Heidegger und kein Ende?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#131 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Pluto » Mi 6. Mai 2015, 13:48

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben: H. erklärt "Sein" und "Seiendes" mit dem (sehr inner-weltlichen) Satz "Die Tafel steht ungünstig" - man muss also wirklich
Pluto hat geschrieben:sondern strickt sich eine metaphsysische Fantasiewelt zusammen, bei der sich mir sämtliche Fußnägel kringeln.
Da Du einfach nicht belegen willst, was Du behauptest, läuft Deine Aussage auf Folgendes hinaus:
'Pluto will Heidegger unterstellen, dass er sich eine metaphysische Fantasiewelt zusammenstricke, bei der sich Plutos sämtliche Fußnägel kringeln.'
:lol:
Es ist bei Philosophen durchaus üblich, Dinge ohne Nachweis zu behaupten (Kant war hierin ein Meister). Das kann ich gelten lassen, weil es auf die Botschaften des Autors ankommt. Kant hatte was zu sagen, und hat einen großartigen Beitrag zur Ethik und Moral geleistet.

Bei Heidegger liest sich seine These zum Sein so, als könne er zwischen Sein und Dasein unterscheiden (das mit der Tafel spielt immerhin noch im Dasein).
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#132 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Savonlinna » Mi 6. Mai 2015, 14:17

Pluto hat geschrieben: Es ist bei Philosophen durchaus üblich, Dinge ohne Nachweis zu behaupten
Du fungierst hier aber nicht als Philosoph, sondern als Interpret.
Interpreten müssen belegen und Textnachweise bringen.

Ein Künstler muss ebenfalls keine Belege bringen, wenn er malt oder Plastiken formt.
Die Kunstwissenschaft aber muss Belege bringen, wenn sie deutet, also in dem Fall das Bild oder die Plastik verlinken oder abbilden - damit sich der Betrachter ein Bild davon machen kann.
Sonst kann der Kunstwissenschaftler sich sonst was ausdenken und über das Bild behaupten, wenn er das Bild, auf das er sich bezieht, nicht herzeigen will.

Pluto hat geschrieben:Bei Heidegger liest sich seine These zum Sein so, als könne er zwischen Sein und Dasein unterscheiden (das mit der Tafel spielt immerhin noch im Dasein).
Ja, er unterscheidet, genau. Aber welche These genau meinst Du jetzt?
Wenn ein Mensch die ganze Zeit einfach so lebt, Jahr für Jahr - und plötzlich "spürt" er, dass er lebt - ist das für Dich ein metaphysisches Verstehen? Für mich nicht.

Pluto
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#133 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Pluto » Mi 6. Mai 2015, 14:30

Savonlinna hat geschrieben:Wenn ein Mensch die ganze Zeit einfach so lebt, Jahr für Jahr - und plötzlich "spürt" er, dass er lebt - ist das für Dich ein metaphysisches Verstehen? Für mich nicht.
Für mich auch nicht.
Allerdings anerkenne ich, dass es Dinge die nur im Geist auszudrücken sind. Beispiele sind Farben, Musik, Schönheit oder Geschmack. Aber das sind ganz persönliche Erfahrungen, die sich nicht verallgemeinern lassen.

So sehe ich auch Heideggers These des Seins und des Seienden. Das können durchaus seine privaten Eindrücke sein, aber in dem Moment wo er sie versucht an andere zu übermitteln, scheitert er.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#134 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Savonlinna » Mi 6. Mai 2015, 14:51

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wenn ein Mensch die ganze Zeit einfach so lebt, Jahr für Jahr - und plötzlich "spürt" er, dass er lebt - ist das für Dich ein metaphysisches Verstehen? Für mich nicht.
Für mich auch nicht.
Und wenn er plötzlich realisiert, dass er "ist"? Obwohl es schon die ganze Zeit so war?
Das ist ebenfalls nichts Metaphysisches, in meinen Augen.
Und mehr sagt Heidegger erst mal nicht.
Dieses philosophische Staunen, dass man das ganz Selbstverständliche erstmals "erfasst". Denkerisch erfasst. Dass alles ja "ist".

Das wäre schon viel, wenn man das erst mal festklopfen könnte.

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#135 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von closs » Mi 6. Mai 2015, 17:51

Savonlinna hat geschrieben:Nur unterscheide ich: ob letzteres der Fall ist, oder ob ich einem Autor gerecht werden will.
Das ist oft schwierig. - Beispiel:

Heidegger schreibt in seiner frühen Phase anders als in seiner späten Phase. - Als er "Sein und Zeit" schreibt, ist er rein diesseitig ("horizontal") orientiert, wenn er von Sein und Seiendem spricht. - Gleichzeitig springt einem als Leser ins Auge, dass dasselbe Modell auch zwischen Jenseits ("Sein") und Diesseits ("Seiendes") funktioniert.

Man wird als H. NICHT gerecht, wenn man ihm im Jahr 1927 unterstellt, er habe meta-physisch gedacht (obwohl ich als Leser nichts Näherliegendes zu erkennen glaube). - Wiederum entwickelt sich H. in der Tat in seinen letzten Jahren ins Meta-Physische hinein (leider habe ich die Zitate nicht mehr, die ich damals gelesen habe). - Das heisst: Man kann HEUTE etwas in 1927 hinein interpretieren, was für 1927 eine Fehl-Interpretation ist, aber in der Vogel-Perspektive keine Fehl-Interpretation für den gesamten H. sein muss. - Ich will das gar nicht weiter bewerten, sondern einfach benennen.

Savonlinna hat geschrieben:Mehr kann man dann nicht tun, jedenfalls nicht im Moment. Der Knopf kann trotzdem irgendwann noch aufgehen
So ist es. - Immerhin habe ich auf Deine Anregungen hin etwasw rumgeschmökert und erwische mich dabei, dass mich Heideggers Umgang mit "Subjekt" und "Objekt" irritiert - das war das, was ich Dir gegenüber als "psychologisch" bezeichnet habe. - Bin noch nicht durch.

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#136 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von closs » Mi 6. Mai 2015, 17:52

Scrypt.on hat geschrieben:Da es sich nicht überprüfen lässt ist es aber auch völlig unbedeutend für unser DASEIN.
Das ist Dein ewiger Irrtum: Du meinst, dass alles Bedeutende überprüfbar sein müsse. - Woher kommst Du zu diesem Glauben?

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#137 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Savonlinna » Mi 6. Mai 2015, 22:14

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Nur unterscheide ich: ob letzteres der Fall ist, oder ob ich einem Autor gerecht werden will.
Das ist oft schwierig.
Nein, das ist nicht schwierig. Du hast nur meine Unterscheidung nicht genau genug gelesen. ;) Wer nicht unterscheiden kann, ob er a. den Text nur nutzt, um selber weiter zu kommen oder ob er b. dem Autor gerecht werden will, der hat eh nichts in der Wissenschaft zu suchen.

Was Du dann schreibst, ist ein anderes Problem. Deine Unterscheidung betrifft nur Punkt b.

Dass Autoren sich im Laufe ihres Lebens bezüglich ihrer Ansicht ändern, ist eigentlich normal.
Das dürfte einem Interpreten eigentlich keine Probleme bereiten, das in seiner Analyse zu berücksichtigen.
Er teilt seinen Essay in mehrere Teile, und in Teil 1 kommt die früheste Phase, in Teil 2 die nächste und so weiter, bis man alle durch ist.
Die werden alle gesondert behandelt, und am Ende kommt ein Resumee, was sich verändert hat und was sich vielleicht durchgehend gehalten hat.

closs hat geschrieben:Das heisst: Man kann HEUTE etwas in 1927 hinein interpretieren, was für 1927 eine Fehl-Interpretation ist
Kann passieren, wenn man nicht aufpasst, bestimmt. Aber für die Regel halte ich das nicht.
Man spricht zum Beispiel ganz selbstverständlich von dem "frühen Marx" und dem "späten Marx". Das ist Standard. Karl Marx hat sich stark verändert, auch falls man etwas Durchgehendes beobachten und fixieren kann.
Man sieht beide den jungen und den späten - gesondert.

closs hat geschrieben: aber in der Vogel-Perspektive keine Fehl-Interpretation für den gesamten H. sein muss. -
Warum sollte man denn eine Vogel-Perspektive für den gesamten Heidegger einnehmen? Wer sollte das tun?
Außer wenn man eben Unterschiede und Gleichbleibendes in den verschiedenen Lebensetappen feststellt. Dann hat man ein differenziertes Bild von dem Autor in seinen verschiedenen Lebensphasen.

Wir können auch den frühen Brecht von dem späten Brecht unterscheiden, und ich wüsste nicht, warum man das auf einen Nenner bringen sollte.
Der frühe Ludwig Tieck war Frühromantiker, der späte Tieck war schon nahe dem Realismus. Die kann man auch nicht auf einen Nemmer bringen.
Der junge Goethe war Stürmer und Dränger, der späte Goethe lehnte seine Frühzeit ab.

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#138 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von closs » Mi 6. Mai 2015, 23:44

Savonlinna hat geschrieben:Wer nicht unterscheiden kann, ob er a. den Text nur nutzt, um selber weiter zu kommen oder ob er b. dem Autor gerecht werden will
Da ist was dran - aber soo einfach ist es auch wieder nicht. Es gibt sehr viele Beispiele dafür, wie sehr das "Weiterkommen" der jeweils interpretierenden Epoche eine Rolle spielen kann - dafür sind Kant und Hegel sehr gute Beispiele. - Trotzdem: Deine Anmerkung ist sehr berechtigt.

Savonlinna hat geschrieben:Warum sollte man denn eine Vogel-Perspektive für den gesamten Heidegger einnehmen? Wer sollte das tun?
Eigentlich meine ich schon, dass man sich erst an Einzelstücke wagen sollte, NACHDEM man das Ganze verstanden hat. - Aber vielleicht ist das zuviel verlangt.

Nimm mal Goethe oder Schiller: Goethes (späte) "Konzilianz" ist nicht zu erklären, wenn man sie nicht in Bezug setzt zur Klassik - dasselbe gilt für Schillers widerwillige Wendung in die Romantik (siehe "Demetrius", 1804). - In beiden Fällen kippt der Optimismus der Klassik, der Mensch könne bei entsprechender "Erziehung" Autonomie und Heteronomie deckungsgleich machen.

Trotzdem stimme ich Dir zu: Die Gefahr besteht dann, dass man (bspw.) in den "Sturm und Drang" zu viel Romantik hinein-interpretiert, weil man weiss, wie es einige Jahrzehnte später weitergeht.

Savonlinna hat geschrieben:Die werden alle gesondert behandelt, und am Ende kommt ein Resumee, was sich verändert hat und was sich vielleicht durchgehend gehalten hat.
Das wäre der wissenschaftliche Königsweg - dazu sind manche zu ungeduldig. ;)

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#139 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Pluto » Mi 6. Mai 2015, 23:51

closs hat geschrieben:Eigentlich meine ich schon, dass man sich erst an Einzelstücke wagen sollte, NACHDEM man das Ganze verstanden hat. - Aber vielleicht ist das zuviel verlangt.
Natürlich verschafft man sich erst einen Gesamtüberblick und geht dann in die Details.
Problematisch wird es allerdings, wenn man es beim Überblick belässt und nicht neugierig ist, wie sich das Ganze aufbaut.
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#140 Re: Heidegger und kein Ende?

Beitrag von Savonlinna » Do 7. Mai 2015, 00:04

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Eigentlich meine ich schon, dass man sich erst an Einzelstücke wagen sollte, NACHDEM man das Ganze verstanden hat. - Aber vielleicht ist das zuviel verlangt.
Natürlich verschafft man sich erst einen Gesamtüberblick und geht dann in die Details.
Problematisch wird es allerdings, wenn man es beim Überblick belässt und nicht neugierig ist, wie sich das Ganze aufbaut.
Bei mir kam das so an, als ob ich mein erstes Heidegger-Werk erst dann lesen soll, wenn ich alle Werke schon gelesen und verstanden habe.
Also erst alle Werke lesen, und danach erst das erste. :D

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