Rembremerding hat geschrieben:Es handelt sich also um Lebenszyklen, deren Fortschreiten im von dir erwähnten Erlöschen mündet. Die Differenz zum Christentum ist hier eindeutig.
Ob die Differenz eindeutig ist (und sogar ob es überhaupt eine gibt) hängt vom jeweiligen Verständnis des Erlösungszieles ab - und zwar sowohl auf christlicher wie auf buddhistischer Seite. Wenn wir auf christlicher Seite als Erlösungsziel eine
individuelle, personale, leidfreie, todlose, ewige Existenz definieren, auf buddhistischer Seite dagegen das vollständige
Erlöschen jeglichen individuellen, personalen Seins und nur dieses Erlöschen als tatsächlich leidfrei und todlos möglich ansehen, ja, dann ist die Differenz eindeutig.
Nun ist Buddha tot, Jesus am Leben. Meine Kernaussage ist also: Buddha lebt durch sein Werk weiter, Jesus durch die Auferstehung.
Buddha sagte am Ende seines Lebens: "Wer die Lehre sieht, der sieht mich", soweit richtig. Aber Buddha als tot zu definieren trifft die Sache nicht: Tot ist Siddharta Gotama, nicht der Buddha. Tot ist also das, was in der Wendung "Nibbana mit einem Daseinsrest" als "Daseinsrest" bezeichnet wird, nämlich das zeitliche Geistige und Körperliche, das den Menschen Siddharta Gotama zu seinen Lebzeiten konstituierte. Beim "Erlöschen" (eben: nibbana) bleibt nun nicht etwa nichts übrig, sondern das Leidlose, Todlose, das Unbedingte, Ungeschaffene. Und dieses war der "Buddha", nicht Siddharta Gotama.
Etwas anderes ist mir wichtig: Da im Buddhismus kein personaler Gott existiert, bleibt es dem Streben und die Kraft der menschlichen Seele überlassen ihr höchstes Ziel im Erlöschen zu erreichen.
Das ist bedingt richtig: Bis zur Verwirklichung des Stromeintritts (den ich mir im Zusammenhang hier erlaube, mit der christlichen Geistestaufe gleichzusetzen). Mit dem Stromeintritt ist der Dhamma (die Wirklichkeitslehre, die Wahrheit) in das Wesen des Stromeingetretenen integriert. Ab diesem Moment ist die Heilsgewissheit da, weil der Dhamma selber - als die Wahrheit (christlich: Geist der Wahrheit; Heiliger Geist) - die Führung übernimmt indem er die Kraft ist, die den Menschen zur vollständigen Erlösung führt.
Deshalb hier auch eine Frage: Kann man in dieser Hinsicht Buddhismus als das sich immer mehr öffnen hin zu einem von Liebe geformten und durchwirkten Raum betrachten? Besser könnte ich es nicht ausdrücken, um das negativ besetzte Wort Selbsterlösung zu vermeiden.
Dieser Raum ist auf jeden Fall Teil des Erlösungsprozesses und wo dieser von Liebe durchwirkte Raum fehlt, da kann auch keine Erlösung sein. Entsprechend: "Wer liebt, der kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht."
Gegen den Begriff der Selbsterlösung wehre ich mich immer: Der Buddhist kann nicht mehr tun als das, was Paulus vom Christen auch fordert, nämlich: "Wirkt euer Heil unter Furcht und Zittern..." (wobei ich ich lieber sage: mit Ehrfurcht und Ernsthaftigkeit), das Nibbana kann der Buddhist nicht
machen. Wenn er es machen könnte, dann wäre das Nibbana nicht mehr das Ungeschaffene. Wie Paulus weiter sagt: "...denn Gott ist es, der das Wollen und Vollbringen wirkt...", der Christ dieses Wollen und Vollbringen also nicht selber machen kann, genauso kann der Buddhist das Eintreten der Erlösung (Nibbana) nicht machen, sondern nur geschehen lassen. Und ob und wann es geschieht liegt nicht in seiner Macht, nicht in der Macht eines Ichs, eines Selbstes eben. Wir sind, das ist meine Überzeugung, als Christen und als Buddhisten aufgefordert, unseren Teil dazu beizutragen so gut wir können. Nicht mehr und nicht weniger.
Herzlich, erbreich