Pluto hat geschrieben:Seit wann ist menschliche Vernunft anthropozentrisch? Ist sie nicht genau das Gegenteil?
Wie Du schon sagst: "MENSCHLICHE Vernunft", also das, was der Mensch an Vernunft haben kann.
Pluto hat geschrieben:Anthropozentrisch ist wenn der Mensch sich selbst über die Welt erhebt, in dem er sich laut der Mythologie der Bibel, für ihren Herrscher hält
"Die Welt" war damals nur die Erde - und diese sollten die Menschen gestalten (wie das ja heute auch noch ist). - Wichtig aber ist: Die Menschen haben sich im Gegensatz zu heute eben NICHT als Maßstab der Welt verstanden, sondern Gott. - Es gab also NICHT die Ansage "Mein Erkennungsvermögen ist Maßstab dafür, ob es Gott gibt oder nicht" - insofern war man damals weit weniger anthropozentrisch als heute.
Pluto hat geschrieben:Ist das von Hiob nicht etwas überheblich. Schließlich bemüht sich Gott ihn zu entschädigen
Wieso überheblich? Die Loslösung vom Anthropozentrismus ist eine eigene Erkenntnis, die auch noch gottgefällig ist. - Die Entschädigung kommt erst, als Hiob nicht im Traum denkt, dass so etwas kommen könnte.
Pluto hat geschrieben:Gemäß griechischer Mythologie war die Erdmutter Gaia die oberste und erste Göttin, die die Welt aus dem Chaos erschuf.
Genau - und vor dieser Göttin hatte ihr Sohnemann Zeus tierisch Schiß - der Olymp war also alles andere als allmächtig.
Das war das mythische Griechenland, das noch ein Gespür für die Urgründe des Seins hatte - aber genau gegen dieses mythische Griechenland ging doch die Agora mit ihrem "nous" und ihrem "logos", also dem, was man als moderne Vernunft-Haltung bezeichnen kann, an. - Mit anderen Worten: Das von uns gelegentlich als fortschrittlich gefeierte antike Griechenland war dasjenige, dass das mythische Urgrund-Griechenland anthropozentrisch ablehnte. - Wobei hinzugefügt werden muss, dass es auch im antiken Griechenland Philosophen gab, die ihren nous/logos unter das Phänomen dessen gestellt haben, was darüber war - wobei wir wieder bei Hiob und dem Christentum sind.
Pluto hat geschrieben: Ist das etwa eine schlechtere Chiffre als die Schöpfungsgeschichte der Bibel?
Es ist eine andere Chiffre, weil im NT die Welt aus Gott und nicht aus dem Chaos geschaffen wird. - Gaia hat die Welt NICHT aus dem Chaos erschaffen, sondern ist eine der ersten, die aus dem Chaos erschaffen ist - also ganz und gar nicht vergleichbar mit Jahwe.
Novalis hat geschrieben:Hier eine sehr gute Erklärung von einem orthodoxen Christen dazu:
Eine WIRKLICH sehr gute Erklärung - merci.
Novalis hat geschrieben: Das Christentum hat sich in den ersten drei Jahrhunderten seiner Ausbreitung der griechischen Sprache bedient, die es erst wirklich ermöglichte das Evangelium philosophisch zu durchdenken und "auf den Begriff zu bringen". Offenbar eignete sich dafür die griechische Sprache besonders gut.
Das glaube ich auch - im Grunde wurde das Griechische zu einem Wirtskörper für etwas ganz Anderes.
Darüber darf man aber eben nicht vergessen, dass das Evangelium NICHT im griechischen Geist, sondern im hebräischen Geist geschrieben ist - der hebräisch oder aramäisch denkende Johannes hat also jedes gedachte Wort ins Griechische übersetzt.