solche Buchtitel zeigen.
Auch sie haben nicht zu Ende gedacht.

Novalis hat geschrieben:Schluss mit lustig ist für mich jedoch genau dort, wo sich der sogenannte Fortschritt gegen den Menschen wendet, also in die Inhumanität umschlägt. Diese Idee den Menschen durch einen “Cyborg” zu ersetzen halte ich für ziemlich absurd.
Wirklich? Ich vermute da ist die Hoffnung der Vater des Gedankens.

Novalis hat geschrieben:Als Nachfolger Jesu interessiere ich mich nun mal für den Menschen - durchaus auch die Vergöttlichung des Menschen, wenn man diesen Begriff verwenden möchte
Glaubst du, wenn morgen die Erde in Schutt und Asche gelegt würde, sei es durch einen nuklearen Krieg, oder eine Umweltkatastrophe, das würde das Universum interessieren?

Novalis hat geschrieben:
So offenbart sich Gott als Mensch. Sie können nur zusammen erscheinen. Das ist für mich der Sinn der Inkarnation Jesu. Es soll darin sichtbar gemacht werden, dass alles eine Inkarnation Gottes darstellt, von den Quarks und Leptonen bis hin zu den rein geistigen Formen, von denen wir keine Ahnung haben. Wir sind „Gottmenschen“. Ich kann auch sagen: Gott hat sich als Mensch manifestiert.

~ Willigis Jäger

In gewisser Weise sind wir alle „Gottmenschen“, Söhne und Töchter Gottes, weil sich Gott durch den Menschen und die ganze menschliche Evolution manifestiert. Das ist der tiefere Sinn der ganzen christlichen Inkarnationslehre. Ich verstehe das Christentum inzwischen in einem universalen und kosmischen Sinne, es gibt eine den ganzen Kosmos umfassende “Christuswirklichkeit”, wie bereits das Johannes-Evangelium sagt, aber mein Eindruck ist, dass wir erst in unsrer Gegenwart wirklich verstehen, was da gesagt wurde. Gott und seine Schöpfung ist sehr viel größer, als wir gedacht und erwartet haben. Das könnte auch die Evolution intelligenter Lebensformen auf anderen Planeten beinhalten (ich bin mir dessen im Zeitalter von SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) und des Hubble Space Telescope sehr sicher :) )
Ich bin mir auch sicher, dass extraterrestrisches Leben existiert! :thumbup:
Aber würden diese Wesen auf anderen Planeten mit der Wimper zucken, wenn wir nicht mehr da wären.

closs hat geschrieben:
Gen. 11,4 Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen - Die Babel-Geschichte steht für das, was Du als "Fortschritt" bezeichnest

Wenn der “Fortschritt” nur der egoistischen Selbstglorifizierung dient, dann stimmt das, meiner Ansicht nach. Doch dann ist es kein echter Fortschritt im Vollsinne des Wortes. Vor diesem falschen und illusorischen Fortschritt warnt die Bibel mit der Babel-Geschichte.
Selbstglorifizierung hin oder her... Der Fortschritt lässt sich nicht in eine closs'sche Zwangsjacke zwingen.
Auch ist die Babel-Geschichte der Bibel nicht wirklich eine Antwort auf die Frage: Was wäre wenn es gelänge einen Supermenschen zu schaffen, der nicht wie Frankensteins Monster zum verderb verurteilt wäre, sondern uns geistig (nicht nur Kognitiv) überlegen wäre, und obendrein ein Bewusstsein entwickeln könnte, was unser Vorstellungsvermögen komplett übersteigt?

Im Laufe der letzte 50'000 Jahre haben wir alles aus dem Weg geräumt, was an ernstzunehmender Konkurrenz da war. Wir sind es aus der Geschichte so gewohnt, Herrscher dieser Erde zu sein, dass jede Veränderung dieses Zustands für uns wie eine Apokalypse wirken muss.
Mich beschäftigt diese Frage sehr. Was mich besonders dabei stört, ist, dass ich nicht die leiseste Ahnung habe, wie darauf reagieren.
Wovon ich aber sicher bin, der Glaube an Jesus und Gott hilft da nicht weiter.

Es handelt sich um eine neue Herausforderung, auf die wir keine Antworten in alten Büchern finden.

Novalis hat geschrieben:Echter Fortschritt zeigt sich in der menschlichen Fähigkeit zur Selbst-Transzendenz, was ein anderes Wort für die Entfaltung unsres spirituellen Potentials ist, wie Mitleid und Liebesfähigkeit:

Selbst-Transzendenz, Begriff der existenzanalytischen Anthropologie V. Frankls zur Bezeichnung des intentionalen Wesenszugs der Person: “der grundlegende anthropologische Tatbestand, daß Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweist, das nicht wieder es selbst ist – auf etwas oder auf jemanden: auf einen Sinn, den da ein Mensch erfüllt, oder auf mitmenschliches Sein, dem er da begegnet. Und nur in dem Maße, in dem der Mensch solcherart sich selbst transzendiert, verwirklicht er auch sich selbst: im Dienst an einer Sache – oder in der Liebe zu einer anderen Person ... ganz er selbst wird er, wo er sich selbst – übersieht und vergißt.” Die Person genügt sich demnach von ihrem Wesen her niemals selbst, sondern ist auf die “Ergänzung durch andere(s)” angewiesen, was sie erst ganz (= “heil”) sein läßt. Selbst-Transzendenz ist daher die anthropologische Voraussetzung für Existenz (als “vollzogene” Selbst-Transzendenz). Selbst-Transzendenz hat als innere Voraussetzung die Selbstdistanzierung und als äußeren Referenzpunkt Werte, die in einem Sinn-Zusammenhang stehend Orientierung geben. Mit dieser intentionalen Konstitution der Person geht das Vermögen zum Dialog und zur Begegnung einher.

~ Spektrum.de, Lexikon der Psychologie. Selbst-Transzendenz
Auch hier zeigt sich wie sehr selbst Leute wie Frankl vor der Frage einer solchen Veränderung kapitulieren, und aufhören zu denken. Es geht nicht um die Weiterentwicklung des Menschen, sondern um eine Apokalypse, der wir nichts entgegensetzen können.

Novalis hat geschrieben:Ist es nicht absurd, wenn man einerseits vom “Supermenschen” träumt, aber andererseits solche Unmenschlichkeit zu beobachten ist? Bevor man versucht den Supermenschen zu erschaffen, sollten wir erst mal ganz und gar Mensch werden; und bevor man von Weltraumkolonisierung träumt, sollte man erst mal die Vereinigung der Menschheit und Frieden auf Erden herbeiführen. Wenn wir das geschafft haben, können wir den nächsten Schritt wagen.
Warum sollte die Vorstellung eines Supermenschen (ein geglücktes Frankenstein-Experiment) absurd sein? Ethikkommissionen rund um die Welt befassen sich mit dieser sehr realen Bedrohung der Menschheit. Bisher konnten sie nur mit Verboten antworten, aber ist das der richtige Weg?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
Beiträge: 7986
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#9 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Novas » Sa 25. Nov 2017, 19:20

Catholic hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Wissenschaft und Technik können dem Menschen dienen, aber sie können ebenso missbraucht werden. Deshalb stellt sich die moralische Frage ebenso für Wissenschaftler. Spätestens seit der Erfindung der Atombombe sollte das klar sein.
Was meinst du mit "missbraucht"?

Ich denke dass Novalis genau das meinte.
Macht kann von Menschen auch missbraucht werden um Menschen zu schaden.
Die atomare Kernspaltung kann friedlich genutzt werden um auf diese Weise Energie zu gewinnen oder um Kernwaffen zu bauen.
Es ist "Segen und Fluch zugleich" dass der Mensch ansich erstmal neutrale Techniken nutzen kann um anderen Menschen zu schaden.
Warum gibt es den Nobelpreis?
Weil eben jener Alfred Nobel merkte,dass das von ihm entwickelte Dynamit,eigentlich für friedliche Zwecke im Bergbau gedacht,für militärische und kriminelle Zwecke zweckentfremdet wurde.

Ich bin schon dafür, dass Christen “auf dem Weg”, in Bewegung bleiben, sodass sie offen für geistiges Wachstum und Reifung sind. Alle Menschen haben eine Weltsicht und stehen immer in der Gefahr sich mental abzukapseln, sodass sie in dieser Sichtweise erstarren und sich nicht mehr weiter entwickeln. Dem entgegen steht dann die lebendige Erfahrung, die geistiges Wachstum ermöglicht. Doch der sogenannte “Fortschritt” ist, wenn wir ehrlich sind, ein sehr schwammiger Begriff. Im Namen des Fortschritts wurde schon sehr viel Inhumanität produziert. Bereits C.S. Lewis hat die Rede vom Fortschritt kritisch in seinem Narnia-Roman betrachtet:

In C. S. Lewis' Narnia-Roman «Die Reise auf der Morgenröte» begegnet König Kaspian Gumpas, dem korrupten Gouverneur der Einsamen Inseln. Dieser erklärt Kaspian, dass der Sklavenhandel in seinem Gebiet «ein wesentlicher Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Inseln» sei. Kaspian entgegnet: «Ich kann nichts davon sehen, dass er den Inseln Fleisch oder Brot oder Bier oder Wein oder Holz oder Kohl oder Bücher oder Musikinstrumente oder Pferde oder Waffen oder sonst irgend etwas Nützliches bringt. Aber wie dem auch sei – er muss aufhören!» «Aber das hiesse, die Uhr zurückzudrehen», schnappt der Gouverneur. «Habt Ihr keine Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung?» – «Ich kenne beide», antwortet Kaspian, «in Narnia nennen wir das Verderben. Dieser Handel muss aufhören.»
Livenet.de: C.S. Lewis, Wenn Fortschritt Umkehr bedeuten muss

C.S. Lewis schrieb in “Pardon, ich bin Christ”, dass wir alle Fortschritt wollen, aber was machen wir dann, wenn wir feststellen, dass wir auf dem verkehrten Weg sind? Dann müssen wir umkehren: “In diesem Fall ist derjenige, der als erstes umkehrt und zurückgeht, der Fortschrittlichste.” (C.S. Lewis) Was ist eigentlich wahrer Fortschritt? Das hängt von der Antwort ab, die wir auf die Frage geben, wohin wir wollen: denn Fortschritt bedeutet für den Menschen, dem Ort näher zu kommen, den er wirklich und von Herzen erreichen möchte. Wenn auf den Altären des Fortschritts die geistigen und moralischen Werte geopfert werden, dann kann ich darin keine wirklich positive Entwicklung erkennen: denn das führt in eine Welt des Nihilismus. Angesichts dieses Szenarios kann wahrer Fortschritt auch Umkehr bedeuten, denn Fortschritt bedeutet Veränderung zum Besseren hin, nicht zum Schlechteren :)

Wenn jede Ethik so gut oder so schlecht wäre wie alle anderen auch, dann hätten wir keine Ursache, der Ethik des zivilisierten Menschen den Vorrang zu geben vor der Ethik des Wilden. In Wirklichkeit sind wir aber alle davon überzeugt, daß es höhere und geringere sittliche Anschauungen gibt. Wir sind davon überzeugt, daß Männer, die die ethischen Ideen ihrer Zeit zu ändern versuchten, mit Recht Reformatoren oder Bahnbrecher genannt werden; es waren Männer, die mehr von ethischen Grundsätzen verstanden als ihre Mitmenschen.

In dem Moment jedoch, wo wir zugeben, daß eine Ethik besser sein kann als eine andere, legen wir an beide einen Maßstab an und sagen, die eine komme diesem Maßstab mehr, die andere weniger nahe. Aber der Maßstab, den man an so etwas anlegt, ist natürlich etwas anderes als das Ding selbst. In Wirklichkeit vergleichen wir die beiden ethischen Systeme mit einer höchsten sittlichen Idee. Damit aber geben wir zu, daß es unabhängig von dem, was Menschen denken, so etwas wie eine letzte »Richtigkeit« gibt und daß die Anschauungen mancher Menschen dieser letzten Richtigkeit näher kommen als die von anderen. Oder drücken wir es anders aus: Wenn unsere ethischen Vorstellungen richtig sind, die der Nazis dagegen nicht, so muß es etwas geben - eine letzte, wirkliche Sittlichkeit -, woran beide gemessen werden können. Der Grund, weshalb Ihre Vorstellung von New York zutreffender sein kann als meine - oder auch nicht -, liegt darin, daß New York ein realer Ort ist, der ganz unabhängig davon existiert, was Sie oder ich uns darunter vorstellen. Wenn jeder, der »New York« sagt, damit eine Stadt meinen würde, die er sich selbst in seinen eigenen Gedanken ausgemalt hat, wie könnten wir dann sagen, die eine Vorstellung sei zutreffender als die andere? Die Frage nach richtig oder falsch würde sich gar nicht stellen. Wenn also alle Sittengesetze nichts anderes wären als das, was die einzelnen Völker jeweils gerade gutheißen, dann wäre es sinnlos zu behaupten, das eine Volk habe ein besseres ethisches System gewählt als das andere; es wäre sinnlos zu sagen, die Welt könne besser oder auch schlechter werden.

Das heißt also: Zwar lassen die Unterschiede in den ethischen Anschauungen der Völker den Verdacht aufkommen, daß es ein wirkliches, natürliches Sittengesetz nicht gibt. Doch die Folgerungen, die sich ergeben, wenn man diese Unterschiede überdenkt, beweisen gerade das Gegenteil.

~ C.S. Lewis, Mere Christianity (Pardon, ich bin Christ)
kath-info.de: Recht und Unrecht, Wegweiser zum Sinn des Universums (Von C.S. Lewis)

Ich bin nicht bereit diese “letzte, wirkliche Sittlichkeit” - die der menschlichen Existenz Sinn und eine unantastbare Würde verleiht - auf dem Altar des Fortschritts zu opfern, der auch zu einem „falschen Götzen“ werden kann. Davon abgesehen gibt es wahren Fortschritt, der unser Leben wirklich verbessern kann :wave:

Catholic
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#10 Re: Die Apotheose (Gottwerdung) des Menschen?

Beitrag von Catholic » Sa 25. Nov 2017, 20:06

Novalis hat geschrieben: C.S. Lewis schrieb in “Pardon, ich bin Christ”, dass wir alle Fortschritt wollen, aber was machen wir dann, wenn wir feststellen, dass wir auf dem verkehrten Weg sind? Dann müssen wir umkehren: “In diesem Fall ist derjenige, der als erstes umkehrt und zurückgeht, der Fortschrittlichste.” (C.S. Lewis)


Wirklich fortschrittlich zu sein heisst eben nicht alles,was umsetzbar ist auch auf jeden Fall umzusetzen.
Persönlich bin ich überzeugt dass echter Fortschritt auch Grenzen hat.

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