Alte und neue Kosmologie

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#1 Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Pluto » Di 18. Jul 2017, 17:18

Von den alten Griechen, bis ins Mittelalter glaubte man, dass die Erde das irdische beherbergt. Die Erde galt als Mittelpunkt des Kosmos. Darüber bewegten sich Sonne und Mond. Auf einer weiteren Ebene die Planeten, und schließlich alle anderen Sterne. Man glaubte, je weiter man sich von der Erde entfernt, umso reiner und "göttlicher" wurde es, bis man schließlich ins ewig Reich Gottes stieß, was sich über den Sternen befand.
Einigen Denkern des 16. und 17 Jahrhunderts fiel auf, dass hier was faul war. Leute wie Kopernikus, Galilei, Descartes, Leibniz und Newton begannen an diesem Modell, was die Menschen seit 3000 Jahren begleitete, zu zweifeln. Was wäre, wenn der Kosmos nicht in Schichten aufgebaut wäre, sondern tatsächlich homogen war? Was wäre, wenn überall im Kosmos dieselben Bedingungen galten? Sie alle gelangten schließlich zum selben Schluss: Das wäre das Ende des Körper/Seele Dualismus, den man seit Jahrtausenden kannte. Gegen diese profanen Gedanken wehrten sich die großen Denker. "Das kann doch nicht sein", sagte sie alle.

Descartes erfand den gütigen Gott der ihm erlaubte sein dualistisches Modell zu entwickeln und sein "Ich denke, also bin ich."

Leibniz zweifelte daran, dass der menschliche Geist aus rein materialistischem hervorgehen konnte, in dem er schrieb:
  • Wenn man nun dieses setzet so wird man bei ihrer innerlichen Besichtigung nichts als gewisse Stücke deren eines an das andere stosset niemals aber etwas antreffen woraus man eine Perception oder Empfindung erklären könnte. Dahero muß man die Perception in der einfachen Substanz und keines weges in dem Composito oder in der Machine suchen.
    [Gottfried Wilhelm Leibniz 1714: Monadologie §17]
Newton wehrte sich dagegen, in dem er den Großteil seines Lebens dem Studium der heiligen Schrift widmete und die heute skurril anmutende Vorstellung veröffentlichte, die Planetenbahnen seien instabil (was sie auch sind), sodass Gott persönlich ihnen von Zeit zu Zeit einen kleinen Schubs gab, um sie auf richtige Bahn zu lenken.

Am Ende stellte sich heraus, dass diese großen Denker alle mit ihren Zweifeln recht hatten: es gibt im Kosmos keine reiner werdenden Ebenen, bis hin zur Göttlichen. Der Kosmos ist überall, von der Erde bis zu den entferntesten Sternen homogen, d.h. es herrscht überall dieselbe Physik.
_________________________

Bedeutet die moderne Erkenntnis der Homogenität des Kosmos, das Aus für Gott und für den Dualismus von Körper und Seele?
Wenn nicht, warum nicht?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#2 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Novas » Mi 19. Jul 2017, 00:33

Pluto hat geschrieben:Bedeutet die moderne Erkenntnis der Homogenität des Kosmos, das Aus für Gott und fü den Dualismus von Körper und Seele? Wenn nicht, warum nicht?

Mein Eindruck ist eher, dass wir derzeit (vorallem im weltweiten Maßstab) eine Rückkehr der Religion erleben. Ich vertrete jene Auffassung, die Ken Wilber in seinem Hauptwerk "Sex, Ecology, Spirituality: The Spirit of Evolution" vertritt: in Zukunft werden wir nicht daran vorbei kommen, die Realität als eine zusammenhängende und allumfassende Einheit zu verstehen (Interconnectedness). Wilber weist jedoch auch darauf hin, dass die von der Aufklärung vorgelegte Darstellung der Existenz unvollständig ist, denn sie ignoriert oder unterschätzt die geistigen und noetischen Bestandteile des Daseins. Wenn Materialisten vom "Kosmos" sprechen, dann meinen sie damit nur den physischen Aspekt der Existenz, obwohl der Begriff früher die gesamte Große Kette des Seins umfasste (The great chain of being).

Die Wirklichkeit hat einen äußeren (physischen) Aspekt und sie hat einen innerlich geistigen (metaphysischen) Aspekt. Das lässt zweifellos Raum für Spiritualität und Religion. Problematisch ist jedoch der religiöse Fundamentalismus, der Religion politisch missbraucht für den "Kampf der Kulturen". Doch zu diesem negativen Szenario von Samuel Huntington gibt es auch positive Gegenszenarien, die von einer neuen Einheit von Wissenschaft und Religion sprechen.

Bild
Wissenschaft und Religion in Harmonie, Tiffany- Fenster namens Education (1890).


Doch das bedeutet nicht, dass Wissenschaft und Religion einander in jeder Hinsicht zustimmen müssen (das wird niemals passieren ;) ) aber sie können einander sehr wohl ergänzen, um so dem Wohl der Menschen zu dienen. Sehr interessant sind sicherlich die Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Erforschung der Meditation, die zeigen, dass regelmäßige Meditationspraxis den Bewusstseinszustand und Aktivität des Gehirns tiefgreifend und nachhaltig beeinflusst. Oder anders gesagt: der GEIST beeinflusst und formt das Gehirn.



Es ist demnach inzwischen eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, dass unsre Gedanken, Einstellungen, Überzeugungen und Gefühle eine Auswirkung auf den Körper haben und seine Gesundheit beeinflussen. Dazu kann dieser Beitrag von Dr. Uwe Meier, dem Vorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) gelesen werden. Welche Impulse ergeben sich daraus für eine "neue Kosmologie"? Für mich ist die logische Schlussfolgerung, dass das lange Zeit dominierende und von vielen favorisierte mechanistisch-materialistische Weltbild die Realität nicht ausreichend erklärt. Zur Ganzheit des Menschseins gehörte schon immer die Transzendenz und Spiritualität, sie bilden die Grundlage einer humanen Zivilisation und helfen uns dabei eine positive und lebensbejahende Vision für die Zukunft zu formulieren. Thomas Berry hat wunderbar in Worte gefasst, was das bedeutet:

“Wir müssen spüren, dass wir mit derselben Energie angefüllt sind, die das Entstehen der Erde, der Sterne und der Galaxien verursachte. Dieselbe Energie schuf alle Formen von Leben sowie das reflektierende Bewusstsein der Menschen. Es ist das, was die Poeten inspiriert, die Denker und Künstler aller Zeiten. Wir sind in einen Ozean von Energie eingetaucht, der unseren Verstand bei weitem überschreitet. Doch letztlich ist diese Energie nicht durch Beherrschung, sondern durch Erflehung die unsere” (The Great work, 1999, S. 175),
Thomas Berry: The Great Work

"Erflehung" bedeutet, dass es nicht darum geht diese "Energie" zu beherrschen, um sie so dem menschlichen Bedürfnis nach Macht zu unterwerfen, sondern sich ihr zu öffnen und mit ihr zu kooperieren und in eine Kommunion zu treten, sodass der Mensch inneren und äußeren Frieden und Wohlergehen findet, doch bei gleichzeitigem (demütigen) Bewusstsein der menschlichen Begrenztheit. Wie das geht, dieses spirituelle Wissen (oder Lebensweisheit) vermitteln die spirituellen Traditionen der großen Weltreligionen. Für den spirituellen Menschen ist Gott - die Energiequelle und Seinsgrund dem alles entstammt - nicht ein Problem, welches gelöst werden muss, sondern ein Mysterium, an dem wir teilhaben dürfen.

Wird dieses Verständnis so weit verinnerlicht, dass es unsere Wahrnehmung der Dinge, der Natur, der Erde und des Universums verändert, so öffnet sich der Weg für eine kosmische spirituelle Erfahrung, für die Kommunion mit allen und mit jeder/m. Durch diesen spirituellen Weg wird uns das bewusst, wonach die Wissenschaftler durch die Wissenschaft streben: eine Verbindung, die alles vereint und voran bringt.

~ Leonardo Boff Theologe und Philosoph von der Erdcharta Kommission. Er schrieb das Buch In Ihm hat alles Bestand: der kosmische Christus und die modernen Naturwissenschaften Butzond&Bercker, Kevelaer 2013.
Quelle

Von der neuen Kosmologie erwarte ich, dass sie so umfassend ist, dass sie diese spirituelle Perspektive mitdenken kann, sonst ist sie unvollständig. Christen könnten darüber nachdenken, was die Christusgeschichte in einem kosmischen Kontext bedeutet. Dazu gibt es viele gute Bücher, beispielsweise Who do you say I am?: The Christ story in the cosmic context von Kevin Treston, die Werke von Thomas Merton, Richard Rohr oder Cynthia Bourgeault. Gott und die Seele bzw. die spirituelle Dimension des Lebens wird auch in Zukunft wichtig sein, aber die Theologie muss anfangen größer und umfassender zu denken :wave:


Pluto
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#3 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Pluto » Mi 19. Jul 2017, 09:11

Novalis hat geschrieben:Mein Eindruck ist eher, dass wir derzeit (vorallem im weltweiten Maßstab) eine Rückkehr der Religion erleben.
Das mag in Ländern Südamerikas und in China so sein, ist aber nicht der Trend in Europa (siehe Skandinavien). Selbst in den USA, die lang Zeit von der Religion geprägt war, zeichnet sich ein Wandel hin zum Naturalismus des 21. Jahrhunderts ab.

Novalis hat geschrieben:Wilber weist jedoch auch darauf hin, dass die von der Aufklärung vorgelegte Darstellung der Existenz unvollständig ist, denn sie ignoriert oder unterschätzt die geistigen und noetischen Bestandteile des Daseins.
Es reicht eben nicht, zu sagen, dass irgendetwas fehlt.Das ist purer Obskurantismus. Da sollte man schon konkreter werden: Was fehlt denn? Was ist der "geistige Bestandteil" des Daseins? Woher kommt das Metaphysische, und wie interagiert es mit dem modernen Bild des Kosmos?

Novalis hat geschrieben:Wenn Materialisten vom "Kosmos" sprechen, dann meinen sie damit nur den physischen Aspekt der Existenz, obwohl der Begriff früher die gesamte Große Kette des Seins umfasste (The great chain of being).
Da irrst du. Naturalisten sehen den Kosmos als eine allumfassende Einheit. Wo man früher in Anlehnung an die alten Griechen, über den Sternen das Reich Gottes vermutete, ist nichts als die Größe des Universums auszumachen - gleichmäßig und homogen.

Große Denker wie Kopernikus, Galilei, Descartes, Leibniz, Newton oder später auch Kant waren alles andere als Materialisten. Was sie alle verband, waren ihre Zweifel an der alten Vorstellung, dass sich das Reich Gottes über den (in der Bibel beschriebenen) Himmeln befand. Seit Galilei wissen wir: Die Erde ist nicht mehr Mittelpunkt des Universums. Alle Erkenntnisse der neuen Kosmologie deuteten vielmehr darauf hin, dass der Kosmos unendlich ist. So gab es keinen Platz mehr für Spiritualität und Mystik. Wo sollte sich das Reich Gottes befinden, wenn der Kosmos ins Unendliche reicht?
Selbst moderne, aufgeklärte Theologen reden immer noch vom Jenseits, ohne zu fragen, was "Jenseits der Unendlichkeit" oder Jenseits des Universums, bedeutet.

Was alle großen Denker des 17/18. Jahrhunderts auszeichnete war, dass sie partout nicht akzeptieren wollten, dass alles von Mathematik und Wahrscheinlichkeit gesteuert wird (das Bild der heutigen Physik). Deshalb erfanden sie (Descartes und Newton) einen Gott, der Mathematik und Geometrie als Leitmotiv für seine Schöpfung verwendete. Die Erkenntnis, dass es möglicherweise keine Schöpfung gab, entstand erst später, im Lauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit den Arbeiten von Denkern wie Darwin, Freud und anderen.

Novalis hat geschrieben:Die Wirklichkeit hat einen äußeren (physischen) Aspekt und sie hat einen innerlich geistigen (metaphysischen) Aspekt. Das lässt zweifellos Raum für Spiritualität und Religion.
Schon in der Kunst des späten Mittelalters ist der Einfluss der Mathematik deutlich zu erkennen: Jesus wird nicht mehr als überdimensionaler Mensch vor blauem oder goldenem Hintergrund abgebildet, sondern erscheint den Künstlern der damaligen Zeit als gleich groß wie andere Menschen. Auch distanzierte man sich von den Farben des inneren Auges (blau und gold), hin zu realen Hintergründen mit Landschaften und es entstanden Bilder mit bis ins Detail abegebildeten Tieren und Dörfern: Man malte die reale Welt, wie sie einem erschien. Auch machten sich die ersten Versuche mit der geometrischen, 3-dimensionalen Perspektive der Motive bemerkbar.

Novalis hat geschrieben:Von der neuen Kosmologie erwarte ich, dass sie so umfassend ist, dass sie diese spirituelle Perspektive mitdenken kann, sonst ist sie unvollständig.
Was wir als Einzelpersonen von der Welt erwarten, ist nicht relevant. Deine Meinung in diesem Punkt wird von den Fakten der modernen Physik widerlegt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#4 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Novas » Mi 19. Jul 2017, 10:00

Pluto hat geschrieben:Was wir als Einzelpersonen von der Welt erwarten, ist nicht relevant. Deine Meinung in diesem Punkt wird von den Fakten der modernen Physik widerlegt.

Ja, mein Weltbild ist gewiss nicht die absolute Wahrheit, denn wie der Begriff selbst sagt, ist ein Weltbild nur ein Bild, eine Vorstellung. Doch das gilt ebenso für dein favorisiertes Weltbild. Die Fakten der modernen Wissenschaft können sehr unterschiedlich interpretiert werden, wie Du selbst weißt.

Es reicht eben nicht, zu sagen, dass irgendetwas fehlt.Das ist purer Obskurantismus.

Ich finde es unredlich, wenn Du immer wieder anderen Menschen Obskurantismus vorwirfst, nur weil sie ihrer (gottgegebenen) Gedankenfreiheit folgen. Doch scheinbar reicht Dir das :)
Zuletzt geändert von Novas am Mi 19. Jul 2017, 10:12, insgesamt 1-mal geändert.

ThomasM
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#5 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von ThomasM » Mi 19. Jul 2017, 10:11

Pluto hat geschrieben: Am Ende stellte sich heraus, dass diese großen Denker alle mit ihren Zweifeln recht hatten: es gibt im Kosmos keine reiner werdenden Ebenen, bis hin zur Göttlichen. Der Kosmos ist überall, von der Erde bis zu den entferntesten Sternen homogen, d.h. es herrscht überall dieselbe Physik.
_________________________

Bedeutet die moderne Erkenntnis der Homogenität des Kosmos, das Aus für Gott und für den Dualismus von Körper und Seele?
Wenn nicht, warum nicht?
Ich denke, du wirfst hier etwas durcheinander, was wissenschaftsgeschichtlich auch tatsächlich lange durcheinander ging.

Die alten Griechen warn noch sehr stark - ich sage mal - im Denkerischen verhaftet, d.h. ihre Methode war, sich Denkmodelle vorzustellen und diese als real zu sehen. Dabei waren sie sehr scharfsinnig, was die verschiedenen Denkansätze zeigen, die nicht unbedingt main-stream waren, z.B. dass die Erde eine Kugel ist und keine Scheibe.

Allerdings war bei den Griechen und viel stärker noch später im Mittelalter so etwas wie ein Nachweis oder eine experimentelle Prüfung eher verpönt, wenn nicht sogar verboten. Wenn man eine gelehrte Aussage machen wollte, dann musste man diese rhetorisch auf eine der akzeptierten Denker zurückführen.
Mein Lieblingsbeispiel ist die Ansicht, dass alle Krankheit von den Zähnen ausging und man - um gesund zu sein - die Zähne ziehen müsse. Dass die Praxis sehr dagegen spricht, war dem, der das vertreten hatte, egal, er konnte es auf Aristoteles zurückführen.

Die Basis der naturwissenschaftlichen Revolution war die Erkenntnis, dass, wenn man Aussagen über die Natur macht, man doch gefälligst die Natur in Form von Experimenten zu fragen hätte, ob das richtig ist.
Statt Rhetorik gab es jetzt ein neutrales Entscheidungskriterium von richtig und falsch.

Aber:
Dadurch teilte man die Welt in zwei Ebenen
- Dinge, die messbar waren und damit Experimenten zugänglich sind
- Dinge, die keiner Messung zugänglich sind und für die man daher kein Experiment durchführen kann.

Damit unterteilst du auch deine Fragestellungen in zwei Ebenen und deine Homogenitätsaussage gilt alleine für die messbaren Dinge.

Daher muss man deine Frage mit NEIN beantworten.
Zwar ist der messbare Teil der Natur homogen, aber es gibt immer noch nicht-messbare Teile und die Stichworte hast du schon genannt
- Güte
- Seele / Geist
- Gott
- Liebe
- Idee
- Kreativität
usw. usw.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#6 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Pluto » Mi 19. Jul 2017, 10:13

Novalis hat geschrieben:Ja, mein Weltbild ist gewiss nicht die absolute Wahrheit, denn wie der Begriff selbst sagt, ist ein Weltbild nur ein Bild, eine Vorstellung. Doch das gilt ebenso für dein favorisiertes Weltbild. Die Fakten der modernen Wissenschaft können sehr unterschiedlich interpretiert werden, wie Du selbst weißt.
Dennoch, die Welt funktioniert nur auf eine Weise, und diese ist unabhängig von den Interpretationen.
Wir wissen gewisse Dinge über die Welt, und eines davon, ist die Tatsache, dass das biblische Bild der Himmel, die immer reiner (göttlicher) werden, je weiter man sich von der Erde entfernt, falsch ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Pluto » Mi 19. Jul 2017, 10:34

ThomasM hat geschrieben:Statt Rhetorik gab es jetzt ein neutrales Entscheidungskriterium von richtig und falsch.
Eben.

ThomasM hat geschrieben:Aber:
Dadurch teilte man die Welt in zwei Ebenen
- Dinge, die messbar waren und damit Experimenten zugänglich sind
- Dinge, die keiner Messung zugänglich sind und für die man daher kein Experiment durchführen kann.
Mit deinem "aber" widersprichst du deiner vorhergehenden Erkenntnis.

ThomasM hat geschrieben:Damit unterteilst du auch deine Fragestellungen in zwei Ebenen und deine Homogenitätsaussage gilt alleine für die messbaren Dinge.
Was gibt es sonst, was von der Illusion des "inneren Auges" zu unerscheiden ist?

ThomasM hat geschrieben:Zwar ist der messbare Teil der Natur homogen, aber es gibt immer noch nicht-messbare Teile und die Stichworte hast du schon genannt
- Güte
- Seele / Geist
- Gott
- Liebe
- Idee
- Kreativität
Damit bist du in guter Gesellschaft, denn du machst denselben Fehler wie seinerzeit Leibniz, der so nah an der Wahrheit war, und sie dennoch nicht wahrhaben wollte.
  • Wenn man nun dieses setzet so wird man bei ihrer innerlichen Besichtigung nichts als gewisse Stücke deren eines an das andere stosset niemals aber etwas antreffen woraus man eine Perception oder Empfindung erklären könnte. Dahero muß man die Perception in der einfachen Substanz und keines weges in dem Composito oder in der Machine suchen.
    [Gottfried Wilhelm Leibniz 1714: Monadologie §17]
Was Leibniz nicht ahnen konnte: Die von dir erwähnten Empfindungen und die Seele sind das Ergebnis eines funktionierenden Gehirns.

Anders gefragt:
Was geschieht mit unseren Erinnerungen nach dem Tod?
Wenn ich den Erkenntnissen der modernen Neurologie folge, werden Erinnerungen in den Neuronen gespeichert. Wäre es möglich, diese Erinnerungen auf einen Computer zu übertragen, blieben die Gedanken als Kopie erhalten. Was spirituell denkende Menschen nicht verstehen: Wäre es möglich diese Erinnerungen auf eine transzendentale Seele zu übertragen, wären diese Gedanken ebenfalls bloße Kopien des Originals.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#8 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Novas » Mi 19. Jul 2017, 11:16

ThomasM hat geschrieben:Aber:
Dadurch teilte man die Welt in zwei Ebenen
- Dinge, die messbar waren und damit Experimenten zugänglich sind
- Dinge, die keiner Messung zugänglich sind und für die man daher kein Experiment durchführen kann.

Damit unterteilst du auch deine Fragestellungen in zwei Ebenen und deine Homogenitätsaussage gilt alleine für die messbaren Dinge.

Eine sehr gute Ergänzung :thumbup: dass das Messbare alleine nie genügen kann, können wir daran ablesen, dass auch jene Menschen, die sich als säkular und atheistisch verstehen, psychologische und philosophische Wege entwickelt haben, welche der Menschwerdung und Persönlichkeitsentwicklung dienen (wie die [url=ttp://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/hum ... logie/6752]Humanistische Psychologie[/url])
Sie suchen also nach einem Ersatz für die Religion (falls ein säkularer Denker genügend Verständnis für das menschliche Wesen besitzt, um zu erkennen, dass der Mensch ein reales Bedürfnis danach hat). Was nicht mehr funktioniert - und dahingehend kann ich Pluto Recht geben - die Spiritualität des Mittelalters kann nicht einfach auf das 21. Jahrhundert übertragen werden, denn auch im spirituellen Bereich findet eine evolutionäre Entwicklung statt. Das moderne Verständnis und das mittelalterliche Verständnis unterscheiden sich voneinander. Entwicklung hin zu mehr Tiefe und Komplexität findet zweifellos statt.

Raum und Zeit prägen die menschliche Wahrnehmung und damit ebenso unsre Welt- und Gottesbilder, in denen sich die menschliche Bewusstseinsentwicklung spiegelt. Wenn sich in der Wissenschaft ein Erkenntnissprung ereignet, dann muss die Religion mitspringen. Beispielsweise verzichte ich gerne auf mittelalterliche Körper- und Weltfeindlichkeit, die in einem dualistischen Weltbild wurzelte.

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#9 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von ThomasM » Mi 19. Jul 2017, 12:23

Pluto hat geschrieben: Die von dir erwähnten Empfindungen und die Seele sind das Ergebnis eines funktionierenden Gehirns.
Nun, das ist eben das Ergebnis deines naturalistischen Glaubens.

Du kannst deine Behauptung nicht beweisen, da du den Schritt von Korrelation zu Kausalität nicht machen kannst.
Und es gibt durchaus Hinweise darauf, dass dieser Schritt niemals machbar sein wird, alleine die Jahrzehntelange Debatte über die Qualia zeigt, dass das Problem nicht gelöst ist und es noch nicht einmal Ansätze gibt, wie es gelöst werden kann.
Also versteifen sich Leute wie du darauf zu behaupten, dass es kein Problem gibt, Lösung durch Wegschauen.

Damit wandelt sich deine Frage zur Kosmologie eigentlich in einen Zirkelschluss
Pluto fragt:
Bedeutet meine Annahme, dass Gott und alles andere lediglich Auswüchse des Gehirns sind, nicht das Aus für Gott und für den Dualismus von Körper und Seele?
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Novas
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#10 Re: Alte und neue Kosmologie

Beitrag von Novas » Mi 19. Jul 2017, 12:26

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ja, mein Weltbild ist gewiss nicht die absolute Wahrheit, denn wie der Begriff selbst sagt, ist ein Weltbild nur ein Bild, eine Vorstellung. Doch das gilt ebenso für dein favorisiertes Weltbild. Die Fakten der modernen Wissenschaft können sehr unterschiedlich interpretiert werden, wie Du selbst weißt.
Dennoch, die Welt funktioniert nur auf eine Weise, und diese ist unabhängig von den Interpretationen.
Wir wissen gewisse Dinge über die Welt, und eines davon, ist die Tatsache, dass das biblische Bild der Himmel, die immer reiner (göttlicher) werden, je weiter man sich von der Erde entfernt, falsch ist

Das mittelalterliche Weltbild kann tatsächlich nicht reanimiert werden, denn der Zug ist schon lange weiter gefahren und im nächsten Bahnhof angekommen :) Der Kulturphilosoph Jean Gebser sprach von 5 Phasen der Entwicklung, die das menschliche Bewusstsein durchläuft: die älteste Phase nennt er die archaische Phase, worauf die magische, mythische, rationale und integrale Phase folgen. Heute befindet sich der Mensch in der "rationalen Phase", während sich der mittelalterliche Mensch in der mythischen Phase befand. Im Prinzip versuchen religiöse Fundamentalisten heute in diese mythische Phase zurückzukehren, was jedoch zum Scheitern verurteilt ist, denn der Fluss der Zeit lässt sich nicht aufhalten.
Gebser hat ein Kriterium angegeben, wann seiner Meinung nach die nächste Phase oder ein Bewusstseinssprung stattfindet: wenn die Lösungsansätze des gerade vorherrschenden Bewusstseins nicht mehr ausreichen. Im Falle des modernen rationalen Bewusstseins wäre das der Fall, wenn das rationale Denken mit seinem Latein am Ende ist. Das wird dann als tiefgreifende Krise erlebt. Der mittelalterliche Mensch hat die anbrechende Moderne nicht freudig begrüßt, sondern sie erbittert bekämpft, weil sie sein ganzes Weltbild erschüttert hat. Im 4. Jahrhundert glaubten die Menschen noch, dass die Erde der Mittelpunkt des ganzen Weltalls sei; dann kamen sie zu der sehr traumatisierenden Einsicht, dass es ganz anders ist. Das bedeutet aber nicht das aus für Religion und Spiritualität, denn sie kann weiter gedacht werden.

Ein sehr guter Beweis dafür ist übrigens die Bibel, denn vom Alten Testament zum Neuen Testament hat sich ein sehr großer Bewusstseinssprung ereignet. Die Heilige Schrift kann sehr gut aus einer evolutionären Perspektive gelesen werden: über mehrere Jahrtausende entwickelte sich das Welt- und Gottesbild innerhalb einer gemeinsamen Tradition. Die biblischen Texte machen die Evolution des menschlichen Bewusstseins sichtbar, von einem archaischen zu einem immer höheren Bewusstsein.

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