Naturwissenschaft und Religion

Philosophisches zum Nachdenken
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Demian
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#131 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » Sa 9. Nov 2013, 21:52

closs hat geschrieben: Gott wird oft als Realität ausgeschlossen, weil (!!) er nicht messbar ist. - Das ist erkenntnis-theoretischer Unfug.

Für den spirituellen Menschen ist es im Grunde genau umgekehrt: weil Gott nicht messbar ist, ist das eine Bestätigung für sein Wesen. Denn für die Religion ist Gott immer mehr. Wie soll man das Absolute messen? Willigis Jäger sagte es mal gut: Gott will nicht erbetet, sondern erlebt werden. Dieses Gottesbild steht der Wissenschaft nicht mehr entgegen, sondern erweitert sie um die unendlichen Möglichkeiten Leben zu erfahren, zu verkörpern und zu erschaffen. Der Mensch entdeckt seinen kosmischen Hintergrund.

Das hebt die Mystik von der klassischen Theologie ab: vom passiven Verstehen-Wollen zum aktiven Seins-Erleben. Das ist ein Gottesbegriff dem Heisenberg, in meinen Augen - aus der wissenschaftlichen Arbeit heraus - sehr nahe kam. Er sprach auch davon, dass es eine "zentrale Ordnung" gäbe, zu der man eine seelische Verbindung aufbauen könne, nicht abstrakt-theologisch, sondern wie zu einem Du.
Zuletzt geändert von Demian am Sa 9. Nov 2013, 22:51, insgesamt 1-mal geändert.

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Demian
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#132 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » Sa 9. Nov 2013, 22:04

Zeus hat geschrieben:"Zugespitzt" erscheint mir ein drolliger Euphemismus für schlicht und einfach "falsch". :mrgreen:

Mag sein, dass du mich nicht verstehen kannst, weil unsre Perspektive in vielem sehr unterschiedlich sind. Das hätte ich als hart gesottener Materialist vermutlich auch nicht, außer vielleicht mit einem Rückgriff auf die Ästhetik - Rilkes "religiöse" Dichtungen fand ich schon immer reizvoll. Wobei Rilke religiöse Bilder eher als Material genommen hat, um seine eigenen sprachlichen Möglichkeiten zu erweitern. Gemäß Wittgenstein: die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.

Grundsätzlich meinte ich: ein Mensch entspricht nicht einer abstrakten Identität eins zu eins. Ein Christ ist nicht einfach identisch mit einem "Christen", ein Atheist nicht einfach "Atheist", ein Naturalist nicht einfach "Naturalist", ein Buddhist nicht einfach "Buddhist", undsoweiter. Denn jeder Mensch hat ein eigenes Weltbild. Inwiefern Glaube da essentiell ist - und was Glaube überhaupt ist im philosophischen Sinne - wäre eine Diskussion für sich. Da würdest du wohl instinktiv verneinen, weil du einen sehr negativen Glaubensbegriff hast.

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Münek
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#133 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Münek » So 10. Nov 2013, 00:41

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine obige "Definition" des Begriffs "Realität" ist und bleibt eine im Grunde genommen nichtssagende Tautologie.
Bis vor ca. 2 Jahren (bevor ich in Internet-Foren rumgestromert bin) hätte ich Dir zugestimmt - heute nicht mehr. - Denn:

Mensch Kurt,

Was soll diese Ausflucht? :thumbdown: Wieso dieser Eiertanz? :thumbdown:

Ist Deine Aussage (verkürzt) "Wenn Realität ist, dann ist Realität" nun eine
nichtsaussagende Tautologie oder nicht? Ich meine doch. Du stimmst mir nicht
zu. Wo bleibt dann aber die Begründung?

Kann man darauf vielleicht mal eine vernünftige Antwort erwarten?

Gruß

Münek

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#134 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Münek » So 10. Nov 2013, 00:58

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine obige "Definition" des Begriffs "Realität" ist und bleibt eine im Grunde genommen nichtssagende Tautologie.
Bis vor ca. 2 Jahren (bevor ich in Internet-Foren rumgestromert bin) hätte ich Dir zugestimmt - heute nicht mehr. - Denn:

Ich habe inzwischen gelernt, dass "Realität" oft NICHT als das verstanden wird, "was der Fall ist", sondern als das, "was MESSBAR (!) der Fall ist". - Da aber "messen" eine Wahrnehmungs-Größe ist (also vom Messenden abhängig ist), wird somit "Realität" zum Wurmfortsatz der Wahrnehmung gemacht - und das sehe ich ganz anders. - Konkretes Beispiel:

Gott wird oft als Realität ausgeschlossen, weil (!!) er nicht messbar ist. - Das ist erkenntnis-theoretischer Unfug.

Kurt,

es geht hier um Deine tautologische Definition des Begriffs "Realität".

Das hat doch nun überhaupt nichts mit Deiner wiederholt gemachten Erfahrung zu tun,
dass es Menschen gibt, die sich darauf versteifen, nur was messbar ist, ist Realität.

Es geht hier ausschließlich um Deine Begriffsdefinition! Es geht um Deine Tautologie.
Sorry, da hätte ich doch gern von Dir eine klare Ansage! Überfordere ich Dich mit meiner Pene-
tranz?

Gruß

Münek

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#135 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Münek » So 10. Nov 2013, 01:26

Demian hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Gott wird oft als Realität ausgeschlossen, weil (!!) er nicht messbar ist. - Das ist erkenntnis-theoretischer Unfug.

Für den spirituellen Menschen ist es im Grunde genau umgekehrt: weil Gott nicht messbar ist, ist das eine Bestätigung für sein Wesen.

Immerhin Demian,

zumindest hast Du nicht postuliert, dass die "Unmessbarkeit" Gottes eine Bestätigung
für seine Existenz ist. :clap:

Gruß

Münek

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#136 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Münek » So 10. Nov 2013, 03:07

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine obige "Definition" des Begriffs "Realität" ist und bleibt eine im Grunde genommen nichtssagende Tautologie.
Gott wird oft als Realität ausgeschlossen, weil (!!) er nicht messbar ist. - Das ist erkenntnis-theoretischer Unfug.

Nee Kurt,

da gibt es keinen "erkenntnis-theoretischen Unfug".

Das ist Deine Sichtweise. Und die stimmt so auch nicht! Der in den biblischen
Schriften postulierte Gott sowie alle anderen Götter werden doch nicht des-
halb als "realistische Wesen" ausgeschlossen, weil sie im physikalischen Sinn
nicht messbar sind.

Ein Gott - wenn er denn existierte - könnte sich allen Messungen doch locker
entziehen. Das läge in seiner Allmacht, die ihm von Menschen aller Glaubens-
richtungen zugeschrieben wird.

Die Naturwissenschaft schließt - entgegen Deiner falschen Auffassung - die
Existenz von Göttern keinesfalls aus. Aber sie bezieht sie auch nicht ein! So-
lange diese nicht in Erscheinung treten, gibt es keinen Grund, die Existenz "hö-
herer Mächte" in die weltweite Forschungsarbeit als Faktor mit einzubeziehen.

Für die Naturwissenschaft ist Gott schlicht kein Thema. Kann sein, kann
nicht sein! Keiner weiß was! Nichts spricht für seine Existenz! Nichts dagegen!
Damit irrelevant, uninteressant! Also werden "Götter" jeglicher couleur mit Recht
außen vorgelassen. Das ist schlicht vernünftig (siehe Kant!). :clap:

Dass die Naturwissenschaft die Existenz "übernatürlicher Wesen" ausschließt,
entspricht nicht den Tatsachen! Vielleicht nimmst Du das mal zur Kenntnis!

Gruß

Münek

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#137 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von closs » So 10. Nov 2013, 09:12

Münek hat geschrieben:! Der in den biblischen Schriften postulierte Gott sowie alle anderen Götter werden doch nicht deshalb als "realistische Wesen" ausgeschlossen, weil sie im physikalischen Sinn nicht messbar sind.
Doch - das hört man oft von naturwissenschaftlicher Seite.

Münek hat geschrieben:Für die Naturwissenschaft ist Gott schlicht kein Thema. Kann sein, kann nicht sein! Keiner weiß was! Nichts spricht für seine Existenz! Nichts dagegen!
So ist es richtig - bzw. so wäre es richtig. - Wir sind da einer Meinung.

Münek hat geschrieben:Dass die Naturwissenschaft die Existenz "übernatürlicher Wesen" ausschließt, entspricht nicht den Tatsachen!
Das hört man gerne. - Lass uns das beobachten, wenn es wieder einmal um den Begriff "Realität" geht.

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Demian
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#138 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Demian » So 10. Nov 2013, 11:10

Münek hat geschrieben:zumindest hast Du nicht postuliert, dass die "Unmessbarkeit" Gottes eine Bestätigungfür seine Existenz ist. :clap:

Nein - aber es ist logisch, dass man das Absolute nicht sezieren und unters Mikroskop legen kann. Eigentlich lässt sich überhaupt nicht von Gott reden, außer in einem Beziehungsverhältnis des Menschen zum gesamten Sein. Darum sagte Dorothee Sölle: Gott sei "alles in allem". Damit hätten wir die unsägliche Debatte der Beweisbarkeit Gottes vom Tisch, weil ein solcher Gott nicht mehr im Widerspruch zur wissenschaftlichen Arbeit stünde. An der Wirksamkeit der Naturgesetze besteht ja auch gar kein Zweifel. Rene Descartes ging als eiskalter Rationalist in die Geschichte ein ... als solcher war er prädestiniert den philosophischen Buhmann zu spielen. Aber in seiner Discours de la méthode beanspruchte er sogar, dass die Bewunderung der stärkste und tiefste Seelentrieb sei. Das sagte der Philosoph, dem man später vorwarf den Menschen zur Maschine herabzuwürdigen - eine der größten Fehlinterpretationen der Geschichte.

Er sagte selbst, dass er seine wichtigsten Erkenntnisse in einem Zustand zwischen Wachheit und Schlaf verfasst hat. Die Geburt des Rationalismus - philosophisch gesehen - geschah also zu einem großen Teil im Zustande des Träumens. Ich würde mich freuen, wenn die vielen Verstandesmenschen diese Kraft der Bewunderung mal dem gebührenden Rang zuweisen würden, dann wäre auch der Dialog mit der Religion wesentlich fruchtbarer. ;)

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#139 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von dagegen » So 10. Nov 2013, 11:33

Gott ist alles in allem, gut. Wenn damit gemeint ist, dass die Welt auf Gott hinweist, aber nicht mit diesem identisch ist, gemäß Thomas von Aquin: "wir wissen nicht was Gott ist, sondern nur was Gott nicht ist und wie es sich auf ihn verhält" (Thomas v. Aquin, irgendwo in der Summa Theologiae).

Ein Baum ist nicht Gott, sondern ist ein Baum.

P.S. so, jetzt hab ich's gefunden, es heisst "Non enim de Deo capere possumus quid est, sed quid non est, et qualiter alia se habeant ad ipsum, ut ex supra dictis patet." und das steht nicht in der Summa Theologiae, sondern in der Summa contra gentiles.

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#140 Re: Naturwissenschaft und Religion

Beitrag von Pluto » So 10. Nov 2013, 13:48

Demian hat geschrieben:Nein - aber es ist logisch, dass man das Absolute nicht sezieren und unters Mikroskop legen kann.
Was hat das mit Logik zu tun?
Wieso sollte sich Gott der reductio entziehen können?

Darum sagte Dorothee Sölle: Gott sei "alles in allem". Damit hätten wir die unsägliche Debatte der Beweisbarkeit Gottes vom Tisch, weil ein solcher Gott nicht mehr im Widerspruch zur wissenschaftlichen Arbeit stünde.
Ach... wenn ich doch nur die Bezeichnng "alles in allem" verstünde!

Das sagte der Philosoph, dem man später vorwarf den Menschen zur Maschine herabzuwürdigen - eine der größten Fehlinterpretationen der Geschichte.
Wobei das eine der weingen Aussagen von Descartes ist, mit der ich mich voll identifizieren kann. ;)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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