Wahrnehmung und Setzung

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#111 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von closs » So 4. Mai 2014, 17:22

sven23 hat geschrieben:Ach, wenn du das nur bei der HP-Diskussion früher begriffen hättest.
Genau das wollte ich vermitteln - aber auch hier ist es so, dass wir dasselbe Argument für uns buchen - allerdings bei unterschiedlicher Orientierung.

Pluto hat geschrieben:Realität ist so wie wir sie wahrnehmen.
Das ist Definitionssache - bei Plato ist Realität die absolute Entität, von der man Ableitungen wahrnehmen kann. - Also das pure Gegenteil von dem, wie Du Realität definierst. Übrigens: Dann gäbe es keine Realität, es sei denn man nimmt sie wahr?

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Demian
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#112 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Demian » So 4. Mai 2014, 22:39

Pluto hat geschrieben:Liebe, Schönheit, Freude, Hass, Wut, Kummer, Respekt... sind alles private subjektive Empfindungen.

Die Agape-Liebe ist für uns spirituelle Menschen eine göttliche Kraft - und somit ganz klar keine bloß private, subjektive Empfindung. Dann ist es (dem christlichen Verständnis nach) keine richtige Liebe, denn sie wäre lediglich von privaten Begehrlichkeiten und Bedingungen geprägt. Das ist genau der Unterschied zwischen weltlicher und göttlicher Liebe. Ebenso ist es bei der Schönheit. Sie kreist nicht nur um den vergänglichen Anschein, sondern weist über sich hinaus auf etwas Vollkommenes hin. In ihr scheint der Glanz des Einheit-verleihenden Absoluten. Sie ist ein Reflexion, ein Gleichnis oder ein Vorschein dessen und hat somit einen Zug in die Transzendenz. Plotin sprach ganz direkt von einer Hingabe an das absolute Schöne, als ein Mittel der Vollendung. Denn in ihr spiegle sich das höhere Gute, die göttliche Vollkommenheit, das Eine.

"Da der, welcher zum Anschauen der übersinnlichen Schönheit gelangt ist und die Schönheit des Geistes empfunden hat, auch imstande ist, ihren Ursprung zu erfassen, wollen wir uns klarmachen, wie man die Schönheit des Geistes und der übersinnlichen Welt zu erschauen vermag: Stellen wir uns nebeneinander zwei Marmorblocke vor, den einen roh, den anderen schon vom Meißel des Künstlers zur Statue einer Göttin oder eines vollkommenen Menschen geformt. Dann ist der vom Künstler zur schönen Gestalt umgeschaffene Marmorblock offenbar schon infolge der Form, die er empfangen hat, die sich nicht schon im Stoff befand, sondern im Geist des Bildhauers existierte...

Wenn es aber der Kunst gelingt, Werke zu schaffen, die der Idee und dem Wesen der Schönheit voll entsprechen, so hat sie eine größere und wahrere Schönheit als die, welche sich in den äußeren Objekten vorfindet, die dem Willen des Künstlers nur insoweit gehorchen, als der Stein der Kunst nachgibt. Denn das schöpferische Prinzip ist höher als das Geschaffene. Demgemäß muß die Natur, welche so viele schöne Dinge hervorbringt, eine weit höhere Schönheit als diese Dinge besitzen. Wir indessen, die nicht gewöhnt sind oder nicht verstehen, in das Innere zu schauen, jagen dem Äußeren nach, ohne zu wissen, daß es das Innere ist, das uns bewegt...
AIle Werke der Kunst wie der Natur bringt eine Weisheit hervor, eine Werkmeisterin der schaffenden Tätigkeit. Nur das Vorhandensein dieser Weisheit macht Kunst möglich. Der Künstler wendet sich immer zur Weisheit der Natur, der er selbst seine Kunst verdankt. Diese Weisheit ist eine Einheit und ruht in sich selbst...
Am hellsten strahlt der Begriff der Schönheit in einer edlen Seele, wenn er sich in ihr offenbart. Sein Schöpfer ist der Geist. Die Wahrheit, die man in einem Menschen bewundert, verleiht seiner Seele größere Schönheit als die seines Äußeren. Man schaut dann nicht auf sein Antlitz, das sogar häßlich sein kann, man sieht von seiner äußeren Erscheinung ab und sucht allein die innere Schönheit.

Dabei gilt aber:

"Wer sehen will, muß ein Auge besitzen, das dem zu sehenden Gegenstand verwandt und ähnlich ist. Nie hätte das Auge jemals die Sonne erblickt, wenn es nicht seIber sonnenhaft wäre. So kann auch die Seele das Schöne nur sehen, weil sie selbst schön ist. Und es muß, wer das Gute und Schöne sehen will, zuerst Gott nah und schön werden...
Zum Geist emporgekehrt, wird die Seele schön in dem ihr möglichen Grade der Vollkommenheit. Der Geist und was vom Geiste ausgeht, ist die der Seele ursprüngliche und ureigene Schönheit, wobei alles Wesensfremde ausgeschlossen ist. Daher heißt es mit Recht: wenn die Seele gut und schön wird, wird sie Gott ähnlich, weil von ihm das Schöne und der bessere Teil des Seienden stammt; besser gesagt: das Seiende selbst, welches die Schönheit ist."Quelle

Pluto
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#113 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Pluto » Mo 5. Mai 2014, 00:18

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Realität ist so wie wir sie wahrnehmen.
Das ist Definitionssache - bei Plato ist Realität die absolute Entität, von der man Ableitungen wahrnehmen kann.
Ja natürlich. Das was real ist verschwindet auch nicht wenn wir es nicht beobachten, aber wir können es nicht beschreiben.
Also dürfen wir nur das was wir beobachten und beschreiben können als Realität betrachten.
Das ist die Grundlage für den modernen Konstruktivismus der die naive platonische Sicht der Realität widerlegt und ersetzt.

Darum gehört mE auh die Transzendenz nicht zur Menge der Realitäten, denn, menschliche Empfindungen hin oder her, sie ist weder beschreibbar noch beobachtbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Halman
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#114 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Halman » Mo 5. Mai 2014, 01:32

Beziehst Du dich damit auf den radikalen Konstruktivismus?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#115 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von closs » Mo 5. Mai 2014, 01:33

Pluto hat geschrieben: Das was real ist, verschwindet auch nicht, wenn wir es nicht beobachten
Das ist eine wichtige Aussage.

Pluto hat geschrieben:Also dürfen wir nur das, was wir beobachten und beschreiben können, als Realität betrachten.
Das ist missverständlich. - Wir dürfen sehr wohl mit gutem Grund sagen, dass wir einen diesbezüglichen Teil Realität damit wohlbegründet wahrnehmen. - Wir können also positiv feststellen, dass unsere Beobachtung auf Realität hinweist.

Aber wir können nicht den dadurch wahrgenommenen Teil der Realität als "DIE Realität" bezeichnen - als wäre etwas anderes somit NICHT Realität. - Für uns durch (hier: naturwissenschaftliche) Wahrnehmung zugängliche Realität ist immer die Spitze des Eisbergs - damit können wir nicht oder nur äußerst bedingt über den Eisberg urteilen.

Pluto hat geschrieben:Das ist die Grundlage für den modernen Konstruktivismus der die naive platonische Sicht der Realität widerlegt und ersetzt.
"Ersetzt" vielleicht - "widerlegt" GANZ sicher nicht.

Denn hier passiert nichts anderes, als dass man den Begriff "Realität" umdefiniert. - Wenn man - Du erinnerst Dich an das Beispiel - den ursprünglichen Sinn des Wortes "gay" als "fröhlich" ersetzt durch "schwul", ist der ursprüngliche Wortsinn ersetzt - aber doch nicht widerlegt. "A rose by any other name would smell as sweet" - man kriegt damit Realität nicht los.

Pluto hat geschrieben:Darum gehört mE auh die Transzendenz nicht zur Menge der Realitäten
Wenn man lange genug den Begriff "Realität" verändert, kommt so was raus. - Frage: Welches Wort empfiehlst Du zukünftig zu verwenden, wenn man den platonischen/christlichen/spirituellen Wortsinn von "Realität" zum Ausdruck bringen möchte?

Ganz nebenbei: Streng genommen ist hier (wohl auch durch den Konstruktivismus) folgendes passiert (nochmal auf das Shakespeare-Zitat bezogen): Man gibt nicht dem Phänomen ("rose") einen neuen Namen ("any other name"), sondern belässt den Namen, ersetzt aber das dazugehörige Phänomen ("die Rose") durch etwas ganz anderes - meinetwegen durch eine Kartoffel. :lol: - Und sagt dann: "Durch die Kartoffel ist die Rose widerlegt und ersetzt. :lol: :lol: ODERA: Wir können nachweisen, dass Rosen nach modrigem Keller riechen. - Und dann macht man Tests an Kartoffeln (die jetzt ja Rosen heißen) und weist nach, dass es wirklich nach Keller riecht.

Wenn es nicht so todernst wäre, müsste man wirklich lachen.

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Andreas
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#116 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Andreas » Mo 5. Mai 2014, 02:00

closs hat geschrieben:Wenn man - Du erinnerst Dich an das Beispiel - den ursprünglichen Sinn des Wortes "gay" als "fröhlich" ersetzt durch "schwul", ist der ursprüngliche Wortsinn ersetzt - aber doch nicht widerlegt. "A rose by any other name would smell as sweet" - man kriegt damit Realität nicht los.
Auch nicht dadurch, dass man aus Erfahrungen (Wahrnehmung) "Empfindungen hin oder her" macht.
Pluto hat geschrieben:Darum gehört mE auh die Transzendenz nicht zur Menge der Realitäten, denn, menschliche Empfindungen hin oder her, sie ist weder beschreibbar noch beobachtbar.
So einfach kannst du der Erfahrung der Agape die Realität nicht absprechen. Außerdem kennt jeder die Liebe, wenn auch vielleicht nicht in dieser Qualität. Auch genügend Beschreibungen gibt es.

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#117 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Pluto » Mo 5. Mai 2014, 02:22

closs hat geschrieben:Wir dürfen sehr wohl mit gutem Grund sagen, dass wir einen diesbezüglichen Teil Realität damit wohlbegründet wahrnehmen. - Wir können also positiv feststellen, dass unsere Beobachtung auf Realität hinweist.
Du hast mir so oft erklärt, dass Wahrnehmung nicht mit Realität übereinstimmt, dass du mich überzeugt hast.

Pluto hat geschrieben:Das ist die Grundlage für den modernen Konstruktivismus der die naive platonische Sicht der Realität widerlegt und ersetzt.
"Ersetzt" vielleicht - "widerlegt" GANZ sicher nicht.
Deine Aussage klingt nach einem Dogma der Unfehlbarkeit von Platon.

Denn hier passiert nichts anderes, als dass man den Begriff "Realität" umdefiniert.
So was passiert doch laufend, weil auch die Sprache evolviert. Wo ist das Problem?
Wenn man - Du erinnerst Dich an das Beispiel - den ursprünglichen Sinn des Wortes "gay" als "fröhlich" ersetzt durch "schwul", ist der ursprüngliche Wortsinn ersetzt - aber doch nicht widerlegt. "A rose by any other name would smell as sweet" - man kriegt damit Realität nicht los.
Das stimmt so nicht, denn der Geruch einer Rose ist nur Wahrnehmung. Genau wie die Farbe "Rot" nur rot aussieht, oder die Rauheit einer gehobelten Platte sich mehr oder weniger rau anfühlt.

Frage: Welches Wort empfiehlst Du zukünftig zu verwenden, wenn man den platonischen/christlichen/spirituellen Wortsinn von "Realität" zum Ausdruck bringen möchte?
Weiss ich nicht.
Das ist eine Frage die man vielleicht eher an einen Theologen richten sollte.

Man gibt nicht dem Phänomen ("rose") einen neuen Namen ("any other name"), sondern belässt den Namen, ersetzt aber das dazugehörige Phänomen ("die Rose") durch etwas ganz anderes - meinetwegen durch eine Kartoffel. :lol:
Ich glaube du begehst einen Kategorienfehler, wenn du eine Rose mit einer Kartoffel verwechselst. :lol:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#118 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Pluto » Mo 5. Mai 2014, 02:25

Halman hat geschrieben:Beziehst Du dich damit auf den radikalen Konstruktivismus?
Yep!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#119 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Pluto » Mo 5. Mai 2014, 02:27

Andreas hat geschrieben:So einfach kannst du der Erfahrung der Agape die Realität nicht absprechen.
Das habe ich auch nicht getan, denn das wäre eine Negativbehauptung.

Erkläre du mir doch bitte was Agape mit Realität gemein hat.
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Andreas
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#120 Re: Wahrnehmung und Setzung

Beitrag von Andreas » Mo 5. Mai 2014, 02:37

Pluto hat geschrieben:Erkläre du mir doch bitte was Agape mit Realität gemein hat.
So weit waren wir doch schon mal.
Pluto hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Liebe liegt im Herzen des Liebenden... Trotzdem sind Liebe und Schönheit existente Größen in dir. Daran zweifle ich nicht.
Daran zweifelt doch Keiner, oder?
Selbstverständlich ist Liebe eine existente Grösse -- So wie die Schönheit im Auge des Betrachters liegt, existiert die Liebe im "Gehirn des Denkenden".

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