Sophismen und logische Fehlschlüsse

Philosophisches zum Nachdenken
Anton B.
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#21 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Anton B. » Mi 12. Apr 2017, 00:55

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Er wurde durch Überlegungen zu einer dem Grundinhalt des Wissenbegriffs adäquaten Methodik abgeleitet. Deshalb ist er nicht einfach "gesetzt", sondern verifizierbar: Er wurde durch die Beschäftigung mit dem Wissenbegriff in Kombination mit speziellen Klassen von Untersuchungsgegenständen als geeignete, effektive Methode gefunden, und kann jederzeit entweder als ungeeignet erkannt oder durch eine andere geeignete, aber viel effektivere, Methode ersetzt werden. Gemessen wird der KR an etwas außerhalb seiner selbst.
Wie könnte die Methodik des kritischen Rationalismus' falsifiziert werden?
Was hat es denn mit der Falsifizierung so auf sich:

Falsifiziert werden Theorien im Rahmen der KR. Und weswegen wird hier "falsifiziert"? Weil es um die Untersuchung empirischer Gegenstände geht, die entweder quasi-unbegrenzt (fossile und rezente Brachiopoden z.B.) oder wirklich unbegrenzt (immer wieder im Labor erzeugbare Wirbel z,B.) existieren. Wenn alle Brachiopoden der Welt direkt verfügbar wären, könnten wir bezüglich der Brachiopodentheorien ganz anders vorgehen. Sind sie aber nunmal nicht.

Das wusste selbstverständlich schon der alte Aristoteles und überlegte sich, wie man denn da zur Wissensgewinnung sinnvoll voran schreiten soll. In einer Abfolge vieler (meta-)methodischer Theorien dazu, alle mit der Berufung auf die "vernünftige Begründung" ausgetüftelt, hat auch der Popper sich zu Wort gemeldet und eine bestimmte Theorie beigesteuert. Selbstverständlich auch auf den Wissensbegriff bezogen. So dolle logisch ausgearbeitet und begründet, dass die Logiker (Philosophen) dieses Verfahren für die Untersuchungsklasse empirischer Phänomene derzeit für die sauberste und effizienteste aller bekannten Methoden halten.

Halman hat geschrieben:Da ich die Begrifflichkeit des kritischen Rationalismus' falsch klassifziert hatte, scheint es mir sinnvoll zu sein, uns hier auf eine anerkannte korrekte Definition davon, was der Begriff Kritischer Rationalismus beschreibt, zu einigen und schlage vor meinen Link hierfür als unsere Grundlage zu verwenden. Darin wird einleitend erklärt:
Kritisch rationale Überprüfung wissenschaftlicher Theorien (Hypothesen) mit dem Ziel ihrer vorläufigen Bestätigung durch den permanenten vergeblichen Versuch ihrer Widerlegung (Falsifikation).
In der ausführlichen Erklärung wird erläutert:
Die Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus geht von einer Asymmetrie zwischen der Falsifikation und der Verifikation aus.
Das ist ja auch alles korrekt.

Handelt es sich hierbei nicht um eine Grundannahme, oder in der Terminologie von closs gesproche, um eine Setzung?
Wenn Du das, was eine beliebige Theorie für ihre Vorhersagen verwendet, als "Grundannahme" oder "Setzung" verstehen möchtest, ja.

Im Rahmen wissenschaftlicher Theoriebildung gelten die Annahmen einer Theorie aber nunmal nichts um ihrer selbst willen. Eine Theorie muss, ob logisch-fundamental auf der Basis von etwas anderem, durch die Bewertung der Übereinstimmung der Vorhersagen und der tatsächlichen Beobachtungen oder sei es sonstwie "vernünftig begründet" sein. Setzungen und Grundnahmen in einer Theorie begründen aber nicht vernünftig.

Die ET hat, um mit Dir und closs zu sprechen, die Setzungen und Grundannahmen von Mutation und Selektion. Die ET ist aber als Theorie nicht deshalb etabliert, weil deren "Grundannahmen" und "Setzungen" Grundannahmen und Setzungen wären, sondern weil die Beobachtungsvorhersagen der ET eben beobachtet werden. Auch die "Grundannahme" und "Setzung" des von Einstein mathematisch verbrämten Gummituches hat die Wissenschaftler nicht als Grundannahme und Setzung überzeugt. Überzeugt haben die Beobachtungen dazu.

Und im Falle der Peano-Axiome wurden dieselben auch nicht einfach so als Setzungen und Grundannahmen in den Raum gestellt. Statt dessen wurde das bekannte mathematische "Universum" einem Analyseprozess unterworfen und zum Schluss blieben die Axiome als nicht weiter Auflösbares zurück.

Auch der Popper hätte sich ja all die logischen Ausarbeitungen und Darlegungen ganz ersparen können, wenn er einfach nur ganz lässig auf ein paar wenige Grundannahmen und Setzungen hätte verweisen können und die seine philosophischen Freunde überzeugt hätten. Aber nein, die wollten ja wieder vernünftige Begründungen.

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und da der "kritische Rationalismus" auch keine Entität von dem Schlag ist, für dessen Behandlung er entworfen wurde, muss er noch nicht einmal sich selber genügen.
Darf ich Dich bitten mir diese tiefgründige Aussage verständlich zu erläutern? Mir ist sie zu tiefgründig, ich verstehe sie leider nicht.
Was ist denn an der Feststellung "tiefgründig", der KR sei als Werkzeug für "empirische" Erscheinungen nicht so ganz zur Begutachtung logisch begründeter Dinge -- wie eben dem KR -- geeignet?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Tyrion
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#22 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Tyrion » Mi 12. Apr 2017, 01:48

Opa Klaus hat geschrieben:Der Begriff Kausalität bezeichnet für mich den ZUSAMMENHANG von Ursache und Wirkung.

Nicht nur für dich. Je nach Zusammenhang kann man in der Physik auch zwischen schwacher und starker Kausalität unterscheiden.

Was wir dem Anschein nach als Zufall ansehen, betrachten wir dann auch als Lücke in der Kausalität und sehen folglich keine Gesetzmäßigkeit.

Das verstehe ich nicht. Man kann nicht vorhersagen, wann ein instabiler Kern zerfällt. Das Einzelereignis ist Zufall. Dennoch folgt der radioaktive Zerfall Gesetzmäßigkeiten. Hat man viele Kerne, so kann man vorhersagen, wann (ca.) die Hälfte der Kerne zerfallen ist. Man kann auch zwischen Ursache des Zerfalls und der Wirkung einen Zusammenhang nachvollziehen. Zufall ist keine Lücke der Kausalität.

Da offensichtlich keine nähere Erforschung des "Zufalls" betrieben wird...

Das "offensichtlich" kommt mir immer wieder vor wie "aus informierten Kreisen wissen wir...". Warum ist offensichtlich, dass es keine nähere Erforschung des Zufalls betrieben wird? Das Gegenteil ist der Fall. Chaostheorie ist mittlerweile sogar dem Laien ein Begriff. Selbst bei vermeintlich banalen Dingen wie der Wettervorhersage spielt der Zufall eine große Rolle. Und die Entwicklung neuer Tools für die Vorhersage müssen den Zufall mit erforschen (und nicht nur sie).

Ich glaube, das wir vorschnell komplexe, undurchschaubare Zusammenhänge und Funktionen als "Zufall" deklarieren und uns dann weiter nicht um solche Zusammenhänge kümmern brauchen/wollen.

Ich verstehe, was du meinst (glaube ich), widerspreche dem aber. Selbst in der Quantenphysik wird ja immer wieder versucht, Heisenberg zu widerlegen (ich denke da z. B. an den Münchner Mathematiker und Quantentheoretiker Detlef Dürr, der eine deterministische Quantentheorie beschreibt - nicht zu verwechseln mit dem verstorbenen Namensvetter Hans-Peter Dürr).

Wenn "unser Universum intelligente Wesen (wie uns) entstehen lies", muss es selbst intelligent sein und selbst Geist haben, ... denn von nix....

Verstehe ich nicht, insbesondere die Begründung nicht. Schon beim Passiv habe ich Probleme (das Universum ließ entstehen? Nein, Leben ist entstanden). Und warum muss ein Universum intelligent sein? Ich erkenne hier weder Kausalität noch Logik.

Offensichtlich sind wir Menschen die sichtbaren Besitzer von Geist/ Intelligenz. Warum tauchten wir dann so spät und EINMALIG auf?

Evolution braucht Zeit. Und wer sagt, dass nur wir Geist/INtelligenz besitzen? Viele Tiere sind sehr intelligent - das war auch sicher vor dem Erscheinen der Menschen der Fall.

Die Setzung eines intelligenten höheren Wesens finde ich verhältnismäßiger, plausibler, als intelligente riesige, vorwiegend materielle Universen mit zur Zeit offensichtlich deaktivierter Intelligenz und uns obendrein als einsame SPITZE von Intelligenz im Weltall.

Hm, du "erfindest" eine Setzung eines "intelligenten Universums" ohne nährere Begründung (von nix...), erklärst dann, dass diese deine Phantasie sehr unplausibel ist und begründest damit, dass es einen Schöpfer gibt, da der im Vergleich zu deiner Phantasie plausibler ist. Irgendwie wackelig. Mit der Methodik kann man alles begründen. Man muss nur erst etwas extrem unplausbles behaupten - im Vergleich ist dann alles plausibler.

Damit kehren wir zum Thema "Zufall" zurück. "Zufall" ist ja der unentbehrliche, heilige, unantastbare Rettungsanker und Lückenbüßer für vieles.

Irgendwie verstehe ich deine Sprache nicht. Ich als Wissenschaftler kann deine Aussage nur stirnrunzelnd und achselzuckend hinnehmen.

Falls sich bei gründlicher wissenschaftlicher Forschung doch nur 100% reine kausale Zusammenhänge in dem äußerst komplexen Zufallsgeschehen entdecken lassen, dann stürzen wieder mal "Weltbilder" zusammen und müssen "neu geschrieben werden".

Deshalb sind es auch nur Weltbilder. Miest werden sie aber nur ergänzt, da die heutzutage auf sehr viel Empirie und nachvollziehbarkeit aufbauen und nicht wie früher mehr oder weniger geraten waren. Sollte sich aber eine neue Sicht durchsetzen, so ist das spannend - egal in welchem Bereich. Wissenschaften machen das mit, sie unterstützen das. Buchreligionen bekämpfen das, denn sie lassen nicht zu, dass man die Heiligen Schriften umschreibt.

ja, ja, ich weiß, "was nicht sein darf, kann nicht sein". Solches Wunschdenken hatten wir ja oft genug.

Das ist religiöse Dogmatik - genau das hat Wissenschaften gebremst. Das der Wissenschaft vorzuwerfen, ist ja grotesk. Menschlich ist sowas aber, Wissenschaft menschelt auch, klar.

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#23 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Pluto » Mi 12. Apr 2017, 09:34

Opa Klaus hat geschrieben:Der Begriff Kausalität bezeichnet für mich den ZUSAMMENHANG von Ursache und Wirkung. Hat Ähnlichkeit mit Logik.
Was wir dem Anschein nach als Zufall ansehen, betrachten wir dann auch als Lücke in der Kausalität und sehen folglich keine Gesetzmäßigkeit.

Da offensichtlich keine nähere Erforschung des "Zufalls" betrieben wird, ist die vorgenannte Ansicht noch uraltes Allgemeingut und wir hinterfragen das auch nicht weiter. Ich glaube, das wir vorschnell komplexe, undurchschaubare Zusammenhänge und Funktionen als "Zufall" deklarieren und uns dann weiter nicht um solche Zusammenhänge kümmern brauchen/wollen.


Dein Wort "Beschaffenheit" des Universums impliziert 'Schöpfer'. Ich weiß um das Problem: treffende Wörter zu finden.
Also, die Entstehung von Intelligenz aus der Materie allein würde intelligente Materie voraussetzen. Doch von nix kommt nix und da entsteht das Materie/Geist Problem.
Das Problem ist, dass Kausalität kein "Naturgesetz" ist, sondern eine menschliche Annahme. Wir nehmen an dass es so ist, weil so Vieles in der Natur kausal abläuft.

Doch es gibt auch eine andere Form des Entstehens, die gänzlich ohne Kausalität abläuft. Mein Lieblingsbeispiel:
"Hoch intelligente Frauen heiraten meistens dümmere Männer." ist eine überprüfbare Tatsache, die völlig akausal abläuft.
Zufall? Keineswegs, denn sie ist statistisch bedingt.

Deshalb komme ich zum Schluss, dass es in der Welt noch etliche andere Vorgänge gibt, die ohne Kausalität ablaufen können, ohne dabei zufällig zu sein. So könnte selbst die Entstehung des Universums akausal gewesen sein (wir wissen es nicht).
Fazit:
1.) Eine schöpferische Intelligenz ist nicht unbedingt erforderlich.
2.) Wenn du glaubst sie wäre erforderlich, woher kam dann diese Intelligenz?

Opa Klaus hat geschrieben:Damit landen wir beim uralten Disput über den Zusammenhang von Geist/Materie und dem Disput über Determinismus, mechanistischem Weltbild.

Wenn "unser Universum intelligente Wesen (wie uns) entstehen lies", muss es selbst intelligent sein und selbst Geist haben,
Warum ist das zwingend?

Opa Klaus hat geschrieben: ... denn von nix....
...kommt nix, wolltest du sagen. :)
Aber, wie gesagt, es gibt in der Welt auch akausale Vorgänge, die keine Zufälle sind. Evolution hin zu größerer Komplexität ist ein Beispiel dafür. Dazu gibt es eine wundervolle Parabel von dem Paläontologen Stephen Gould vorgeschlagen:
  • Stell dir einen Betrunken vor, der sich nach durchzechter Nacht auf den Heimweg macht. Links von ihm eine hohe Mauer, rechts die Straße. Auf seinem torkeligen Heimweg kann er nicht nach links ausweichen, denn da ist ja die Mauer, aber nach rechts kann er torkeln. Also ist es logisch, dass er nach geraumer Zeit mitten auf der Straße landet.
    Zur Erklärung:
    Die Mauer repräsentiert die einfachen Lebewesen wie Amöben. Hier wird das Leben auf der einen Seite durch Einzeller begrenzt. Die andere Seite, hin zu steigender Komplexität ist aber offen, so wird sich Komplexität mit der Zeit (fast zwingend) entwickeln.

Opa Klaus hat geschrieben:Offensichtlich sind wir Menschen die sichtbaren Besitzer von Geist/ Intelligenz. Warum tauchten wir dann so spät und EINMALIG auf?

Die Setzung eines intelligenten höheren Wesens finde ich verhältnismäßiger, plausibler, als intelligente riesige, vorwiegend materielle Universen mit zur Zeit offensichtlich deaktivierter Intelligenz und uns obendrein als einsame SPITZE von Intelligenz im Weltall.
An dieser Stelle lohnt es sich noch einmal Stephen Gould zu zitieren...
  • If we could start the world over again, would life evolve the same way? —
    dt. Wenn wir die Welt neu starten könnten, würde das Leben den gleichen Weg nehmen?

    Die Antwort darauf ist, "sehr wahrscheinlich nicht".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Halman
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#24 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Halman » Mi 12. Apr 2017, 16:10

SilverBullet hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:In meinem philosophischen Fachbuch wird empfohlen, als Prämissen möglichst einfache und als allgemein gültig anerkannte Grundannahmen zu verwenden, da man sich ansonsten in einem infiniten Regress von Vorbegründungen verlieren würde.
„allgemein gültig anerkannte Grundannahmen“ ist doch nichts anderes als ein „Publikumsjoker“.
Auf dieser Basis möchten Philosophen sich also als „Wissenschaftler“ bezeichnen dürfen.
Wo ist die Qualitätsprüfung, wo ist das Sicherstellen von Korrektheit?
=> Jedenfalls nicht in der Philosophie.

Die Begründung „der Vermeidung eines infiniten Regress“ hört sich eher an, wie eine Anleitung zum „Austeilen einer Suggestion“.

allgemein gültig anerkannte Grundannahmen:
=> „Spinat hat viel Eisen“ -> falsch
=> „ein Mensch nutzt nur 10% der Gehirnkapazität“ -> falsch

Hier ein Artikel, dass man wohl im Mittelalter mancherorts die Leichen zerstückelte, weil man Angst hatte, sie würden als „Untote“ zurückkehren – tja, eine „allgemein gültig anerkannte Grundannahme“.
Jeder Blödsinn kann „allgemein gültig anerkannt“ sein. Es geht dabei ja nicht um eine Funktionalität, sondern nur um eine Meinungsverbreitung („Nachplappern“).

„Geist“, „Seele“, „Gott“ sind als „gültig“ anerkannt, wenn man allerdings nachfragt, was das jeweils sein soll, gilt plötzlich ganz allgemein, dass es keiner sagen kann.
Kompliment, eine „echt dolle Voraussetzung“.

=> Den Wert des „philosophischen Fachbuchs“ würde ich daran bemessen, ob man auf die Seiten hinten noch was draufschreiben kann, die Vorderflächen scheinen unwiederbringlich verloren zu sein.
Wie versprochen, werde ich nun die Originalquelle verlinken und aus ihr zitieren. Somit stehen Dir die notwendigen Informationen zur Verfügung, um beurteilen zu können, ob ich die Erklärung zum Gebrauch von Prämissen aus meinem Fachbuch Logik der Philosphie (Jörg Hardy / Christoph Schamberger) korrekt in meinen Worten dargelegt hatte oder nicht.
Das nachfolgend verlinkte PDF-Dokument Jörg Hardy / Christoph Schamberger: Logik der Philosophie, Göttingen 2012, S. 9-11 enthält einen kleinen Teil des Textes aus meinem Fachbuch. Das nachfolgende Zitat, auf das ich mich in meiner Erklärung bezog, kannst Du auf Seite 30 des Dokumentes im Kontext nachlesen (im Fachbuch steht es auf Seite 29).
Prämissen, die nicht völlig selbstverständlich sind, sollten so weit wie möglich durch Unterargumente begründet werden. Deshalb leistet der Philosoph mit dem Unterargument keine unnötige Fleißarbeit. Er könnte auch die Prämisse des Unterarguments wiederum durch ein weiteres
Unterargument begründen. Es wäre allerdings zu viel verlangt, wenn wir für jede Prämisse eine argumentative Begründung forderten. Wenn man
versuchte, jede Prämisse durch ein Argument mit neuen Prämissen zu begründen, geriete man in einen infiniten Regress, d.h. in eine
unabschließbare Serie von Argumenten. Jede Prämisse ihrerseits durch weitere Argumente zu begründen ist unmöglich und auch gar nicht erforderlich. Am besten wäre es, wenn die Prämissen der (Unter-) Argumente intuitiv so einleuchtend wären, dass auch die anderen Philosophen sie akzeptieren.
Ein unreflektiertes „Nachplappern“ von nicht hinreichend geklärten Begriffen oder gängigen Behauptungen erfüllt nicht den Anspruch von Prämissen, die intuitiv einleuchtend sind und von Philosophen akzeptiert werden. Deine Kritik greift hier nicht, da es sich hierbei um einen Strohmann handelt. Deine Kritik ist somit ein gutes Beispiel für eine logisch ungültige Rhetorik, weil sie sachlich verfehlt ist.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#25 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Tyrion » Mi 12. Apr 2017, 16:26

Pluto hat geschrieben:Doch es gibt auch eine andere Form des Entstehens, die gänzlich ohne Kausalität abläuft. Mein Lieblingsbeispiel:
"Hoch intelligente Frauen heiraten meistens dümmere Männer." ist eine überprüfbare Tatsache, die völlig akausal abläuft.

Dass diese Tatsache völlig akausal abläuft, ist eine nicht belegte These. Gerade die Partnerwahl läuft ziemlich kausal ab - aber nicht im Einzelfall, sondern im Durchschnitt. Zudem ist dein Beispiel schwierig. Auch hochintelligente Männer heiraten meist "dümmere" Frauen. Es gibt einfach für einen hochintelligenten Menschen wenige potentielle Partner der gleichen Intelliogenzstufe. Da die Wahl oftmals optisch und biochemisch abläuft (Geruch, man kann sich riechen), ist die Intelligenz nicht direkt Maßstab. Möglicherweise (jetzt spekuliere ich) fühlt man sich zu snobistisch, wenn man "dümmere" wegen ihrer "Dummheit" ablehnen würde. Zum anderen kann es sehr entspannend sein, zuhause nicht auch ständig hochgeistige Unterhaltungen zu führen. Dumm fickt gut! Wobei das meines Wissens statistisch nicht belegt ist.

Ist zwar off topic, aber ich musste darauf reagieren.

Zufall? Keineswegs, denn sie ist statistisch bedingt.

Eben. In der Ethologie ist es oft schwierig, die Kausalität aufzudecken. Das heißt aber nicht, dass keine Vorhanden sei.

Deshalb komme ich zum Schluss, dass es in der Welt noch etliche andere Vorgänge gibt, die ohne Kausalität ablaufen können, ohne dabei zufällig zu sein.

Dann suche bitte ein anderes Beispiel, denn hier ist die Grundannahme bereits falsch.

So könnte selbst die Entstehung des Universums akausal gewesen sein (wir wissen es nicht).

Hier stimme ich wiederum überein. Wir wissen es nicht, also kann man nur raten. Und selbst wenn es eine Kausalität gibt und Hawking mit seiner reinen Spekulation über Multiversen in einem großen, infaltionären "Überuniversum" recht hat, dann muss es auch deshalb keinen Gott geben. Wir wissen es eben nicht.

Fazit:
1.) Eine schöpferische Intelligenz ist nicht unbedingt erforderlich.
2.) Wenn du glaubst sie wäre erforderlich, woher kam dann diese Intelligenz?

Punkt 2. kann man leider widerholen, so oft man will. Gläubige erkennen nicht, dass sie ein Problem nur um eine Stufe nach oben verlagert haben. Das Argument, dass sie den Atheisten um die Ohren hauen, greift auch auf ihr Weltbild über. Wer erschuf Gott? Darüber diskutierne Gläubige aber nicht, warum auch immer. Nur Atheisten sollen erklären, wer für den Anfang verantwortlich ist.

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Halman
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#26 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Halman » Mi 12. Apr 2017, 16:48

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Er wurde durch Überlegungen zu einer dem Grundinhalt des Wissenbegriffs adäquaten Methodik abgeleitet. Deshalb ist er nicht einfach "gesetzt", sondern verifizierbar: Er wurde durch die Beschäftigung mit dem Wissenbegriff in Kombination mit speziellen Klassen von Untersuchungsgegenständen als geeignete, effektive Methode gefunden, und kann jederzeit entweder als ungeeignet erkannt oder durch eine andere geeignete, aber viel effektivere, Methode ersetzt werden. Gemessen wird der KR an etwas außerhalb seiner selbst.
Wie könnte die Methodik des kritischen Rationalismus' falsifiziert werden?
Was hat es denn mit der Falsifizierung so auf sich:

Falsifiziert werden Theorien im Rahmen der KR. Und weswegen wird hier "falsifiziert"? Weil es um die Untersuchung empirischer Gegenstände geht, die entweder quasi-unbegrenzt (fossile und rezente Brachiopoden z.B.) oder wirklich unbegrenzt (immer wieder im Labor erzeugbare Wirbel z,B.) existieren. Wenn alle Brachiopoden der Welt direkt verfügbar wären, könnten wir bezüglich der Brachiopodentheorien ganz anders vorgehen. Sind sie aber nunmal nicht.

Das wusste selbstverständlich schon der alte Aristoteles und überlegte sich, wie man denn da zur Wissensgewinnung sinnvoll voran schreiten soll. In einer Abfolge vieler (meta-)methodischer Theorien dazu, alle mit der Berufung auf die "vernünftige Begründung" ausgetüftelt, hat auch der Popper sich zu Wort gemeldet und eine bestimmte Theorie beigesteuert. Selbstverständlich auch auf den Wissensbegriff bezogen. So dolle logisch ausgearbeitet und begründet, dass die Logiker (Philosophen) dieses Verfahren für die Untersuchungsklasse empirischer Phänomene derzeit für die sauberste und effizienteste aller bekannten Methoden halten.
Vielen Dank für die Erklärung zum Kritischen Rationalismus.

Besonders bemerkenswert scheint mir Dein letzter Satz zu sein, gem. dem das Verfahren für die "Untersuchungsklasse empirischer Phänomene" die derzeit beste bekannte ist. Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Methodik für nicht empirisch Phänomene ungeeignet ist? Wie soll man mit diesen umgehen?
Mein Vorschlag ist, dass man sie gem. den Regeln der formalen Logik behandelt. Wie wäre es mit einem epistemologischern Ansatz?

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Da ich die Begrifflichkeit des kritischen Rationalismus' falsch klassifziert hatte, scheint es mir sinnvoll zu sein, uns hier auf eine anerkannte korrekte Definition davon, was der Begriff Kritischer Rationalismus beschreibt, zu einigen und schlage vor meinen Link hierfür als unsere Grundlage zu verwenden. Darin wird einleitend erklärt:
Kritisch rationale Überprüfung wissenschaftlicher Theorien (Hypothesen) mit dem Ziel ihrer vorläufigen Bestätigung durch den permanenten vergeblichen Versuch ihrer Widerlegung (Falsifikation).
In der ausführlichen Erklärung wird erläutert:
Die Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus geht von einer Asymmetrie zwischen der Falsifikation und der Verifikation aus.
Das ist ja auch alles korrekt.
Danke für die Bestätigung. Somit gehe ich davon aus, dass wir diese Definition hier als gültige Grundlage verwenden können.

Anton B. hat geschrieben:
Handelt es sich hierbei nicht um eine Grundannahme, oder in der Terminologie von closs gesproche, um eine Setzung?
Wenn Du das, was eine beliebige Theorie für ihre Vorhersagen verwendet, als "Grundannahme" oder "Setzung" verstehen möchtest, ja.

Im Rahmen wissenschaftlicher Theoriebildung gelten die Annahmen einer Theorie aber nunmal nichts um ihrer selbst willen. Eine Theorie muss, ob logisch-fundamental auf der Basis von etwas anderem, durch die Bewertung der Übereinstimmung der Vorhersagen und der tatsächlichen Beobachtungen oder sei es sonstwie "vernünftig begründet" sein. Setzungen und Grundnahmen in einer Theorie begründen aber nicht vernünftig.
Gilt dies für alle Wissenschaften, oder nur für die Naturwissenschaften? Ich frage deshalb, weil wir hier im Religionsforum ja oftmals geistes- und literaturwissenschaftliche Fragen berühren.

Anton B. hat geschrieben:Die ET hat, um mit Dir und closs zu sprechen, die Setzungen und Grundannahmen von Mutation und Selektion. Die ET ist aber als Theorie nicht deshalb etabliert, weil deren "Grundannahmen" und "Setzungen" Grundannahmen und Setzungen wären, sondern weil die Beobachtungsvorhersagen der ET eben beobachtet werden. Auch die "Grundannahme" und "Setzung" des von Einstein mathematisch verbrämten Gummituches hat die Wissenschaftler nicht als Grundannahme und Setzung überzeugt. Überzeugt haben die Beobachtungen dazu.
Ja.

Wie schneiden diesbezüglich die Superstringtheorien und die M-Theorie ab?

Anton B. hat geschrieben:Und im Falle der Peano-Axiome wurden dieselben auch nicht einfach so als Setzungen und Grundannahmen in den Raum gestellt. Statt dessen wurde das bekannte mathematische "Universum" einem Analyseprozess unterworfen und zum Schluss blieben die Axiome als nicht weiter Auflösbares zurück.
Leider überfordert mich diese Kurzerklärung fachlich.

Was sind Peano-Axiome? Was für Axiome blieben durch den Analyseprozess aus nicht weiter auflösbar zurück?

Anton B. hat geschrieben:Auch der Popper hätte sich ja all die logischen Ausarbeitungen und Darlegungen ganz ersparen können, wenn er einfach nur ganz lässig auf ein paar wenige Grundannahmen und Setzungen hätte verweisen können und die seine philosophischen Freunde überzeugt hätten. Aber nein, die wollten ja wieder vernünftige Begründungen.
In meinem letzten Antwort-Posting an SilverBullet hatte ich aus meinem philosophischen Fachbuch zitiert und den Schlussteil davon zitiere ich hier noch mals.
... Wenn man versuchte, jede Prämisse durch ein Argument mit neuen Prämissen zu begründen, geriete man in einen infiniten Regress, d.h. in eine unabschließbare Serie von Argumenten. Jede Prämisse ihrerseits durch weitere Argumente zu begründen ist unmöglich und auch gar nicht erforderlich. Am besten wäre es, wenn die Prämissen der (Unter-) Argumente intuitiv so einleuchtend wären, dass auch die anderen Philosophen sie akzeptieren.
Bedeutet dies nicht, dass am Anfang immer zumindest eine Prämisse "gesetzt" werden muss?

Anton B. hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und da der "kritische Rationalismus" auch keine Entität von dem Schlag ist, für dessen Behandlung er entworfen wurde, muss er noch nicht einmal sich selber genügen.
Darf ich Dich bitten mir diese tiefgründige Aussage verständlich zu erläutern? Mir ist sie zu tiefgründig, ich verstehe sie leider nicht.
Was ist denn an der Feststellung "tiefgründig", der KR sei als Werkzeug für "empirische" Erscheinungen nicht so ganz zur Begutachtung logisch begründeter Dinge -- wie eben dem KR -- geeignet?
Ich musste den Satz zwei mal lesen, um ihn hoffentlich korrekt zu verstehen. Möglicherweise lag es an meiner gestrigen Konzentration.

Also ist der KR ungeignet zur Prüfung von philosphischen Theorien, wie der Wissenschaftstheorie und der Erkenntnistheorie.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Hemul
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#27 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Hemul » Mi 12. Apr 2017, 18:04

Tyrion hat geschrieben: Gläubige erkennen nicht, dass sie ein Problem nur um eine Stufe nach oben verlagert haben. Das Argument, dass sie den Atheisten um die Ohren hauen, greift auch auf ihr Weltbild über. Wer erschuf Gott? Darüber diskutierne Gläubige aber nicht.....,
Da macht der Bärtige aber wieder die Backen gaaaaaaaaaaaanz-gaaaaaaaaaaaaanz Dicke-gelle? :lol: Warum sollten Gläubige darüber diskutieren wer Gott erschaffen hat wenn Experten wie z.B. Dein Kumpel Pluto mir folgende einfache Frage nicht beantworten wollen oder können:
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... 10#p245384
Pluto hat geschrieben:Heute wissen wir es besser: Das sind Gesetzmäßigkeiten der Natur und haben mit einem Schöpfer nichts zu tun
.
Hemul hat geschrieben: Dann kannst Du uns ja auch sagen welche Macht o Pardon :shock: welche Kraft für die Dunkle Energie verantwortlich ist-gelle? ;)
Pluto kann oder will mir (bisher) meine einfache Frage nicht beantworten-leider. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Du hier bedeutend mehr Mumm hast-und deine Finger wie gewohnt auch diesmal wieder fliegen lässt-gelle? :wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

Anton B.
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#28 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Anton B. » Mi 12. Apr 2017, 19:38

Halman hat geschrieben:Besonders bemerkenswert scheint mir Dein letzter Satz zu sein, gem. dem das Verfahren für die "Untersuchungsklasse empirischer Phänomene" die derzeit beste bekannte ist. Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Methodik für nicht empirisch Phänomene ungeeignet ist? Wie soll man mit diesen umgehen?
Mein Vorschlag ist, dass man sie gem. den Regeln der formalen Logik behandelt. Wie wäre es mit einem epistemologischern Ansatz?
Die Wissenschaftstheorie untersucht doch, wie Wissen generiert werden kann, nachdem die Erkenntnistheorie sich der Frage "Was kann man Wissen?" angenommen hatte. Die logisch-formalen "Phänomene" der Mathematik müssen anders als die empirischen Phänomene der Natur- und anderer Wissenschaften untersucht werden. Die "eine" Methodik ist nicht gefunden. Welche Methodik nun im speziellen Fall gut und geeignet ist, muss selber wissenschaftlich erarbeitet werden. Ist das denn kein "epistemologischer Ansatz"?

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Im Rahmen wissenschaftlicher Theoriebildung gelten die Annahmen einer Theorie aber nunmal nichts um ihrer selbst willen. Eine Theorie muss, ob logisch-fundamental auf der Basis von etwas anderem, durch die Bewertung der Übereinstimmung der Vorhersagen und der tatsächlichen Beobachtungen oder sei es sonstwie "vernünftig begründet" sein. Setzungen und Grundnahmen in einer Theorie begründen aber nicht vernünftig.
Gilt dies für alle Wissenschaften, oder nur für die Naturwissenschaften? Ich frage deshalb, weil wir hier im Religionsforum ja oftmals geistes- und literaturwissenschaftliche Fragen berühren.
Die "vernünftige Begründung" ist per Definition der zentrale Anspruch von "Wissen". Was aber ist eine "vernünftige Begründung" denn überhaupt? Die "Ausführungsbestimmungen" müssen selber aus dem Begriff "Wissen" abgeleitet werden. Es müssen vernünftige Ansätze für die verschiedenen Klassen von Untersuchungsgenständen gefunden werden. Alles unter dem Oberhütchen "vernünftige Begründung" für alles, was den Stempel "Wissen" tragen soll.

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Die ET hat, um mit Dir und closs zu sprechen, die Setzungen und Grundannahmen von Mutation und Selektion. Die ET ist aber als Theorie nicht deshalb etabliert, weil deren "Grundannahmen" und "Setzungen" Grundannahmen und Setzungen wären, sondern weil die Beobachtungsvorhersagen der ET eben beobachtet werden. Auch die "Grundannahme" und "Setzung" des von Einstein mathematisch verbrämten Gummituches hat die Wissenschaftler nicht als Grundannahme und Setzung überzeugt. Überzeugt haben die Beobachtungen dazu.
Ja.

Wie schneiden diesbezüglich die Superstringtheorien und die M-Theorie ab?
Welchen Status haben denn die genannten Theorien in der Physik? Als gültige Beschreibung bestimmter Erscheinungen etabliert? Und überzeugen die "Annahmen zum Wirkmechanismus" die Physiker aus sich selber heraus oder erkennt der Physiker ein bestimmtes Potential, möchte aber trotzdem gerne die Möglichkeit sehen, dereinst durch Bewährungen einzigartiger abgeleiteter Beobachtungsvorhersagen überzeugt zu werden?

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Und im Falle der Peano-Axiome wurden dieselben auch nicht einfach so als Setzungen und Grundannahmen in den Raum gestellt. Statt dessen wurde das bekannte mathematische "Universum" einem Analyseprozess unterworfen und zum Schluss blieben die Axiome als nicht weiter Auflösbares zurück.
Leider überfordert mich diese Kurzerklärung fachlich.
Die Peano-Axiome der Mathematik sind keine Setzungen, weil die Axiome in der Rückbetrachtung zur formalisierten Beschreibung der Mathematik abgeleitet wurden. Oder von mir aus sind es Setzungen, aber eben keine "wahlfreien". Sie sind das Produkt einer logischen Betrachtung eines Systems und werden damit "vernünftig begründet".

Halman hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Auch der Popper hätte sich ja all die logischen Ausarbeitungen und Darlegungen ganz ersparen können, wenn er einfach nur ganz lässig auf ein paar wenige Grundannahmen und Setzungen hätte verweisen können und die seine philosophischen Freunde überzeugt hätten. Aber nein, die wollten ja wieder vernünftige Begründungen.
In meinem letzten Antwort-Posting an SilverBullet hatte ich aus meinem philosophischen Fachbuch zitiert und den Schlussteil davon zitiere ich hier noch mals.
... Wenn man versuchte, jede Prämisse durch ein Argument mit neuen Prämissen zu begründen, geriete man in einen infiniten Regress, d.h. in eine unabschließbare Serie von Argumenten. Jede Prämisse ihrerseits durch weitere Argumente zu begründen ist unmöglich und auch gar nicht erforderlich. Am besten wäre es, wenn die Prämissen der (Unter-) Argumente intuitiv so einleuchtend wären, dass auch die anderen Philosophen sie akzeptieren.
Bedeutet dies nicht, dass am Anfang immer zumindest eine Prämisse "gesetzt" werden muss?
Wenn ausschließlich der logisch-formale Weg vom Quell bis zur Mündung gegangen werden soll, ist das so. Manches, wie die Grundlagen bestimmter Logiken, sind ja auch relativ "einsichtig" aufstellbar.

Für die empirischen Untersuchungsgegstände der Naturwissenschaften wiederum ist das in toto nicht so.

Welche Grundprämisse haben wir da? Richtig: Eigentlich gar keine! Wir haben den Wissensbegriff aber der rechtfertigt doch an sich nichts. "Vernünftige Begründung" hört sich toll an, aber wenn "vernünftig begründet" nur Mumpitz rauskommt, der für nichts brauchbar ist, dann hilft auch die beste "vernünftige Begründung" nichts.

Die "vernünftige Begründung" steht also auch zur Disposition. Und nur, weil das mit diesem Anspruch generierte "Wissen" so dermaßen nutzvoll für uns ist, betrachten wir diesen Anspruch als einigermaßen gerechtfertigt. Und hüten uns auch nur deswegen, da mal schnell einige Definitionsverbesserungen vorzunehmen, die -- zumindest nach der Meinung des einen oder anderen Forenkollegen hier -- so ganz ohne jede Gefahr dies oder jenes dann noch ganz rasch zu Wissen werden lässt.

Halman hat geschrieben:Also ist der KR ungeignet zur Prüfung von philosphischen Theorien, wie der Wissenschaftstheorie und der Erkenntnistheorie.
Wüsste jetzt aus der seriösen Literatur niemanden, der den KR da bemühen wollte.
Zuletzt geändert von Anton B. am Mi 12. Apr 2017, 19:42, insgesamt 1-mal geändert.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

SilverBullet
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#29 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von SilverBullet » Mi 12. Apr 2017, 19:40

Halman hat geschrieben:welche Prämissen wären geignet und welche nicht?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass Voraussetzungen keinen Anlass zum Aufstellen einer Frage bieten dürfen, für die bisher keine Antwort gefunden wurde.

Dies widerspricht bereits deiner Feststellung, dass Gläubige mit dem Wort "Gott" eher ihre Voraussetzung nennen würden, als "Atheisten", denn exakt für das Wort "Gott" kann nicht beantwortet werden, um was es gehen soll
=> als Voraussetzung nicht verwendbar.

Analog verhält es sich auch, wenn man die "gesamte materielle Welt" ausschliesst und einfach eine "Intelligenz" als Ausgangspunkt für "die Erschaffung der Welt" postuliert.
- Was soll „Intelligenz“ sein und wie kann "sie" ohne materielle Grundlage vorkommen?
- Worum geht es beim "Erschaffen der Welt" - wird Materie überhaupt "erschaffen" - was ist Materie?
=> als Voraussetzung nicht verwendbar.

Du hast auf "closs" verwiesen. Wie steht es um die Überlegung, dass "Geist" eine Art „Grundlage“ sein soll, weil „es ja generell möglich sein soll“, dass ein Mensch etwas ist, das sich komplett täuscht und nur beim Sich-Selbst-Erkennen unmissverständlich richtig liegen kann, wobei der Körper als "handelndes Subjekt" ausgenommen werden darf.
- Was soll dabei "Geist" sein?
- Zum Durchführen der Relativierung von "Welt" und "Körper" wird eine Überblicksposition vorausgesetzt („closs“ nennt dies „Vogelschau“). Wo ist abgeklärt, ob diese "Position" überhaupt einnehmbar ist?
=> als Voraussetzung nicht verwendbar, schon gar nicht für ein Weltbild. (Trotzdem wurde fleissig an der Metaphysik gestrickt)

Generell verwendet die Philosophie gerne die Formulierung "es ist denkbar dass...".
Da sie darauf viele Folgerungen aufbaut, bedeutet dies, dass eine umfassende "Gültigkeit des Denkens" vorausgesetzt wird.
Wie soll das funktionieren können und wo, wann, wie und durch wen, wurde abgeklärt, dass dies auch so ist?

Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen Taschenspielertrick, denn "es ist denkbar dass..." ist keine Formulierung eines Fachexperten, der quasi sofort mit der Realisierung beginnen könnte, sondern die Aussage von Menschen, die keinerlei Einblick haben und eigentlich gar keine "Vermutungsrichtung" angeben dürften.

Das interessiert die Philosophie aber immer nur sekundär: die "fehlerhaften Voraussetzungen" werden erst sehr spät "korrigiert", wobei es keine wirkliche Korrektur ist, sondern eher nur ein Nicht-Mehr-Für-Ganz-So-Relevant-Halten.

Auf dieser Basis hat sich die "offizielle" Philosophie sehr stark an die Resultate der Naturwissenschaften anpassen müssen, wobei es aber immer noch Vertreter der anderen "Richtungen" gibt.

Hier nun als Beispiel „meine Voraussetzungen“:

Ich habe schon einmal drei Punkte vorgestellt, die ich als Wissensfundament ansehe, also Aussagen, die ein Mensch quasi "aus sich selbst heraus, über sich selbst und die Welt" (Wahrnehmung) aufstellen kann und zwar nicht durch Interpretation, sondern als Quintessenz seiner Fähigkeiten, ohne auf die "Gegenstände", also die Inhalte dieser Fähigkeiten zurückgreifen zu müssen:

1. Es finden Reaktionen statt ("Abläufe" - Veränderungen über die Zeit hinweg)
2. Es muss etwas geben, das diese Reaktionen durchführt ("Reaktionssystem")
3. Es liegt eine Reaktionsfixierung vor (z.B. "schräge Linien")

All diese Aussagen kann jeder an sich selbst feststellen (es gibt unzählige Fallbeispiele), ohne dass er sich dabei schon festlegen muss, "was" er ist, "wie" er funktioniert und/oder "womit" er umgeht.

Sollten diese Aussagen falsch sein, dann können wir rein gar nichts aussagen - dann sind wir quasi "aus dem Spiel", denn wir liegen dann ja sogar darin falsch, dass es um "ein Spiel" geht.

Diese drei Punkte sind (für mich) als Voraussetzungen geeignet, um ein grundlegendes Weltbild aufzustellen.
Motto: "ich kann dies an mir innerhalb von konkreten Fallbeispielen feststellen, und ich gehe davon aus, dass es korrekt ist"

Hierzu kann man zwar auch Fragen stellen, z.B. was ist "Zeit" ("zeit" wird für Reaktionen benötigt - siehe oben), aber man kann diese Fragen mit unseren Fähigkeiten beantworten:
"Zeit" ergibt sich aus der Fähigkeit "eine Veränderung als Veränderung identifizieren zu können" ("Erinnerung"), was wiederum eine Reaktion darstellt.
(Damit ist noch kein Entwurf durchgeführt, sondern nur ein Zusammenhang zu den Voraussetzungen hergestellt, quasi eine Absicherung, dass es sich um "erlaubte" Voraussetzungen handelt.)

Wenn es nun um ein Weltbild geht, das "erklären soll", was ein Mensch ist, dann sollte dies auf diesen Punkten aufbauen und hierbei keine unbeantworteten Fragen als Voraussetzung verwenden.
Wer also irgendwelche "Wesen" ins Spiel bringt, erfindet eine "Hintergrundgeschichte", die nicht feststellbar ist => ungeeignet.

Aus Punkt 3 ergibt sich die Möglichkeit der Naturwissenschaften.
Indem sie versuchen, die Reaktionsfixierung inhaltlich zu identifizieren und zu validieren (=> die "schrägen Linien" sind z.B. eine nicht korrekte Reaktionsfixierung), können Zusammenhänge einer "Realität" aufgestellt werden, die nicht den Voraussetzungen widersprechen.
Da diese Zusammenhänge ein "geschlossenes System" (im Sinne von "Funktion") zu bilden scheinen, ist es vernünftig, insgesamt von einer "Wirklichkeit" zu sprechen.

Wenn nun aus diesem "geschlossenen System" (also inhaltlich) eine Begründung für "das Vorhandensein/Zustandekommen der inhaltsneutralen Voraussetzungen" aufgestellt werden kann, dann ist es vernünftig diese Begründung als „qualitativ hoch“ einzuschätzen.

Man kann leicht erkennen, dass hierbei nicht darauf abgezielt wird "dass Materie die einzig erlaubte Grundlage sein soll" (es ist ja unbekannt, was "Materie" ist - genauso ist unbekannt, was "Existenz" ist), sondern dass eine Offenheit gegenüber allen Zusammenhängen (entsprechend der inhaltsneutralen Voraussetzungen) besteht (nur nicht für "Fragezeichen-Zusammenhänge").

Bei "Weltbildern", die aus meiner Sicht mit ungeeigneten Voraussetzungen arbeiten, fällt mir auf, dass sie regelrechte Schwierigkeiten mit Punkt 3 haben.
Die Reaktionsfixierung wird hierbei in der Regel als "unangenehme Verstrickung", als "temporäre Anhaftung" oder Ähnliches angesehen (Stichwort: "körperliche Hülle"), wobei die "Hintergrundgeschichte" auf die "eigentliche Realität" hindeuten können soll.
=> dies kann nur ungeeignet sein, weil damit zwangsläufig alles "ins Reich der Fragezeichen-Zusammenhänge" ausgelagert wird - Fallbeispiele für direkte Einblicke können offensichtlich nicht mehr geliefert werden.
=> dies wird dann oft als "intersubjektiv nicht vermittelbar" bezeichnet.
Motto: "nur wer sich dafür entscheidet, die Fragezeichen zu übersehen, ist letztlich geeignet"

Halman hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:allgemein gültig anerkannte Grundannahmen:
=> „Spinat hat viel Eisen“ -> falsch
=> „ein Mensch nutzt nur 10% der Gehirnkapazität“ -> falsch
Aus philosphischer Sicht sind dies keine allgemein anerkannten Grundannahmen, sondern widerlegte Behauptungen.
Nachdem andere die Arbeit gemacht haben, wäre es auch zu peinlich dies dennoch zu behaupten.
Trotzdem würde es nicht deiner „Grundsatzaussage“ widersprechen, wodurch die „Grundsatzaussage“ in Bedrängnis kommt.

Halman hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Geist“, „Seele“, „Gott“ sind als „gültig“ anerkannt, ...
Aus philosphischer Sicht sind dies keine allgemein anerkannten Prämissen. Und wenn das Problem besteht, dass die Bedeutung der Begriffe unklar ist, muss zunächst eine Begriffsanalyse erfolgen.
Und wie sieht das Resultat der selbsternannten „Geisteswissenschaftler“ für „Geist“ aus, so dass sie sich immer noch „Geisteswissenschaftler“ nennen dürfen?

Halman hat geschrieben: (im Fachbuch steht es auf Seite 29).
Prämissen, ...
Am besten wäre es, wenn die Prämissen der (Unter-) Argumente intuitiv so einleuchtend wären, dass auch die anderen Philosophen sie akzeptieren.
Also gut, nehmen wir uns gleich „das Beste“ zur Brust:
„Argumente“ sollen intuitiv so einleuchtend sein, dass die anderen Philosophen sie akzeptieren.

Ich hoffe dir fällt auf, dass dies sogar noch eine Abschwächung des „Publikumsjokers“ ist.

Wenn also die „fröhliche Bande der Philosophen“ der Meinung ist, dass das Denken über allem stehen soll, dann wird dies plötzlich „zum Argument“. Wenn also einer suggeriert, dass „man etwas denken können soll“, dann fangen „die anderen aus der philosophischen Legebatterie“ zu nicken an, „weil sie es halt auch so wollen“.

Ob das „Ergebnis“ dadurch letztlich stimmt, werden diese Leute nicht gerade vor allen anderen erfahren können. Sie haben sich ja quasi „aus Strategie“ den Schädel „verbrettert“.

Besonderes gefällt mir das „intuitiv“. Damit ist im Grunde vorgesorgt, dass der leistungsferne Philosoph sich noch nicht einmal anstrengen muss, denn wenn es ihm nicht „zuflattert“ ist es kein Argument und tatsächlich wird ja auch sehr viel gestritten (sofern eine Aussage nicht aus dem eigenen „philosophischen Schulstall“ stammt)

Wenn das die Grundlage für Qualität in der Philosophie ist (wo sind eigentlich die Resultate?), dann stelle ich die Frage, ob wir das Geld nicht besser einsetzen können, indem jedem Bürger ein „leckerer Lutscher“ gekauft wird.

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#30 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Opa Klaus » Mi 12. Apr 2017, 20:00

von Tyrion » Mi 12. Apr 2017, 15:26 Uhr
Tyrion hat geschrieben:2.) Wenn du glaubst sie wäre erforderlich, woher kam dann diese Intelligenz?
Punkt 2. kann man leider widerholen, so oft man will. Gläubige erkennen nicht, dass sie ein Problem nur um eine Stufe nach oben verlagert haben. Das Argument, dass sie den Atheisten um die Ohren hauen, greift auch auf ihr Weltbild über. Wer erschuf Gott? Darüber diskutierne Gläubige aber nicht, warum auch immer. Nur Atheisten sollen erklären, wer für den Anfang verantwortlich ist.
Ich erinnere:
Opa Klaus 11.04. um 18:23 Uhr "diskutiert DOCH darüber"
Solange also nur EINE ENTITÄT = ein höheres intelligentes Wesen ganz alleine ohne Werke (ohne Materie) existiert, gibt es weder Bewegung noch dazugehörige Zeit.
Das reine Denken (die Existenz) des höheren Wesens läßt sich nicht als Bewegung und auch nicht als Zeit interpretieren oder messen. Es fehlt die Relation.
Also, VOR Raum, Bewegung und Zeit gab es nach meiner Ansicht EINE alleinige Entität, ein höheres denkendes, kreatives, intelligentes Wesen.
Erst in dem Moment, wo es Bezugspunkte schafft, beginnt Raum und Zeit.
Wie lange (Zeit) dieses Wesen ganz allein mit seinen Gedanken und Plänen war, ist irrelevant, weil es kein DAVOR, KEINE ZEIT gab.
Meine Gedanken in dieser Richtung sind gar nicht neu. irgendwo in den unzähligen Weltbildern tauchen sie bereits auf.
Wohltätig ist des Geistes macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. Wer die Vernunft ausschaltet, findet im Dunkeln den Schalter zum Wiedereinschalten nicht mehr. http://www.prueter.eu

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