Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#531 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Di 25. Okt 2016, 13:36

Pluto hat geschrieben: So weit wir, selbst mit den modernsten und empfindlichsten Geräten und Sonden feststellen können, ist das Universum gefüllt mit toter Materie.

Das ist lediglich deine Weltanschauung und keine absolute Wahrheit. Vielleicht wäre es angebracht, wenn Du Dich auf das beste und empfindlichste aller „Geräte“ verlassen würdest: deine eigene Seele. Sieht deine Seele ein sinnloses Universum angefüllt mit toter Materie? Außerdem würde mich interessieren, welche Beweise Du dafür hast, dass Materie wirklich tot ist. Vielleicht ist sie auf eine Weise lebendig, die Du nicht verstehst.

Was ich sehe sind verschiedene Erlebnisinhalte – wie Farbe, Geruch, Klang – die durch die Wahrnehmung zur „materiellen Welt“ werden. Unabhängig von diesem Wahrnehmungsprozess habe ich noch nie eine Welt erfahren.
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Halman
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#532 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Halman » Di 25. Okt 2016, 13:43

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Hallo fin... Das ist ein hervorragendes Beispiel für inhaltloses Geschwurbel. Was will uns Frau Zunke mit ihrer Kritik eigentlich sagen?
Ich habe es auf Anhieb verstanden und finde es gut. -. Im Grunde sagt sie, dass man "Geist" nicht biologistisch vereinnahmen kann und diese Hypothese verabsolutieren kann.
Niemand will Geit verabsolutieren. Aber man sollte die Augen für die Möglichkeit eines materielllen Ursprungs nicht verschließen. Zumindest nicht bei der überwältigen Zahl der Hinweise.
Die Korrelation von Hirnfunktionen und dem menschlichen Geist ist so stark, dass eine kausale Korrelation naheliegend ist. Dazu folgender Absatz aus meinem Buch:

Zitat aus Wille und Gehirn (Seiten 43-44):
Wir kennen die Lokalisation des Willens im Frontalhirn vor allem aus den Folgen von Hirnläsionen beim Menschen, gewisser Vorstufen des Willens aber auch aus Hirnläsionen, Faserverbindungen (Jones & Powell 1970, Nauta 1971, Kawamura 1977, Pandya & Yeterian 1990) und Nervenzelltätigkeit (Fuster & Rolls) im Gehirn von Affen, seit 1965 aber auch aus den elektrischen Hirnpotentialen und Hirnmagnetfeldern beim Menschen (Kornhuber & Deecke, Lang et al.) sowie in letzter Zeite auch aus bildgebenden Verfahren, ...

Wenn wir über "Sein und Wahrnehmung" und über "Geist" sprechen, so stellt sich die Frage, was wir eigentlich meinen, wenn wir "Geist" sagen. Bezogen auf den Menschen erscheint es mir logisch davon auszugehen, den menschlichen Geist nicht als eine "feinstoffliche" oder supernaturalistische "Substanz" aufzufassen, welche dem Menschen innewohnen würde, sondern als einen hochkomplexen Prozess, welcher vom Gehirn erzeugt wird.
Dafür spricht die enorme Komplexität des Gehirns, die Erkenntnis, dass Neuronen und Gliazellen auf Basis biochemischer und biophysikalischer Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Bildgebene Verfahren (PET und fMRT) machen aktive Hirnreginen sichtbar, nicht nur, wenn es um die Steuerung von Bewegungsabläufen geht, sondernd auch bei moral-ethischen Entscheidungen, die mit Hirnaktivitäten im Schläfenlappen und Stirnhirn korrelieren und sogar beim religiösen Erlebnissen, in dem viele Hirnregionen beteiligt sind (darunter die Sehrinde, der Nucleus caudatus, sowie Teile des Scheitellappen u. des Stammhirns).
Für die Kausalität der Korrelation zwischen Hirnaktivität und Geist (Bewusstsein, Wille usw.) spricht der Einfluss von Drogen, Reizungen und Läsionen von Gehirnbereichen. Auch die Wirkung von Fluoxetin (Prozac), welches die Wideraufname von Serotonin hemmt und so dessen Wirksamkeit verstärkt, belegt, dass es keinen menschlichen Geist hinter dem Gehirn gibt: Das Gehirn erzeugt den Geist und damit das Bewusstsein und Unterbewusstsein, sowie Willensentscheidungen über hochkomplexe neurologische Erregungsmuster.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#533 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Di 25. Okt 2016, 13:47

Pluto hat geschrieben:Aber man sollte die Augen für die Möglichkeit eines materielllen Ursprungs nicht verschließen.
Das ist richtig - das würde sich auch Descartes nicht getrauen. Er sagt lediglich, dass es nicht falsifizierbar ist.

Pluto hat geschrieben:Was is der Ursprung des ICH?
Da diese Frage nicht falsifizierbar ist, ist es eine weltanschauliche Frage, die von materialistischer Seite aus anders beantwortet wird als von spiritueller.

Pluto hat geschrieben:Es gibt sogar Wahrnehmung ohne Geist. Der Beweis? Eine Amoebe würde ohne Wahrnehmung verhungern.
Dann müsste man sich unterhalten, was man unter "Wahrnehmung" versteht:
a) ein notwendig ich-bewusster Vorgang? Dann ist es menschen-lastig.
b) ein rein mechanistisches Geschehen? Dann nimmt auch ein Automotor wahr, dass er angelassen wird.

Novalis hat geschrieben:Was ist denn „Materie“? Die materiellen Dinge, die es „dort draußen in der Welt“ zu geben scheint, sind immer Objekte unsrer Wahrnehmung und Erfahrung. Losgelöst davon haben wir sie nie kennengelernt.
Deshalb ja der descartsche Vorbehalt, der nach wie vor gilt.

Hinter Deiner Frage steht:
Gibt es wahrnehmungs-unabhängige Entität oder ist Wahrgenommenes nichts als Projektion des Wahrnehmenden?

Aus meiner Sicht ist die Antwort dazwischen:
Es gibt eine Entität, die sie uns individuell projezieren lassen kann - platt gesagt: Ohne die Entität "Mond", aber auch "Gott" gäbe es keine individuelle Projektion davon.

Das ist doch gerade die Aussage des Wortes "Jahwe": "'Ich bin', aber bildet Euch nicht ein, Ihr könnten mich in meinem Wesen erfassen. - Dazu kriegt Ihr Offenbarungen, die im Grunde Projektionen meines Wesens sind". - (Das ist übrigens der Grund, warum die Trinitäts-Diskussion eigentlich blödsinnig ist). -Goethe hat es mit seinem "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis" wunderbar auf den Punkt gebracht.

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#534 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Di 25. Okt 2016, 13:51

Halman hat geschrieben:Die Korrelation von Hirnfunktionen und dem menschlichen Geist ist so stark, dass eine kausale Korrelation naheliegend ist.
Natürlich ist sie das. - Aber damit ist nicht die Frage geklärt, ob das Gehirn den Geist genuin/primär erzeugt oder eben nur in die materielle Welt hinein mittelbar macht.

Eine dritte Variante, die ich am besten finde, wäre folgende:
Mit der Zeugung wird Geist in der Materie verankert und wächst sich über sie aus. - Entscheidend ist (sonst wäre diese Diskussion langweilig), dass die geistige Existenz des Menschen auch ohne diese materielle Verankerung bestehen bleibt.

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#535 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Di 25. Okt 2016, 14:15

closs hat geschrieben:Mit der Zeugung wird Geist in der Materie verankert und wächst sich über sie aus. - Entscheidend ist (sonst wäre diese Diskussion langweilig), dass die geistige Existenz des Menschen auch ohne diese materielle Verankerung bestehen bleibt.

Das ist durchaus eine gute Deutung, die in etwa dem entspricht, was ich neulich bei N.T. Wright zu diesem Thema gelesen habe. Das ist wohl auch mit „leiblicher“ Auferstehung gemeint.

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#536 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Di 25. Okt 2016, 14:52

Novalis hat geschrieben:Das ist wohl auch mit „leiblicher“ Auferstehung gemeint.
Wobei dieses Wort wirklich missverständlich ist - denn damit ist eben NICHT gemeint, dass die Materie aufersteht, sondern der Geist.

Oder in einer Frage formuliert:
Hältst Du es für möglich, dass der "Holon", also der Zustand des Ganzen ohne Entwicklung, sondern "nur" als ideales Sein, in einem dialektischen Kontext möglich ist? - "Dialektisch" deshalb, weil ein funktionierender Körper, wie wir ihn kennen (!), nur dialektisch funktioniert - das fängt damit an, dass es dort die Dialektik aus Plus- und Minus-Ladung der elektrischen Teilchen gibt.

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fin
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#537 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von fin » Di 25. Okt 2016, 15:00

-- Wunder über Wunder --

Jesus sagte: "Wenn das Fleisch wegen des Geistes entstanden ist, so ist es ein Wunder. Wenn aber der Geist wegen des Leibes, ist es ein Wunder der Wunder. Ich aber wundere mich darüber, wie dieser große Reichtum in dieser Armut Wohnung genommen hat." (Quelle: Thomas Evangelium)

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#538 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Di 25. Okt 2016, 15:32

fin hat geschrieben:-- Wunder über Wunder --

Jesus sagte: "Wenn das Fleisch wegen des Geistes entstanden ist, so ist es ein Wunder. Wenn aber der Geist wegen des Leibes, ist es ein Wunder der Wunder. Ich aber wundere mich darüber, wie dieser große Reichtum in dieser Armut Wohnung genommen hat." (Quelle: Thomas Evangelium)

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Großartig :wave: Ja, das ist wirklich verwunderlich...

closs hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Das ist wohl auch mit „leiblicher“ Auferstehung gemeint.
Wobei dieses Wort wirklich missverständlich ist - denn damit ist eben NICHT gemeint, dass die Materie aufersteht, sondern der Geist

Die Ganzheit der Person, ja! Ich bin ja nicht nur ein Gespenst. Die „Nichtigkeiten“ dieser Welt gehen vorüber, und was uns bleibt, ist das, was wir aus unserer Seele gemacht haben.

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#539 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Di 25. Okt 2016, 15:55

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Die Welt existiert wirklich, nur niemals losgelöst von Bewusstsein.
Das erscheint mir eine äußerst gewagte Behauptung. Kannst du sie mit irgend etwas belegen? Welche Evidenzen gibt es z.B. für die Existenz von Bewusstsein ohne Materie?

Das gleiche Spiel funktioniert in die andere Richtung: beweise mir die Existenz von Materie unabhängig von oder ohne Bewusstsein. Du kannst nur von der Welt und wir miteinander sprechen aufgrund des Bewusstseins. Am Anfang allen Denkens, vor allen Theorien und Weltanschauungen, stehen wir als bewusste Wesen.

Pluto
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#540 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Di 25. Okt 2016, 17:08

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: So weit wir, selbst mit den modernsten und empfindlichsten Geräten und Sonden feststellen können, ist das Universum gefüllt mit toter Materie.
Das ist lediglich deine Weltanschauung und keine absolute Wahrheit.
Für dich wohl alles nur Weltanschauung?
Aber das ist eine Tatsache aus den Beobachtungen der Messgeräte. Du kannst ja gerne zeigen, dass diese Beobachtung falsch ist, anstatt es einfach zu behaupten.

Novalis hat geschrieben:Vielleicht wäre es angebracht, wenn Du Dich auf das beste und empfindlichste aller „Geräte“ verlassen würdest: deine eigene Seele.
Genau das sollte man NICHT tun.
Die Messgeräte sind da weitaus besser geeignet. Es ist ebenfalls erwiesen, dass das Gehirn uns andauernd etwas vorgaukelt. Wir haben das nicht unter Kontrolle (siehe unten).

Novalis hat geschrieben:Sieht deine Seele ein sinnloses Universum angefüllt mit toter Materie?
Mit meiner Seele oder Geist, ehme ich NICHTS wahr. Die Seele interpretiert nur, während die Messgeräte dies nicht können.
Du solltest überlegen, was näher an der Wahrheit ist? Die Messgeräte oder DEINE Phantasien?
Novalis hat geschrieben:Außerdem würde mich interessieren, welche Beweise Du dafür hast, dass Materie wirklich tot ist.
Wie oft denn noch...? Es gibt keine Beweise! Aber Hinweise gibt es zuhauf, dass die Messungen zuverlässiger sind also unsere persönliche Interpretation — nennt man Vorteil der Intersubjektivität.

Novalis hat geschrieben:Vielleicht ist sie auf eine Weise lebendig, die Du nicht verstehst.
Das kann sein — darum verlasse ich mich auch nicht auf meine "Seele". Allerdings es könnte auch sein, dass DU es falsch verstanden hast.
  • Trau deinen Gedanken niemals ohne Bestätigung!

Novalis hat geschrieben:Unabhängig von diesem Wahrnehmungsprozess habe ich noch nie eine Welt erfahren.
Natürlich nicht, deshalb ist die Welt aus deiner Sicht das was dich dein Gehirn erkennen lässt. Die Areale des Gehirns sind andauernd am rechnen. Das Ergebnis übergeben sie dann dem Neo-Cortex, wo der "Geist", entscheidet. Diese Art der Wahrnehmung wurde durch Jahrmillionen der Evolution angepasst und funktioniert im Alltag erstaunlich gut. Nur, bei solchen Wahrnehmung wie Bewusstsein kann es zu vielen Täuschungen kommen: Google mal nach dem McGurk Effekt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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