Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Philosophisches zum Nachdenken
Agent Scullie
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#141 Re: Wie würde eine Welt ohne Religion und Spiritualität aussehen?

Beitrag von Agent Scullie » Fr 21. Jul 2017, 17:18

Novalis hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:A priori haben Ethik und Religion erstmal gar nichts miteinander zu tun. Weder setzt Ethik irgendeiner Weise Religion voraus, noch ist Religion in erster Linie eine ethische Lehre. Religion ist erst einmal ein metaphysisches Konzept, kein ethisches

Friede sei mit Dir :) Du ahnst sicher schon, wie meine Antwort dazu sein wird: ich denke sehr wohl, dass Religion, Moral und Ethik zusammen gehören, denn einzig und allein die Religion gibt den moralischen und spirituellen Wertvorstellungen eine metaphysische Verankerung
Der Satz ergibt in der Form wenig Sinn. Wertvorstellungen sind per se erst einmal moralisch, nicht spirituell. Spirituell können sie erst durch eine metaphysische Verankerung selbst werden, ebenso wie sie durch eine solche metaphysisch werden können.

Darüberhinaus bestätigst du gerade meinen Standpunkt: wenn, wie du sagst, Religion den moralischen Werten eine metaphysische Verankerung gibt, dann impliziert das ja, dass sie auch ohne diese Verankerung denkmöglich sind.

Novalis hat geschrieben:und schützt sie so vor der Beliebigkeit.
Auch das stimmt nicht. Wenn man Werte z.B. auf einen Gott im Sinne eines abrahamitisch-theistischen Gottesbildes zurückgeführt, in der Art, dass Gott etwa die 10 Gebote erlassen hat, dann macht sie das mitnichten weniger beliebig. Denn Gott hätte ja statt der bekannten 10 Gebote auch ganz andere Gebote erlassen können, oder er könnte sich entscheiden, die 10 Gebote für ungültig zu erklären und neue Gebote zu erlassen. Vor allem: man räumt damit ja Gott Vorrang vor den Werten ein, d.h. man erklärt damit, dass man, wenn Gott andere Gebote erlassen hätte/würde, man sich dann sofort Gottes Entscheidung fügen würde, egal wie sehr sich die neuen Werte von den alten unterscheiden. Das wird in der Bibel deutlich, in der Passage wo Gott Abraham dazu auffordert, ihm seinen Sohn zu opfern: Abraham gibt Gottes augenscheinlicher Entscheidung Vorrang vor seiner eigenen Empfindung, dass diese Entscheidung grausam ist. Hätte Gott ihn nicht von sich aus gestoppt, so hätte Abraham seinen Sohn tatsächlich umgebracht. Statt sich z.B. gegen Gott aufzulehnen und einzuwerfen: "Nein, Herr, das mache ich nicht, ich opfere dir nicht meinen Sohn, niemals. Von mir aus bestrafe mich so hart du willst, meinen Sohn opfere ich dir trotzdem nicht!".

Novalis hat geschrieben:Außerdem ist sie rein vom Menschen her gesehen notwendig, denn das Ziel aller Religion ist das Heil des Menschen: in diesem Leben und auch weit darüber hinaus.
Erstens: allein dadurch, dass Religion das Heil des Menschen zum ziel hat, wird sie nicht notwendig, um das Heil des Menschen zu erreichen. Wenn eine politische Partei das Wohl aller in einem Staat zum Ziel hat, wird es dadurch ja auch nicht notwendig, dass diese Partei an die Regierung kommt.

Zweitens: es ist dabei ja die Religion selbst, die festlegt, was dem Heil des Menschen dienlich ist und was nicht. Z.B. kann die Religion ja festlegen, dass es dem Heil des Menschen dienlich ist, wenn er eine Ständegesellschaft abkzeptiert, in der Adel und Klerus in Saus und Braus leben, während die breite Masse des Volkes hart arbeiten und am Rande einer Hungersnot leben muss (so eine Ansicht wurde von Seiten der Kirche durchaus Jahrhunderte lang vertreten). Oder sie kann festlegen, dass es dem Heil des Menschen dienlich ist, wenn Menschenopfer dargebracht werden (und zwar sowohl dem Heil desjenigen, der geopfert wird, als auch dem Heil derjenigen, die ihn opfern).
"Atheisten langweilen mich, weil sie immer nur von Gott reden"
(aus "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll)

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