Der letzte Auschwitz-Prozess

Politik und Weltgeschehen
closs
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#21 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 00:27

Pluto hat geschrieben:die Rede ist hier von Nazi-Verbrechen im Holocaust, und nicht von Franco oder der CIA.
Die Rede ist doch von denen, die die sogenannte "Rattenlinie" betrieben haben und der "Pflichten" dieser Betreiber - so hast Du gefragt. - Meine Gegenfrage ist: Wo ist die Rechtsgrundlage dafür? (Die "moralische" Ebene ist zu diffus, um damit etwas Konkretes zu beantworten)

Pluto hat geschrieben:Hier decken sich die moralische und die staatliche Ebene
So sollte es sein. - Aber auch das ist keine Rechtsgrundlage - was "Pflicht" ist, definiert man in einer säkularen Gesellschaft über das Gesetz. - Und die Geistlichen über IHRE Gesetze (die sie selbstverständlich oft mal verraten - aber auch das ist normal).

Pluto hat geschrieben:Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Auch dieser Begriff muss juristisch verankert sein. - Ich persönlich halte bspw. die Handlungen, die zum Finanz-Crash geführt haben, für ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". - Ich kann nicht erkennen, dass dies als solches juristisch verankert wurde.

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sven23
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#22 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 07:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Historiker können von keinem dokumentierten Fall berichten, wo jemand verurteilt wurde, weil er sich geweigert hat, Frauen und Kinder zu ermorden.
Üblicherweise wurde man nicht verurteilt, sondern erschossen.
Auch ein Standgerichtsurteil ist ein Urteil, aber es sind keine solche Fälle bekannt. Was du meinst, sind Erschießunen, die es zum Kriegsende gegeben hat, weil manche zu früh die weiße Fahne rausgehangen haben, oder wegen Wehrkraftzersetzung, "Feindsender" hören und dergleichen.
Aber es sind keine Fälle bekannt, in denen man bei der Ermordung von Zivilisten von einem Befehlsnotstand sprechen konnte, das ist ein nachträglich entstandener Mythos, der als Schutzbehauptung aufgebaut wurde.


closs hat geschrieben: Ich weiss es nicht - für den kroatischen (?) Nazi-Bischof hätte sie sich schon entschuldigen können - zumal seine Linie bis in den Vatikan reichte.
Das meine ich doch auch.

closs hat geschrieben: Im übrigen: Es ist nicht die Aufgabe von Geistlichen, Menschen der weltlichen Gerichtsbarkeit zu übergeben. - LEtztlich ist jeder Mensch irgendwann eine arme Sau.
Es ist aber auch nicht ihre Aufgabe, Kriegsverbrecher der Strafverfolgung zu entziehen, was leztlich selbst auch wieder eine Straftat ist.

closs hat geschrieben:Die Rede ist doch von denen, die die sogenannte "Rattenlinie" betrieben haben und der "Pflichten" dieser Betreiber - so hast Du gefragt. - Meine Gegenfrage ist: Wo ist die Rechtsgrundlage dafür? (Die "moralische" Ebene ist zu diffus, um damit etwas Konkretes zu beantworten)
Die Rechtsgrundlage ist: Behinderung der Justiz, Strafvereitelung, Fluchthilfe. Das sollte im allgemeinen für eine Anklage reichen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#23 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 09:22

sven23 hat geschrieben:Aber es sind keine Fälle bekannt, in denen man bei der Ermordung von Zivilisten von einem Befehlsnotstand sprechen konnte, das ist ein nachträglich entstandener Mythos
Kann ich nicht nachprüfen. - Möglicherweise hat man dann Leute versetzt - oder Soldaten sind selber in die Gaskammer, weil sie es nicht mehr ausgehalten haben (ist belegt).

Der eigentliche SChwerpunkt liegt wahrscheinlich wo ganz woanders: Die Leute haben wie überall ihren "Job" gemacht. - Natürlich ist es historisch und juristisch etwas anderes, ob man den Holocaust betreibt (Völkermord) oder den Tod von Zivilisten bei kriegerischen Handlungen de facto billigend in Kauf nimmt (man nennt das dann "Kollateralschaden") - aber psychologisch eben nicht. - Und wir reden hier ja nicht von einem historischen Vergleich, sondern wie der Mensch tickt.

Wenn ich die Stimmen der damaligen Überlebensgeneration psychologisch (!!) zusammenfasse, die aus dem einfachen Volk kommen, war der Judenmord
a) Folge eines langjährigen Ressentiments - so wie es das heute noch bei "Zigeunern" und jetzt verstärkt bei "Asylanten" und jetzt gerade besonders stark bei "Griechen" der Fall ist.
b) Transponierung dieses Ressentiments in Handlung wie etwa "Reichskristallnacht" - so wie heute Asylantenheime angezündet werden.
c) gruppen-dynamische Entgleisungen, die zum Holocaust führten.

Das Volk, das im wesentlichen nur Staatsmedien zur Information hatte, wusste von c) wirklich relativ wenig - ich habe diesbezüglich vor 20 Jahren viel mit Zeitzeugen gesprochen - übrigens auch meinem Vater, der 18jährig im Jahr 1939 als Soldat an die polnisch-russische Grenze geordert wurde und dann 1947 aus Kriegsgefangenschaft zurückkam. - Da hatte man andere Sorgen, als sich über das, was in Deutschland innenpolitisch passiert, Gedanken zu machen.

Natürlich haben viele von denen, die - das war hier das Thema - in den KZs aktiv waren, ihre "Mission", ihren "Job" mit Überzeugung getan, weil es für ihre "Nation" war. - Insofern ist es psychologisch dasselbe, ob der Einzelne es als seine "Mission" ansieht, Juden zu vergasen oder Terroristen zu waterboarden.

Damit es jetzt nicht wieder (gewollte?) Missverständnisse gibt: Wir sprechen hier NICHT von einem historischen Vergleich, sondern von einem psychologischen Vergleich in Bezug auf den Einzelnen - und Strafgerichtsprozesse (siehe Thread-Titel) sind nun mal Individual-Veranstaltungen und keine historischen Würdigungen.

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sven23
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#24 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 09:35

closs hat geschrieben: Wenn ich die Stimmen der damaligen Überlebensgeneration psychologisch (!!) zusammenfasse, die aus dem einfachen Volk kommen, war der Judenmord
a) Folge eines langjährigen Ressentiments - so wie es das heute noch bei "Zigeunern" und jetzt verstärkt bei "Asylanten" und jetzt gerade besonders stark bei "Griechen" der Fall ist.
b) Transponierung dieses Ressentiments in Handlung wie etwa "Reichskristallnacht" - so wie heute Asylantenheime angezündet werden.
c) gruppen-dynamische Entgleisungen, die zum Holocaust führten.

Ja sicher, Progrome und Völkermorde müssen immer propagandistisch/medial vorbereitet und begleitet werden.
Im Falle des Antisemitismus kann man aber die Religion, das NT und die Kirche nicht aus der Verantwortung entlassen. Der Boden für den Holocaust ist 2000 Jahre lange gründlich vorbereitet worden.
Wenn man auch noch davon ausgeht, daß Gott die Bibel so gewollt hat, dann kann man auch ihn nicht aus der Verantwortung entlassen und muß letzlich die Frage stellen. Ist Gott ein Antisemit?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#25 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von ThomasM » Fr 17. Jul 2015, 09:39

sven23 hat geschrieben: Auch ein Standgerichtsurteil ist ein Urteil, aber es sind keine solche Fälle bekannt. Was du meinst, sind Erschießunen, die es zum Kriegsende gegeben hat, weil manche zu früh die weiße Fahne rausgehangen haben, oder wegen Wehrkraftzersetzung, "Feindsender" hören und dergleichen.
Aber es sind keine Fälle bekannt, in denen man bei der Ermordung von Zivilisten von einem Befehlsnotstand sprechen konnte, das ist ein nachträglich entstandener Mythos, der als Schutzbehauptung aufgebaut wurde.
Es ist durch Experimente und auch durch Beobachtungen in realen Situationen erwiesen, dass jeder, aber auch jeder Mensch durch geeignete äußere Maßnahmen zum Verbrecher, Mörder, Folterer und Unterdrücker werden kann.
Das Nazi-Regime war mit Sicherheit eine Konstruktion, in der ganz normale Menschen eine solche Wandlung erfahren konnten.
Die Geschehnisse im zweiten Irak-Krieg macht so etwas nur noch deutlicher.

Ein Strafmaß sollte solche Situationen berücksichtigen und das wurde im aktuellen Fall auch getan.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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sven23
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#26 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 10:01

ThomasM hat geschrieben: Es ist durch Experimente und auch durch Beobachtungen in realen Situationen erwiesen, dass jeder, aber auch jeder Mensch durch geeignete äußere Maßnahmen zum Verbrecher, Mörder, Folterer und Unterdrücker werden kann.
Das Nazi-Regime war mit Sicherheit eine Konstruktion, in der ganz normale Menschen eine solche Wandlung erfahren konnten.
Vielleicht nicht gerade jeder, aber im Prinzip schon. Das war ja gerade das erschreckende, daß die Mörder und Folterer des Naziregimes nur zu einem verschwindend kleinen Prozentsatz aus echten Sadisten bestand, sondern mehrheitlich "normale" Menschen, brave Familienväter usw. aus der Mitte der Gesellschaft waren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#27 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von closs » Fr 17. Jul 2015, 10:16

ThomasM hat geschrieben:Ein Strafmaß sollte solche Situationen berücksichtigen und das wurde im aktuellen Fall auch getan.
Genau so ist es - Deiner Herleitung kann ich nur zustimmen.

sven23 hat geschrieben:Im Falle des Antisemitismus kann man aber die Religion, das NT und die Kirche nicht aus der Verantwortung entlassen.
Stimmt - man hätte das NT gar nicht stattfinden lassen dürfen, weil erst dadurch das "Schisma" zwischen Juden und Christen stattfand. - Man hätte auch die Französische Revolution nicht stattfinden lassen dürfen, weil nur so Napoleon entstehen konnte und nur so eine europäische Geschichte des 19.Jh. geschehen konnte und nur so ein 1. Weltkrieg geschehen konnte und nur so der Nationalsozialismus und nur so die Judenverfolgungen stattfinden konnte. - Merkste was?

sven23 hat geschrieben:Ist Gott ein Antisemit?
Unwahrscheinlich - schließlich war Jesus ein Jude. ;)

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#28 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von sven23 » Fr 17. Jul 2015, 10:22

closs hat geschrieben:Stimmt - man hätte das NT gar nicht stattfinden lassen dürfen, weil erst dadurch das "Schisma" zwischen Juden und Christen stattfand. - Man hätte auch die Französische Revolution nicht stattfinden lassen dürfen, weil nur so Napoleon entstehen konnte und nur so eine europäische Geschichte des 19.Jh. geschehen konnte und nur so ein 1. Weltkrieg geschehen konnte und nur so der Nationalsozialismus und nur so die Judenverfolgungen stattfinden konnte. - Merkste was?
Ja, ich merke, daß Gott ziemlich egal ist, was die Menschen so treiben. ;)

closs hat geschrieben: Unwahrscheinlich - schließlich war Jesus ein Jude. ;)
Richtig, er war kein Christ und wollte auch keine neue Religion gründen.
Trotzdem nahm Gott den Holocaust billigend in Kauf, wenn man es konsequent zu Ende denkt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#29 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von Queequeg » Fr 17. Jul 2015, 10:43

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Wenn ich die Stimmen der damaligen Überlebensgeneration psychologisch (!!) zusammenfasse, die aus dem einfachen Volk kommen, war der Judenmord
a) Folge eines langjährigen Ressentiments - so wie es das heute noch bei "Zigeunern" und jetzt verstärkt bei "Asylanten" und jetzt gerade besonders stark bei "Griechen" der Fall ist.
b) Transponierung dieses Ressentiments in Handlung wie etwa "Reichskristallnacht" - so wie heute Asylantenheime angezündet werden.
c) gruppen-dynamische Entgleisungen, die zum Holocaust führten.

Ja sicher, Progrome und Völkermorde müssen immer propagandistisch/medial vorbereitet und begleitet werden.
Im Falle des Antisemitismus kann man aber die Religion, das NT und die Kirche nicht aus der Verantwortung entlassen. Der Boden für den Holocaust ist 2000 Jahre lange gründlich vorbereitet worden.
Wenn man auch noch davon ausgeht, daß Gott die Bibel so gewollt hat, dann kann man auch ihn nicht aus der Verantwortung entlassen und muß letzlich die Frage stellen. Ist Gott ein Antisemit?

Danke!

Ich bin der Meinung, das es sich durch die Jahrhunderte nachhaltig und zweifelsfrei belegen lässt, das der Holocaust auch, ich betone auch eine schwarze und unheilvolle Frucht des Christentums ist.

Die christliche "Haltung", durch die Jahrunderte den Juden gegenüber, musste dann zwangsläufig im Inferno des Holocaust enden.

Ich habe dazu einen Thread angestoßen, wollen wir einmal sehen, wie es sich fügt.

ThomasM
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#30 Re: Der letzte Auschwitz-Prozess

Beitrag von ThomasM » Fr 17. Jul 2015, 10:43

sven23 hat geschrieben: Trotzdem nahm Gott den Holocaust billigend in Kauf, wenn man es konsequent zu Ende denkt.
Wenn man es konsequent zu Ende denkt, dann hat Gott den Menschen billigend in Kauf genommen. :D
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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