Halman hat geschrieben:Nun mag Schmidt-Salomon auf diese Ausdrücke verzichten...
Nein, das siehst du völlig falsch.Er lehnt lediglich die Idee des absolut Guten
und Bösen als personifizierte Begriffe (z.B. als Gott
und Satan) ab. Ich zitiere mal Schmidt-Salomon aus einem Interview der "Freien Presse Chemnitz":"Bei der ethischen Bewertung fragen wir danach, ob die Interessen anderer bei einer Entscheidung fair berücksichtigt wurden oder nicht. Das hat nichts mit „
Gut“ oder „Böse“ zu tun. Das Gutgegen-Böse-Prinzip hat sich nicht deswegen über die Jahrhunderte gehalten, weil es so human ist, sondern weil es sich so hervorragend eignet, die eigene Gruppe gegenüber „den Anderen“ abzugrenzen.Denn böse sind stets die Anderen!Sie werden nicht mehr als Menschen mit menschlich-allzumenschlichen Eigenschaften wahrgenommen, sondern als depersonalisierte „Agenten des Bösen“, was häufig zu einer Eskalation der Gewalt führt. Egal ob Hisbollah, Hamas, orthodoxe jüdische Siedlerbewegung, George W. Bush oder Osama Bin Laden – sie alle vertreten rigide Moralvorstellungen
und sehen sich als heldenhafte Kämpfer in einer „Entscheidungsschlacht gegen das Böse“ – nur dass das „Böse“ jeweils anders verortet wird. Gegenüber den „Agenten des Bösen“ neigt man dann natürlich dazu, alles Mitleid abzustreifen. Unter dem Deckmantel des „Guten“ folgt man dem blinden Instinkt der Rache."
closs hat geschrieben:Hier sind wir wieder voll im Definitions-Sumpf. - Was "ist" "gut" - was "ist" "böse"`?...
Als "Sumpf" würde ich eine Diskussion über "ethische Bewertung" nun wahrlich nicht bezeichnen wollen...
Halman hat geschrieben:...Nicht alles lässt sich so leicht als "gut" oder "böse" zutreffend beschreiben...
Wo du recht hast , hast du recht, aber hier
Halman hat geschrieben:...dennoch ist er Vorstand einer antireligiösen Stiftung, für die Religion die Wurzel von Übel ist. Mit anderen Worten: Gem. der naturalistischen Idiologie der Brights ist Religion "böse".
ist me.E. der letzte Satz nicht zutreffend, aus den eingangs genannten Gründen bezüglich "personifzierter Begriffe". Schmidt-Salomon betrachtet das auch viel differenzierter, hier nochmal aus dem Interview der "Freien Presse Chemnitz":"Die Religionen sind ja Antworten auf existenzielle Fragen des Menschseins, sie hätten nicht so lang überlebt, wenn in ihnen nicht auch Wahres enthalten wäre! Nur müssen wir das Lebensdienliche in den Religionen trennen
von dem, was das Leben gefährdet. Man darf hier nicht übersehen,
und das ist kein Vorwurf, dass die Religionen auf einer sehr viel früheren Stufe der kulturellen Evolution entstanden sind
und deshalb noch viele Elemente in sich tragen, die schlichtweg nicht mehr ins 21. Jahrhundert gehören. Wir sollten also die richtigen Konzepte aus den Religionen in eine moderne Sprache übersetzen, die ohne schädlichen Hokuspokus wie „das Böse“ auskommt."
Im Vergleich dazu bist du, @closs hiermit:
closs hat geschrieben:...Jedoch würde ich hier auf andere Weise differenzieren:
1) Die Welt ist schon schwarz-weiß - für Gott - aber eben nicht für unsere Wahrnehmung.
2) Man kann aus meiner Sicht "gut" und "böse" theoretisch/fundamental schon klar definieren - und zwar nicht nur über die Bibel, sondern auch über die Dialektik.
Konkret: Das "Böse" an Adam und Eva ist, dass sie durch ihre Bewusstseins-Werdung durch den "Sündenfall" nicht umhin können, das Ich als Orientierungs-Größe zu verstehen - somit Gott nicht mehr als einzige Orientierungs-Größe verstehen zu können. - Das ist die Definition von "böse" und auch der Wortsinn von "Diabolus" und "Scheitan/Satan". Das Problem: Dieses fundamentale Verständnis entspricht nicht dem heutigen Verständnis - wie so oft.
"Gut" wäre in diesem Sinne die Orientierung des Ichs an "Gott" (im Sinne von "Gott ist die Liebe" bzw. "Alles in Einem") - was natürlich nie gelingen kann, solange der Mensch in seiner Ich-Heit irdisch gefangen ist...
- im Ansatz stecken geblieben.
closs hat geschrieben:Das kann man machen, aber es verweist mehr auf eine Weltanschauung Schmidt-Salomons hin als auf eine Lösung der Frage, was "gut" und "böse" ontologisch ist.Mit anderen Worten: Die Frage Sind wir "jenseits von Gut und Böse" wirklich die besseren Menschen? kann beliebig beantwortet werden, ist also je nach Definitions-Setzung mit allem zwischen "ja" und "nein" beantwortbar.
Zu solchen "beliebigen" Antworten gelangt man, wenn man zum Thema eigentlich nichts gelesen hat
und krampfhaft in "Schubladen-Denken" verharrt.
Novalis hat geschrieben:Schön zu wissen. Dann ist die IS vermutlich nicht böse.
Oder die Gulags von Sibirieren, die im Namen der aheistischen Ideologie des Kommunismus erfunden wurden. Bereits Lenin ordnete an, "die Klassenfeinde der Sowjetrepublik in Konzentrationslagern zu isolieren", um sie auf diese Weise auszuschalten.Oder die Gulags von Sibirieren, die auf erschreckende Weise zeigten, wohin innere und äußere Gottferne und spirituelle Entfremdung und Entwurzelung des Menschen führen kann.
Das ist der falsche Kontext, es geht nicht um Theismus/Atheismus. In seiner Schrift "Sind AtheistInnen die besseren Menschen? Anmerkungen zur Kriminalgeschichte des Atheismus" brachte es Schmidt-Salomon so auf den Punkt:"...Die Konfrontation mit dieser Art religiöser Atheisten rief mir immer wieder zu Bewußtsein, was mir eigentlich schon seit Beginn meines Ausstiegs aus der Religion klar war, nämlich dass das entscheidende Problem nicht der Theismus ist, sondern die Religion. ... Ich plädierte dafür, den traditionellen Begriff der Religion zu erweitern: er müßte sowohl die theistischen als auch die atheistischen Heilsgeschichten umfassen...Ich denke, es wäre überaus problematisch, den Religionsbegriff weiterhin an der Existenz klar umrissener Gottesbilder festzumachen. Denn erstens würden wir damit (s.o.) zahlreiche traditionelle Formen der Religion ausklammern. Zweitens würden wir verkennen, dass religiöse Grundmuster auch in scheinbar säkularen Zusammenhängen
von zentraler Bedeutung sein können...Es gilt daher, eine skeptische Geisteshaltung zu fördern, die unbrauchbare Ideen sterben lässt, bevor Menschen für unbrauchbare Ideen sterben müssen. Gegen diesen kategorischen Imperativ jeder aufklärerischen Religionskritik haben religiös denkende Menschen aller Zeiten verstoßen -
und zwar losgelöst davon, ob sie an die Existenz eines Gottes glaubten oder nicht. Es ist an der Zeit, nicht nur aus der Kriminalgeschichte des Christentums, sondern auch aus der Kriminalgeschichte des Atheismus die richtigen Schlüsse zu ziehen."