Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Philosophisches zum Nachdenken
SilverBullet
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#41 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von SilverBullet » So 4. Jun 2017, 09:07

Novalis hat geschrieben:Ja, deine mit missionarischen Eifer vorgetragenen Tiraden gegen die Philosophie, scheint dein Markenzeichen zu sein.
Du hast es doch selbst auf den Punkt gebracht, wie eng Religion und Philosophie verbandelt sein wollen.
Ist es dann verwunderlich, dass Kritik grundsätzlich angebracht wird?
=> Nein, es ist vernünftig.

Schau dir nur mal die organisatorischen Ähnlichkeiten an:
In der Religion gibt es „Auserwählte“, „besondere Personen“, um die sich die Anhänger scharen.
Exakt dieser Kult liegt auch in der Philosophie vor.

Philosophie ist eine Religionsstrategie, die sich als „Wissenschaft“ durchschlawiniern möchte.
Es ist doch kein Zufall, dass Religionen für sich beanspruchen, die „wahre Philosophie“ zu sein – diese Leute haben offensichtlich die Ähnlichkeiten erkannt und wollen sie gewinnbringend für ihre Zwecke einsetzen.

Novalis hat geschrieben:Ich kann dazu nur sagen: das Philosophieren solltest Du lieber Menschen wie Thaddäus überlassen
„Thaddäus“ macht auf mich eher den Eindruck eines „sehr kurzen Schluck Wassers“.
Nein, viele lustiger wird es, wenn man ein Spitzenmodell betrachtet:
nehmen wir „Aristoteles“ (in diesem Thread soll es ja ein weinig um die Antike gehen)

Der gute Mann hat anscheinend den lustigen Slogan aufgestellt, dass …
1…das Herz der Sitz des Intellekts sei
2…das Gehirn ein Kühlsystem für das überhitzte Blut aus dem Herzen sei

Boa, was für ein Menschheitsblödsinn :-)

Interessant ist dabei, dass Aristoteles wohl zwischen 384 bis 322 v.Chr. gelebt haben soll.
Davor gab es einen gewissen „Hippokrates“ (460 bis 370 v.Chr.), der das Gehirn als Organ für Sinneswahrnehmung und Intelligenz ansah und der heute wohl als der Begründer der Medizin als Wissenschaft gilt.

Das bedeutet also, obwohl für „Aristoteles“ eine Korrektheit verfügbar gewesen wäre, hat er einen Schabernack aufgestellt und verbreitet – ein derartiges Verhalten ist schlicht dumm.

Vermutlich hatte er in seiner Region ganz netten Erfolg damit (im Sinne von Zustimmung und Anhängerschaft), wodurch seine Verrücktheiten für ihn „sehr gut denkbar“ (ein weit verbreitetes „Werkzeug“ in der Philosophie) gewesen sein mussten :-)

Nun stellt sich die Frage, wieso "das Herz" und wieso bekam „Aristoteles“ damit Zustimmung, also warum herrschte damals eine derartige Kollektivdummheit?

Ganz einfach:
„Aristoteles“ hat schlicht nur das vertreten, was eine alte Kultur vor ihm phantasiert hat.
Es waren die Ägypter, die das Herz in den Mittelpunkt ihrer Lebens- und Jenseitsphantasien stellten (das Gehirn wurde beim Mumifizieren entfernt – Motto: „Was ist das denn? Keine Ahnung, wirf es weg“ :-))

Der gutste „Aristoteles“ hat also nichts anderes gemacht, als alte populär religiöse Vorstellungen „denkerisch“ zu vertreten => Philosophie: „Religion Light“.

Diese Enge zwischen Religion und Philosophie und auch die Strategie der „denkerischen Verpackung“ von religiösen Spinnereien, zieht sich durch alle Jahrhunderte.

Das Wort „Geist“ basiert auch auf einer religiösen Grundhaltung und schwubs, schon ist die Philosophie eine „Geisteswissenschaft“ – „Nachdigal ick hör dir trapsen“ :-)

Novas
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#42 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » So 4. Jun 2017, 16:29

SilverBullet hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ja, deine mit missionarischen Eifer vorgetragenen Tiraden gegen die Philosophie, scheint dein Markenzeichen zu sein.
Du hast es doch selbst auf den Punkt gebracht, wie eng Religion und Philosophie verbandelt sein wollen

Ja, Religion und Philosophie gehen beide davon aus, dass der Mensch neben seiner materiellen auch eine geistige Natur besitzt. Beide führen den Menschen zu einer geistigen Existenzform, was das unterscheidende Merkmal zwischen dem Geistigen des Menschen und dem nur Tierischen ist. Doch gibt es einen großen Unterschied zwischen einer Philosophie, deren große und edle Gedanken sich in Taten äußern, sodass den himmlischen Gedanken auch eine himmlische Seinsweise folgt ;), und eine Philosophie, die nur graue Theorie und Kopfgeburt ist ohne wirklich entscheidende Relevanz für die menschliche Existenz.

Abdu'l-Bahá sagte es hervorragend in seinen Ansprachen in Paris (1911):

Manche Männer und Frauen freuen sich über ihre erhabenen Gedanken, doch wenn diese Gedanken nie in die Ebene der Taten kommen, bleiben sie zwecklos: die Macht des Denkens hängt, von dessen Äußerung in Taten ab. Die Gedanken eines Philosophen mögen sich zwar in der Welt des Fortschritts und der Entwicklung in Handlungen anderer Menschen auswirken, auch wenn die Philosophen selber unfähig oder nicht bereit sind, ihre großen Ideale im eigenen Leben zu bekunden. Zu dieser Klasse gehört die Mehrzahl der Philosophen da ihre Lehren hoch über ihren Taten stehen. Dies ist der Unterschied zwischen den Philosophen, die geistige Lehrer, und denen, die nur Philosophen sind: der geistige Lehrer ist der erste, der die eigenen Lehren befolgt; er bringt seine geistigen Begriffe und Ideale herab in die Welt des Handelns. Seine göttlichen Gedanken werden der Welt kund gemacht. Er selber ist sein Denken, von dem er nicht zu trennen ist. Wenn wir einen Philosophen finden, der die Bedeutung und Größe der Gerechtigkeit hervorhebt und dann einen raubgierigen Herrscher in seiner Unterdrückung und Gewalttätigkeit ermuntert, werden wir rasch erkennen, dass er zur ersten Klasse zählt, denn er denkt himmlische Gedanken und übt nicht die entsprechenden himmlischen Tugenden.
Dieser Zustand ist bei den geistigen Philosophen unmöglich. weil sie stets ihre hohen und edlen Gedanken in Taten äußern."

Abdu'l-Bahá (Ansprachen in Paris)


Bild
Deutschlandfunk

Die Macht des Denkens hängt von dessen Äußerungen in Taten ab. Das - die Frage nach der rechten/wahren Lebensweise - ist die Brücke zwischen Religion und Philosophie. Von der Antike bis heute und bis zum Ende der Welt :thumbup:

„Thaddäus“ macht auf mich eher den Eindruck eines „sehr kurzen Schluck Wassers“.

Du warst mit deinen Beleidigungen schon mal kreativer. Wenn schon boshaft, dann bitte mit Stil und Originalität, so ist es dann leichter verzeihlich.


Nein, viele lustiger wird es, wenn man ein Spitzenmodell betrachtet:
nehmen wir „Aristoteles“ (in diesem Thread soll es ja ein weinig um die Antike gehen)

Der gute Mann hat anscheinend den lustigen Slogan aufgestellt, dass …
1…das Herz der Sitz des Intellekts sei
2…das Gehirn ein Kühlsystem für das überhitzte Blut aus dem Herzen sei

Es gibt auch heute noch Menschen, die dem Herzen eine höhere Wichtigkeit zusprechen. Genauer gesagt, alle großen Weisheitslehren sprechen dem Herzen eine sehr wichtige Rolle zu. Das Herz wird stets mit dem wahren Wesen des Menschen und höheren geistigen Eigenschaften wie Mitgefühl, Barmherzigkeit und Weisheit assoziiert. In der christlichen Spiritualität kennen wir das Jesusgebet, welches auch das Herzensgebet genannt wird. Im Buddhismus gibt es das Herz-Sutra, welches als das Sutra der höchsten Weisheit bekannt ist. Das Herz ist offenbar ein wiederkehrendes Sinnbild für das Höchste (wir können auch sagen das Göttliche) im Menschen.

Ein weiteres Beispiel aus dem DàodéjÄ«ng

„Die eins mit dem Tao sind, können gefahrlos gehen, wohin sie wollen. Selbst mitten in großem Leid nehmen sie den allumfassenden Einklang wahr, weil sie Frieden in ihrem Herzen gefunden haben. Laotse, Laotse - Tao Te King (Neu übertragen von Peter Kobbe)

Aristoteles ist offenbar nicht alleine mit seiner Spinnerei. Marcel Proust schrieb in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit:

In unserem Körper gibt es einen gewissen Instinkt für das, was uns zuträglich ist, wie in unserem Herzen für das, was unsere ethische Pflicht ist; beides kann durch keinerlei Autorisation von seiten eines Doktors der Medizin oder der Theologie ersetzt, werden. (Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit )

Oft wird das Herz mit dem Gewissen assoziiert. Das Herz besitzt unbestritten einen hohen Stellenwert in den Gedanken der Philosophen und Mystiker, Künstler und Poeten, Weisen und Heiligen aller Zeiten. Warum? Das wäre mal ein schönes Thema für ein philosophisches Essay. Wobei für mich „Herz“ nur ein anderes Wort für „Geist“ ist. Das entspricht dem biblischen Verständnis, denn dort wird mit dem Herzen gedacht:


Das Herz ist in der hebräischen Bibel ein wahrnehmendes Organ, es sei "zum Verstehen bestimmt", schreibt Hans Walter Wolff in seinem Buch "Anthropologie des Alten Testaments" (Gütersloh 2002, 7. Auflage). Dieses Verstehen ist nicht unbedingt Ergebnis intensiver eigener Studien, sondern es entspringt der Beziehung des Menschen zu Gott.
König Salomo ist dafür das beste Beispiel: Auf Gottes Frage nach seinem Wunsch antwortet er: "So gib du deinem Knecht doch ein verständiges Herz, dass er dein Volk zu richten versteht und unterscheiden kann, was gut und böse ist." (1. Könige 3,9). Weisheit, Verstehen und Urteilsvermögen sind also Qualifikationen, die Salomo nicht aus sich selbst heraus besitzt, sondern von Gott erbittet und empfängt. Die Einsicht kommt aus dem Hören, und Salomo siedelt sie in seinem Herzen an.
Denken, Fühlen und Wollen gehören in der Bibel untrennbar zusammen und finden in der in der Mitte des Menschen – im Herzen – zusammen.

https://www.evangelisch.de/inhalte/1134 ... zen-denken

SilverBullet
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#43 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von SilverBullet » So 4. Jun 2017, 19:51

Novalis hat geschrieben:Du warst mit deinen Beleidigungen schon mal kreativer. Wenn schon boshaft, dann bitte mit Stil und Originalität, so ist es dann leichter verzeihlich.
Ich garantiere dir, es trifft sie viel mehr, dass ich sie aus dem „Kreis der philosophischen Spitzenmodelle“ ausgeschlossen habe :-)

Novalis hat geschrieben:Es gibt auch heute noch Menschen, die dem Herzen eine höhere Wichtigkeit zusprechen. Genauer gesagt, alle großen Weisheitslehren sprechen dem Herzen eine sehr wichtige Rolle zu.
Solange du diese „grossen Weisheitslehren“ klar und deutlich als „wahre Philosophie“ kenntlich machst, habe ich damit eigentlich gar kein Problem.
Dadurch erstrahlen die schon oft genannten „fünf Meter Feldweg“ ein wenig mehr im Glanze - klar, im Sinne von „man sollte einfach nur den Schnabel halten, wenn man nichts zu sagen hat“ :-)

Novalis hat geschrieben:Das Herz ist offenbar ein wiederkehrendes Sinnbild für das Höchste (wir können auch sagen das Göttliche) im Menschen.
…
Aristoteles ist offenbar nicht alleine mit seiner Spinnerei
Nö, nö, das sind die Nachwehen der beherrschenden Kulturen aus der Vergangenheit.
Ich habe ja bereits die Ägypter genannt und woher die den Firlefanz rund ums „Herzerl“ hatten und wer da noch so alles abgeschrieben hat, will ich mir gar nicht vorstellen.

Tatsache ist jedoch: es war schon das Herz, also „die Pumpe“ gemeint.

Es handelt sich nicht um ein Sinnbild, sondern diese Leute haben sich, wie so mancher Nationalstolzer an die Brust gefasst, wenn man sie gefragt hat „wo du denken?“ – was wohl auch so manche Verrücktheit erklärt :-)

Novalis hat geschrieben:Oft wird das Herz mit dem Gewissen assoziiert. Das Herz besitzt unbestritten einen hohen Stellenwert in den Gedanken der Philosophen und Mystiker, Künstler und Poeten, Weisen und Heiligen aller Zeiten. Warum? Das wäre mal ein schönes Thema für ein philosophisches Essay.
Na, ich bin da nicht so begeistert – am Ende muss ich wieder ständig „peinlich, peinlich, peinlich“ schreiben, worauf „Halman“ dann reflexartig das Publikum befragen möchte, weil ich ihn verunsichert habe (er könnte ja auch mal zum 50:50-Joker wechseln oder jemanden anrufen) :-)

Novalis hat geschrieben:Wobei für mich „Herz“ nur ein anderes Wort für „Geist“ ist. Das entspricht dem biblischen Verständnis, denn dort wird mit dem Herzen gedacht
Oje, bevor du andere Wörter für „Geist“ suchen möchtest, solltest du dir doch zuerst einmal klar machen, was „Geist“ sein soll – immer dieses „nicht der Körper“ und „das Denkende“ ist irgendwie langweilig (weil mangelhaft).

Novalis hat geschrieben:Abdu'l-Bahá sagte es hervorragend in seinen Ansprachen in Paris
Wenn wir einen Philosophen finden, der die Bedeutung und Größe der Gerechtigkeit hervorhebt und dann einen raubgierigen Herrscher in seiner Unterdrückung und Gewalttätigkeit ermuntert
Also wenn ich „Philosoph“ höre, dann stelle ich mir immer ein „Taxi“Schildchen und einen zuviel quasselnden Fahrer vor, der eigentlich nichts zu sagen hat :-)
Ich gebe aber zu, dass sich in meinem Bekanntenkreis nicht so viele raubgierige Herrscher befinden, dass ich damit angeben könnte.

Novalis hat geschrieben:https://www.evangelisch.de/inhalte/1134 ... zen-denken
Das Herz ist in der hebräischen Bibel ein wahrnehmendes Organ, es sei "zum Verstehen bestimmt", schreibt Hans Walter Wolff in seinem Buch "Anthropologie des Alten Testaments" (Gütersloh 2002, 7. Auflage). Dieses Verstehen ist nicht unbedingt Ergebnis intensiver eigener Studien, sondern es entspringt der Beziehung des Menschen zu Gott.
Nein, man sollte den Sandalenläufern nicht immer so „gigantische Bedeutungswerke“ unterstellen – die haben letztlich einfach von den Ägyptern „abgeschrieben“ (genauso wie die Griechen). Ich habe ja die jahrtausende alte Mumifizierungstaktik mit „Konservierung des Herzens“ und „Entsorgung des Gehirns“ bereits erwähnt – du gehst halt nicht darauf ein und möchtest lieber das „grosse Offenbarungsliedchen“ singen – sorry, bei mir kommt diese Art von R & B irgendwie nicht an.

Novas
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#44 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » So 4. Jun 2017, 20:06

SilverBullet hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Es gibt auch heute noch Menschen, die dem Herzen eine höhere Wichtigkeit zusprechen. Genauer gesagt, alle großen Weisheitslehren sprechen dem Herzen eine sehr wichtige Rolle zu.
Solange du diese „grossen Weisheitslehren“ klar und deutlich als „wahre Philosophie“ kenntlich machst, habe ich damit eigentlich gar kein Problem.
Dadurch erstrahlen die schon oft genannten „fünf Meter Feldweg“ ein wenig mehr im Glanze - klar, im Sinne von „man sollte einfach nur den Schnabel halten, wenn man nichts zu sagen hat“ :-)

Dann wäre es doch sehr erfreulich, wenn Du dich selbst beim Wort nehmen und an deinen eigenen Ratschlag halten würdest. Wir sind hier in einem Forum, welches thematisch Religion behandelt und hier befinden wir uns im Philosophie-Bereich :) wenn das nicht dein Interessengebiet ist, wäre es besser zu schweigen. Denn worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen. Die minimale Qualifikation, um darüber reden zu können, ist ehrliches Interesse.

SilverBullet hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Das Herz ist offenbar ein wiederkehrendes Sinnbild für das Höchste (wir können auch sagen das Göttliche) im Menschen.
…
Aristoteles ist offenbar nicht alleine mit seiner Spinnerei
Nö, nö, das sind die Nachwehen der beherrschenden Kulturen aus der Vergangenheit. Ich habe ja bereits die Ägypter genannt und woher die den Firlefanz rund ums „Herzerl“ hatten und wer da noch so alles abgeschrieben hat, will ich mir gar nicht vorstellen.

Tatsache ist jedoch: es war schon das Herz, also „die Pumpe“ gemeint

Das sagst Du. Der Begriff des Herzens umfasst sehr viel mehr Bedeutung als nur „die Pumpe“, wie ich bereits inhaltlich belegt habe. Das ist eine Sache des Wissens und keine Glaubenssache. Du kannst Dich meinetwegen mit der denkbar oberflächlichsten Sicht der Dinge begnügen, die von der Tiefendimension der menschlichen Seele und subtilen Empfindungen und Geisteszuständen nichts wissen will, wie sie vielen religiösen Menschen sehr vertraut sind, aber Du hast keinerlei Recht, dies als die einzig wahre Sicht zu diktieren. Der korrekte Begriff für solch eine Geisteshaltung ist Ignoranz (Ignoranz ist nicht nur „nicht wissen“, sondern auch „nicht wissen wollen“) im Buddhismus gehört das nicht grundlos zu den Drei Wurzeln des Unheilsamen. Wie wäre es, wenn Du einfach ehrlich fragen würdest, weshalb Menschen ausgerechnet dem Herzen eine solche Wichtigkeit zusprechen, sodass es in allen Zeiten und Kulturen mit dem Höchsten und Edelsten assoziiert wurde.

Wie sind sie denn darauf gekommen? Wenn man sich etwas subtiler mit dieser Frage beschäftigt, dann lernt man beispielsweise, dass es eine Lehre der Energiezentren gibt, von dem eines traditionell der Herzregion zugeordnet wird (im Yoga wird es das Anahata-Chakra oder einfach Herzchakra genannt) katholische Christen betrieben früher die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu, was in vielen Darstellungen Christi zum Ausdruck kommt, in denen er auf sein Herz deutet, welches in Flammen steht und ihn von innen her erleuchtet. In der Regel werden sieben Energiezentren unterschieden.

Bild
Wikipedia: Chakra

Wie Du sehen kannst befindet sich direkt auf der Höhe des Herzens ein Energiezentrum.

Der Zustand der Chakren soll auf die zugehörigen Organe ebenso wie auf Emotionen, Psyche und Charakter wirken. Störungen und Blockaden können sich daher sowohl auf der physischen als auch auf psychischer Ebene zeigen. Verschiedene Yogasysteme bieten die Möglichkeiten, Chakren zu harmonisieren und Blockaden aufzulösen. Das postulierte Ziel des Yoga ist die Heilung von Körper, Seele und Geist um so zu einer Ganzheit zurück zu finden und in der spirituellen Entwicklung voranzuschreiten. Sind alle sieben Hauptchakren einschließlich des Kronenchakras vollständig geöffnet und kann die Lebensenergie (Prana) ohne Blockaden und Störungen fließen, dann hat das Individuum nach hinduistischer sowie nach buddhistischer Lehre Erleuchtung erlangt.


Der Grund für die Verehrung des Herzens in allen Weisheitslehren der Menschheit, ist schlicht und ergreifend das Wissen über diese subtilen Zusammenhänge, welche für Dich keine Relevanz besitzen, weil Du dich nur für die grobstoffliche Seite der Dinge interessierst ;) Die biblischen Texte spielen immer wieder darauf an, was nur zeigt, dass die Bibel ein authentischer Weisheitstext vom höchsten Rang ist. Beispielsweise wird gesagt, dass der Heilige Geist im Herzen des Menschen wohnt. Da ist wieder die Verbindung von „Herz“ und „Geist“. Meditation und Gebet, so heißt es, eröffnet dem Menschen die Weisheit des Herzens, welche das bloße durch Bücher erlernte Kopfwissen bei weitem übersteigt. Eine der wohl schönsten Beschreibungen der Erfahrung von Liebe stammt von Hermann Hesse

Sie war das kleine Fensterchen, das winzige lichte Loch in meiner finstern Angsthöhle. Sie war die Erlösung, der Weg ins Freie. Sie mußte mich leben lehren oder sterben lehren, sie mit ihrer festen und hübschen Hand mußte mein erstarrtes Herz antasten, damit es unter der Berührung des Lebens entweder aufblühe oder in Asche zerfalle.
- Hermann Hesse, Der Steppenwolf

Hier wieder: das Herz. Das Herz war, ist und wird immer in der Religion und der Weltliteratur eine Rolle spielen, denn überall dort, wo etwas Nennenswertes passiert, ist der Mensch von ganzem Herzen ergriffen. Das ist nicht nur eine leere Redewendung (oder "Menschheitsblödsinn", wie Du sagst), sondern eine wahre Empfindung. Alle wahren, tiefen und großen Empfindungen, Gedanken und Ideen werden seit jeher mit dem Herzen assoziiert. Dann hat Aristoteles vermutet, dass es aus diesem Grund der Sitz des Intellekts sein müsse, eine sehr naheliegende Schlussfolgerung. Es kann also sein, dass Aristoteles der Wahrheit näher war, als manche Verfechter der Herzlosigkeit meinen. Dazu sehr gut passend sei jedem dieses Buch ans Herz (!) gelegt:

Bild

„Wer sich mit dem Ursprung des Geistes beschäftigt, muss dieses Buch lesen. Ein ganz grandioses Bild der Brücke vom Geist zur Materie und zurück.“
Harald Lesch (Astrophysiker und ZDF-Moderator von „Abenteuer Forschung“)

Das Leib-Seele-Problem ist vertrackt: Wie kommt der Geist in den Körper? Und andersherum gefragt: Auf welche Weise kann unser Körper ein bewusstes Erleben hervorbringen? Dass die Neurowissenschaften uns diese Fragen nicht zufriedenstellend beantworten können, zeigt dieses Buch auf anschauliche Weise und präsentiert eine eigene, originelle Antwort.
Zur Auflösung das „Weltknotens“ zwischen Geist und Körper vertritt der Autor eine Position, die er auf den Namen „Gradueller Panpsychismus“ getauft hat: Die gesamte physische Wirklichkeit birgt geistige Eigenschaften. Geist in der Natur statt naturalisierter Geist. Und: Je komplexer ein Ding in physischer Hinsicht ist, desto komplexer ist es in geistiger Hinsicht. Die Lösungsvorschläge führen zu verblüffenden Einsichten.
Patrick Spät: Der Mensch lebt nicht vom Hirn alleine

Daraus ein Zitat:

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Der Mensch ist als lebendiger Organismus eine einheitliche Ordnung. Weder das Herz, noch das Auge oder das Gehirn leben je für sich. Aber das Herz und das Auge und das Gehirn leben als Teile des ganzen Menschen - und der Mensch kraft ihrer.

~ Patrick Spät

Ist das Herz nur eine Blutpumpe, wie Du behauptest, oder könnte es darüber hinaus noch eine wichtigere Rolle spielen: beispielsweise als das energetische Zentrum unserer tiefsten und kraftvollsten Emotionen? Einer der frühen Pioniere in der Neurokardiologie, Dr. J. Andrew Armour, stellte 1991 das Konzept eines Herzgehirns vor, was von dem Heartmath Institute wissenschaftlich untersucht wird:

…one of the early pioneers in neurocardiology, Dr. J. Andrew Armour, introduced the concept of a functional “heart brain” in 1991. His work revealed that the heart has a complex intrinsic nervous system that is sufficiently sophisticated to qualify as a “little brain” in its own right. The heart’s brain is an intricate network of several types of neurons, neurotransmitters, proteins and support cells like those found in the brain proper. Its elaborate circuitry enables it to act independently of the cranial brain – to learn, remember, and even feel and sense. – from Neurocardiology, The Brain in the Heart, Heartmath Institute, 2015.
https://www.heartmath.org

SilverBullet
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#45 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von SilverBullet » Mo 5. Jun 2017, 11:01

@Novalis

Wenn jemand vom Hals abwärts gelähmt ist, dann bekommt er nur noch vom Kopfbereich ein Feedback. Ich gehe davon aus, dass all diese Menschen immer noch über sämtliche Funktionen verfügen (und diese auch erreichen können), die du dem Herz „anlasten“ möchtest. (Vermutlich wäre es mittlerweile Allgemeinwissen, wenn Querschnittsgelähmte über einen massiven Verlust an emotionalen Fähigkeiten klagen würden)

Fälle dieser Art waren es wohl, die „Hippokrates“ (lebte zeitlich vor „Aristoteles“!) dazu gebracht haben, den eigenartigen Entwurf der Ägypter in Frage zu stellen und das Gehirn „ins Zentrum“ zu stellen.

Du möchtest quasi immer noch „ägyptisch“ denken und redest dir ein, dass es „griechisch“ oder „hebräisch“ sei.

Wie extrem die Ägypter auf das Herz fixiert waren, verdeutlicht das Totengericht (mit dem Wiegen des Herzens) (umgeformt zum „jüngstes Gericht“) für das man einem Toten einen „Herzskarabäus“ beilegte:
aus dem Link: Die Ägypter fürchteten, daß das Herz, der Sitz von Erinnerung und Gewissen, beim Göttergericht gegen den Verstorbenen aussagen würde. Ein Herzskarabäus in den Mumienbinden oder um den Hals des Verstorbenen sollte dies verhindern. Sie sind oft mit einem Spruch aus dem Totenbuch beschriftet, der das Herz anfleht, seinen Besitzer nicht im Stich zu lassen.

Stell dir mal vor, eine derartige Kultur dominiert dreitausend Jahre lang und strahlt in dieser zeit auf alle Regionen ab, in der sie wirksam ist oder mit der sie Austausch betreibt (z.B. Handel). Das reicht bis in den asiatischen Raum hinein (Stichwort „Lapislazuli“).

Die kleineren Randkulturen werden zwar eigene Stilblüten austreiben, aber sie werden immer noch dem Mainstream folgen. Genau das ist es, was „Aristoteles“ gemacht hat:
er wollte den Mainstream philosophisch begründen (-> „Gehirn ist Kühlsystem des Herzens“ :-))

Du nennst es „Weisheit“, aber es ist eher „nachgeplapperte Dummheit“.

Wir alle sind kulturell geprägt auf „Herzschmerz“, „Herzenswärme“ und „Lass die Sonne in dein Herz“. Irgendwie „wissen“ wir, dass damit eine „Betonung der emotionalen Ausrichtung“ gemeint sein soll.

Dieses „Wissen“ wird aber übertrieben, wenn man zurückspringt und letztlich wieder so „denken“ möchte, wie die Ägypter.
Dazu solltest du dir klar machen, dass die „Mystifizierung des Herzens“ von einem geschichtlichen Zentrum ausgeht und die heutige Verbreitung kein Argument für die Richtigkeit darstellt.

Wenn jemand dem Organ „Herz“ eine Wahrnehmungsfunktion unterstellen möchte, dann muss er die Funktionsweise des Menschen liefern und nicht ein oberflächliches So-Tun-Als-Ob-Theater.

Die Philosophie ist der „Kasper“ in dem So-Tun-Als-Ob-Theater, weil sie mit ihrem „es ist denkbar“ in Wirklichkeit auf „es ist suggerierbar“ setzt und den Anspruch erhebt, dass sich daraus eine Korrektheit ergeben würde.

„Hippokrates“ war wohl ein Wanderarzt, der tatsächlichen Fallbeispielen gegenüberstand.
„Aristoteles“ hat dies aber ignoriert (dass er von „Hippokrates“ nichts wusste, wäre eher sehr eigenartig) und stattdessen „kulturell nachgeplappert“.

Novalis hat geschrieben:katholische Christen betrieben früher die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu
Ja was denkst du, was die komplizierte Aufbereitung des Körpers/Herzens eines Pharaos sein sollte?
=> das war „direkter Gottesdienst“
Am Anfang („altes Ägypten“) war die Aufbereitung wohl auch tatsächlich nur für den Pharao bestimmt.

Die Idee, das Herz des „grossen Zampanos“ zu verehren, ist keine neue Erfindung und rechtfertig rein gar nichts.

Novalis hat geschrieben:Die biblischen Texte spielen immer wieder darauf an, was nur zeigt, dass die Bibel ein authentischer Weisheitstext vom höchsten Rang ist.
Ich kann dir nur empfehlen, die Ägypter nicht zu ignorieren und sie als eine Art „Ursprung für den höchsten Rang“ anzusehen – keine Sorge, du wirst zahlreiche „vertraute Details“ entdecken.

Novalis hat geschrieben:Das Herz war, ist und wird immer in der Religion und der Weltliteratur eine Rolle spielen, denn überall dort, wo etwas Nennenswertes passiert, ist der Mensch von ganzem Herzen ergriffen. Das ist nicht nur eine leere Redewendung (oder "Menschheitsblödsinn", wie Du sagst), sondern eine wahre Empfindung.
Nein, es ist keine Empfindung, sondern „alte vererbte Kultur“.

Novalis hat geschrieben:Ist das Herz nur eine Blutpumpe, wie Du behauptest, oder könnte es darüber hinaus noch eine wichtigere Rolle spielen: beispielsweise als das energetische Zentrum unserer tiefsten und kraftvollsten Emotionen?
Das ist der typische philosophische Suggestionsvorgang (Stichwort: „denkbar“):
Du hast eigentlich keine Ahnung, was sich durch deinen Frage-Einsatz à la „könnte es noch eine Rolle spielen?“ ausdrückt. Im Grunde geht dann das „darüber hinaus“ schon viel zu weit, aber es kommt noch besser: mit deinem explizit erwähnten „Beispiel“ zeigst du in eine konkrete Richtung, so als ob sich diese Richtung „anbieten“ würde, was natürlich keinen Millimeter der Fall ist.

Wenn man keine Ahnung hat, dann zeigt man nicht „irgendwohin“ und ruft aus, dass es ja dort etwas geben könnte oder dass man ja exakt diese Richtung nicht ausschliessen könne.
Oder aber man bezeichnet es als „wahre Philosophie“, dann ist es (für mich) OK :-)

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#46 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Pluto » Mo 5. Jun 2017, 12:34

Novalis hat geschrieben:Ist das Herz nur eine Blutpumpe, wie Du behauptest, oder könnte es darüber hinaus noch eine wichtigere Rolle spielen: beispielsweise als das energetische Zentrum unserer tiefsten und kraftvollsten Emotionen? Einer der frühen Pioniere in der Neurokardiologie, Dr. J. Andrew Armour, stellte 1991 das Konzept eines Herzgehirns vor, was von dem Heartmath Institute wissenschaftlich untersucht wird:

…one of the early pioneers in neurocardiology, Dr. J. Andrew Armour, introduced the concept of a functional “heart brain” in 1991. His work revealed that the heart has a complex intrinsic nervous system that is sufficiently sophisticated to qualify as a “little brain” in its own right. The heart’s brain is an intricate network of several types of neurons, neurotransmitters, proteins and support cells like those found in the brain proper. Its elaborate circuitry enables it to act independently of the cranial brain – to learn, remember, and even feel and sense. – from Neurocardiology, The Brain in the Heart, Heartmath Institute, 2015.
https://www.heartmath.org
Du solltest mE unbedingt das Buch von Prof. Dick Swab lesen Wir sind unser Gehirn. Darin schreibt er: "Das Herz pumpt das Blut; die Niere reinigt das Blut, und das Gehirn denkt."

Wenn wir uns aufregen (positiv oder negativ) schlägt das Herz schneller und der Blutdruck steigt. Man interpretierte dies früher so als würde das Herz die Emotionen steuern. Das ist ein Aberglaube der (in unseren Breiten) auf die alte Ägyptische Verehrung des Herzens zurück geht. Tatsächlich wird der Herzschlag vom Gehirn überwacht und hormonell gesteuert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#47 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » Mo 5. Jun 2017, 14:16

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Ist das Herz nur eine Blutpumpe, wie Du behauptest, oder könnte es darüber hinaus noch eine wichtigere Rolle spielen: beispielsweise als das energetische Zentrum unserer tiefsten und kraftvollsten Emotionen? Einer der frühen Pioniere in der Neurokardiologie, Dr. J. Andrew Armour, stellte 1991 das Konzept eines Herzgehirns vor, was von dem Heartmath Institute wissenschaftlich untersucht wird:

…one of the early pioneers in neurocardiology, Dr. J. Andrew Armour, introduced the concept of a functional “heart brain” in 1991. His work revealed that the heart has a complex intrinsic nervous system that is sufficiently sophisticated to qualify as a “little brain” in its own right. The heart’s brain is an intricate network of several types of neurons, neurotransmitters, proteins and support cells like those found in the brain proper. Its elaborate circuitry enables it to act independently of the cranial brain – to learn, remember, and even feel and sense. – from Neurocardiology, The Brain in the Heart, Heartmath Institute, 2015.
https://www.heartmath.org
Du solltest mE unbedingt das Buch von Prof. Dick Swab lesen Wir sind unser Gehirn. Darin schreibt er: "Das Herz pumpt das Blut; die Niere reinigt das Blut, und das Gehirn denkt."

Wenn wir uns aufregen (positiv oder negativ) schlägt das Herz schneller und der Blutdruck steigt. Man interpretierte dies früher so als würde das Herz die Emotionen steuern. Das ist ein Aberglaube der (in unseren Breiten) auf die alte Ägyptische Verehrung des Herzens zurück geht. Tatsächlich wird der Herzschlag vom Gehirn überwacht und hormonell gesteuert.


Geht die Verehrung des Herzens auf einen Aberglauben zurück (der sich dann seltsamerweise in ausnahmslos allen Kulturen und Religionen nachweisen lässt, wie im Christentum die Herz-Jesu-Verehrung und die Praxis des Herzensgebetes) oder auf authentische Erfahrungen und Einsichten der Menschen? Hier ist es direkt auf der Vorderseite der Luther-Bibel zu finden:
Bild


Ich formuliere es extra als Frage, denn ich bin hier um einen Dialog zu führen. Niemand muss meinen Aussagen glauben schenken. Wenn jemand dadurch zur selbstständigen Wahrheitssuche angeregt wird, würde mich das viel mehr freuen.

Du solltest mE unbedingt das Buch von Prof. Dick Swab lesen Wir sind unser Gehirn.

Ich bin mein Bewusstsein, diese Aussage halte ich für wesentlich passender :) Durch unser Bewusstsein werden wir aller Dinge bewusst. Wenn Du das ganze Universum mit allen materiellen Dingen und Reichtümern, als dein persönliches Eigentum geschenkt bekommen könntest, dafür aber dein Bewusstsein abgeben müsstest, würdest Du dich auf diesen Handel einlassen? Ich jedenfalls nicht, denn ich genieße alle Dinge durch mein Bewusstsein und ohne Bewusstsein haben sie keinen Wert. Ohne Bewusstsein ist da niemand mehr, der sich ihrer erfreuen und bedienen könnte. Das zeigt die absolute Wichtigkeit des Bewusstseins, den Primat des Bewusstseins gegenüber der Materie.

Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele Schaden erleidet? Lukas 9:25

Seele (Bewusstsein) ist wichtiger, als die gesamte Welt der materiellen Objekte, die erst durch das anwesende Bewusstsein ihren Wert bekommen. Kommen wir zur Frage, in welcher Beziehung Gehirn, Geist und Bewusstsein zueinander stehen: erzeugt das Gehirn das Bewusstsein oder wirkt es stattdessen nur wie ein Transmitter oder Filter?

SilverBullet
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#48 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von SilverBullet » Mo 5. Jun 2017, 16:01

Novalis hat geschrieben:Erzeugt das Gehirn das Bewusstsein oder wirkt es stattdessen nur wie ein Transmitter oder Filter?
Das Gehirn erzeugt nichts sondern es reagiert.

Bei dieser Reaktion werden die Zusammenhänge des aktiven Körpers berücksichtigt, wodurch die Reaktion „offiziell“ zu einer „Körperreaktion“ wird.

„Das Bewusstsein“ ist nichts weiter als die körperliche Reaktion „sich für bewusst zu halten“, was nicht verkehrt ist, denn die Reaktion des Gehirns umfasst all die körperlichen Zusammenhänge und all die Korrektheit, die für eine „ich bin bewusst“-Überzeugung notwendig sind.

Dass sich der Körper bei all dem „Bewusstsein“ gar nicht selbst versteht, liegt exakt daran, dass dem Gehirn keine Zusammenhänge über die Arbeit des Gehirns zur Verfügung stehen :-)

Das ist eine sagenhaft interessante Situation, denn der Körper führt letztlich eine Gesamtreaktion durch, wobei diese nur in einem Teil des Körpers abläuft und dieser Teil wiederum keine Daten über sich selbst verarbeiten kann, weil sie der Körper nicht zur Verfügung stellt.
=> heraus kommt ein autonom handelndes Lebewesen, das keine Ahnung hat, wie es funktioniert und sich nicht vollständig als Teil der materiellen Welt ansehen möchte :-)

(leider führt dies manchmal zur lustigen Konsequenz einer „wahren Philosophie“ :-))

Novalis hat geschrieben:Ich bin mein Bewusstsein
Nein, du bist der Körper :-)

„Das Bewusstsein“ steht für die körperlichen Reaktionen (die vom Gehirn durchgeführt werden)

Novas
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#49 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Novas » Mo 5. Jun 2017, 16:38

SilverBullet hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Erzeugt das Gehirn das Bewusstsein oder wirkt es stattdessen nur wie ein Transmitter oder Filter?
Das Gehirn erzeugt nichts sondern es reagiert.

Beantworte diese zwei Fragen: Wie kommt der Geist in die Materie und was ist der Mensch? Bewusstsein ist für uns absolut selbstverständlich und das Wichtigste in unsrem Leben, doch Materialisten können diese Frage nicht beantworten. Das ist eine wirklich beträchtliche Wissenslücke. Wie wahrheitsgemäß kann eine Weltanschauung sein, welche das Bewusstsein weg erklärt, anstatt es zu erklären ;) Der grobstoffliche Teil des Menschen - der physische Körper - funktioniert tatsächlich wie eine von der Natur konstruierte biologische Maschine. Wenn man den Menschen darauf reduziert, müsste man wirklich sagen, dass er nur eine Maschine ist. Zum menschlichen Wesen gehört jedoch noch sehr viel mehr, wie der feinstoffliche Körper (Geist). In der modernen Computer-Sprache könnten wir sagen, dass der grobstoffliche physische Körper die Hardware ist und der feinstoffliche Körper oder Geist die Software.

Der Mensch besitzt neben seiner materiellen auch eine geistige Natur. Ich bin ein bewusstes Wesen. Das ist der gemeinsame Ausgangspunkt jeder Religion und Philosophie, wie Du bereits richtig erkannt hast. Deshalb sprechen wir von Metaphysik (lateinisch metaphysica; griechisch μετά metá ‚danach', ‚hinter', ‚jenseits' und φύσις phýsis ‚Natur', ‚natürliche Beschaffenheit'), die sich für die Wirklichkeit jenseits der Physik interessiert. Wenn Du alles auf die phýsis reduzierst, bedeutet das eigentlich nur, dass Du dir selbst keine darüber hinausgehenden Fragen (wie die Frage nach dem Sinn und Ziel der menschlichen Existenz) zu stellen bereit bist. Das ist sehr schade, denn das lohnt sich schon alleine deshalb, weil es sehr große Freude und Spaß macht :D
Zuletzt geändert von Novas am Mo 5. Jun 2017, 17:21, insgesamt 2-mal geändert.

Pluto
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#50 Re: Philosophie für Laien - von der Antike bis heute

Beitrag von Pluto » Mo 5. Jun 2017, 17:20

Novalis hat geschrieben:Wie kommt der Geist in die Materie? Bewusstsein ist für uns absolut selbstverständlich und das Wichtigste in unsrem Leben, doch Materialisten können diese Frage nicht beantworten. Das ist eine wirklich beträchtliche Wissenslücke.
Gute Frage!

Meiner Meinung nach, ist der Geist ein Prozess (des Gehirns) und kein "Ding" zum anfassen. So gesehen, muss er gar nicht kommen, sondern er entsteht spontan, wenn genügend Neuronen zusammenarbeiten.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Viele Jahrtausende lang, galt Geist als etwas mystisches, unergründliches, was sich der Untersuchung entzog. Dieser Aberglaube wurde teilweise durch die Arbeiten zum Dualismus von Descartes noch verstärkt.

Dass Neurowissenschaftler noch nicht genau wissen, wie Bewusstsein aus Geist entsteht, ist wohl ein Tribut an die Komplexität des menschlichen Gehirns.
Man weiß heute mehr als gestern über die Funktionen des Gehirns, und dieses Jahr sehr viel mehr als vor 10 der 20 Jahren. Dank der Forschungsarbeit konnten einige Erfolge in der Bekämpfung von psychischen Krankheiten schon verbucht werden: Viele Formen von Depression lassen sich heute medikamentös heilen. Diese Heilungserfolge sind übrigens, eine Art Beweis, dass Geist eine elektrochemischer Prozess ist, und sich deshalb genau so reduktionistisch untersuchen lässt, wie jeder andere körperliche Prozess.

Novalis hat geschrieben:Der grobstoffliche Teil des Menschen - der physische Körper - funktioniert tatsächlich wie eine von der Natur konstruierte biologische Maschine. Zum menschlichen Wesen gehört jedoch noch sehr viel mehr, wie der feinstoffliche Körper (was wir mit den Begriffen Seele und Geist beschreiben).
Diese Frage wurde schon von dem australischen Philosophen David Chalmers in seinem Buch The Hard Problem of Consciuosness in den 90-ern thematisiert.
Leider war auch Chalmers nicht in der Lage, uns ein Bild zu zeichnen, was denn dieses "Hard Problem" überhaupt sein soll.

Wer weiß wie Geist entsteht?
Vielleicht solltest du mal ein Forschungsprojekt starten. Du könntest dann der erste Mensch sein, der es uns erklären kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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