Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Philosophisches zum Nachdenken
JackSparrow
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#121 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von JackSparrow » Sa 15. Jul 2017, 21:13

Halman hat geschrieben:Du demostrierst dies doch sogar, indem Du dich an den Argumenten von Thaddäus rantraust.
Ebenbürtige Gegner erhöhen den Testosteronspiegel...

Da hat sie "tatsächliche Tatsachen" geschrieben usw.
Rhetorische Figur zur besseren Einprägsamkeit aufgrund des ansonsten inflationären Gebrauchs des Wortes "Tatsache"?

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Thaddäus
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#122 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Thaddäus » So 16. Jul 2017, 14:19

JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:"Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann"
und seine Negation: ("Wenn |nicht-kein| [= ein] Ich existiert, dann existiert |nicht-nichts| [=etwas], das getäuscht werden kann") ... sind tatsächlich logisch äquivalent.
Eine Aussage kann nicht mit ihrer eigenen Negation äquivalent sein.
A <=> ¬A ?
Lieber JackSparrow, auf der rein formal-logischen Ebene, habe ich recht (wie ich meine), auf der materialen, also inhaltlich-semantischen Ebene, hast du recht! Leider ist es mal wieder etwas aufwändiger, zu zeigen, warum das so ist. Die Belohnung für das Lesen des folgenden anstrengenden Abschnitts ist also, dass ich dir am Ende inhaltlich durchaus zustimme ... ;) Ich will nur einfach sauber erklären, warum ich dir zustimmen kann.

Eine Aussage kann nicht mit ihrer eigenen Negation identisch sein, und eine Aussage kann auch nicht aus ihrer eigenen Negation folgen:
¬(¬A → A) ist also falsch.
Eine Aussage kann rein formal aber mit ihrer Negation logisch äquivalent sein. Dies liegt daran, weil die „Äquivalenz eine Relation ist und zwar eine Relation zwischen zwei Aussagen, die inhaltlich nicht gleich sind, aber stets gemeinsam entweder wahr oder falsch sind.“ (Wiki)
Ich komme gleich hierauf zurück.
---------------------------------------
Zunächst will ich Halman an dieser Stelle ausdrücklich recht geben, dass man sich nicht mit von der eigentlichen Frage ablenkenden Firlefanz aufhalten sollte, wie wir es hier gerade tun. Deine ursprüngliche und auch interessante These ist ja, dass es kein Ich gibt (welches getäuscht werden könnte) bzw. es eine Illusion ist. Meine Gegenthese ist, dass diese These unmittelbar widersprüchlich ist. Es ist viel spannender, hierüber zu diskutieren ...
---------------------------------------

Meine Ausgangsaussage war:
Thaddäus hat geschrieben:Und damit sagst du immer noch dasselbe wie ich oben, denn der Ausdruck: "Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann" ist logisch äquivalent mit dem Ausdruck: "Wenn ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann."
Es sei ...
(A → B) = "Wenn ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann."
¬(¬A → ¬B) = "Es ist nicht der Fall, dass, wenn kein Ich existiert, dann nichts existiert, das getäuscht werden kann."

Nun zur logischen Äquivalenz (Symbol: "<=>"). Um zu zeigen, warum ...

(A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) logisch äquivalent sind ...

... müssen wir die möglichen Wahrheitswerte der Ausdrücke (A → B) und ¬(¬A → ¬B) bestimmen. Hierfür benötigen wir die Wahrheitswerttabelle für die Implikation (Symbol: "→").
Denn für die logische Äquivalenz gilt:
Eine logische Äquivalenz liegt vor, wenn zwei logische Ausdrücke den gleichen Wahrheitswert besitzen, gleichwertig sind, die gleichen Wahrheitswerte-Eintragungen in einer Wahrheitstabelle haben, „wenn sie dieselben Wahrheitsfunktionen beinhalten, d. h. dieselben möglichen Werte ein- bzw. ausschließen“, wenn der Werteverlauf (Wahrheitstabelle) der beiden Aussagen gleich ist.

Allgemeiner formuliert – d. h. nicht auf Aussagenlogik beschränkt – sind zwei Aussagen P und Q der klassischen, zweiwertigen Logik genau dann äquivalent, wenn beide Aussagen unter jeder möglichen Interpretation denselben Wahrheitswert annehmen. (Wiki)

Setzt man für die Variablen "a" und "b" die Wahrheitswerte "w" und "f" ein, ergeben sich folgende vier Möglichkeiten für die Wahrheitswerttabelle der logischen Implikation. Die Implikation ist die rein logische Folgerungsbeziehung "wenn ... dann". :

Bild

Also, wie in der Wahrheitswerttabelle zu sehen:
1)
a b|....|A → B
f f..........w |Wenn a falsch, dann b falsch: ist insgesamt w
f w.........w |Wenn a falsch, dann b wahr: ist insgesamt w (Weil aus einer falschen Prämisse dennoch etwas Wahres folgen kann.)
w f.........f |Wenn a wahr, dann b falsch: ist insgesamt f (Weil aus einer wahren Prämisse, nichts Falsches folgen kann.)
w w........w |Wenn a wahr, dann b wahr: ist insgesamt w

Zur Erinnerung: die Variablen A und B lauteten:
(A) es existiert mindestens ein Ich
(B) es existiert etwas, das getäuscht werden kann
-----------------------------------------------------------
also: Wenn mindestens ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann (A → B)


Rein formallogisch ergeben sich damit folgende Wahrheitswerte:
1)
Wenn kein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann = w
Wenn kein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann = w
Wenn ein Ich existiert, dann existiert nichts, das getäuscht werden kann = f
Wenn ein Ich existiert, dann existiert etwas, das getäuscht werden kann = w

Nun steht vor A und B jeweils ein Negationszeichen (¬A → ¬B). Damit dreht sich die Wahrheitswerttabelle einfach um:

2)
¬a ¬b|....|¬a → ¬b
w w.............w
w f..............f
f w.............w
f f..............w

Wenn du jetzt vor die Klammer ein weiteres Negationszeichen setzt ¬(¬A → ¬B), dann drehen sich die Werte wiederum um und sie sind exakt so wie unter 1).

A → B |...| (¬A → ¬B) |...| ¬(¬A → ¬B)
...w ............. f ...................w
...w ............. f ...................w
...f .............. w ...................f
...w ............. f ...................w

Du siehst, egal welche Interpretation w oder f wir für A oder B einsetzen, erhalten wir identische Werte für die Wahrheitswerttabellen für
A → B und für ¬(¬A → ¬B).

Dies entspricht der formalen Bedingung für die Äquivalenz:
Eine logische Äquivalenz liegt vor, wenn zwei logische Ausdrücke den gleichen Wahrheitswert besitzen, gleichwertig sind, die gleichen Wahrheitswerte-Eintragungen in einer Wahrheitstabelle haben, „wenn sie dieselben Wahrheitsfunktionen beinhalten, d. h. dieselben möglichen Werte ein- bzw. ausschließen“, wenn der Werteverlauf (Wahrheitstabelle) der beiden Aussagen gleich ist.
Rein formallogisch gesehen ist (A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) also korrekt.

Dennoch stimme ich dir auf der materialen, inhaltlichen Ebene zu, denn du willst ja inhaltlich sagen, dass auch dann, wenn ein Ich nicht existiert, daraus nicht geschlossen werden darf, dass überhaupt nichts existiert, was getäuscht werden könnte.
Du führst als Beispiel an: "Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" ist eine wahre Schlussfolgerung
aber ...
"Wenn es nicht regnet, dann ist die Erde nicht nass" ist eine falsche Schlussfolgerung (was ja auch richtig ist).

Du fasst die Implikationen in "Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" und "Wenn es nicht regnet, dann ist die Erde nicht nass" ...
hier als kausal-inhaltliche Beziehung auf.

Rein formallogisch ist die Implikation aber keine kausale inhaltliche Beziehung, sondern nur eine logische. Und die Äquivalenz ergibt sich oben aus der rein formallogischen Implikation, nicht aus einem Kausalzusammenhang.

Beispiel:
"Wenn es regnet, dann ist die Erde nass" ist eine korrekte Schlussfolgerung (weil intuitiv inhaltlich ja richtig).
Rein formallogisch ist aber auch die Implikation ...

"Wenn es regnet, dann ist 1+2=3" völlig korrekt (weil es für die rein logische Korrektheit der Implikation gar nicht darauf ankommt, welche Inhalte A und B haben. Wichtig ist nur, dass A=w ist und B=w ist, dann ist der ganze Ausdruck wahr!

Nur deshalb ergibt sich die Verwirrung und darum kann ich dir letztlich durchaus zustimmen.
Rein formal ist (A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) zwar äquivalent, aber inhaltlich kann aus der Tatsache, dass kein Ich existiert nicht inhaltlich korrekt geschlossen werden, dass es überhaupt nichts gibt, das getäuscht werden könnte. Ursprünglich (siehe ganz oben) ging es mir um die Äquivalenz, nicht um die Schlussfolgerung.

Vielleicht können wir uns ja jetzt wieder deiner eigentlichen Ausgangsthese zuwenden ...
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 16. Jul 2017, 17:55, insgesamt 2-mal geändert.

Novas
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#123 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » So 16. Jul 2017, 17:50

Ich liebe Dich Thaddäus :Herz:

Halman hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:Du widersprichst dich: du willst kein Moderator sein, aber dennoch möchtest du maßregeln. Passt irgendwie nicht zusammen.
Unsinn! Wenn ich mal Tacheles rede, passt es nicht, wie?

Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen (Matthäus 3:10) ich bin dafür, dass mehr Qualitätsmanagement betrieben werden sollte.

Hemul hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben: Mädel, auch (Deine) Tatsachen sind nur relativ. ;)
Und ist deine Aussage: "Mädel, auch (Deine) Tatsachen sind nur relativ" auch nur relativ?
Na klar-alles ist nämlich relativ nur einer ist absolut. Weißt Du wer das ist? 8-)

Dein Ego und sein mit Bibelzitaten garniertes Geblubber ist jedenfalls nicht absolut und ganz sicher nicht der Maßstab Gottes :) hier ist äußerste Skepsis angebracht, denn das menschliche Ego ist manchmal eine so finstere Höhlenkreatur (ich denke an Smeagol aus dem Herrn der Ringe :D ), dass es Christus - das heißt: die Liebe - immer wieder kreuzigte.

Bild

und dieses Ego projiziert seine eigene Fratze ins Absolute und schafft sich dann ein Gottesbild nach seinem eigenen Bilde, wie Feuerbach richtig sagte.
Zuletzt geändert von Novas am So 16. Jul 2017, 22:48, insgesamt 2-mal geändert.

Novas
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#124 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » So 16. Jul 2017, 19:40

Platons Höhlengleichnis für moderne Menschen:


Das Höhlengleichnis von Platon ist ein sehr beeindruckendes Bild, weil es eine der denkbar tiefsten Wahrheiten ausspricht: wenn der Mensch in seinem Ego gefangen ist, dann gleicht sein Leben dem eines Höhlenbewohners, der nur die an den Höhlenwänden auf und ab tanzenden Schatten für wahr und wirklich hält, während draußen vor der Höhle das wahre Leben im wärmenden und strahlenden Sonnenlicht der Wirklichkeit stattfindet. Die Lebenden, das sind für Platon jene, welche die Entscheidung getroffen haben, die Höhle zu verlassen, ins Licht zu gehen und nie wieder bei den Schatten zu wohnen.

Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Ego ganz und gar hingibt um meinetwillen, der wird das wahre Leben finden (das wahre Selbst und die Fülle des Lebens in der Selbstlosigkeit) (Matthäus 16:25)

Das ist meine Übersetzung. Es gibt die Luther, Schlachter, Elberfelder und meine ganz persönliche Übersetzung :angel:

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#125 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von JackSparrow » Mo 17. Jul 2017, 22:36

Thaddäus hat geschrieben:¬(¬A → A) ist also falsch.
Genau genommen ist ¬(¬A → A) wahr: es ist unwahr, dass A aus nicht-A folgt.

Zunächst will ich Halman an dieser Stelle ausdrücklich recht geben, dass man sich nicht mit von der eigentlichen Frage ablenkenden Firlefanz aufhalten sollte, wie wir es hier gerade tun.

Ohne Logik wäre "Philosophie für Laien" doch bloß "Ideologie für Laien" ...

auch interessante These ist ja, dass es kein Ich gibt (welches getäuscht werden könnte) bzw. es eine Illusion ist

Ich bezweifle, dass Personalpronomen wie "ich" oder "du" eine Illusion sind. Andererseits sind Personalpronomen aber auch keine Lebewesen, die man täuschen könnte. Deshalb heißt es ja "pro-nomen" und nicht "nomen". Personalpronomen zeigen nur an, über wen man gerade redet.

Nun zur logischen Äquivalenz (Symbol: "<=>"). Um zu zeigen, warum ...
(A → B) <=> ¬(¬A → ¬B) logisch äquivalent sind ...

Statt zu negieren, multiplizieren wir mit -1:

(A => B) <=> -(-A → -B) <=> (-(-A) => -(-B)) <=> (+A => +B) <=> (A => B) quod erat demonstrandum

(A => B) <=> (-A => -B) <=> ??? <=> errare humanum est


Allgemeiner formuliert – d. h. nicht auf Aussagenlogik beschränkt – sind zwei Aussagen P und Q der klassischen, zweiwertigen Logik genau dann äquivalent, wenn beide Aussagen unter jeder möglichen Interpretation denselben Wahrheitswert annehmen.

"Unter jeder möglichen Interpretation" sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) Die Erde ist eine Kugel.
(2) Die Erde ist eine Scheibe.

Man braucht sich ja nur eine scheibenförmige Kugel vorzustellen...

Vielleicht können wir uns ja jetzt wieder deiner eigentlichen Ausgangsthese zuwenden ...

Sehr gern. Wenn jemand über sein "Ich" redet, dann redet in Wirklichkeit derjenige Körper, der gerade das Wort "Ich" sagt, über sich selbst.



Novalis hat geschrieben:Das ist meine Übersetzung. Es gibt die Luther, Schlachter, Elberfelder und meine ganz persönliche Übersetzung :angel:

Fehlt noch die Interpretation. Jesus empfiehlt dir die Zerstörung deiner Psyche. Auf welche Art beabsichtigst du dies konkret zu bewerkstelligen?
Zuletzt geändert von JackSparrow am Mo 17. Jul 2017, 22:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Andreas
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#126 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Andreas » Mo 17. Jul 2017, 22:49


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Halman
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#127 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Di 18. Jul 2017, 12:53

Vielen Dank für Deine schlüssige Argumentation, Thaddäus. Ich werde hier nur die logische gültige Konklusion zitieren.
Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: In reduktionistischen „Irrumtstheorien“ versucht man psychologisch und/oder kausal den Irrtum zu entlarven. Das Menschenbild, dass aus diesem Materialismus folgt, kann als Kränkung empfunden werden. Aber wenn es das „Ich“ gar nicht gibt, was täuscht sich dann?
Exakt! Was es nicht gibt, kann auch nicht getäuscht werden. Die Kränkung besteht übrigens für jeden, der über ein gewisses Maß an Intelligenz verfügt, in der unglaublichen Dämlichkeit, die abverlangt und unterstellt wird, die obige "Illusions-These" ernsthaft in Betracht zu ziehen, obwohl sie unmittelbar widersprüchlich sind.
Handelt es sich hierbei um ein Retorsionsargument mit einem performativen Widerspruch, wie er meiner Meinung nach auch dem
logischen Positivismus zugrundeliegt?

Gemäß dem Verifikationsprinzip des „Wiener Kreises“ (welche die Philsophie als „Magd der Wissenschaft“ ansah), sind nur Sätze sinnvoll, die verifizierbare Aussagen tätigen. Damit sind zwei Arten von Sätzen gültig:
1. Analytische Sätze, z.B.: Ein Junggeselle ist ein unverheirater Mann.
2. Synthetische Sätze, z.B.: Sauberer Schnee ist weiß.
Der Grundsatz des logischen Positivismus lautet: »Ein Satz ist wissenschaftlich nur dann sinnvoll, wenn die durch ihn ausgedrückte Proposition entweder analytisch oder empirisch verifizierbar ist.« Diese Aussage ist weder eine per Definition wahre Tautologie (nicht analytisch), noch synthetisch, da sie nicht verfizierbar ist. Folglich hebt sich der logische Positivismus selbst logisch auf.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#128 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Halman » Di 18. Jul 2017, 14:13

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Kommen wir hierzu zum ersten Beispiel nach Frege, indem die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung verdeutlich wird.
Wir wissen: Der Morgenstern ist ontisch identisch mit dem Abendstern.
Allerdings wäre es durchaus möglich gewesen, dass sie ontisch verschieden sind. Doch mit der Feststellung, dass diese Individualnamen den selben Himmelkörper bezeichnen, ist der Morgenstern ontisch notwendig identisch mit dem Abendstern.
Philosophen sollten sich - jedenfalls, wenn sie gut sein wollen - sprachlich sehr sauber und korrekt ausdrücken (also das Gegenteil von dem machen, was Kollege SilverBullet tut). Deshalb eine kleine besserwisserische Anmerkung zu obigem Abschnitt.

Ein Philosoph würde nicht schreiben: "Der Morgenstern ist ontisch identisch mit dem Abendstern."
Und zwar, weil das missverständlich ist. (Kollege closs würde sich so ausdrücken, weil einer seiner Lieblingsbegriffe "ontisch" ist.)
Ein Ausdruck, den er meines Wissens von Dir kennt. Zuvor gebrauchte er das Wort ontologisch. Damit will er meiner bescheidenen Rezeption nach ausdrücken, dass es wirklich real exisitiert.
Nimm als Beispiel einen abstrakt konstruierten Raum, z.B. den eindimensionalen Zahlenstrahl von -∞ ... -1 0 1 ... ∞, so ist uns klar, dass dieser "Raum" eine Abstraktion ist zur Darstellung aller Zahlen. Dieser Zahlenstral ist zwar Teil unserer Welt, wie Darth Vader und Gandalf, aber nicht ontischer Teil unseres Universums im Sinne einer physikalischen Entität. (Sofern ich mich falsch ausdegrückt habe, bitte ich um Korrektur, genau dazu ist dieser Thread u.a. auch von mir eröffnet wurden.)
Die Raumzeit der ART verstehe ich allerdings als physikalische Realität in dem Sinne, dass sie ontisch ist. Dies kann man natürlich bestreiten, aber auf die Alpen oder den Computer, den Du gerade verwendest, trifft dies sicher zu.

Closs geht es meiner Meinung nach um die Unterscheidung zwischen Dingen der Welt, die non-ontisch sind und Dingen, die ontisch sind.

Thaddäus hat geschrieben:Du möchtest aber sagen, dass die Individualnamen "Morgenstern" und "Abendstern" dasselbe ontische Objekt bezeichnen, nämlich den 2. Planeten unseres Sonnensystems. In diesem Falle beziehen sich die Namen "Morgenstern" und "Abendstern" also auf ein extensionales Objekt. (Extension ist die Menge aller Gegenstände, auf die sich ein Ausdruck bezieht. In diesem Fall hat diese Menge genau 1 Element, nämlich den 2. Planeten unseres Sonnensystems. Der Ausdruck "Mensch" bezieht sich dagegen auf die Menge aller Menschen usw.)
Dies meint Frege, wenn er von der Bedeutung eines Ausdrucks oder Satzes spricht.
Vielen Dank für Deine einleuchtende Erklärung. Genau so habe ich mir den Idealfall für die Art der Diskussionsführung in diesem Thread gewünscht.

Nun habe ich nein neutes Fremdwort gelernt: Extension. Danke.

Ich möchte Dich bitten, ein paar Minuten in diesen Vortrag von Siegfried Zimmer reinzuhören. Es geht um die drei Formen der Kritik, um die Redekunst von Jesus im Lichte von Hegel. In gekürzter Form möchte ich einige Worte zitieren:
Es gibt drei Formen Kritik zu üben an anderen, drei Formen:
Die billigste Form an anderen Gruppen, an anderen religiösen Strömungen, an anderen Geschäftskollegen, oder wie immer, gell, am Nachbar oder so, die billigste Form Kritik zu üben, merks euch bitte von heut' an bis zum Rest eures Lebens, ist Folgendes: Ich suche die Schwachstellen der anderen raus und stelle sie so geschickt zusammen, dass sie erledigt sind. Also, ich orientiere mich sofort automatisiert: die Schwachstellen ... die primitivste, billigste, plumpeste Form. Ich sage euch, das ist plump. Hört ihr es plumpsen? Wenn man die Schwachstellen des anderen herausgreift und sich denen stellt.

Jetzt sagt Hegel: Viel besser, viel anspruchsvoller ist folgende Form der Kritik: Du stellst dich den stärksten Punkten des anderen und stellst die zusammen und widerlegst die. ... Wenn Du deine starken Seiten mit den schwachen Seiten der anderen vergleichst, kann jeder sagen, was rauskommt. ...

Hegel sagt: Die beste Form der Kritik, ..., die beste Form an anderen Kritik zu üben ist nach Hegel folgende: Du ahnst, was der andere eigentlich sagen will, worin er recht hat, er kannst selber gar nicht so ausdrücken, ... du hilfst im bei der Artikulation seiner besten Argumente, du drückst sie besser aus wie er und dann widerlegst du sie. ...
Meiner Rezeption nach hast Du mir geholfen, meine Argumente in die beste Form ausdrücken, besser, als ich es könnte. Danke für die hohe Kunst der Kritik.
Vielen Dank! :blumenstrauss:

Thaddäus hat geschrieben:Der Satz: "Der Morgenstern ist ontisch identisch mit dem Abendstern" sagt wörtlich eigentlich aus, dass der Name "Morgenstern" mit dem Namen "Abendstern" ontisch identisch ist. Das willst du aber gar nicht sagen, und es ist auch nicht korrekt.
Ja, stimmt. Die hilfst mir in der Artikulation.

Thaddäus hat geschrieben:Ein Philosoph formuliert darum präziser: "Die Namen "Morgenstern" und "Abendstern" denotieren auf dasselbe stellare Objekt (nämlich den 2. Planeten unsere Sonnensystems). Denotieren bedeutet, dass sich ein Ausdruck auf ein extensionales Objekt oder mehrere bezieht.
Das "ontisch" kann man sich also komplett sparen.
Stimmt.

Thaddäus hat geschrieben:Man kann sich mit einem Ausdruck auch intensional auf etwas beziehen. Bezieht man sich intensional auf ein Objekt oder eine Klasse von Objekten, dann bezieht man sich auf seine/deren Merkmale und Eigenschaften.
Z.B.: "Der am hellsten leuchtende Stern über dem morgendlichen Horizont ist der Morgenstern, der viel heller leuchtet als der Abendstern."
Natürlich denotieren die Namen "Morgenstern" und "Abendstern" hier immer noch auf denselben 2. Planeten unseres Sonnensystems. Aber das ist nachranging, denn "Morgenstern" bezieht sich hier vor allem intensional auf dasjenige stellare Objekt, welches am Morgen am hellsten leuchtet und "Abendstern" auf dasjenige stellare Objekt, welches am Abendhimmel weniger hell leuchtet. (Das es sich dabei um ein identisches stellares Objekt handelt, ändert nichts am Wahrheitsgehalt des Satzes.)
Der Satz ist genau dann wahr, wenn der Morgenstern tatsächlich heller leuchtet als der Abendstern.
Dies meint Frege, wenn er vom Sinn eines Ausdrucks oder Satzes spricht.
Danke für die logische Erklärung.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#129 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Thaddäus » Di 18. Jul 2017, 18:53

Novalis hat geschrieben:Platons Höhlengleichnis für moderne Menschen:


Das Höhlengleichnis von Platon ist ein sehr beeindruckendes Bild, weil es eine der denkbar tiefsten Wahrheiten ausspricht: wenn der Mensch in seinem Ego gefangen ist, dann gleicht sein Leben dem eines Höhlenbewohners, der nur die an den Höhlenwänden auf und ab tanzenden Schatten für wahr und wirklich hält, während draußen vor der Höhle das wahre Leben im wärmenden und strahlenden Sonnenlicht der Wirklichkeit stattfindet. Die Lebenden, das sind für Platon jene, welche die Entscheidung getroffen haben, die Höhle zu verlassen, ins Licht zu gehen und nie wieder bei den Schatten zu wohnen.
Vielen Dank Novalis für den Matrix -Ausschnitt und den Bezug zum Höhlengleichnis. Vielleicht kommen wir hier ja noch darauf zu sprechen ...

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#130 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Thaddäus » Di 18. Jul 2017, 19:54

Hallo JackSparrow,

da ich in den nächsten Tagen möglicherweise nicht zu ausführlicheren Antworten komme, greife ich aus deiner letzten Antwort nur die Aspekte heraus, auf die ich kurz eingehen kann, auch, weil sie nur Nebensächlichkeiten darstellen.

Ansonsten möchte ich mir gestatten, dir demnächst zu deinen Thesen zum Ich zunächst noch ein paar Verständnisfragen zu stellen, damit mir deine Haltung dazu klarer wird und wir nicht über etwas streiten, worüber möglicherweise gar kein Streitpukt existiert. Meine Fragen werden also dazu dienen, mir einfach nur klarer über deine Position zu werden.

So kann ich z.B. deiner These: "Wenn jemand über sein "Ich" redet, dann redet [in Wirklichkeit] derjenige Körper, der gerade das Wort "Ich" sagt, über sich selbst" grundsätzlich zustimmen. Für mich wäre bei der Formulierung lediglich zu klären, was "In Wirklichkeit" an dieser Stelle bedeuten soll. Die Unterschiede unserer Positionen werden aber sicherlich zutage treten, wenn wir deine Aussage weiter präzisieren und darauf abklopfen, was genau du damit meinst.


JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:¬(¬A → A) ist also falsch.
Genau genommen ist ¬(¬A → A) wahr: es ist unwahr, dass A aus nicht-A folgt.
Vorsicht! Um genau zu sein wird der Ausdruck ¬(¬A → A) wahr, wenn man für A = w setzt und falsch, wenn man für A = f einsetzt. Das bedeutet, der Ausdruck ¬(¬A → A) ist keine Tautologie. Er ist also nicht immer logisch wahr, egal, welche Wahrheitswerte man einsetzt. Auch hier muss wieder zwischen der Implikation als rein logischer Implikation und der Implikation verstanden als Schlussfolgerung unterschieden werden. Man sehe:

Bild
Wie du siehst wird eine Implikation nur in einem einzigen Falle falsch, nämlich wenn das Vorderglied wahr ist und das Hinterglied falsch. Ist das Vorderglied falsch und das Hinterglied wahr, ist die Implikation dennoch wahr. Wie intuitiv einleuchtend das ist, sei an dieser Stelle außer Acht gelassen, denn das ist eine Frage der Metalogik.

Setzen wir nun in ¬(¬A → A) die Wahrheitswerte für A ein:

a|....|¬A → A
w.....¬(w) → w
.........f → w
...........w....... (= die Implikation ¬A → A ist also wahr, wenn man für A = w einsetzt.)
Da vor der Klammer noch ein Negationszeichen steht, dreht sich dieser Wert um und die ganze Implikation ¬(¬A → A) wird falsch, wenn man für A = w setzt.

a|....|¬A → A
f.....¬(f) → f
.........w → f
............f....... (da w → f = f ist! Die Implikation ¬A → A ist also falsch, wenn man für A = f einsetzt.)
Da vor der Klammer noch ein Negationszeichen steht, dreht sich dieser Wert um und die ganze Implikation ¬(¬A → A) wird wahr, wenn man für A = f setzt.
Dies bedeutet, dass es nicht tautologisch ist, dass eine Aussage nicht aus ihrer Negation folgt.


JackSparrow hat geschrieben: Ohne Logik wäre "Philosophie für Laien" doch bloß "Ideologie für Laien" ...
Nun, die Philosophie umfasst so viele und sich oft gegenseitig ausschließende theoretische Ansätze, dass sie kaum als einheitliche Ideologie aufgefasst werden kann. So gehört der dialektische Materialismus zur Philosophie, aber auch das Gegenteil davon, nämlich der subjektive Idealismus oder der Solipsismus. Der Positivismus ist eine philosophische Richtung, aber auch der Dualismus usw.. Bezeichnet man die Philosophie als Ganze also als Ideologie, verwässert man eigentlich nur den Begriff "Ideologie".

JackSparrow hat geschrieben: Statt zu negieren, multiplizieren wir mit -1:

(A => B) <=> -(-A → -B) <=> (-(-A) => -(-B)) <=> (+A => +B) <=> (A => B) quod erat demonstrandum

(A => B) <=> (-A => -B) <=> ??? <=> errare humanum est
Das verstehe ich nicht und gehe darum nicht darauf ein. Falls es dir wichtig ist, kannst du ja nochmal darauf zurückkommen.


JackSparrow hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Allgemeiner formuliert – d. h. nicht auf Aussagenlogik beschränkt – sind zwei Aussagen P und Q der klassischen, zweiwertigen Logik genau dann äquivalent, wenn beide Aussagen unter jeder möglichen Interpretation denselben Wahrheitswert annehmen.
"Unter jeder möglichen Interpretation" sind folgende Aussagen äquivalent:

(1) Die Erde ist eine Kugel.
(2) Die Erde ist eine Scheibe.

Man braucht sich ja nur eine scheibenförmige Kugel vorzustellen...
Achtung! In der Logik bedeutet "Interpretation" nicht, dass man (A) oder (B) oder (1) oder (2) mit inhaltlichen Aussagen und Bedeutungen füllt. In der klassischen Logik spricht man von "Interpretation", wenn man die Wahrheitswerte wahr oder falsch für die Variablen einsetzt und dann die Junktoren "und", "oder", "wenn ... dann", "genau dann ... wenn" usw. anwendet.

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