Joseph Beuys: Krise und Selbstheilung

[Demian]

Ein paar Worte von Joseph Beuys zur Heilung des Menschen durch eine ( wie er sagt: anthropologische ) universale Kunst, die durch die jeweils individuelle Schöpferkraft in jedem Menschen geschehen kann - sein Kunstbegriff ist eigentlich identisch mit dem Begriff der Menschenwürde - die für ihn im Wesentlichen durch die Freisetzung der persönlichen Kreativität realisiert bzw. erlebt wird.

Für ihn ist Selbentfaltung also kein egozentrischer Akt, sondern gerade die Vermittlung der Person mit dem Ganzen, dem Lebendigen, der Erde usw. eigentlich der "Ort", da die Welt im Menschen Gestalt bekommt und dadurch der Mensch in der Welt ( Heidegger sprach als Philosoph von der Sprache als Haus des Seins - und für Beuys ist die Verkörperung dieses Sprechens die Kunst in ihrer Gesamtheit )

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[Lena]

Magst Du dich leiden, Demian?

Kannst Du mir das, was der Mann erzählt, mit deinen Worten nochmals wiedergeben?
So wie Du ihn verstanden hast?

[lovetrail]

"Plastische Begriffe", welche aus dem Geistigen heraus Wirklichkeit werden, finde ich gut beobachtet.

Ich kenne Beuys zu wenig, aber ich habe den Eindruck, dass er noch nicht ganz angekommen ist. (zur Zeit dieses Interviews).

Das Phänomen Leben als solches ist ein guter Zugang. Doch was ist das "Leben"? Bzw. wie realisiert es sich, sodass es über den Tod hinausreicht und Sinn eröffnet...?

Die Krise führt uns zu neuer Begrifflichkeit, zu neuen Anschauungsformen. Eine "nahe" Arbeit am Feld mag in solchen Zeiten Halt geben und den Geist die Ruhe gewähren, welche zur Neuwerdung wichtig ist.

Demian, du hast es eigentlich fast besser erklärt als Beuys es selber gesagt hat

lg lovetrail

[Demian]

"Plastische Begriffe", welche aus dem Geistigen heraus Wirklichkeit werden, finde ich gut beobachtet.

Für ihn sind bereits Gedanken geistige Plastiken, weil Gedanken gestaltende Kräfte sind, welche die umgebende Welt beeinflussen. Sein anthropologischer Kunstbegriff bezieht sich deshalb auf alle Menschen: jede geistige Tätigkeit nimmt Einfluss auf die soziale Wirklichkeit, weshalb man "Kunst" und "Alltag" nicht voneinander trennen könne. Wenn er also sagt: "Jeder Mensch ist ein Künstler" - dann heißt das nicht, dass jeder malen, dichten und musizieren kann oder soll. Aber das heißt, dass jeder mitwirkt am sozialen Ganzen - und dieses Ganze ist für Joseph Beuys die Kunst.

Ich kenne Beuys zu wenig, aber ich habe den Eindruck, dass er noch nicht ganz angekommen ist. (zur Zeit dieses Interviews).

Selbst heute wird Kunst gerne auf den Kunstmarkt reduziert - Beuys wollte die Trennung zwischen "den" Künstlern und "den" Menschen aufheben. Ihm ging es darum, dass Leben und Kunst eine Einheit bilden, an dem jeder gestaltend teilnehmen kann. Von einem solchen Verständnis sind wir heute noch weit entfernt. Ein wichtiger Ansatz wäre für mich da die Architektur - die Frage, wie man alternative Zukunfsstädte realisiert, denn da kommen Kunst und Alltag, Ästhetik und Zweckmäßigkeit, Seele und Raum zusammen. Solange wir unsre Städte nach hauptsächlich ökonomischen Zwecken bauen, wird das aber wohl nichts.
Dann gibt es eben Betonklötze, anstatt richtiger Städtegärten mit organischer Baukunst und alternativer Energie.



Organische Architektur: Institut für soziale Dreigliederung

[Demian]

Magst Du dich leiden, Demian?

Da würde ich Beuys Wortlaut zustimmen: durchaus nicht immer.

Kannst Du mir das, was der Mann erzählt, mit deinen Worten nochmals wiedergeben?

Manches habe ich schon in Worte gefasst ... willst Du denn etwas bestimmtes wissen? Dann kann ich versuchen es - aus meiner Sicht - darzustellen.

[Lena]

Lieber Demian

Etwas von ihm hat mich angesprochen:

...dass ein Wille in Bewegung kommt, dass die Wirklichkeit neu entsteht,
nur auf dem Grund des Willens im denken.

Wenn Du hierzu etwas ausführlicher sagen kannst?!

Mit einem freundlichen Gruss von Lena

[Demian]

...dass ein Wille in Bewegung kommt, dass die Wirklichkeit neu entsteht,
nur auf dem Grund des Willens im denken.

Was er damit genau gesagt hat, kann ich nur interpretieren - aber da Beuys selbst ein Christ war, wird er mit dieser geistigen Wirklichkeit wohl eine spirituelle Verwandlung gemeint haben. Nur aufgrund der schöpferischen Kraft, der Vorstellungsgabe, der Phantasie. Es heißt ja: nicht das Ideal ist falsch, weil der Mensch ihm nicht entspricht, sondern der Mensch sollte sich fragen, wie er dem Ideal mehr und mehr entsprechen kann.

Er fügte auch bei: ohne Rücksicht auf den biologischen Bestand. Nur aufgrund dieser Willenskraft. Wobei Willen in diesem Sinne keinen egozentrischen Willen meint, sondern eine völlige Hingabe an diese Wirklichkeit. An eine höhere Idee, wie sie die Kunst ist. Dann ist der Mensch nicht mehr nur ein fehlerhaftes, beschränktes und ohnmächtiges Wesen, sondern ein Wesen das sich mit den elementaren Kräften der Welt als verbunden erlebt. Das ist schon eine Auferstehung.

[Lena]

Danke Demian.

Ist immer wieder spannend wie unterschiedlich wir etwas (eigentlich alles) sehen, verstehen und interpretieren.

Das Leben lebt man still. Alles im Leben das wächst, wächst aus der Stille.

[Demian]

Danke Demian.

Ist immer wieder spannend wie unterschiedlich wir etwas (eigentlich alles) sehen, verstehen und interpretieren.

Das Leben lebt man still. Alles im Leben das wächst, wächst aus der Stille.

Ja - spannend und seltsam.

Wobei meine Ausführungen wohl weit davon entfernt sind Beuys richtig wiederzugeben. Das sind schon eher meine eigenen Worte. Da wir ihn aber leider nicht hier haben, können wir nur versuchen seine Spuren aufzugreifen.

[Lena]

Seltsam - in der Tat

Wir lesen die Worte eines anderen Menschen und meinen ihn zu verstehen. Dabei hat er vielleicht nur durch eine bestimmte Formulierung, in unserem Hirn Dinge angeklickt, die wir früher mal erlebten, fühlten, dachten verstanden zu haben und sofort denkt es: Oh ja, genau. Der spricht wie ich, wie ich es meine. Dann fühlen wir uns verstanden. Doch sobald man weiterredet und in ein anderes Thema kommt, ist wieder eine Kluft, ein unverstehen.

Manchmal frage ich mich, ob wir Menschen uns wirklich durch Worte näher kommen. Durch lange Erklärungen und Erörterungen. Dabei genügt doch oft nur ein Blick aus einem von Freundlichkeit erfüllten Herzen und es ist alles gut....

Und jetzt frage ich mich, ob Demian mich wohl so versteht wie ich es meine