Rilke

Literatur, Malerei, Bildhauerei
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Lena
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#1 Rilke

Beitrag von Lena » Sa 18. Jan 2014, 22:36

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Abischai
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#2 Re: Rilke

Beitrag von Abischai » So 19. Jan 2014, 00:13

Die Schönheit des geheimnisvollen zu achten, ist wohl nicht jedem gegeben. Und es ist der geheime Schatz derer, die diese Schönheit bewahren, man sollte das nicht erklären, breittreten, dem Gespött der Narren aussetzen. In der Muschel rauscht das Meer, wer's nicht glaubt, geht eben daran vorbei. Wer in den Augen eines Kindes nicht die Wunder Gottes erkennen kann, ist blind. Wer im kleinen Vögelein des Schöpfers Handschrift nicht sieht, wer das Wasser nicht als Gnade erfaßt, hat nichts begriffen.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

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Demian
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#3 Re: Rilke

Beitrag von Demian » So 19. Jan 2014, 04:28

Abischai hat geschrieben:Wer im kleinen Vögelein des Schöpfers Handschrift nicht sieht, wer das Wasser nicht als Gnade erfaßt, hat nichts begriffen.

Das ist gerade das „Problem“, welches Rilke mit seinem Gedicht umkreist. Du hast bestimmte Vorstellungen und aus diesen Vorstellungen heraus gebrauchst du ein bestimmtes Vokabular. In deinem Falle ein christlicher Wortschatz. Ein nichtreligiöser Mensch würde andere Worte gebrauchen. Deshalb hat er aber nicht grundsätzlich weniger Recht – der „Urgrund“ bleibt schließlich der selbe – sondern nur einen anderen Zugang zu diesem Geheimnis. Gott, Brahman, Leerheit, der Urgrund, das reine Sein, die Wahrheit, das Leben. Wir brauchen keine Religion daraus zu machen und eitel beanspruchen, dass „unser/mein“ Glaube auch für andere der richtige zu sein habe. Wenn eine Weltreligion irgendetwas eitel beansprucht, dann wird die Eitelkeit dadurch nicht richtiger, sondern das ist dann einfach Gruppenegoismus.

Wenn alle Menschen Christen in deinem Sinne wären, ich aber eine andere Sprache gebrauchen würde – oder die Sprachlosigkeit vorziehe – dann hätte ich jedes Recht dazu. Das Tote lässt sich begreifen, kategorisieren und festnageln, zum Beispiel an ein Kreuz. Nicht aber das Lebendige, es entzieht sich jedem Begriff. Spielt mit den Begriffen. Bringt die starren Strukturen zum Tanzen und bricht sie auf. Eigentlich ist jeder Moment eine Auferstehung ins Leben. Immer wieder und wieder.

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Lamarck
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#4 Re: Rilke

Beitrag von Lamarck » So 19. Jan 2014, 10:41

Hi Abischai!

Abischai hat geschrieben: Die Schönheit des geheimnisvollen zu achten, ist wohl nicht jedem gegeben. Und es ist der geheime Schatz derer, die diese Schönheit bewahren, man sollte das nicht erklären, breittreten, dem Gespött der Narren aussetzen. In der Muschel rauscht das Meer, wer's nicht glaubt, geht eben daran vorbei. Wer in den Augen eines Kindes nicht die Wunder Gottes erkennen kann, ist blind. Wer im kleinen Vögelein des Schöpfers Handschrift nicht sieht, wer das Wasser nicht als Gnade erfaßt, hat nichts begriffen.

Was ist die Schönheit des Geheimnisvollen?


Und nein, das, was in der Muschel rauscht, ist nicht das Meer - aber es rauscht ... .



So viele Dinge liegen aufgerissen
von raschen Händen, die sich auf der Suche
nach dir verspäteten: sie wollen wissen.


Rilke "Gedichte"




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closs
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#5 Re: Rilke

Beitrag von closs » So 19. Jan 2014, 13:28

Lamarck hat geschrieben:Und nein, das, was in der Muschel rauscht, ist nicht das Meer - aber es rauscht ... .
Du kennst Magritte's Bild: "Ce n'est pas une pipe?"

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Lamarck
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#6 Re: Rilke

Beitrag von Lamarck » Di 21. Jan 2014, 10:47

Hi closs!

closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Und nein, das, was in der Muschel rauscht, ist nicht das Meer - aber es rauscht ... .
Du kennst Magrittes Bild: "Ceci n'est pas une pipe"?

Gewiss: http://collections.lacma.org/sites/defa ... 80-WEB.jpg ["Der Verrat der Bilder (Dies ist keine Pfeife)"]. Was willst Du hier aber mit Surrealismus?! Und mach' Dir doch noch ein paar Gedanken über die von mir genannten Zeilen von Rilke ... .




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#7 Re: Rilke

Beitrag von closs » Di 21. Jan 2014, 12:56

Lamarck hat geschrieben: Und mach' Dir doch noch ein paar Gedanken über die von mir genannten Zeilen von Rilke ... .
as war eine Replik auf Deine Anmerkung ...

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Lamarck
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#8 Re: Rilke

Beitrag von Lamarck » Di 21. Jan 2014, 15:47

Hi closs!

closs hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Und mach' Dir doch noch ein paar Gedanken über die von mir genannten Zeilen von Rilke ... .
Das war eine Replik auf Deine Anmerkung ...

Mir scheint, nicht sonderlich gelungen ... .




Cheers,

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Demian
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#9 Re: Rilke

Beitrag von Demian » Mi 22. Jan 2014, 13:38

Lamarck hat geschrieben:
Mir scheint, nicht sonderlich gelungen ...

Ach, alle deine Worte sind hier so dermaßen gelungen, lass uns doch unser Wissen im Nichtwissen genießen. ;)

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