Es gibt eine Wahrheit

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#1 Es gibt eine Wahrheit

Beitrag von closs » Sa 5. Jul 2014, 23:50

Thema abgetrennt aus: Ist Evolution von Gott gesteuert?



Pluto hat geschrieben:Dann lies mal was in der Stanford Ecyclopedia über Wahrheit steht. Du wirst sehen, es gibt keine absolute Wahrheiten: Wahrheiten sind immer realtiv zu einem bestimmten Kriterium.
Aus Wahrnehmungs-Sicht ist das richtig - aus Seins-Sicht nicht.

Unsere Zeit ist formatiert auf Wahrnehmung - deshalb diese Definition, die zeit-gemäß richtig ist. Aber sie ist halt ontologisch nicht unbedingt richtig. - Der Satz "Es gibt keine absoluten Wahrheiten" (auch noch Plural ;) ) ist irrelevant aus platonischer/ontologischer/christlicher/etc. Sicht. - Aus dieser Sicht würde man sagen: "Es gibt eine Wahrheit, die jedoch wahrnehmungs-mäßig nur annäherungs-mäßig fassbar ist".

Pluto
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#2 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von Pluto » So 6. Jul 2014, 00:39

closs hat geschrieben:Unsere Zeit ist formatiert auf Wahrnehmung - deshalb diese Definition, die zeit-gemäß richtig ist. Aber sie ist halt ontologisch nicht unbedingt richtig. - Der Satz "Es gibt keine absoluten Wahrheiten" (auch noch Plural ;) ) ist irrelevant aus platonischer/ontologischer/christlicher/etc. Sicht. - Aus dieser Sicht würde man sagen: "Es gibt eine Wahrheit, die jedoch wahrnehmungs-mäßig nur annäherungs-mäßig fassbar ist".
Genau das kann man nicht sagen, denn es gibt viele Wahrheiten, und sie sind immer realtiv zum Kontext in dem sie stehen.
Fast alle Philosophen seit der Antike haben irgendwann im Laufe ihres Lebens versucht die Wahrheit zu ergründen und sind gescheitert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#3 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von closs » So 6. Jul 2014, 01:24

Pluto hat geschrieben:Genau das kann man nicht sagen, denn es gibt viele Wahrheiten, und sie sind immer realtiv zum Kontext in dem sie stehen.
Kontext = System. - Hier geht es nicht um "Wahrheit" im platonischen Sinn, sondern um (im besten Fall objektivierbare) "Ergebnisse". - "2x2=4" ist ein zutreffendes Ergebnis - "Blei hat die chemische Zusammensetzung x = ein zutreffendes Ergebnis. - Diese Ergebnisse kann man als "Wahrheit" bezeichnen. - Das hat aber nichts mit philosophischer Wahrheit im Sinne der Auflösung der letzten Dinge des Seins zu tun.

Pluto hat geschrieben:Fast alle Philosophen seit der Antike haben irgendwann im Laufe ihres Lebens versucht die Wahrheit zu ergründen und sind gescheitert.
Der Fehler dabei war zu glauben, man könne es herausfinden - das geht aber nicht, weil Wahrnehmung und Sein autonome Größen sind (Stichworte: "absolute Entität"/"ontologische Differenz"/etc).

Im Grunde hat ja schon Platon darauf hingewiesen, wo es lang geht: Wahrnehmung ist immer nur eine Annäherung an das Sein - Wahrnehmung KANN also gar nicht absolute Wahrheit sein. - Man kommt aus meiner Sicht der Wahrheit am nächsten, wenn man a) aus geistigen Gründen erkennt, dass es eine letzte Synthese ("Alles in Einem") gibt, die man b) nicht kennen MUSS, sondern der man sich annähern soll (Hermeneutik). - Es gibt keinen Schulterschluss und kein Interface zwischen Wahrnehmung und Sein - es ist immer ein Graben dazwischen, der größer oder kleiner ist.

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#4 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von Pluto » So 6. Jul 2014, 01:40

closs hat geschrieben:Der Fehler dabei war zu glauben, man könne es herausfinden - das geht aber nicht, weil Wahrnehmung und Sein autonome Größen sind (Stichworte: "absolute Entität"/"ontologische Differenz"/etc).
Das ist es ja genau! Wahrheit ist immer ein Vergleich zwischen Wahrnehmung und "das was der Fall ist". Da aber im Sein per definitionem die Warhheit nicht bekannt ist, womit will man dann vergleichen?
Die Wahrheit einfach als Offenbarung eines Evangeliums hinzustellen, wie es Paulus tut, ist eine Vereinfachung die am Ende der Wahrheitssuche nicht gerecht wird, weil sie völlig am Begriff selbst vorbei geht.

Im Grunde hat ja schon Platon darauf hingewiesen, wo es lang geht: Wahrnehmung ist immer nur eine Annäherung an das Sein - Wahrnehmung KANN also gar nicht absolute Wahrheit sein.
Ganz genau das meine ich.
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#5 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von closs » So 6. Jul 2014, 01:53

Pluto hat geschrieben:Da aber im Sein per definitionem die Warhheit nicht bekannt ist, womit will man dann vergleichen?
"Der Komparativ ist immer satanisch" - dieser Satz ist ähnlich potent wie der ähnlich harmlos klingende Satz "Wahrnehmung ungleich Sein".

Man soll - platonisch oder christlich gesprochen - einen Weg gehen, an dessen Ende man eine Wahrheit WEISS, diese aber NICHT genau kennt. - Der Weg dorthin führt über diverse Erkenntnis-Fäden, die sich außerhalb des Wahrnehmungs-Tellerrands im selben Punkt schneiden. - Man sieht also, dass alles (was wahrheits-authentisch ist) irgendwie aus verschiedenen Richtung in denselben Korridor mündet und irgendwo dort einen gemeinsamen Schnittpunkt hat - der aber zu weit weg ist, als dass man ihn erkennen könne. - Hermeneutik ist dabei immer auch Trial & Error.

Nimm den Satz "Gott ist die Liebe/die Wahrheit". - Was IST Liebe? - Jeder weiss in etwa, was Liebe NICHT ist. - Es bleiben einige Sachen übrig, die Liebe sein könnten. - Man denkt und/oder fühlt diese einigen Sachen durch und wächst mit seinen Erfahrungen, die (normalerweise) zu einer Schärfung des Blicks führen, dem man entnehmen kann: "Irgendwo in DIESEM Segment scheint die Wahrheit zu stecken". - Das heisst, man vergleicht nicht Ist und Soll, sondern richtet sein Ist so aus, dass es dem Soll näherkommt. - Allerdings ist das zu Lebzeiten eine Sisyphos-Arbeit - man KANN sein Ziel nicht erreichen.

Mutter Theresa hat es mal so ähnlich ausgedrückt: "Glück ist kein Ziel und kein Dauerzustand des Daseins , sondern ein Kosten an dem, zu dem es uns hinzieht.

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#6 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von Pluto » So 6. Jul 2014, 02:04

closs hat geschrieben:.. einen Weg gehen, an dessen Ende man eine Wahrheit WEISS, diese aber NICHT genau kennt.
Du differenzierst zwischen Wissen und Kennen? Ich kenne bzw. weiß den Unterschied nicht.
Das klingt ungefähr wie: Wenn man nicht weiß wohin die Reise geht, führt jeder Weg ans Ziel.
Beim besten Willen...! Das ist ein Scheinargument auf das ich mich gar nicht erst einlasse.
Mutter Theresa hat es mal so ähnlich ausgedrückt: "Glück ist kein Ziel und kein Dauerzustand des Daseins , sondern ein Kosten an dem, zu dem es uns hinzieht.
Könnte brutal daneben gehen, wenn Satan in der Nähe ist, gell?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von Scrypton » So 6. Jul 2014, 03:03

closs hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Die Behauptung, wir würden ebenso wenig wissen, dass dieses Forum existiert (nicht erträumt wird) wie, ob Gott existiert oder nicht existiert ist schlicht falsch.
Konsequent gedacht wäre es richtig
Nicht wäre, sondern ist!
Auch daran kommste nicht vorbei - unabhängig davon, dass du es indirekt immer und immer wieder ganz anders darstellen würdest.

closs hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Die Behauptung, Gott würde existieren, ist niemals ein Axiom, sondern grundsätzlich Dogma
Es hat zumindest (ontologisch/erkenntnis-theoretisch) denselben Rang wie die Behauptung: "Dieses Forum exisistert unabhängig von unserer Wahrnehmung".
Selbst das nicht.
Nur eine Behauptung.

closs hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Woher willst Du das wissen?
Dein wiki-Verweis ist nur bedingt hilfreich
Stimmt; wenn mans ignorieren will natürlich nicht mehr! ;)

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#8 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von sven23 » So 6. Jul 2014, 08:05

closs hat geschrieben:Nein - aber man kann sich im Dienst an wissenschaftliche Standards halten und privat spirituell kompetent sein. - Wenn man es richtig macht, gibt es dabei keine Interferenzen.

Wenn man das trennen kann, ja. Die interessantere Frage wäre doch die: Darf ein bekennender Kurzzeitkreationist beruflich etwas anderes vertreten, als er es als Gläubiger tut, besonders dann, wenn sein Berufsfeld unmittelbar die Lehren seines Glaubens tangiert und ihnen widerspricht?
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#9 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von sven23 » So 6. Jul 2014, 08:23

closs hat geschrieben: Es gibt keinen Schulterschluss und kein Interface zwischen Wahrnehmung und Sein - es ist immer ein Graben dazwischen, der größer oder kleiner ist.

Nimm das Sein weg und der Graben wird zugeschüttet, denn das Sein schafft mehr Probleme, als es zu lösen imstande ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#10 Re: Ist Evolution von Gott gesteuert?

Beitrag von closs » So 6. Jul 2014, 08:29

Darkside hat geschrieben:Auch daran kommste nicht vorbei - unabhängig davon, dass du es indirekt immer und immer wieder ganz anders darstellen würdest.
Es ist nicht zwingend so, sondern eine Entscheidung von uns. - Seins-mäßig (wo es keine Wahrscheinlichkeit, sondern nur "ist" und "nicht-ist" gibt, ist es offen. - Wie kannst Du denken, dass etwas deshalb ist, weil der Mensch beschließt, dass es so ist?

Darkside hat geschrieben:Selbst das nicht.
Konstruktivistisch richtig, ontologisch offen.

Du entscheidest, dass Deine Wahrnehmung mit Sein übereinstimmt - ich stelle fest, dass das eine koinzident mit anderem sein kann, aber nicht muss. - Da liegen unsere verschiedenen Glaubens-Ansätze.

Pluto hat geschrieben:Du differenzierst zwischen Wissen und Kennen?
Nein - eigentlich nicht. - Das war nur sprachlich so gemacht, weil "den Unterschied wissen" im Deutschen etwas holprig klingt. - Aber Du hast recht - bei Grundsatzdebatten sollte man Durchgängigkeit über Sprachstil stellen.

Pluto hat geschrieben:Das klingt ungefähr wie: Wenn man nicht weiß wohin die Reise geht, führt jeder Weg ans Ziel.
Eher: "Wenn man die Richtung erkennt und spürt, wo es hingeht, wird man irgendwann das Ziel erreichen und erkennen, das am Ende des Richtungs-Wegs ist".

Pluto hat geschrieben: auf das ich mich gar nicht erst einlasse.
Es gibt Dinge, bei denen man nicht gefragt wird, ob man sich darauf einlässt oder nicht.

Pluto hat geschrieben:Könnte brutal daneben gehen, wenn Satan in der Nähe ist, gell?
Das ist wieder das Motiv der Unterscheidung der Geister - es kann einen auch zum Bösen hinziehen. Dann aber reicht einem das "Kosten" nicht - insofern ist Verzicht-Bereitschaft ein guter Indikator, dass es der richtige Weg ist.

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