Ist die Teleologie tot?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#1 Ist die Teleologie tot?

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jun 2014, 16:46

Thema abgetrennt aus: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori


closs hat geschrieben: Kant ist zum Beispiel zum logisch erzielten Ergebnis gekommen, dass es "das Ding an sich"/"einen letzten Grund" geben müsse.
Kant glaubte an die Teleologie (Zweckorienterte Schöpfung). Aber die Teleologie ist inzwischen tot.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#2 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » Sa 14. Jun 2014, 16:48

Pluto hat geschrieben: Aber die Teleologie ist inzwischen tot.
Per demokratischer Abstimmung? :lol: - Warum ist Teleologie tot?

Pluto
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#3 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jun 2014, 16:58

closs hat geschrieben:Warum ist Teleologie tot?
Ich meine das natürlich im übertragenen Sinn. ;)

Weil es hinreichend Hinweise gibt, aus denen wir schlussfolgern können, dass Dinge nicht erschaffen wurden, sondern natürlich entstanden sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#4 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » Sa 14. Jun 2014, 17:06

Pluto hat geschrieben:Weil es hinreichend Hinweise gibt, aus denen wir schlussfolgern können, dass Dinge nicht erschaffen wurden, sondern natürlich entstanden sind.
Man schließt also aus messbaren Dingen der materiellen Welt, dass es keine TELEOLOGIE (nicht "Theologie")gibt. - Warum tut man das?
Zuletzt geändert von closs am Sa 14. Jun 2014, 18:16, insgesamt 1-mal geändert.

Anton B.
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#5 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Jun 2014, 17:23

closs hat geschrieben:]Man schließt also aus messbaren Dingen der materiellen Welt, dass es keine Theologie gibt.
Du meintest vermutlich Teleologie.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Pluto
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#6 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jun 2014, 17:33

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Weil es hinreichend Hinweise gibt, aus denen wir schlussfolgern können, dass Dinge nicht erschaffen wurden, sondern natürlich entstanden sind.
Man schließt also aus messbaren Dingen der materiellen Welt, dass es keine Theologie gibt. - Warum tut man das?
Das erkennt man am besten am Beispiel der Analogie des Uhrmachers.
Kernaussage des Kreationismus ist: Jedes komplexe Ding oder Wesen muss einen Schöpfer haben.
Das wird oft auch als das teleologische Argument aus dem "Design" bezeichnet. Ähnliche Argumente gibt es schon seit Anbeginn der Religion. Sehr viele Wissenschaftler haben über das teleologische Prinzip nachgedacht.

Wer sollte nicht durch die Beobachtung und den sinnenden Umgang mit der von den göttlichen Weisheiten geleiteten herrlichen Ordnung des Weltgebäudes zur Bewunderung des allwirkenden Baumeisters geführt werden!
[Nikolaus Kopernikus 1473-1543, Astronom]
Überwältigende Beweise von Intelligenz und wohlwollender Absicht umgeben uns, zeigen uns die ganze Natur hindurch das Wirken eines freien Willens und lehren uns, dass alle lebenden Wesen von einem ewigen Schöpfer-Herrscher abhängig sind.
[Lord Kelvin, 1824-1907, Physiker]
Ich kann mich keineswegs damit abfinden, dieses wunderbare Universum und insbesondere die Natur des Menschen zu betrachten und zu folgern, dass alles nur das Ergebnis roher Kräfte sei.
[Charles Darwin 1809-1882, Begründer der Evolutionstheorie]
Das Argument der Teleologie wurde im 18. Jahrhundert durch den britischen Theologen und Apologeten William Paley mit seiner Analogie des Uhrmachers berühmt gemacht.
Stellen Sie sich vor ich würde beim Spazierengehen am Strand mit dem Fuss auf einen Stein stossen, und man mich fragte wie er dahin gekommen sei, könnte ich vielleicht antworten, dass er so weit mir bekannt, schon ewig hätte daliegen können. Auch fiele es nicht leicht mir das Gegenteil zu beweisen. Doch man stelle sich vor, ich hätte statt des Steins eine Uhr am Boden gefunden, und man mich fragte wie es an diesen Ort gelangt sein könnte, wäre es unwahrscheinlich anzunehmen, dass diese bereits ewig dagelegen hätte.
Im Innern der Taschenuhr befindet sich eine Vielzahl präziser Rädchen, Achsen und Stangen die die Gesamtheit der Uhr darstellen. Wir wissen: würde nur ein einziges Teilchen fehlen, würde die Uhr nicht funktionieren. Wer käme also auf die Idee, dieses wundervolle, komplexe Uhrwerk sei durch Zufall entstanden? Paley folgert aus seiner Analogie:
Dieselben Hinweise auf eine Erfindung, oder Ausdrucke eines bewussten Bauwerks existieren auch in der Natur, mit dem Unterschied dass die natürlichen Bauwerke [des Lebens] sich jeglicher Vorstellung einer Berechnung entziehen...
Die Beweiskraft der Uhrwerk Analogie erscheint zunächst enorm wirkungsvoll. In der Tat stellt sie eine der populärsten Gottesbeweise der Gegenwart dar.

Aber in der Stärke dieser Analogie liegt auch ihre Schwäche:

1. Paley unterscheidet zunächst zwischen natürlichen Dingen und solchen die eindeutig von Menschen hergestellt wurden. Es sind gerade die bestechenden Unterschiede zwischen natürlichen Dingen und Artefakten die uns schließen lassen, dass manche Dinge Artefakte sind, die einen Architekten benötigen. Andere Dinge wie das Leben wiederum sind so eindeutig "natürlich", dass nur der abergläubische Mensch sich daraus einen supranaturalistischen Schöpfer erschafft.
Warum schließen wir eigentlich bei Dingen wie der Uhr auf einen Designer? Zunächst ist es meist gerade die Einfachheit und die sichtbare Symmetrie des Artefakts und seiner Bestandteile: die geraden Linien, die exakte Kreisform des Ziffernblatts oder die präzise geschliffenen Zähne der Zahnräder die uns dazu bewegen zu sagen, dass ein Ingenieur die Uhr gebaut haben muss.

2. Es gibt Dinge die eindeutig einen bekannten, natürlichen Ursprung haben und dennoch symmetrische Formen aufweisen. Ein Beispiel dafür sind Schneeflocken. Weitere Beispiele dafür sind Schwärme, seien es Bienen, Fische oder sogar Vögel.
http://www.youtube.com/watch?v=XH-groCeKbE

3. Wenn etwas derart komplexes einen Schöpfer haben muss, dann muss dessen Intelligenz und Komplexität mindestens ebenso hoch sein muss wie das Produkt seines Schaffens. Wer hat also den Schöpfer geschaffen? Dies lässt sich aber immer weiter führen und führt uns in einem unendlichen Regress der Argumentation der am Ende nichts erklärt. (Als Antwort bleibt nur das Argument des ewigen "unbewegten" Verursachers von Thomas von Aquin.)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#7 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » Sa 14. Jun 2014, 18:17

Anton B. hat geschrieben:Du meintest vermutlich Teleologie.
Ähm - ja. - Hab's geändert - danke.

closs
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#8 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » Sa 14. Jun 2014, 18:21

Pluto hat geschrieben: Wenn etwas derart komplexes einen Schöpfer haben muss, dann muss dessen Intelligenz und Komplexität mindestens ebenso hoch sein muss wie das Produkt seines Schaffens. Wer hat also den Schöpfer geschaffen? Dies lässt sich aber immer weiter führen und führt uns in einem unendlichen Regress der Argumentation der am Ende nichts erklärt. (Als Antwort bleibt nur das Argument des ewigen "unbewegten" Verursachers von Thomas von Aquin.)
Insgesamt sehr gut ausgeführt. :thumbup:

Du hast jetzt die Stärken und die Schwächen der Auffassung, Gott habe die Welt geschaffen, dargestellt. - Was führt dazu, dass man zu einem Ergebnis kommt und daraus schließt, die Teleologie sei tot?

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#9 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von Pluto » Sa 14. Jun 2014, 18:26

closs hat geschrieben:Insgesamt sehr gut ausgeführt. :thumbup:
Danke! :oops:

closs hat geschrieben:Was führt dazu, dass man zu einem Ergebnis kommt und daraus schließt, die Teleologie sei tot?
Weil die einzigen Artefakte die einen Schöpfer benötigen vom Menschen erschaffen wurden. Die Natur benötigt keinen Schöpfer; sie schafft das auch ohne dessen Hilfestellung.

Ergo ist Teleologie heute überflüssiges Gedankengut einer veralteten Philosophie.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#10 Re: Peter Russell: Quarks, Quanten und Satori

Beitrag von closs » Sa 14. Jun 2014, 18:41

Pluto hat geschrieben:Weil die einzigen Artefakte die einen Schöpfer benötigen vom Menschen erschaffen wurden.
Sagt das die Naturwissenschaft?

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