Die Wiederentdeckung des Klassenkampfs

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Novas
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#1 Die Wiederentdeckung des Klassenkampfs

Beitrag von Novas » Sa 10. Feb 2018, 19:11

piscator hat geschrieben:Ich denke, das Problem liegt eher darin, dass die SPD noch nicht erkannt hat, dass es die alte Arbeiterschaft aus der Nachkriegszeit schon lange nicht mehr gibt.

Das wird gerne erzählt. Es heißt, dass es keinen Klassenkampf mehr gibt, aber de facto gibt es ihn immer noch. Nicht nur von unten, sondern auch von oben. Allerdings verbietet es die politisch korrekte Sprache diesen Begriff zu verwenden und das Kind beim Namen zu nennen :) Doch ich liebe es solche mentalen Barrieren zu durchbrechen ...

Der Kampf um die Kontrolle des Cyberspace ist im Grunde eine Klassenfrage, was beweist, dass der Klassenkampf lebendig und wohlauf ist. Als Präsident Obama beschuldigt wurde, den »Klassenkampf« in die Politik zu tragen, protzte Warren Buffet: »Es gibt vielleicht Klassenkampf, aber es ist meine Klasse, die Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.« Wenn Klassenkampf noch immer ein Anathema im öffentlichen amerikanischen Diskurs ist, so kehrt dieses Thema mit voller Kraft in Hollywood zurück. Man muss nicht lange nach Klassenkampf suchen - ob es uns gefällt oder nicht, wir finden ihn schnell und unverhofft. Denken wir an postapokalyptische Blockbuster (oder sogar Videospiele) wie Neill Blomkamps Elysium (2013), im Jahr 2154 angesiedelt, in dem die Reichen in einer gigantischen Raumstation leben, während der Rest der Bevölkerung auf einer zerstörten Erde lebt, die wie ein riesiges lateinamerikanisches Armenviertel aussieht. Dieser Film ist der bislang letzte in einer Serie, die mit John Boormans Zardoz (1974) beginnt, der eine postapokalyptische Erde im Jahr 2293 zeigt, mehrheitlich bewohnt von den "Brutalen", normalen Menschen, die unter elenden, gewalttätigen Bedingungen leben. Sie werden von den "Ewigen" beherrscht, die eine privilegierte Gruppe von Brutalen, genannt "Kämpfer Zardoz" (im Original: Exterminators) als ihre Kriegerklasse benutzen, um die normalen Brutalen unter Kontrolle zu halten.

Die Kämpfer Zardoz beten den Gott Zardoz an, einen großen, fliegenden, hohlen Steinkopf, dessen Botschaft lautet: "Waffen sind gut, der Penis ist schlecht. Der Penis verschießt Samen und bringt neues Leben hervor, um die Erde mit der Plage der Menschen zu vergiften wie früher einmal, aber die Waffen töten und reinigen die Erde von dem Schmutz der Brutalen. Macht weiter ... und tötet!" Die Zardoz-Gottheit versorgt die Kämpfer mit Waffen, während diese sie mit Getreide versorgen, um die Ewigen zu ernähren, die in Vortex leben, einer abgesonderten Gemeinschaft zivilisierter Menschen, beschützt von einem unsichtbare Kraftfeld. Die unsterblichen Ewigen führen ein angenehmes, aber bedrückendes Leben, und wie vorherzusehen endet der Film mit der Zerstörung des Schutzschilds, so dass die Ewigen Sex und Sterblichkeit wiederentdecken. Diese Filme spielen in Gesellschaften, die radikal an Klassengrenzen entlang geteilt sind[...]
~ Slavoj Žižek, Ärger im Paradies (Vom Ende der Geschichte zum Ende des Kapitalismus)

Das klingt nicht nach einer Einladung zu einer lustigen Geburtstagsparty. Es ist kein Zufall, dass solche Filme in Hollywood laufen, denn sie sind ein Spiegel für das kollektive Bewusstsein und Ereignisse in der realen Weltpolitik. Darüber hinaus sei auf dieses Buch verwiesen...

Europa steht am Scheideweg. Der Flüchtlingsstrom und der islamistische Terrorismus stürzen den Kontinent in die wohl größte Krise der Nachkriegszeit. Mit Nächstenliebe und Toleranz werden wir diese nicht überwinden. Denn beide Phänomene sind vor allem ein Symptom des globalen Kapitalismus und des daraus resultierenden neuen Klassenkampfs. Wer ganze Weltregionen und Bevölkerungsgruppen von Wohlstand und sozialer Teilhabe ausschließt, braucht sich nicht wundern, wenn dadurch Gesellschaften auseinanderbrechen und Menschen zu religiös-ideologischen Extremisten werden oder in unser Land streben. Die eigentliche Bedrohung unserer westlichen Gesellschaftsform besteht daher in der Dynamik des globalen Kapitalismus. Das bedeutet: Wir müssen unsere westlichen Werte unbedingt verteidigen und uns zu diesem Zweck von realitätsfremdem Empathiedenken befreien und fremden Kulturen reell gegenübertreten, um mit Ihnen koexistieren zu können. Vor allem aber müssen wir die ökonomischen Gründe der Flüchtlingsströme und des Terrors ausmerzen – und sei es mit Hilfe einer neuen kommunistischen Utopie. Wir haben ein Recht, für unseren westlichen Lebensstil und unsere europäischen Werte zu kämpfen; aber wir haben kein Recht, die Welt in Teilhaber und Ausgeschlossene aufzuteilen.

Die Schonzeit für den Westen ist vorüber

Nicht die Flüchtlinge gefährden unsere Gesellschaft – vielmehr bedroht das globale Kapital die gesamte Weltordnung. Für Slavoj Žižek, einen der wichtigsten Denker der Gegenwart, sind Flucht und Terror die Folgen eines neuen Klassenkampfes. Welche Chance haben wir noch, uns und unsere Werte zu retten?
Der neue Klassenkampf: Die wahren Gründe für Flucht und Terror

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