Was hat es denn mit der Falsifizierung so auf sich:Halman hat geschrieben:Wie könnte die Methodik des kritischen Rationalismus' falsifiziert werden?Anton B. hat geschrieben:Er wurde durch Überlegungen zu einer dem Grundinhalt des Wissenbegriffs adäquaten Methodik abgeleitet. Deshalb ist er nicht einfach "gesetzt", sondern verifizierbar: Er wurde durch die Beschäftigung mit dem Wissenbegriff in Kombination mit speziellen Klassen von Untersuchungsgegenständen als geeignete, effektive Methode gefunden, und kann jederzeit entweder als ungeeignet erkannt oder durch eine andere geeignete, aber viel effektivere, Methode ersetzt werden. Gemessen wird der KR an etwas außerhalb seiner selbst.
Falsifiziert werden Theorien im Rahmen der KR. Und weswegen wird hier "falsifiziert"? Weil es um die Untersuchung empirischer Gegenstände geht, die entweder quasi-unbegrenzt (fossile und rezente Brachiopoden z.B.) oder wirklich unbegrenzt (immer wieder im Labor erzeugbare Wirbel z,B.) existieren. Wenn alle Brachiopoden der Welt direkt verfügbar wären, könnten wir bezüglich der Brachiopodentheorien ganz anders vorgehen. Sind sie aber nunmal nicht.
Das wusste selbstverständlich schon der alte Aristoteles und überlegte sich, wie man denn da zur Wissensgewinnung sinnvoll voran schreiten soll. In einer Abfolge vieler (meta-)methodischer Theorien dazu, alle mit der Berufung auf die "vernünftige Begründung" ausgetüftelt, hat auch der Popper sich zu Wort gemeldet und eine bestimmte Theorie beigesteuert. Selbstverständlich auch auf den Wissensbegriff bezogen. So dolle logisch ausgearbeitet und begründet, dass die Logiker (Philosophen) dieses Verfahren für die Untersuchungsklasse empirischer Phänomene derzeit für die sauberste und effizienteste aller bekannten Methoden halten.
Das ist ja auch alles korrekt.Halman hat geschrieben:Da ich die Begrifflichkeit des kritischen Rationalismus' falsch klassifziert hatte, scheint es mir sinnvoll zu sein, uns hier auf eine anerkannte korrekte Definition davon, was der Begriff Kritischer Rationalismus beschreibt, zu einigen und schlage vor meinen Link hierfür als unsere Grundlage zu verwenden. Darin wird einleitend erklärt:
In der ausführlichen Erklärung wird erläutert:Kritisch rationale Überprüfung wissenschaftlicher Theorien (Hypothesen) mit dem Ziel ihrer vorläufigen Bestätigung durch den permanenten vergeblichen Versuch ihrer Widerlegung (Falsifikation).
Die Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus geht von einer Asymmetrie zwischen der Falsifikation und der Verifikation aus.
Wenn Du das, was eine beliebige Theorie für ihre Vorhersagen verwendet, als "Grundannahme" oder "Setzung" verstehen möchtest, ja.Handelt es sich hierbei nicht um eine Grundannahme, oder in der Terminologie von closs gesproche, um eine Setzung?
Im Rahmen wissenschaftlicher Theoriebildung gelten die Annahmen einer Theorie aber nunmal nichts um ihrer selbst willen. Eine Theorie muss, ob logisch-fundamental auf der Basis von etwas anderem, durch die Bewertung der Übereinstimmung der Vorhersagen und der tatsächlichen Beobachtungen oder sei es sonstwie "vernünftig begründet" sein. Setzungen und Grundnahmen in einer Theorie begründen aber nicht vernünftig.
Die ET hat, um mit Dir und closs zu sprechen, die Setzungen und Grundannahmen von Mutation und Selektion. Die ET ist aber als Theorie nicht deshalb etabliert, weil deren "Grundannahmen" und "Setzungen" Grundannahmen und Setzungen wären, sondern weil die Beobachtungsvorhersagen der ET eben beobachtet werden. Auch die "Grundannahme" und "Setzung" des von Einstein mathematisch verbrämten Gummituches hat die Wissenschaftler nicht als Grundannahme und Setzung überzeugt. Überzeugt haben die Beobachtungen dazu.
Und im Falle der Peano-Axiome wurden dieselben auch nicht einfach so als Setzungen und Grundannahmen in den Raum gestellt. Statt dessen wurde das bekannte mathematische "Universum" einem Analyseprozess unterworfen und zum Schluss blieben die Axiome als nicht weiter Auflösbares zurück.
Auch der Popper hätte sich ja all die logischen Ausarbeitungen und Darlegungen ganz ersparen können, wenn er einfach nur ganz lässig auf ein paar wenige Grundannahmen und Setzungen hätte verweisen können und die seine philosophischen Freunde überzeugt hätten. Aber nein, die wollten ja wieder vernünftige Begründungen.
Was ist denn an der Feststellung "tiefgründig", der KR sei als Werkzeug für "empirische" Erscheinungen nicht so ganz zur Begutachtung logisch begründeter Dinge -- wie eben dem KR -- geeignet?Halman hat geschrieben:Darf ich Dich bitten mir diese tiefgründige Aussage verständlich zu erläutern? Mir ist sie zu tiefgründig, ich verstehe sie leider nicht.Anton B. hat geschrieben:Und da der "kritische Rationalismus" auch keine Entität von dem Schlag ist, für dessen Behandlung er entworfen wurde, muss er noch nicht einmal sich selber genügen.