Naturwissenschaft und Religion

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#171 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » Mi 13. Nov 2013, 12:14

dagegen hat geschrieben: Gott hat keinen Bezugspunkt zu dem, was von ihm verschieden ist, sondern nur in dem, worin er sich gleicht, nämlich im "Sohn"
Absolut einverstanden - deshalb ist es so wichtig, dass man zwischen Gott ("Jahwe") und dessen Selbst-Offenbarungen/Wahrnehmungs-Größen "Vater", "Sohn" und "HG" unterscheidet.

dagegen hat geschrieben: Glaube wäre determiniert, Unglaube ebenfalls.
Das ist der einzige Punkt Deiner Ausführungen, dem ich widerspreche - denn: Glaube und Unglaube sind tatsächlich determiniert - für Glaube gilt dasselbe wie für den Tod "Mors/Fides Certa, Hora Incerta". - Das wäre aber ein anderes Thema.

dagegen
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#172 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von dagegen » Mi 13. Nov 2013, 13:01

ok. Aber wie erklärst Du dann die unbestreitbare Tatsache, dass sich Menschen nicht zum Glauben an Jesus Christus bekennen? Dass es Menschen gibt, die nach eigener Überzeugung überhaupt nicht gläubig sind? Hier mit Gott als Erklärung anzukommen, wäre m.E. ein Rückschritt in die Doppelte Prädestination. Soweit waren wir schon. Die Formel fides certa besagt für mich, dass der Mensch im Glauben (und nur dort) sicher steht.

closs
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#173 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » Mi 13. Nov 2013, 13:58

dagegen hat geschrieben:Aber wie erklärst Du dann die unbestreitbare Tatsache, dass sich Menschen nicht zum Glauben an Jesus Christus bekennen?
Weil sie nicht erkannt haben.

dagegen hat geschrieben: Dass es Menschen gibt, die nach eigener Überzeugung überhaupt nicht gläubig sind?
Dito

dagegen hat geschrieben: Hier mit Gott als Erklärung anzukommen, wäre m.E. ein Rückschritt in die Doppelte Prädestination.
Nicht notwendigerweise - als Anhänger der Allversöhnung ist es für mich alles eine Frage der Zeit und der Fügung - demnach werden am Ende alle gerne die Knie beugen.

dagegen hat geschrieben: Die Formel fides certa besagt für mich, dass der Mensch im Glauben (und nur dort) sicher steht.
Einverstanden - aber halt erst, wenn er dort ist. - Die Frage lautet: Wie kommt er dorthin?

Die Antwort lautet: Sicherlich nicht durch Entscheidung, sondern durch Erkenntnis. - Nicht die Entscheidung führt auf den richtigen Weg, sondern die Erkenntnis entscheidet selbst - weil es bei Erkenntnis nur noch EINEN Weg gibt.

Beispiel: Keiner kann "entscheiden", Klavier spielen oder chinesisch sprechen zu können - entweder er kann's oder nicht. - Selbst wenn man ihm ein Klavier hinstellt oder eine chinesische Grammatik hinlegt, reicht das nicht: Man muss ERKENNEN, dass es für einen "gut" ist, Klavier oder Chinesisch zu lernen. Erst dann kann man aktiv werden im Sinne von: "Ich ERKENNE, dass das gut/wichtig ist - und WEIL ich es erkenne, kann ich es wollen".

Ob es dann funktioniert, ist eine ganz andere Frage - denn dann kommt das "schwache Fleisch" ins Spiel - aber das ist eher eine quanitative Größe. Denn wenn der Geist stark (da erkennend) ist, wird er um ein "starkes Fleisch" bitten KÖNNEN - vorher NICHT.

Glaube ist Gnade und nicht Verdienst. - Wenn nur wenige begnadet sind, ist es (doppelte) Prädestination - wenn alle irgendwann begnadet werden, ist es universale Prädestination - je nach Fügung Gottes zu verschiedenen Zeiten in der persönlichen Heilsgeschichte (die auch nach dem leiblichen Tod anhält).

dagegen
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#174 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von dagegen » Mi 13. Nov 2013, 14:12

ok, einverstanden. Klingt gut. Allerdings würde ich für mich nicht das Postulat aufgeben, dass die Hinwendung zum Glauben freiwillig erfolgen muss und nicht von Gott oder einem anderen Menschen erzwungen werden kann. Erzwungener Glaube ist kein Glaube. Daher wüsste ich jetzt auch nicht, warum der Weg: "Erkennen, was gut ist, dann Entscheidung zum Guten" keine Wahlfreiheit beinhalten sollte. Die Formel ist ja das Modell für jede Entscheidung: ich erkenne, dass es cool wäre, heute BVB zu gucken und dann entscheide ich mich dafür BVB zu gucken. oder irgendeinen anderen Fussballclub.

closs hat geschrieben:Wenn nur wenige begnadet sind, ist es (doppelte) Prädestination

falsch. Wenn es sowohl vorbestimmt ist, wer verdammt ist, als auch, wer nicht verdammt ist, dann ist es doppelte Prädestination.

closs
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#175 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » Mi 13. Nov 2013, 15:05

dagegen hat geschrieben:Wenn es sowohl vorbestimmt ist, wer verdammt ist, als auch, wer nicht verdammt ist, dann ist es doppelte Prädestination.
Wenn man jedoch allversöhnerisch denkt, gibt es keine irreversible Verdammnis.

dagegen hat geschrieben: Allerdings würde ich für mich nicht das Postulat aufgeben, dass die Hinwendung zum Glauben freiwillig erfolgen muss
Es IST freiwillig, wenn man erkennt - da Wille Folge von Erkenntnis ist.

dagegen hat geschrieben:ich erkenne, dass es cool wäre, heute BVB zu gucken
Ja - und weil man es erkennt, tut man es im Normalfall auch - hochtrabend formuliert: Man entscheidet sich dafür. - Heute habe ich übrigens schon zweimal entschieden, pinkeln zu gehen, weil ich erkannt habe, dass meine Blase voll ist. :lol: - Verstehst Du, was ich meine.

Wo's dann wirklich spannend wird, ist, wenn verschiedene Erkenntnisse zusammentreffen: Man hat a) eine Freundin, die b) Bayern-Fan ist, und c): Es steht nur eine Fernseher zur Verfügung. - Dann ist die Frage: Welcher Erkenntnis gebe ich den Vorrang: Dass ich gerne BVB gucken würde, oder dass meine Freundin lieber das Bayern-Spiel gucken würde. - Üblicherweise sind Kinder sehr gut, solche Probleme zu lösen: "Du die erste, ich die zweite Halbzeit/Wir zappen ständig hin und her/Wenn es Dir wichtiger ist, verzichte ich/etc.".

Aber diese Frage stellt sich in religiösen Dingen normalerweise gar nicht - mangels Alternative. - Denn in der heutigen Zeit ist es üblicherweise NICHT so, dass der Mensch Gott erkennt und dieser Erkenntnis eine andere entgegenstellt. Man vereint eher weltliche und pseudo-religiöse Erkenntnis im Sinne der gesellschaftlichen "To-Dos" - es ist EIN System. - Also tritt das Problem einer Entscheidung erst gar nicht auf.

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Demian
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#176 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » Mi 13. Nov 2013, 15:35

dagegen hat geschrieben:Ha! Jetzt sind wir im Kern der christlichen Religion. Also: eine Beziehung, die direkt erwidert wird, kann der Mensch nur mit Dingen aufbauen, die von dieser Welt sind. Da Gott von der Welt verschieden gedacht wird (und gedacht werden muss; denn sonst würde es ein Götze :devil: sein) gilt: mit Gott kann man keine Beziehung aufbauen, jedenfalls keine, die er erwidern könnte.

In der christlichen Spiritualität - vorallem der Mystik - gibt es dazu verschiedenste Positionen. Deshalb ist es mir erst mal wichtig darauf hinzuweisen: die Verengung auf eine bestimmte Auslegung ist und kann nicht christlich sein ;) Gott ist für mich eher im Sinne Heisensbergs die "zentrale Ordnung". Oder im Sinne der indischen Spiritualität "Brahman". In dieser Vorstellung wäre das gesamte All eine Manifestations des einen Bewusstseins. Es gibt im christlichen Denken die Idee einer qualitativen Verschiedenheit von Gott und Mensch, sodass eine Mittlerschaft durch Jesus Christus als absolut nötig gedacht wird. Der Widerspruch hierbei: ein solch beschränkter Gott, wäre zu beschränkt um Gott - also allumfassend eins - zu sein.

1. Daß Gott im Christentum relational gedacht wird: Nur im trinitarischen Gottesbild kann Gemeinschaft mit Gott ausgesagt werden. Sonst bleibt Gott entweder ausserhalb von uns

Ein Gott von dem noch etwas "außerhalb" ist, kann kein Gott sein, da er beschränkt wäre. Erst ein Gott in dem alles "eins" ist, entspricht einem mystischen Monotheismus. Die Trinität bietet hierbei eine philosophische Konzeption an, um verschiedene Seinsebenen zu unterscheiden und in ihrer Wechselwirkung aufeinander zu beziehen. Ich nenne sie:

* Sohn-Tochter: das persönliche Bewusstsein ( Selbst ) des Menschen.
* Der Heilige Geist: das transpersonale Bewusstsein
* Der Vater: das absolute Sein in dem der Mensch aufgehoben ist

Wäre Gott etwas Weltliches (d.h. nicht von der Welt verschieden), wäre er ein Götze. Daher heisst es im NT: "wir sind für die Welt gestorben."

Das ist ein Taschenspielertrick, in meinen Augen, um eine auf Jesus Christus reduzierte Theologie durchzusetzen - natürlich ist Gott die Welt, denn ein Gott von dem noch etwas außerhalb wäre, wäre zu beschränkt, um absolut sein zu können. Schwieriger ist die Frage "was" die Welt ist; und was überhaupt ein "Welt-Jenseits". Für mich alles jenseits der menschlichen Wahrnehmung.

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#177 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » Mi 13. Nov 2013, 15:52

Demian hat geschrieben: die Verengung auf eine bestimmte Auslegung ist und kann nicht christlich sein
Auslegungen sind immer Gleichnisse - entweder sie sind im Verhältnis zur Wahrheit authentisch oder nicht. - Aber irgendwie muss sich der Mensch formulieren - deshalb Auslegungen.

Demian hat geschrieben: In dieser Vorstellung wäre das gesamte All eine Manifestations des einen Bewusstseins.
Ja - "Jahwe" = "ICH-BIN-DA".

Demian hat geschrieben:Es gibt im christlichen Denken die Idee einer qualitativen Verschiedenheit von Gott und Mensch, sodass eine Mittlerschaft durch Jesus Christus als absolut nötig gedacht wird.
Stimmt - weil das Ebenbild ("Schattenwurf") nicht diesselbe Dimension haben kann wie der Ebenbild-Geber. - Zeit und Raum sind aus meiner Sicht nur als Ableitung denkbar.

Demian hat geschrieben:Der Widerspruch hierbei: ein solch beschränkter Gott, wäre zu beschränkt um Gott - also allumfassend eins - zu sein.
Auch hier: Man muss zwischen Gott ("Jahwe") und göttliche Selbst-Offenbarung unterscheiden - letztere ist Wahrnehmungs-Größe, also auch Schattenwurf, und somit nicht unbeschränkt.

Demian hat geschrieben:Ein Gott von dem noch etwas "außerhalb" ist, kann kein Gott sein, da er beschränkt wäre.
Ein Gott, der wesensmäßig Teil der Natur wäre, wäre beschränkt - er muss wesensmäßig außerhalb der Ableitung sein, darf also nicht identisch sein mit seinem SChattenwurf.

Demian hat geschrieben: Ich nenne sie ...
Auch das ist Interpretation. - Unser Problem hier: Gott kann nicht koinzident mit dem Menschen sein. - Zwar kann der Mensch ganz in Gott sein (NICHT im Dasein, aber prinzipiell) - aber Gott kann nie ganz im Menschen sein - es sei denn, es handelt sich um eine göttliche Selbst-Offenbarung (Jesus).

Demian hat geschrieben:natürlich ist Gott die Welt, denn ein Gott von dem noch etwas außerhalb wäre, wäre zu beschränkt, um absolut sein zu können
Sehe ich genau umgekehrt: Wäre Gott identisch mit der Welt, wäre er beschränkt. - Das, was wir als "Welt" bezeichnen - also das Zusammenspiel von Raum und Zeit - , ist NICHT "der Himmel der Himmel" (= Metapher für etwas ganz anderes).

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#178 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » Mi 13. Nov 2013, 16:39

closs hat geschrieben:]Sehe ich genau umgekehrt: Wäre Gott identisch mit der Welt, wäre er beschränkt. - Das, was wir als "Welt" bezeichnen - also das Zusammenspiel von Raum und Zeit - , ist NICHT "der Himmel der Himmel" (= Metapher für etwas ganz anderes).

Wir können sagen: die Welt ist eine Manifestation des absoluten Bewusstseins. Sie ist durchtränkt davon. Deswegen reduziere ich noch lange nicht Gott auf "die Welt" - bzw. das, was der Mensch davon erkennt. Aber ich setze auch keine dualistische Grenze zwischen Mensch, Welt und Gott. Dualismus ist eigentlich verkappter Atheismus mit religöser Bemalung - denn Gott ist ( rein von der Idee her ) EINHEIT.

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#179 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » Mi 13. Nov 2013, 16:45

Demian hat geschrieben:Aber ich setze auch keine dualistische Grenze zwischen Mensch, Welt und Gott.
Definition Dualismus? - Aus meiner Sicht: Wenn sich zwei gleich-dimensionale Phänomene gegenüberstehen. - Insofern ist es für mich monistisch, wenn das eine die Ableitung (!) des anderen ist - Beispiel:

Der Kreis ist die Ableitung der Kugel - der Kreis ist somit authentisches Abbild der Kugel - also Phänomen des Höher-Dimensionalen - also monistisch zu verstehen. - Dualismus dagegen wäre beispielsweise die Gegenüberstellung von Kugel und Würfel - das ist etwas ganz anderes.

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#180 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » Mi 13. Nov 2013, 18:17

closs hat geschrieben:
Demian hat geschrieben:Aber ich setze auch keine dualistische Grenze zwischen Mensch, Welt und Gott.
Definition Dualismus? - Aus meiner Sicht: Wenn sich zwei gleich-dimensionale Phänomene gegenüberstehen. - Insofern ist es für mich monistisch, wenn das eine die Ableitung (!) des anderen ist

Gott ist für mich das absolute Sein. Alles Seiende ist demnach nicht nur eine Ableitung, sondern eine Manifestation dieses Seins, man kann das Ganze nicht vom Einzelwesen trennen. Dualistisches Denken beruht auf dem Gedanken, dass diese Einheit nicht gegeben ist und erst über einen Umweg herbeigeführt werden müsste. Religionen beanspruchen dann gerne "den" Weg gefunden zu haben. Das ist menschlich verständlich - weil dogmatischer Glaube leichter ist, als einen eigenen spirituellen Weg zu gehen - aber es erschwert in die Erfahrung dieser geistigen Tiefe zu kommen.

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