Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#1 Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Pluto » So 23. Nov 2014, 13:27

Thema abgetrennt aus: Was genau ist denn Geist?


closs hat geschrieben:Hier ist mit "ontologisch" ganz wörtlich gemeint: "Was IST?" - unabhängig von Weltanschauungen, Systemen, Methoden (= Wahrnehmung).
Ontologische Argumente betrachte ich immer mit einer großen Portion Skepsis.

Beispiel:
Nehmen wir das ontologische Gottes-Argument von Anselm:
  • - Gott ist etwas, worüber hinaus sich nichts Vollkommeneres vorstellen läßt.
    - Es ist vollkommener zu existiern, als nicht zu existieren.
    - Damit Gott das vollkommene Wesen sein kann, muss er existieren
    - Also existiert Gott
    .

Argumente sind aber generell nur gut, wenn sie solide und gültig sind. Oberflächlich scheint Anselms ontologischer Gottesbeweis beide Kriterien zu erfüllen. Doch etwas macht ihn in meinen Augen suspekt: Er gründet auf nicht überprüften a priori Definitonen (auch Setzungen genant). Doch Definitionen müssen zuvor in der Realität gegründet werden, um glaubwürdige Beschreibungen der Wirklichkeit sein zu können. Wenn nicht, läuft man Gefahr, dass die darauf basierenden Argumente zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Anselms großer Kritiker war der Mönch Gaudilo, der die falschen Schlussfolgerungen im ontologischen Gottesargument aufzeigte: In dem er dieselben Argumente verwendete, um die Existenz einer perfekten Insel zu beweisen, offenbarte er die ungegründete Natur von Anselms Definitionen.

Ontologische Argumente erscheinen mir aus diesem Grund immer als entweder unbegründet oder auf falsche a priori Definitonen basierend. Darum betrachte ich Ontologie so lange mit großer Skepsis, bis man mir zeigen kann, wie sie nachvollziehbare Erkenntnisse liefert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#2 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 14:14

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Bei mir würde die Ontologie als Metawissenschaft sofort assoziieren: da werden Werte bereits als Prämissen gesetzt.
Kann sein, dass das begriffs-historisch möglich ist. - Hier ist mit "ontologisch" ganz wörtlich gemeint: "Was IST?" - unabhängig von Weltanschauungen, Systemen, Methoden (= Wahrnehmung).
Aber was unterscheidet Dich dann von evangelikalen oder fundamentalistischen Christen oder hartgesottenen Materialisten? Bin im Moment echt verwirrt. Willst Du dann nicht letztlich allen nur zeigen, dass es nur eine Weltanschauung gibt, die stimmt - die Deine?
Denn behaupten tun ja alle Erwähnten, dass das, was sie unter "ist" verstehen, das ist, was wirklich ist, also unabhängig von allen Weltanschauungen, Systemen, Methoden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ein Metasystem hat nicht den Auftrag, zu belehren, wie man zu erkennen habe.
Naja - aber vielleicht zu belehren, dass jegliches System-Wissen ein perspektivisches Für-Wahr-Halten ist - also keinen absoluten Charakter hat.
Vielleicht unterscheiden wir uns hier dann doch entschieden. Eine Wissenschaft sucht Zusammenhänge auf, unter gewissen Prämissen, aber nie mit dem Belehrungscharakter, wie man etwas zu sehen habe und wie nicht.

Wenn obenerwähntes Metasystem die Prämisse hat, dass sie alles unter dem Zeichen perspektivischer Wahrnehmung untersucht, dann kann nicht das Resultat der Untersuchung sein, dass es nur perspektivisch Erkenntnis gibt.

Das wäre der gleiche Fehler - wo wir einer Meinung waren -, dass es nicht die Aufgabe der Natuwissenschaft sein kann, die Leute darüber zu belehren, dass alles naturwissenschaftlich erklärbar sei, sondern dass sie lediglich das untersucht, was sie als "Natur" untersucht.
Zusammengefasst: Wenn Prämisse = Resultat, dann ist der Boden der Wissenschaft verlassen worden, und mal will das als Ergebnis bekommen, was man von vornherein als Ergebnis haben wollte.

Möglicherweise meinst Du das alles ja auch ganz anders.

closs
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#3 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 14:47

Savonlinna hat geschrieben:So, wie er es beschrieb - dass es ohne reales Mitwirken aller Beteiligten nicht entstehen kann - ist es für mich kompatibel mit einigen Theologen in ihrer Vorstellung vom "Reich Gottes", das hier auf Erden etabliert werden solle.
Stimmt :thumbup: . - Wie Kommunismus in der Idealform eh die christlichste aller Formen des Zusammenlebens ist - aber eben nur in der Idealform, die es im Dasein nicht geben kann, das nicht umsonst "Fürstentum des Teufels" genannt wird.

Savonlinna hat geschrieben:Gerade schon in seinem Frühwerk schrieb er den Satz, er wolle Hegel vom Kopf auf die Füße stellen:
Interessant - das wusste ich nicht. - Das passt sehr gut mit dem überein, was ich mit "horizontaler" und "vertikaler" Dialektik gemeint habe.

Savonlinna hat geschrieben:Willst Du dann nicht letztlich allen nur zeigen, dass es nur eine Weltanschauung gibt, die stimmt - die Deine?
Kommt das so rüber? - Eigentlich will ich sagen, dass es KEINE Weltanschauung gibt, die stimmt. - Wenn Du es "Weltanschauung" nennen willst, dass man postuliert, dass KEINE Weltanschauung stimmig ist, haben wir natürlich logische Probleme - also einfach ausgedrückt:

Jede Weltanschauung funktioniert nach Prämissen, die - wie der Name schon sagt - voraus-gesetzt werden und nicht falsifizierbar sind. - Da diese Prämissen menschlicher Natur sind und der Mensch nur begrenzt wahrnehmen kann, sind daraus resultierende Weltanschauungen per Definition begrenzter Natur. - Insofern sind Weltanschauungen nur Chiffren/Gerüste, mit denen man begrenzte Aspekte des Seins/der Wahrheit beleuchten kann.

Demgegenüber steht die innere Distanz zu Weltanschauungen, die man zwar als Handwerkszeug nutzen kann, sie aber nicht zum Maßstab des Seins selbst macht. - Am Ende mündet diese Einstellung zu einem "Ich weiss, dass ich nichts weiss", was NICHT eine schicke rhetorische Floskel ist, sondern ontologisch knallhart gemeint ist.

Dieses Bewusstsein des Nicht-Wissen-Könnens und nur Für-Wahr-Halten-Könnens lässt einen frei nach Wegen suchen, etwas mehr wissen/erleben/erfahren/erkennen zu können. - Methodisch steht hierzu die Hermeneutik zur Verfügung - praktisch steht das Leben an sich zur Verfügung. - Die geistig authentischsten Menschen haben öfter mal Erde an den Fingern, weil sie unterm Tag draußen sind.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn obenerwähntes Metasystem die Prämisse hat, dass sie alles unter dem Zeichen perspektivischer Wahrnehmung untersucht, dann kann nicht das Resultat der Untersuchung sein, dass es nur perspektivisch Erkenntnis gibt.
Moment: Die Meta-Ebene untersucht, unter welchen Prämissen Systeme funktionieren - die Meta-Ebene selbst hätte im Idealfall nur die Prämisse "Cogito ergo sum" und Logik (muss ich aber noch mal nachdenken).

Savonlinna hat geschrieben:Das wäre der gleiche Fehler - wo wir einer Meinung waren -, dass es nicht die Aufgabe der Natuwissenschaft sein kann, die Leute darüber zu belehren, dass alles naturwissenschaftlich erklärbar sei, sondern dass sie lediglich das untersucht, was sie als "Natur" untersucht.
Wir sind uns schon noch einig - vielleicht verwuseln manchmal meine Sprachgirlanden.

closs
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#4 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 14:55

Pluto hat geschrieben:Nehmen wir das ontologische Gottes-Argument von Anselm
Das gehört in die Begriffs-Geschichte des Wortes "ontologisch" - unter "ontologisch" verstehe ich quasi vm Punkt Null aus nichts anderes als die Frage: "Was IST/Was kann der Fall sein" - und erst dann: "Welches Werkzeug ist dazu geeignet, dies herauszufinden". - Mehr nicht.

Eigentlich geht es um die konsequente kategoriale Trennung von Wahrnehmung und Realität - und um die Erkenntnis, dass jegliches Wissen des Menschen System- Wissen ist (da Wissen = Wahrnehmung). - Ontologisches Denken wäre somit system-freies Denken (wobei man sich jetzt wieder herzhaft streiten kann, ob "systemfreies Denken" ein System ist :devil: ).

Pluto hat geschrieben:das ontologische Gottes-Argument von Anselm
Das gilt auch für Anselm - wahrscheinlich auch für Gödel: Kein Mensch kann ohne Voraus-Setzung den Mund aufmachen - wenn man aber Nicht-Falsifizierbares voraussetzt, ist es schon wieder ein System. - Und wenn Gödel Mathematik voraussetzt, ist es auch ein System. - Mit anderen Worten: Es ist PRINZIPIELL nicht möglich, Gott im Dasein zu beweisen.

Dass Anselm dazu das Wort "ontologisch" benutzt, gehört in die Begriffs-Geschichte des Wortes "ontologisch" - wie auch die "naturalistische Ontologie" (oder wie hieß das?), die Du kürzlich erwähnt hast. - Bei mir ist es wörtlich gemeint - "Lehre vom Sein" - egal, ob wir dieses Sein erfassen können oder nicht.

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Savonlinna
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#5 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » So 23. Nov 2014, 15:28

closs hat geschrieben:Wie Kommunismus in der Idealform eh die christlichste aller Formen des Zusammenlebens ist - aber eben nur in der Idealform
Der junge Marx hatte sich dem Kommunismus zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugewandt.
Ob ein Reich der Freiheit "nie" erzielt werden könne - wo wir doch immerhin hier im Thread "Was genau ist denn Geist" sind -, das lasse ich im Moment außen vor. Das Argument, die Welt sei von vornherein in der Hand des Teufels, ist nicht meins, aber vielleicht auch Deins nicht in aller Konsequenz.

closs hat geschrieben:Eigentlich will ich sagen, dass es KEINE Weltanschauung gibt, die stimmt. - Wenn Du es "Weltanschauung" nennen willst, dass man postuliert, dass KEINE Weltanschauung stimmig ist, haben wir natürlich logische Probleme
Ich war durchaus in Versuchung, das zu tun - hab es dann wieder gelöscht -, weil ich letztlich auch mehr auf Deinen Begriff von "Sein" ging. Da liegt für mich nach wie vor ein Fragezeichen. Aber ich habe keine Zeit mehr dazu, kann auch nicht so viel an einem Tag "durchdenken".

closs hat geschrieben:Jede Weltanschauung funktioniert nach Prämissen, die - wie der Name schon sagt - voraus-gesetzt werden und nicht falsifizierbar sind. - Da diese Prämissen menschlicher Natur sind und der Mensch nur begrenzt wahrnehmen kann, sind daraus resultierende Weltanschauungen per Definition begrenzter Natur. - Insofern sind Weltanschauungen nur Chiffren/Gerüste, mit denen man begrenzte Aspekte des Seins/der Wahrheit beleuchten kann.
Aber dann hätte Dein Metasystem die Aufgabe, nachzuweisen, dass jede Weltsicht auf Prämissen beruht, und nicht die - was ich gedacht hatte -, zu untersuchen, welchen Reichtum von Erkenntnis die Menschen insgesamt angesammelt haben, und meist noch ganz unerkannt. Gerade bezüglich "Geist".

closs hat geschrieben:Demgegenüber steht die innere Distanz zu Weltanschauungen, die man zwar als Handwerkszeug nutzen kann, sie aber nicht zum Maßstab des Seins selbst macht. -
Dann wäre das aber doch vielleicht keine Metawissenschaft - höchstens eine Metatheorie -, sondern eine Fortsetzung des Kant'schen Versuches, eine "Kritik der Vernunft" zu beschreiben, also die Grenzen der Erkenntnismöglichkeit aufzuzeigen?
Ich dagegen war davon ausgegangen, dass diese Metawissenschaft den Bereich der Erkenntnismöglichkeit ERWEITERN solle. Hin zu dem, was oft - aber nicht immer - als "Geist" oder gar "Geist Gottes" bezeichnet wird.
Da hab ich wohl was reinprojiziert.

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#6 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » So 23. Nov 2014, 16:15

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nehmen wir das ontologische Gottes-Argument von Anselm
Das gehört in die Begriffs-Geschichte des Wortes "ontologisch" - unter "ontologisch" verstehe ich quasi vm Punkt Null aus nichts anderes als die Frage: "Was IST/Was kann der Fall sein" - und erst dann: "Welches Werkzeug ist dazu geeignet, dies herauszufinden". - Mehr nicht.
Okay.
Und warum meinst du, die Ontologie sei das geeignete Werkzeug um das "was der Fall ist" zu untersuchen?
Welche Erkenntisse kann man mit der Ontologie gewinnen?

closs hat geschrieben:Ontologisches Denken wäre somit system-freies Denken (wobei man sich jetzt wieder herzhaft streiten kann, ob "systemfreies Denken" ein System ist :devil: ).
Ich sehe ontologisches Denken selbst als Ideologie. Statt zu fragen, ob es etwas außerhalb der natürlichen Welt gibt, definiert die Ontologie die Existenz des Seins. Das sind die Art nicht gegründeten a priori Definitionen die ich meine. Damit schafft sich die Ontologie sozusagen in münchhausenscher Verwegenheit die eigen Existenzberechtigung.

closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: Es ist PRINZIPIELL nicht möglich, Gott im Dasein zu beweisen.
Du sprichst von Beweisen, ich von Argumenten. Seis drum...
Auch hier sind die Argumente Anselms platt, weil sie von unbegründeten Setzungen über Begriffe wie Vollkommenheit, Vorstelungskraft und Existenz ausgehen. Es sieht ganz so aus, als könne die Ontologie ohne solche Setzungen nicht auskommen. Darum erscheint mir der ontologische Ansatz auch so suspekt: Keine Beobachtungen, nur Annahmen zeichnen die Ontologie aus.

closs hat geschrieben:Dass Anselm dazu das Wort "ontologisch" benutzt...
Anselm sebst hat das Wort nie benutzt. Das taten erst später seine Anhänger und Kritiker.

closs hat geschrieben:wie auch die "naturalistische Ontologie" (oder wie hieß das?),
Es heißt "ontologischer Naturalismus" und bedeutet die Negierung der Ontologie in der naturwissenschaftlichen Methodik.

closs hat geschrieben:die Du kürzlich erwähnt hast. - Bei mir ist es wörtlich gemeint - "Lehre vom Sein" - egal, ob wir dieses Sein erfassen können oder nicht.
Kannst du mal zusammenfassen, was die Lehre vom Sein überhaupt ist, außer der reinen Vorstellung eines "Über-Daseins".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 20:35

Savonlinna hat geschrieben: Das Argument, die Welt sei von vornherein in der Hand des Teufels, ist nicht meins, aber vielleicht auch Deins nicht in aller Konsequenz.
Ja - da habe ich unvorsichtigerweise meine Definition von "Satan" unterschlagen - ist aber ein anderes Thema.

Savonlinna hat geschrieben:Aber dann hätte Dein Metasystem die Aufgabe, nachzuweisen, dass jede Weltsicht auf Prämissen beruht
Stimmt.

Savonlinna hat geschrieben: und nicht die - was ich gedacht hatte -, zu untersuchen, welchen Reichtum von Erkenntnis die Menschen insgesamt angesammelt haben
Das wäre wieder per System - Hermeneutik beispielsweise.

Savonlinna hat geschrieben:Ich dagegen war davon ausgegangen, dass diese Metawissenschaft den Bereich der Erkenntnismöglichkeit ERWEITERN solle.
Ich weiss nicht einmal, ob es eine Wissenschaft ist - es ist Philosophie, Logik, etc. - Ist es Wissenschaft, wenn man erkennt, dass man weiß, dass man nichts weiß? - Wahrscheinlich nicht - es ist einfach Erkenntnis.

Mit dem "Erweitern" ist auch so eine Sache. - Natürlich erweitert geistige Erkenntnis den Blick aufs Geistige. - Wenn man also erkennt, dass das menschliche Wissen (außer Cogito ergo sum) System-Wissen, also nicht absolutes Wissen ist, bringt das einen schon weiter.

closs
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#8 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 21:20

Pluto hat geschrieben:Und warum meinst du, die Ontologie sei das geeignete Werkzeug um das "was der Fall ist" zu untersuchen?
Das wäre ein Missverständnis. - Dafür sind Systeme zuständig (KR, Hermeneutik - je nachdem, in welcher Disziplin man unterwegs ist).

Unter ontologischen Gesichtspunkte soll zunächst (und vielleicht reicht das auch insgesamt) erkennbar gemacht werden, dass es immer eine kategoriale Differenz zwischen Wahrnehmung und Sein gibt - in aller Konsequenz. - Damit würde sich alles andere von allein ergeben.

Pluto hat geschrieben:definiert die Ontologie die Existenz des Seins
Ja - sie sagt, dass es etwas gibt, das unabhängig von Wahrnehmung der Fall ist - das reicht schon. - Dabei besteht man NICHT darauf zu wissen, WAS der Fall ist. - Aber man behauptet eben auch nicht, dass das Sein eine abhängige Größe von Wahrnehmung ist.

Pluto hat geschrieben:Auch hier sind die Argumente Anselms platt, weil sie von unbegründeten Setzungen über Begriffe wie Vollkommenheit, Vorstelungskraft und Existenz ausgehen.
JEDES System hat nicht-falsifizierbare Grundlagen - das wäre beispielsweise eine ontologische Aussage.

Anselm hat vermutlich denselben Fehler gemacht, den man auch heute findet: Man setzt etwas voraus, was man beweisen will - und meint dann, das q.e.d. wäre erreicht.

Pluto hat geschrieben:Anselm sebst hat das Wort nie benutzt. Das taten erst später seine Anhänger und Kritiker.
Aha - das ist nicht überraschend - also hat Anselm eigentlich wenig mit unserer Diskussion zu tun.

Pluto hat geschrieben:Es heißt "ontologischer Naturalismus" und bedeutet die Negierung der Ontologie in der naturwissenschaftlichen Methodik.
Das macht Sinn - denn Naturwissenschaft definiert ihren Zuständigkeitsraum sehr professionell über ihre Methodik - da bedarf man keiner übergeordneten Fragestellungen. - Die Meta-Ebene wäre dann interessant, wenn man etwa mit Popper ÜBER seine Methodik sprechen würde . aber nicht innerhalb.

Frage: Warum sagt man "ontologischer Naturalismus", wenn man Ontologie negiert? - Wäre es nicht besser. "nicht-ontologischer Naturalismus" zu sagen?

Pluto hat geschrieben:Kannst du mal zusammenfassen, was die Lehre vom Sein überhaupt ist, außer der reinen Vorstellung eines "Über-Daseins".
Das ist wirklich kurz gesagt:

"Sein" ist eine von Wahrnehmung unabhängige Größe - das ist die Kernaussage. - Das heisst, dass jegliche Aussage über Sein ("Realität", "was der Fall ist") mit einem Glaubens-Vorbehalt behaftet ist. - Das macht auch nichts, denn man muss auch Vertrauen in den eigenen Geist haben dürfen.

Und so glaube ich (weil ich es nicht wissen kann), dass meine Wahrnehmung der naturalistischen Welt authentisch ist. - Somit glaube ich auch, dass die naturwissenschaftliche Objektivität keine Objektivierung einer Selbst-Projektion ist, sondern einer vorhandenen naturalistischen Welt. - Somit glaube ich auch, dass die Logik uns nicht irreführt, wenn sie unendlich viele Dimensionen bereitstellt. - Somit glaube ich auch, dass die besten unserer Denker auf der richtigen Spur des Erkennens waren. - Und so halte ich es für mehr als plausibel, dass es "Gott" gibt (wobei man in einem eigenen Thema spezifizieren müsste, was man darunter über Chiffren hinaus vestehen kann).

Die "Lehre" besteht also darin, dass man glauben muss, um sich auf seine sinnlichen/geistigen Wahrnehmungen einlassen zu können - sogar dass man glauben muss, dass man nicht träumt, wenn man ein Messgerät abliest. - Eben weil Wahrnehmung kategorial etwas anderes ist als Sein/"Realität"/"was der Fall ist".

In der Praxis spielt das zunächst keine Rolle - es spielt nur eine Rolle, wenn man Wahrnehmungs-Systeme vergleicht und meint, dazwischen kategoriale Unterschiede sehen zu können, nur weil die jeweilige Methodik anders ist/sein muss.

Ich stoppe jetzt mal - kommt die Zielrichtung halbwegs durch?

Um zuletzt die Kurve zum Thread zu finden: Geist ist, wenn man mit Wahrnehmung auf Sein/"Realität" trifft - ob dies innerhalb eines Systems methodisch nachweisbar ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle (wiewohl es uns allen lieber ist, wenn es nachweisbar ist). - Geist ist, wenn man auf Sein/"Realität" trifft, ob man es weiss oder nicht. - Das wäre aus meiner Sicht eine ontologische Aussage zum Thema "Geist".

Pluto
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#9 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » So 23. Nov 2014, 21:45

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:definiert die Ontologie die Existenz des Seins
Ja - sie sagt, dass es etwas gibt, das unabhängig von Wahrnehmung der Fall ist - das reicht schon. - Dabei besteht man NICHT darauf zu wissen, WAS der Fall ist.
Böse Zungen könnten Ontologie als die Lehre vom Unwissen auffassen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Anselm sebst hat das Wort nie benutzt. Das taten erst später seine Anhänger und Kritiker.
Aha - das ist nicht überraschend - also hat Anselm eigentlich wenig mit unserer Diskussion zu tun.
Anselm hat alles damit zu tun. Schließlich sind seine Gottesargumente ein Paradebeispiel von Ontologie. Mehr noch, sein großer Gegenspieler der Mönch Gaunilo hat die Argumente als ungültig nachgewiesen.

closs hat geschrieben:Frage: Warum sagt man "ontologischer Naturalismus", wenn man Ontologie negiert? - Wäre es nicht besser. "nicht-ontologischer Naturalismus" zu sagen?
Weil die Naturwissenschaft ohne ontologische Argumente zurecht kommt (vgl. Piere Laplace und Napoleon).

closs hat geschrieben:"Sein" ist eine von Wahrnehmung unabhängige Größe - das ist die Kernaussage. -
Zunächst muss man aber setzen, dass es Sein überhaupt gibt, nicht wahr?

closs hat geschrieben:Ich stoppe jetzt mal - kommt die Zielrichtung halbwegs durch?
Ja. Ich verstehe, dass man mit der Ontologie versucht das Sein auf die gleiche Eben wie das Dasein zu erheben.

closs hat geschrieben:Geist ist, wenn man mit Wahrnehmung auf Sein/"Realität" trifft
Ich sehe Geist eher als Leitprozess des Organismus. Man kann Geist sozusagen als Weisungsbevollmächtigter des Körpers sehen, ohne aber dabei anzunehmen, dass irgendwo im Gehirn ein Zentrum (Kommandozentrale) existieren würde, wo Inputs zusammenlaufen und Outputs erzeugt werden.
Geist ist der Prozess der die Inputs auswertet und daraus Outputs (Handlungen oder Aussagen) erzeugt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#10 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » So 23. Nov 2014, 21:53

Pluto hat geschrieben:Schließlich sind seine Gottesargumente ein Paradebeispiel von Ontologie.
Begriffs-geschichtlich möglicherweise - im Grundsinn des Wortes "Ontologie" nicht.

Pluto hat geschrieben:Weil die Naturwissenschaft ohne ontologische Argumente zurecht kommt
Stimmt - weil es ein geschlossenes System ist.

Pluto hat geschrieben:Zunächst muss man aber setzen, dass es Sein überhaupt gibt, nicht wahr?
Nein - spätestens beim "Cogito" wird man fündig - wenn Subjekt und Objekt identisch sind, gibt es keinen Zweifel mehr.

Pluto hat geschrieben:Ja. Ich verstehe, dass Ontologie eine Methode ist um das Sein auf gleiche Eben wie dasDasein zu erheben.
Kam das so rüber? - Sein/"Realität"/"das, was der Fall ist" sollte auf die Daseins-Ebene GEHOBEN werden?

Pluto hat geschrieben: Man kann Geist sozusagen als Weisungsbevollmächtigter des Körpers sehen, ohne aber dabei anzunehmen, dass irgendwo im Gehirn ein Zentrum (Kommandozentrale) existieren würde, wo Inputs zusammenlaufen und Outputs erzeugt werden.
Das würde mit christlicher Auffassung u.U. übereinstimmen - Geist als Weisungsbevollmächtigter des Körpers. - Umgekehrt würde dies heißen: Körper als Instrument des Geistes.

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