Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Philosophisches zum Nachdenken
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Demian
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#1 Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Demian » Di 3. Dez 2013, 00:30

Kant schrieb folgendes zu seiner Idee eines ästhetischen Urteils über den Geschmack: „Das Geschmacksurteil ist kein Erkenntnisurteil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann.“ ( Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 279, Analytik der ästhetischen Urteilskraft )

Dazu Mircea Eliade in seinem Handbuch der Religionen: "In einer Welt, bestehend aus Milliarden von Galaxien und - durchaus möglich - einschließlich einer Million bewohnter Planeten ..., scheinen mir alle klassischen Argumente für oder gegen die Existenz Gottes naiv, ja sogar kindisch. Ich glaube nicht, daß wir momentan das Recht haben, philosophisch zu argumentieren. Wir müssen uns bescheiden mit persönlichen Gewissheiten, mit Wetten aufgrund von Träumen, mit (Vor-)Ahnungen, Verzückungen, ästhetischer Ergriffenheit. Das ist auch eine Art von Wissen, bloß ohne Argumente ..."

Der Glaube als ästhetische Urteilskraft?

Pluto
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#2 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Pluto » Di 3. Dez 2013, 00:52

Demian hat geschrieben:Dazu Mircea Eliade in seinem Handbuch der Religionen: "...Ich glaube nicht, daß wir momentan das Recht haben, philosophisch zu argumentieren. Wir müssen uns bescheiden mit persönlichen Gewissheiten, mit Wetten aufgrund von Träumen, mit (Vor-)Ahnungen, Verzückungen, ästhetischer Ergriffenheit. Das ist auch eine Art von Wissen, bloß ohne Argumente ..."

Der Glaube als ästhetische Urteilskraft?
Sehe ich anders. Was Eliade da schreibt ist nur, dass wir nichts mit Sicherheit wissen können, dass es also für uns Menschen niemals totales Wissen und Wahrheit geben kann.

Naturwissenschaft, nicht Glaube bietet uns ein Werkzeug zur Erkenntnissuche, das uns asymptotisch immer näher an die Wahrheit heranführt, ohne diese jemals zu erreichen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#3 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Demian » Di 3. Dez 2013, 01:09

Pluto hat geschrieben:Sehe ich anders. Was Eliade da schreibt ist nur, dass wir nichts mit Sicherheit wissen können, dass es also für uns Menschen niemals totales Wissen und Wahrheit geben kann.

Ich kann das Ergriffensein von etwas Schönem nicht logisch begründen. Der Maßstab wird ein subjektives, ästhetisch begründetes Urteil sein. Religiöses Erleben hat also mit dem Geschmack zu tun. Dann stellt sich auch nicht mehr dieses Problem:

"Naturwissenschaft, nicht Glaube bietet uns ein Werkzeug zur Erkenntnissuche, das uns asymptotisch immer näher an die Wahrheit heranführt, ohne diese jemals zu erreichen."


... irgendein Entweder-Oder zwischen Glauben und Naturwissenschaft zu postulieren. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Aussagen, haben ästhetische Urteile keine objektive, sondern eine "subjektive Allgemeinheit" ( Kant ).

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#4 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Pluto » Di 3. Dez 2013, 01:17

Demian hat geschrieben:Ich kann das Ergriffensein von etwas Schönem nicht logisch begründen.
Das ist an sich logisch. ;)

  • Glaubst du, ist eine Frau allein auf einer Einsamen Insel schön?

Die Antwort ist ungewiss, weil Schönheit NUR im Auge de Betrachters existiert.
Also ist Schönheit kein objektiver Begriff, sondern lediglich eine Illusion.

Der Maßstab wird ein subjektives, ästhetisch begründetes Urteil sein. Religiöses Erleben hat also mit dem Geschmack zu tun. Dann stellt sich auch nicht mehr dieses Problem...
Die Naturwissenschaft bietet Antworten aufgrund von Beobachtungen.
Worauf stützt sich Glaube? Auf Visionen und Offenbarungen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von closs » Di 3. Dez 2013, 01:19

Pluto hat geschrieben:Naturwissenschaft, nicht Glaube bietet uns ein Werkzeug zur Erkenntnissuche
Würde ich nicht gegeneinander ausspielen.

Naturwissenschaft kümmert sich um die mit ihren methodischen Möglichkeiten erreichbaren physikalischen Phänomene - Spiritualität kümmert sich um die mit naturwissenschaftlichen methodischen Möglichkeiten NICHT erreichbaren meta-physischen Phänomene. - Zwei Baustellen.

Mein Traum wäre, Interfaces zwischen beiden zu finden - das geht aber nur, wenn man physisches und meta-physisches Denken verbindet. Das geht nicht, bevor die eine Seite nicht die andere Seite verstanden hat.

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#6 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von closs » Di 3. Dez 2013, 01:21

Pluto hat geschrieben:sondern lediglich eine Illusion.
Schließen sich bei Dir Realität und Illusion aus? - Wäre definitorisch wichtig zu klären.

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#7 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Demian » Di 3. Dez 2013, 01:26

Pluto hat geschrieben:Also ist Schönheit kein objektiver Begriff, sondern lediglich eine Illusion.

Wie kommst du darauf, dass Schönheit eine Illusion ist, nur weil sie nicht logisch objektiviert werden kann? Kant spricht - in Abgrenzung zu Baumgarten und Burke - von einer subjektiven Allgemeinheit, die weder eine niedere Form des Erkennens, noch ein bloßes Gefühl ist. Er gesteht dem ästhetischen Erleben also eine besondere Urteilskraft zu.
Das kann man ablehnen - interessant finde ich das aber aus theologischer Perspektive. Martin Luther sagte "Die Heilige Schrift ist ein Kräutlein; je mehr du es reibst, desto mehr duftet es".

Die Naturwissenschaft bietet Antworten aufgrund von Beobachtungen.
Worauf stützt sich Glaube? Auf Visionen und Offenbarungen?

Die Naturwissenschaft bietet Antworten, aber sie reduziert die Wahrnehmung methodisch, um dadurch die Fehleranfälligkeit systematisch zu verringern. ABER sie gibt eben keine ästhetische Perspektive - spirituelle Weltbilder tun das.
Zuletzt geändert von Demian am Di 3. Dez 2013, 02:53, insgesamt 1-mal geändert.

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#8 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Salome23 » Di 3. Dez 2013, 01:27

Pluto hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Ich kann das Ergriffensein von etwas Schönem nicht logisch begründen.
Das ist an sich logisch. ;)

  • Glaubst du, ist eine Frau allein auf einer Einsamen Insel schön?

Warum nicht? Wenn sie sich als schön empfindet? :mrgreen:
Die Antwort ist ungewiss, weil Schönheit NUR im Auge de Betrachters existiert.
Also ist Schönheit kein objektiver Begriff, sondern lediglich eine Illusion.
Das ist doch jetzt völlig irrelevant...
Es geht um das Ergriffensein von.. :roll:

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#9 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Demian » Di 3. Dez 2013, 01:38

closs hat geschrieben:Mein Traum wäre, Interfaces zwischen beiden zu finden - das geht aber nur, wenn man physisches und meta-physisches Denken verbindet. Das geht nicht, bevor die eine Seite nicht die andere Seite verstanden hat.

... ich habe große Zweifel, dass das möglich oder sogar wünschenswert ist. DENN - wichtig ist, dass Theologen und Wissenschaftler ihre Arbeit anständig machen und das beinhaltet die gegenseitige Kritik und den Versuch jeweils den anderen Horizont zu erweitern. Menschen leben eigentlich immer in verschiedenen Bezügen - ich denke und fühle also nicht immer "christlich" - sondern im Forschungslabor bin ich vielleicht ein Evolutionsbiologe und dem methodischen Naturalismus folgend ein Agnostiker. Aber ein Mensch lebt nicht nur im Labor oder in kontemplativer Versenkung :lol:

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#10 Re: Der Glaube als ästhetische Urteilskraft

Beitrag von Pluto » Di 3. Dez 2013, 11:40

Demian hat geschrieben:... irgendein Entweder-Oder zwischen Glauben und Naturwissenschaft zu postulieren. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Aussagen, haben ästhetische Urteile keine objektive, sondern eine "subjektive Allgemeinheit" ( Kant ).
Ein weiser Mann, der Immanuel...
Er wusste um die Subjektivität (= Flüchtigkeit) der Spiritualität, da diese niemals in der Wirklichkeit auftreten können.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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